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05-08-2022 | Talentmanagement | Interview | Article

"Das Management fremdelt noch mit der neuen Arbeitswelt"

Author: Angelika Breinich-Schilly

3:30 min reading time

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Viele Jahre hat die Bankenbranche in Deutschland an der Kostenschraube gedreht und hierbei auch Stellen abgebaut. Doch mit der Zinswende ändert sich die Stimmung in vielen Häusern. Wo die Institute ihr Personal aufstocken und wen sie suchen, erläutert Personalexperte Andreas Krischke.

 

Springer Professional: Banken sind wieder auf der Suche nach Fachkräften, nachdem über Jahre Stellen in diesen Häusern eher abgebaut wurden. Was sehen sie als Auslöser für diese Entwicklung?

Lange Zeit haben niedrige Zinsen die Banken in ihrem Kerngeschäftsmodell extrem unter Druck gesetzt und final zu Kosteneinsparungen und Entlassungen geführt. Auf der anderen Seite haben alle anderen Finanzdienstleister, deren Geschäftsmodell in der Kapitalanlage bestand, von der Niedrigzinsphase profitiert: So ließen niedrige Zinsen die Aktienkurse steigen und mit Ihnen automatisch die Managementgebühren von Asset Managern. Aufgrund niedriger Finanzierungskosten konnten Private Equity Fonds ihre Rendite erheblich steigern. Und auch im Immobilienmarkt schossen die Verkaufspreise mit niedrigen Finanzierungskosten nach oben und bescherten den Immobiliengesellschaften eine satte Wertentwicklung.

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Personalpolitik

Der Vertrieb von Finanzdienstleistungen ist und bleibt sehr häufig People Business. Viele Unternehmen können sich weniger mit dem Produkt als vielmehr mit den Mitarbeitern vom Wettbewerb positiv abheben. Der Personalpolitik kommt deshalb - auch und insbesondere im Rahmen der Vertriebssteuerung - eine sehr erfolgskritische Rolle zu.

Diese Entwicklung führte zu einer Abwanderung von Bankern in Richtung Asset Manager, Private Equity und Debt oder Real Estate. Mit der Zinswende könnte das Pendel wieder in Richtung Bank ausschlagen, denn die EZB schenkt den Banken zusätzliche Zinserträge, und weitere Zinserhöhungen werden erwartet. Es gibt Bereiche in Banken, die allein aufgrund der Zinswende ihre Jahresziele schon fast erreicht haben und demensprechend ihre Personallücken aus der Vergangenheit wieder füllen dürfen. Hohe Inflation, gestörte Logistikketten, fallende Bewertungen von Technologiewerten und die Ukraine-Krise lassen Banker zwar noch nicht gerade in Partylaune verfallen, aber die Grundstimmung nach der Zinswende ist auf jeden Fall positiv.

Nun haben klassische Banken, Fin- und Insurtechs sowie Vermögens- oder Anlageberatungen schon immer unterschiedliche Schwerpunkte gehabt, wenn es um den Personalbedarf geht. Wie sieht das aktuell aus? 

Früher ließen sich die Disziplinen und damit die Qualifikation der Mitarbeiter klar zuordnen. Heute sind die Grenzen häufig fließend. Ein Bankexperte für strukturierte Finanzierung kann heute bei einem Debt Fund arbeiten, bei einem Versicherer die Kapitalanlage im Bereich Kreditinvestments steuern, bei einem Fonds für erneuerbare Energien für die günstigsten Fremdkapitalfinanzierungen sorgen oder zu einem Fintech wechseln, das eine Plattform für Finanzierungen anbietet. Das Silodenken hat auch in der Finanzindustrie endlich ein Ende gefunden.

Für welche Bereiche werden besonders häufig Jobs ausgeschrieben? 

In erster Linie versuchen Banken im Moment, die Lücken zu füllen, die aus der Abwanderung zur Investment-Branche entstanden sind: Leveraged Finance Banker und Projektfinanzierer sind zu Fonds gewechselt, M&A-Banker haben sich für Private Equity oder Venture Capital entschieden, Corporate oder Transaction Banker haben bei Fintechs angeheuert, und viele andere mehr. 
Hinzu kommen Projektmanager, die die zunehmende Kooperation mit Fintechs oder externen Dienstleistern steuern und koordinieren müssen. Die Bank der Zukunft wird einen Großteil der Wertschöpfungskette nicht mehr inhouse abbilden, sondern über externe Dienstleister Skaleneffekte nutzen. Eine zentrale Voraussetzung für diese Jobs ist Digitalkompetenz, denn letztendlich dreht sich hierbei alles um die Automatisierung von Geschäftsprozessen und das Management ihrer Schnittstellen.

Was müssen Kandidaten mitbringen, um für eine Bank oder einen anderen Finanzdienstleister infrage zu kommen?

Führungskräfte in der Finanzbranche werden zunehmend neben ihrer fachlichen Expertise auf eine generalistische Ausbildung angewiesen sein. Die Transformation der Branche kann nur gelingen, wenn sich das Management schnell auf neue Geschäftsmodelle einstellen und neue unternehmerische Ideen erfolgreich umsetzen kann. Bei der Suche wird heute schon sehr auf Führungs- und Projektmanagement-Kompetenz geachtet - die idealerweise in einer anderen Branche erworben wurden. 

Und welches Arbeitsumfeld müssen die Unternehmen bieten, um für Bewerber interessant zu sein?

Eine Option über zwei Tage Homeoffice pro Woche sollte Standard sein. Aber vor allem kulturell gilt es einiges anzupassen. Die Banken haben begonnen, ihr Image als Arbeitgeber wieder aufzupolieren, aber die Branche ist immer noch von einer Vergangenheit geprägt, in der der Vorstand einen eigenen Aufzug nutzte. Heute hingegen finden Mitarbeiter es attraktiv, wenn das Management mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Der Kulturwandel ist angestoßen, aber in vielen Häusern fremdelt das Management noch mit der neuen Arbeitswelt. Bis die Wünsche der jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei jeder Vorständin und jedem Vorstand Standard sind - das kann noch etwas dauern.

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