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16-02-2021 | Recruiting | Schwerpunkt | Article

Wenn bei der Führungskräfteauswahl das Los entscheidet

Author: Andrea Amerland

3:30 min reading time

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Unternehmen investieren viel in die Eignungsdiagnostik von Führungskräften. Doch obwohl die Verfahren aufwändig sind, bringen sie nicht immer das gewünschte Ergebnis. Eine Studie legt nahe, dass Firmen dabei besser den Zufall entscheiden lassen sollten.

"Die Diagnostik der Führungseignung und die Kompetenzentwicklung im Bereich Führung sind zwei der wichtigsten Aufgaben im Personalmanagement", schreiben Rafaela Kraus und Tanja Kreitenweis über die "Messung von Führung in der Personalauswahl und -entwicklung". Neben der fachlichen Eignung sind bei der Führungskräfteauswahl die so genannten Soft Skills, also soziale und persönliche Kompetenzen, das entscheidende Kriterium, betonen die beiden Expertinnen für Personalmanagement.

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Digitalisierung der Management-Diagnostik

Aktuelle Instrumente, Trends, Herausforderungen

In kurzer Zeit hat die Corona-Zäsur die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen spürbar vorangetrieben, auch in der Personalwirtschaft. In diesem Herausgeberband beschreiben dazu HR-Praktiker und Wissenschaftler ihre jeweilige Lösung, um die Management-Diagnostik an die fortschreitende Entwicklung anzupassen.

Methoden bei der Personalauswahl

Dazu prüfen Personalverantwortliche via Assessment Center und zumeist mehrerer persönlicher Gespräche Kandidaten auf Herz und Nieren für die optimale Passung. Nicht selten sind zudem auch noch Personalberatungen im Boot, um die besten Bewerber zu vermitteln. Bis eine Führungsposition auf diese Weise besetzt ist, können Monate ins Land gehen. Die Eignungsdiagnostik wird unter Umständen zu einer kostspieligen Angelegenheit. Oft werden dabei folgende Methoden eingesetzt, schreibt Katrin Fellner im Buchkapitel "Demografische Einflüsse auf die Personalauswahl" (Seite 23): 

  • Dokumentenanalyse wie zum Beispiel die Analyse von Lebensläufen, Arbeitszeugnissen oder der Ergebnisse von Internetrecherchen,
  • direkte mündliche Befragungen wie Interviews oder das Einholen von Referenzauskünften,
  • Verfahren zur Verhaltensbeobachtung und -beurteilung wie beispielsweise Rollenspiele, Gruppendiskussionen oder Präsentationen,
  • messtheoretisch fundierte Fragebögen wie Interessens- oder Persönlichkeitsfragebögen und
  • messtheoretisch fundierte Analysen mit Intelligenz- oder Situational Judgement Tests.

Zufall statt Eignungsdiagnostik bei Führungspositionen?

Ein Forscherteam aus Deutschland und der Schweiz plädiert allerdings dafür, dass sich Unternehmen den ganzen Aufwand sparen können, indem sie bei der Besetzung von Führungsposten einfach den Zufall entscheiden lassen. Ihre Empfehlung basiert dabei auf den Ergebnissen einer Studie, die sie an der ETH Zürich durchgeführt haben. 

Dabei prüften die Wissenschaftler, ob sich das Verhalten von Anführern verändert, wenn diese zufällig in diese Funktion kamen. Dazu beantworteten mehr als 800 Probanden zunächst Wissensfragen und sollten anschließend einschätzen, bei wie vielen Fragen sie richtig lagen. Daraus leiteten die Forscher das Ausmaß an Selbstüberschätzung bei den Probanden ab. Anschließend wurden die Gruppenanführer nach folgendem Muster ermittelt:

  • Wer in einer Gruppe die meisten Fragen richtig beantwortet hatte, wurde Anführer.
  • Der Anführer einer Gruppe wurde per Zufall ermittelt.
  • Die drei Probanden mit den meisten richtigen Antworten kamen in die Endauswahl. Dann entschied das Los.

In einem zweiten Schritt erhielten die Anführer einen Topf Geld, den sie unter den Mitgliedern verteilen oder selbst behalten durften. Dabei zeigte sich: 

  • Probanden, die ihre Leistung bei den Wissensfragen überschätzten, missbrauchten ihre Macht als Anführer stärker als andere, indem sie mehr Geld für sich selbst behielten. 
  • Hatte hingegen der Zufall und nicht die Leistung über die Auswahl des Anführers entschieden, war dieses Fehlverhalten weniger ausgeprägt. Chefs, die per Münzwurf bestimmt wurden, waren demnach bescheidener und neigten weniger zu Selbstüberschätzung und Hochmut. 

Die ETH-Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass sich Machtmissbrauch und Fehlverhalten von Managern bereits durch die Personalauswahl vermeiden ließen, wenn Unternehmen ihre Führungskräfte per Losverfahren ermittelten. 

Die dunkle Triade bei Führungskräften

Denn das "Streben nach Macht fern von Ethik" bei Managern hat nicht unerhebliche Folgen für Organisationen und dass Personen mit hohen Tendenzen zur so genannten dunklen Triade leichter in Führungspositionen gelangen, hat die Forschung hinreichend belegt, erläutern die Psychologen Sandra Julia Schiemann und Eva Jonas in der Zeitschrift "Organisationsberatung, Supervision, Coaching", Ausgabe 2/2020: Die so genannte dunkle Triade bei Führungskräften führt demnach unter anderem dazu (Seite 254 ff.):

  • seine Kompetenzen zu überschätzen,
  • Entscheidungen auf Basis von Eindrucksmotivation zu treffen,
  • sich schnell angegriffen zu fühlen,
  • das zwischenmenschliche Beziehungen durch narzisstische Verhaltensweisen negativ beeinflusst werden,
  • die Performance des Unternehmens sinkt,
  • sich Beschäftigte emotional erschöpft, angespannt und depressiv fühlen, nicht mehr so produktiv arbeiten können und keine Handlungsoptionen mehr sehen,
  • das Konflikte und Aggression die Arbeitsatmosphäre bestimmen bis hin zu Mobbing oder sexueller Belästigung,
  • die Mitarbeiterfluktuation hoch ist,
  • mehr Klagen und juristische Auseinandersetzungen auf Unternehmen zukommen.

Fazit: Unternehmen sind gut beraten, neben der psychologischen Eignungsdiagnostik bei der Führungskräfteauswahl auch über neue Verfahren und Methoden nachzudenken. Vielleicht ist dabei das Prinzip Zufall via Münzwurf oder Losverfahren zwar auf den ersten Blick erschreckend, weil experimentell. Aber letztendlich können sich Unternehmen auf diese Weise womöglich vor Narzissten und Psychopathen in den Führungsetagen schützen.

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