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2012 | Buch

Abgründe der Informatik

Geheimnisse und Gemeinheiten

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Über dieses Buch

Was Sie schon immer über die Informatik und „die Informatiker“ wissen wollten, aber bisher nie zu fragen wagten: Hier hat es Alois Potton notiert: Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten hat er seine geheimen Anekdoten in 80 gemeine Glossen gegossen, die den alltäglichen Wahnsinn und die Absurditäten der IT-Szene persiflieren. Potton erwischt sie alle bei seinem Blick hinter die Kulissen. Unternehmensberater werden genauso aufs Korn genommen wie Jahr-2000-Profiteure. Sicherheitsfanatiker kriegen ihr Fett ebenso weg wie Frauenbeauftragte (Sorry: Gleichstellungsbeauftragte). „Noshownen“ werden ähnlich bissig karikiert wie der Genderwahnsinn. Ganz besonders gerupft werden aber E-Techniker und Software-Ingenieure. Von den „Theoretikern“ in ihren Elfenbeintürmen ganz zu schweigen… Die gesammelten Absurditäten sind ein Spiegel der Entwicklung der IT-Szene mit ihren positiven Facetten sowie vor allem mit ihren Fehlentwicklungen. Fern jeder Fachidiotie sind die Pottonschen Glossen auch für Nichtinformatiker verständlich. Auch Vertreter anderer Berufsgruppen oder Fachdisziplinen werden sich über analoge Vorgänge in ihrem Bereich amüsieren oder beleidigt fühlen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Vormärz: Wie alles anfing

Frontmatter
Kapitel 1. Abkürzungsfimmel

Ist es Ihnen nicht auch schon so ergangen? Sie sitzen nichts ahnend in der Kaffeepause, und Ihr Kollege, ein ekelhafter Kerl, labert irgendetwas von einer neuen Sache – gespickt mit unverständlichen Abkürzungen. Das brauchte Sie ja nicht weiter zu stören, wenn Sie nicht merken würden, dass er auf Ihren Chef heftigen Eindruck macht. Gerade murmelt er etwas von

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. Was ist das nun schon wieder?

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urks? Hoffnungslos, Sie kommen nicht drauf! Irgendwie haben Sie das Gefühl, dass es dieses blöde ATM wirklich geben könnte, vielleicht nicht als Realität, aber möglicherweise als Traum. Besonders unangenehm ist, dass Sie niemand fragen können, ohne Ihre Unkenntnis preiszugeben. In Zeitschriften oder Büchern zu suchen ist auch zwecklos, denn wenn Sie den Begriff wirklich finden, wird er sicher als bekannt vorausgesetzt und mit zusätzlichen Abkürzungen noch diffuser. Ergebnis ist eine zunehmende Depression und die konkrete Gefahr, in der innerbetrieblichen Hackordnung auf ewig und eindeutig hinter Ihren ekelhaften Opponenten zurückzufallen – mit allen gehaltlichen Konsequenzen.

Alois Potton
Kapitel 2. Modernismen

Deutschland ist ein geradezu grausam fortschrittliches Land, besonders was neue Medien und neue Dienste angeht. Diese Neuerungen sollen das Leben für den Großteil der Bevölkerung vereinfachen, weil: durch andere Begleiterscheinungen werden die Lebensumstände eh’ schon verkompliziert. Also erwarten wir durch die neuen Dienste mindestens ein Nullsummenspiel bzgl. der Lebensqualität.

Alois Potton
Kapitel 3. Fuzzy

Bisher kamen Neuentwicklungen und Trends auf dem Computersektor so gut wie immer von jenseits des großen Teichs zu uns, also vom fernen Westen her. Dies gilt für alle die wohlbekannten zeitlich aufeinander folgenden Systemphasen als da sind: ‚Vision‘, ‚freudige Erwartung‘, ‚Hysterie‘, ‚Mühsal des täglichen Umgangs‘ und ‚Verzweiflung‘. Selbstredend alles mit dem gebührenden zeitlichen Abstand (neudeutsch: Time-Lag). In Deutschland kommt häufig noch die Phase ‚Kassandrarufe der Kostenrechner‘ dazu.

Alois Potton
Kapitel 4. Zum Beratungsgeschäft

Warum halten sich Unternehmen eigentlich Berater??? Ich habe geahnt, dass diese Frage Sie überraschen wird, denn natürlich wissen Sie über die Tatsache an sich Bescheid, aber wozu man das Instrumentarium der Beratung eigentlich braucht, wird Ihnen möglicherweise unklar sein. Die folgenden Ausführungen sollen (und werden hoffentlich) Aufschluss über Sinn bzw. Unsinn des Beratungswesens schaffen.

Alois Potton
Kapitel 5. Professionelle(?) Seminare

Wie ist das eigentlich mit so genannten Management- oder Fortbildungsseminaren? Haben Sie dort nicht auch schon ähnliche Beobachtungen wie die im Folgenden beschriebenen gemacht?

Alois Potton
Kapitel 6. Über Buchbesprechungen

Na sieh mal einer an. Sie haben die „Alois Potton“-Kolumne gefunden! Das ist eigentlich wenig wahrscheinlich – und deswegen ist diese Rubrik ja vielleicht für den Nichtleser geschrieben. Ernstzunehmende Untersuchungen behaupten nämlich, dass Beiträge in technisch-wissenschaftlichen Zeitschriften im Durchschnitt nicht mehr als eineinhalb Leser finden, den Autor eingeschlossen!! Und wegen der inflationsartig zunehmenden Zahl von Zeitschriften soll die Leserschaft bzw. -willigkeit sogar ständig sinken. Zum Glück ist aber unsere Rubrik weder technisch noch wissenschaftlich, daher könnte die Bereitschaft zum Lesen vielleicht etwas höher sein. Aber jetzt kommt das große Problem: Sie müssten sich ja normalerweise über die Buchbesprechungen hinweg vorgearbeitet haben. Oder sollten Sie etwa wie bei Tageszeitungen eher antizyklisch lesen, also von hinten nach vorn, beim Sport anfangend und vor der schwerverdaulichen Politik aufhörend?

Alois Potton
Kapitel 7. Großrechner und die Zipfsche Regel

In PIK stehen manchmal schon sehr interessante Artikel (das finden Sie doch auch – oder nicht?). In Heft 2/92 war zum Beispiel einer über die Zipf’sche Regel. Eine Frage vorweg: Was ist beim Apostroph im Wort „Zipf’sche“ eigentlich weggelassen worden, auf dass dieses Sonderzeichen seine Berechtigung verdiene? Wahrscheinlich überhaupt nichts – und deshalb ist dieser Apostroph wie viele andere seiner Art nichts als eine lästige Unsitte. Dieser angelsächsische Apostroph greift aber immer weiter um sich: In Eichstätt hat es nahe beim Dom ein Bierstüber’l, und in Nürnberg wirbt eine Gaststätte gar mit dem Slogan „Hier kannst Du futtern wie bei Mutter’n“.

Alois Potton
Kapitel 8. Theorie und Praxis

Historische Entwicklungen verlaufen wellenförmig. Damit hängt zusammen, dass gleiches Verhalten abhängig vom Zeitpunkt unterschiedlich bewertet wird – es kann Vorbildfunktion haben oder aber total abgelehnt werden.

Alois Potton
Kapitel 9. Über Übersetzungen

Warum muss eigentlich jedes popelige englische Fachbuch mit geziemender Verzögerung eine deutschsprachige Übersetzung erhalten? Na klar, wird die/der Verlagsbeauftragte sagen: Weil es sich eben rechnet! Aber ist es auch wirklich notwendig oder sinnvoll?

Alois Potton
Kapitel 10. Sprichwörtliche Kommunikation

Ein bulgarisches Sprichwort, das es möglicherweise auch bei anderen Nationen in ähnlicher Form gibt, heißt: „The shoemaker is always with the bad shoes“. Der frühere IFIP-Präsident Blagoev Sendov pflegte diesen Spruch zu verwenden, wenn er auf die offensichtlichen Unzulänglichkeiten der Informatik hinweisen wollte. Es scheint, dass das Sprichwort gerade bei Kommunikationssystemen in besonderer Weise zutrifft (siehe unten). Übrigens im Gegensatz zu vielen anderen Sparten, denn betrachten Sie nur einmal die Titelbilder von Lukullus (das ist die Wochenzeitung der Fleischerinnung) oder meinetwegen diejenigen von der Bäckerblume. Dort sieht man Würste respektive Kuchen zuhauf, aber die Produkte der gegnerischen Partei werden völlig ignoriert. Wenn’s hoch kommt, begeben sich beide quasi auf neutrales Terrain und zeigen einen norwegischen Räucherlachs – zusammen mit Roastbeef oder aber mit diversen Brötchensorten – je nachdem. Oder man lichtet z. B. in der Bäckerblume als Alibi eine Scheibe Schinken bzw. einen grünen Salat ab, eingerahmt von Toastscheiben, Laugenbrezeln etc. Das versteht sich von selbst und niemand kann etwas dagegen haben

Alois Potton
Kapitel 11. Fluch der Technik

Als Verkaufsargument für technologische Neuerungen dient häufig der Hinweis auf gesteigerte Annehmlichkeit bzw. auf höhere Lebensqualität. Und in der Tat gibt bzw. gab es Beispiele dafür, wo derartige Effekte eingetreten sind. Nehmen Sie als Beispiele etwa die Waschmaschine oder meinetwegen einen Flaschenzug. In letzter Zeit werden solche positiven Wirkungen allerdings zunehmend seltener – in nicht wenigen Fällen scheint eher eine Verschlechterung für den Kunden angestrebt worden zu sein. Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln und von den dort installierten modernen Fahrscheinautomaten können ein Lied davon singen.

Alois Potton

Frühlingserwachen: Startschwierigkeiten

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Kapitel 12. „Some Issues of…“

Lexika sind heutzutage viel zu unpräzise, der eigentliche Wortsinn wird nur selten getroffen. Ein Musterbeispiel dafür ist das Wort „Issue“. Hier findet man als deutsche Entsprechung z. B. „Ausgabe“, „Exemplar“, „Streitfrage“, „Erlass“ und zehn weitere Angebote. Alles schön und gut, aber lasch und wenig zutreffend. Viel passender fände ich die Version „ebenso sinn- wie halt- und belangloses Gebrabbel“. Besonders dann, wenn der Kontext lautet „some issues of…“. So beginnen nämlich mit Vorliebe die Titel eingeladener Beiträge auf internationalen Konferenzen, und ihr Inhalt entspricht leider nur allzu oft der genannten Umschreibung.

Alois Potton
Kapitel 13. Konzeptlose Konzepte

Die Welt der Informatik ist übervoll mit Konzepten. Nehmen Sie nur einmal den Datenbankbereich: Kein Monat, nicht einmal eine Woche vergeht ohne ein neues Datenbankkonzept oder meinetwegen ein neues Datenbankschema. Würde auch nur jedes tausendste neue Konzept realisiert, die Welt könnte sich nicht mehr retten vor Datenbanken – mit allen nur denkbaren Inkompatibilitäten. Es ist also direkt ein Segen, dass die praktische Umsetzung eines neuen Konzepts weniger wahrscheinlich ist als ein Hauptgewinn im Lotto beim Ausfüllen des ersten Lottoscheins.

Alois Potton
Kapitel 14. Mögen Manager Messen?

„Was denn, Sie waren nicht auf der … Systems, CeBIT, Online,…“? (oder wie diese Computerfachmessen alle heißen mögen). Diese Frage stellt Ihnen Ihr werter Kollege mit einem Blick, der etwa zu gleichen Teilen Verblüffung, Unverständnis, Missachtung und Mitleid verrät. Anscheinend fürchtet oder (vielleicht eher!) hofft er, dass Sie mit der rasanten Entwicklung nicht mehr Schritt halten können, dass Sie ihre Midlifecrisis nehmen und in die innere Emigration abmarschieren, dass es mit Ihrer Karriere jetzt unweigerlich den Bach runter gehen wird.

Alois Potton
Kapitel 15. 15 = 1111

Dies ist bereits die laufende Nummer 15 von „Alois Potton hat das Wort“. Eigentlich ja keine besonders „runde“ Zahl im Dezimalsystem, aber im Binärsystem doch irgendwie regelmäßig (15 = 1111). Jüngere Informatiker werden das als zu technologiebezogen oder als allzu hardwarenah gar nicht mehr verstehen, denn sie orientieren sich nur noch an Objekten, sie programmieren nur noch funktionallogisch. Nach ihrem Diplom werden sie dann gleichsam zur Strafe jahrzehntelang lang als COBOL-Künstler agieren. Aber das ist ein anderes Thema.

Alois Potton
Kapitel 16. Referenzmodelle

Die meisten werden den ekelhaften Kerl kennen, die Ausgeburt von bürokratischen Gremienhirnen: den ATM-Würfel.

Alois Potton
Kapitel 17. Editorials

Es kommt vor, dass gewisse Dinge durch die real existierende Entwicklung überholt werden – und das ist mit der aktuellen Folge der Alois-Potton-Kolumne geschehen. Haben doch tatsächlich Sebastian Abeck und Walter Gora für Heft 95/1 ein ausgezeichnetes, weil informatives, Editorial verfasst!! Damit wird die Berechtigung der im Folgenden trotzdem dargebotenen Ausführungen zu solchen Geleitworten ein wenig in Frage gestellt. Aber die weit überwiegende Mehrzahl von Geleitworten ist so oder ähnlich wie unten beschrieben. Das zitierte Geleitwort möge als Vorbild für viele Nachahmer dienen getreu dem Motto: „Gora et Labora!“. Der bereits vor Erscheinen von Heft 95/1 vorbereitete Text geht jetzt los.

Alois Potton
Kapitel 18. Zum Datenschutz

Mit dem Datenschutz ist es so eine Sache. Einerseits natürlich eine Selbstverständlichkeit. Andererseits: der Benutzer riskiert, von seinen eigenen Schutzmaßnahmen überfordert zu werden – zum Beispiel dann, wenn er in vorbildlicher Weise seine Passwords häufig ändert und komplizierte Zeichenfolgen dafür verwendet. Dann ist es so gut wie sicher, dass er nach einem versumpften Wochenende seine Zugangsberechtigungen verloren haben wird. Also wird Normalkunde/kundin entweder den Vornamen von Freundin oder Freund als Password benutzen (und das solange bis dieser sich ändert) oder aber das aktuelle gültige komplizierte Password im Notizbuch bzw. auf der Unterseite der Tastatur eintragen. Beides kommt häufig vor, und der resultierende Schutz ist dann genau besehen eher geringer als wenn man gar keine Maßnahmen ergriffen hätte.

Alois Potton
Kapitel 19. Komplexitätstheorie

Aufwandsabschätzungen machen Sinn. Das schönste Konzept taugt nichts, wenn es wegen unzureichender Berücksichtigung wichtiger Parameter wie Kosten, Laufzeit,… nicht funktioniert. Es ist also angebracht, sich bereits beim Systementwurf über die zu erwartende Komplexität der Realisierung Gedanken zu machen. Unsere Studierenden beschäftigen sich leider meist nur selten oder gar nicht mit solchen Aufwandsüberlegungen – z. B. haben sie (überraschenderweise?) häufig kein Gespür für Kosten. Viele spätere Fehlentscheidungen sind auf diesen Mangel zurückzuführen.

Alois Potton

Mailüfterl: Wo bleibt das Echo?

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Kapitel 20. Seamless Legacy

Dass der Mensch vom Affen abstammt, dafür gibt es zahlreiche Anhaltspunkte. Einer davon ist die Beobachtung, dass in vielen Bereichen bedenken- und gedankenlos nachgeäfft wird. Das gilt natürlich für Modefragen (breite versus schmale Hosenbeine, Mini- oder Maxi-Röcke, Revers oder Nicht-Revers,…), aber auch für Informations- und Kommunikationstechniken. Viele werden jetzt an die zahllosen neu entstehenden Abkürzungen denken, die nur zu einem geringen Teil Sinn machen, denn welchen Zweck hat eine Abkürzung, die nur ein einziges Mal gebraucht wird – und das trifft für nicht wenige Abkürzungen zu! Diese Unsitte ist aber bei aller Unvermeidlichkeit noch halbwegs erträglich, denn man kann getrost viele Abkürzungen „auslassen“ – in der berechtigten Hoffnung, dass sie bald vergessen sein werden. Außerdem sind auch etablierte Abkürzungen manchmal auf überraschende Weise anders belegt; das musste einer meiner Mitarbeiter kürzlich feststellen, der bei einer WWW-Suche nach Literatur zu ATM auf ein „ATM Journal“ stieß, welches sich dann als „Amateur Telescope Maker Journal“ entpuppte – und vielleicht interessanter ist als „das übliche ATM“.

Alois Potton
Kapitel 21. Projekte

Man ist heute nichts mehr ohne Projekte. Schon gar nicht an Universitäten. Und erst recht nicht in Nordrhein-Westfalen, wo die jährlichen Reisemittel gerade für eine einfache Fahrt zweiter Klasse von Köln nach Siegburg reichen. Wer sich die Welt ansehen will, ist auf Urlaubsreisen oder auf den Fernseher angewiesen. Um an dieser misslichen Situation etwas zu ändern, gibt es nur einen einzigen Ausweg: ein Projekt muss her! Aber wie soll man sich da anstellen?

Alois Potton
Kapitel 22. Multimedia

Es ist kaum noch zu ertragen, das dauernde Multimediagedöns. Keine Woche vergeht, ohne dass ein neues multimediales Referenzzentrum eingeweiht wird. Kaum eine wissenschaftlicher Beitrag verzichtet auf die Erwähnung von mindestens einmal „multi…“ in seinem Titel. IEEE/ACM Trans. on Networking, vol. 2, nr. 6, 1994 zum Beispiel verwendet fünfmal „multi“ in gerade einmal sechs Manuskripttiteln (private communication by Rolf Hager, AEG Ulm, jetzt Telekom Bonn).

Alois Potton
Kapitel 23. Das Internet als Kostensenker

Das Internet ist zweifelsfrei recht nützlich. Diese Binsenweisheit wird inzwischen auch landauf, landab (erst recht aber stadtein, stadtaus) akzeptiert; na ja, vielleicht abgesehen von einigen (manchmal sogar überraschenderweise als innovationsfreudig eingeschätzten) halsstarrigen Institutionen, auf die soll es mir aber nicht ankommen.

Alois Potton
Kapitel 24. Sex, Lügen und Video

So oder so ähnlich heißt ein Kinofilm, der vor einigen Jahren gedreht wurde. Wenn der geneigte Leser jetzt allerdings glauben sollte, dass sich das Folgende auf alle drei Komponenten des Filmtitels bezieht, dann ist er auf eine kleine List hereingefallen: Es geht nämlich noch nicht einmal um Video, geschweige denn um Sex, sondern allein um das Thema „Lügen“, genauer gesagt um Ausreden, die uns das Leben erleichtern, aber auch erschweren können. Schon der Titel des Beitrags ist ja eine solche Ausrede.

Alois Potton
Kapitel 25. Programmausschuss

Keine Konferenz kommt ohne Ausschuss aus, d. h. ohne Programm-Ausschuss. Böse Zungen lästern, dass der Name dieses Gremiums nicht selten etwas mit der Qualität seiner Tätigkeit zu tun hat. Ein anderer Name für dieselbe Gruppierung ist „Komitee“, aber auch der ist (siehe „Zentralkomitee der ehemaligen DDR“) in gewisser Weise vorbelastet.

Alois Potton
Kapitel 26. Die Frauenbeauftragte

Der Anteil von Frauen in vielen zukunftsträchtigen Berufen ist jämmerlich niedrig – und er sinkt sogar noch. Es hat bereits Anfängervorlesungen im Fach Informatik mit Hunderten von Teilnehmern gegeben, ohne eine einzige Teilnehmer

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! Also „Unisex“, wobei dieses Wort sich im fremdsprachigen Ausland häufig im Schaufenster von Friseuren findet und wohl bedeutet, dass dort Haarschnitte sowohl für Männlein als auch für Weiblein ausgeführt werden. Derlei Gleichbehandlung ist eigentlich das Gegenteil von dem, was sich zurzeit an deutschen Hochschulen und auch anderswo bzgl. des Frauenanteils in Informatik und Ingenieurwissenschaften abspielt.

Alois Potton
Kapitel 27. Virtuelle Konferenzen

Ein Tagungsbesuch – nicht zuletzt in fernen Ländern – gehört zu den eher angenehmen beruflichen Begleiterscheinungen. Natürlich nur solange die Termine nicht überhandnehmen und wenn man nicht Austrian Airlines mit dem Drehkreuz Wien-Schwechat benutzt. Tut man dieses nämlich, dann wird man unzweifelhaft Huhn aufgetischt erhalten (ein Bekannter will ein Buch schreiben über „200 Rezepte wie man Hühner schlecht zubereitet“, das werde ich mir auf jeden Fall kaufen). Außerdem – und das ist unangenehmer – wird die Kabine bei Start und Landung (bei Umsteigen in Wien also mehrfach!) mit österreichischer Musik beschallt. Diese künstliche Champagnergaloppspritzigkeit mit ihrem blöden „Dahdeli-Diláppapah“ ist unerträglich.

Alois Potton
Kapitel 28. Gut gemeint und schlecht geraten

Neue Technologien sind zunächst einmal etwas Feines: Es eröffnen sich wundervolle Möglichkeiten zur Verbesserung, Verschönerung oder Vereinfachung. Wenn man allerdings etwas genauer hinsieht, dann ist es manchmal recht zweifelhaft, ob die auf diese Weise entstandenen Produkte besser, schöner oder einfacher geworden sind. Mein Eindruck ist, dass sie durch amateurhaften und unbedachten Einsatz neuer Werkzeuge nicht selten hundsgemein schlecht werden. Einige Beispiele.

Alois Potton
Kapitel 29. Das Zornsche Lemma

Das Zornsche Lemma ist ein zum Auswahlaxiom äquivalentes Resultat der Mengenlehre, das auf Max Zorn zurückgeht. Es besagt: Ist G = (G, £ ) eine teilweise geordnete Menge, in der jede nichtleere Kette K nach oben beschränkt ist, so gibt es in G maximale Elemente. Eine Kette K ist dabei eine durch £ total geordnete Teilmenge von G. Diese heißt nach oben beschränkt, wenn ein a Î G existiert mit x £ a für alle a Î K. Allgemein gibt es zu jedem b Î G ein maximales Element m mit m £ b.

Alois Potton
Kapitel 30. Podiumsdiskussionen I

Es ist ein Kreuz mit der Ausrichtung von Tagungen: Weil es so viele davon gibt, kommt die erforderliche Menge an brauchbaren Vortragsmeldungen nur noch ganz selten zusammen. Mit schöner Regelmäßigkeit erhält man daher eine Nachricht, wonach das Datum für die spätest mögliche Abgabe nach hinten verschoben wird. „Due to popular demand we have postponed the deadline until…“. Ist die Formulierung „due to popular demand“ nicht herrlich? So ähnlich wie: „Auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Herren“. Kann es einen überzeugenderen Beweis für unzureichenden Eingang qualifizierter Beiträge geben?

Alois Potton
Kapitel 31. Podiumsdiskussionen II

Die letzte Zeile dieses einleitenden Gedichtchens bezieht sich auf einen traurigen Unfall an der Pont de l’Alma in Paris und musste aus Rücksichtnahme auf das britische Königshaus unvollständig bleiben. Alois Potton ist eben „politically correct“ (haha!).

Also ein neuer Anlauf zum Thema „Panel discussion“ (nach den leeren Versprechungen in der vorigen Glosse): Die normale Podiumsdiskussion bei technischen Konferenzen ist von einer Gesprächsrunde à la Arabella Kiesbauer oder Bärbel Schäfer annähernd so weit entfernt wie der Jupiter von der Erde.

Alois Potton

Zeitenwende: Y2K und Gleichberechtigung

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Kapitel 32. WEITUKÄH

Der nächste Jahreswechsel ist ein besonderer. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung markiert er allerdings nicht das Ende des zweiten Jahrtausends n. u. Z. (nach unserer Zeitrechnung; DDR-Jargon, mit dem das Wort Christus und auch die Abkürzung „Chr“ vermieden werden sollte). Den alten Römern waren die Zahl (und das Jahr) Null unbekannt, weshalb das aktuelle Jahrtausend noch ein Jahr länger dauern wird als vielerorts angenommen. Es wird außerdem vermutet, dass Christi Geburt bereits im Jahr minus 6 erfolgte. Bei korrekter Zählung hätten wir demnach schon einige Jahre des dritten Jahrtausends hinter uns und der nachfolgend angesprochene Kuddelmuddel wäre längst passé. Wir hätten auch kein Problem, wenn wir nach dem islamischen, jüdischen oder buddhistischen Kalender rechnen würden, denn die haben momentan ganz unauffällige Jahreszahlen.

Alois Potton
Kapitel 33. Werbeseiten

Wie in anderen Zeitschriften gibt es auch in PIK (bezahlte?) Werbeseiten. Ihr Wert oder ihre Wirkung für den Werbetreibenden ist aber vielleicht manchmal etwas zweifelhaft. Betrachten wir etwa Heft 3/99:

Auf der Innenseite des vorderen Umschlags findet sich eine ganzseitige Anzeige des treuen Kunden dpunkt-Verlag. [Ich weiß nicht, warum ich beim Namen dieses Verlags regelmäßig auf nicht ganz jugendfreie Gedanken komme. Vielleicht liegt das ja auch an einem der dort vorgestellten Buchtitel, nämlich „Safer Net“].

Alois Potton
Kapitel 34. Extero-propriozeptives Feedback

Die Informations- und Kommunikationstechnik wird immer lateinischer. Es gehört offenbar zum guten Ton, auf seine humanistische Bildung aufmerksam zu machen, z. B. mit Veranstaltungen zum Thema „Informatik – cui bono?“ Oder mit Sülzereien wie „Ceterum censeo, dass mutatis mutandis… Aber: Suum cuique! Immerhin gilt a fortiori und a posteriori, dass der Computer ubiquitär wird“.

Alois Potton
Kapitel 35. Jahresberichte

Durch zu deutliches Betonen eines Sachverhalts erreicht man häufig einen unerwünschten oder gegenteiligen Effekt. Man weist nämlich dadurch ungewollt auf Schwächen hin, die andernfalls nicht so offensichtlich gewesen wären.

Alois Potton
Kapitel 36. Teleteaching

Es gibt unterschiedliche Formen der Wissensvermittlung. Der technische Fortschritt führt zu immer neuen Möglichkeiten und zu neuartigen Experimenten – auf den ersten Blick zum Vorteil des Lernenden und auch des Lehrenden. Ob sich aber ein wirklicher Nutzen einstellt, ist durchaus nicht selbstverständlich.

Alois Potton
Kapitel 37. ILOVEYOU-Viren und anderes Gewürm

Bevor wir zum Titelthema kommen, möchte Alois posthum geziemend darauf hinweisen, dass am WEITUKÄH-Wirbel (Y2K) – wie in einer früheren Glosse vorhergesagt – nichts, aber auch überhaupt nichts, dran war; abgesehen natürlich von der Geldmacherei. Als die ersten Jahreswechselbilder aus Sydney kamen und Australien weder explodierte noch stromlos war, da war der Käse schon gegessen. Natürlich bliesen unsere professionellen Hysteriker zu Rückzugsgefechten und behaupteten, erst beim Wechsel zur GMT-Zeit einige Stunden später werde es so richtig krachen. Tat es aber nicht! Die Schwarzseher prophezeiten daraufhin, bisher habe man unverdientes Glück gehabt, jetzt würde aber am nächsten Arbeitstag, also am Montag, 3. Januar 2000, die unvorbereitete Software kleinerer Firmen den Geist aufgeben, was sie natürlich keineswegs tat. Es folgte eine Vorhersage bzgl. verhungernder Rentner aufgrund fehlerhafter Abrechnungen und somit ausbleibender Zahlungen am Januar-Ende. Den Sozialminister hätten ja vielleicht die auf diese Weise möglichen Einspareffekte interessiert, aber seine Hoffnung (wenn er sie denn hatte) blieb ebenso unerfüllt wie eine Vielzahl von anderen Erwartungen.

Alois Potton
Kapitel 38. Zertifikate

„Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt“, so oder so ähnlich lautet das bekannte Sprichwort. Und das stimmt in der Tat, denn der Umgang mit neuen Kommunikationsmedien wird immer komplexer und schweißtreibender.

Alois Potton
Kapitel 39. Ulmer, Berber und Nomaden

Viele hilfreiche Dinge hat die Informationstechnik bereitgestellt, das muss man ihr lassen. Nehmen wir nur einmal die Textverarbeitungssysteme. Auch der Undankbarste wird zugeben, dass z. B. Microsoft Word trotz aller Merkwürdigkeiten doch recht nützlich sein kann. Die Dokumente werden durch Ge- und Missbrauch von Copy and Paste zahlreicher und länger. Ob die Gesamtmenge an

wirklicher Information

sich dadurch in gleicher Weise erhöht, ist eine andere Frage.

Alois Potton
Kapitel 40. EUROphobia

Nach dem von interessierter Seite losgetretenen lächerlichen WEITUKÄH-Wirbel (siehe „Alois Potton“ in PIK 3/99 und in PIK 4/00) steht nun die zweite und für lange Zeit wohl auch letzte Mega-Herausforderung des Informationszeitalters unmittelbar bevor: die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung. Das Jahrtausendproblem WEITUKÄH (Y2K) ist ja vorhersehbar glimpflich an uns vorübergegangen, auch der Jahreswechsel 2000/2001 hat daran nichts mehr ändern können. Die Krakeeler sind straffrei ausgegangen, nicht einmal ihre wissenschaftliche Reputation ist beschädigt worden (o sancta scientia!), sie haben sich sogar nicht selten gewaltig an der von ihnen verursachten Hysterie bereichert.

Alois Potton

Bergfest: Unverwechselbare Stilmittel

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Kapitel 41. Standardisierung

Überall fehlt es an standardisierten Lösungen: Steckt man zwei x-beliebige Komponenten zusammen, die angeblich zueinander passen, dann werden sie zuerst nicht und später – wenn überhaupt – nur mit großer Mühe und nach Erledigung ebenso verwirrender wie schweißtreibender Operationen zusammenarbeiten. Für Produkte verschiedener Hersteller gilt das quasi per Naturgesetz, aber auch bei absoluter Herstellertreue ist man vor Überraschungen keineswegs gefeit. Außerdem hat Herstellertreue ihren Preis.

Alois Potton
Kapitel 42. Die neue deutsche Furchtsamkeit

Der Verlag, der denselben Namen hat wie das zu Ende gegangene ereignisreiche Jahr 2001, hat ein Buch herausgegeben, das sämtliche Glossen und Parodien von Umberto Eco aus den Jahren 1963–2000 enthält. Eine wirklich wunderschöne und lehrreiche Monographie. Ich will ein Zitat daraus verwenden, das laut Umberto Eco auf den amerikanischen Humoristen Shelley Berman zurückgeht. Dieser Weise hat vorhergesagt, man werde demnächst ein Sicherheitsauto erfinden, bei dem die Türen sich nur von innen öffnen lassen. In der Tat scheint der Zeitpunkt für solche Absurditäten zumindest im Kommunikationsbereich unmittelbar bevorzustehen, denn Sicherheitsbedenkenträger haben Hochkonjunktur.

Alois Potton
Kapitel 43. Vom Entropietod des Konferenzwesens

Vor Ihnen (zur Erklärung: vor dem Leser des damals aktuellen Zeitschriftenhefts) liegt ein Themenheft jener Sorte, die dem Verlag und den Herausgebern manchmal Bauchschmerzen bereiten. Es verlangt vom Leser nämlich Nachdenken, Grundlagenwissen und auch einige theoretische Vorkenntnisse. Der Verlag fürchtet dann (vielleicht nicht ganz unbegründet), dass der eine oder andere Leser solche Hefte ignoriert und eventuell sogar sein Abonnement kündigt. Daher sind wir recht sparsam mit solchen Heften geworden. Eigentlich ist es ja pervers, wenn man sich vor anspruchsvollen Themen wegen des eventuell drohenden Volkszorns fürchtet. Es ist eine Art von Minderwertigkeitskomplex gegenüber despektierlichen Äußerungen bzgl. „Greek letter papers“, wobei in diese Kategorie alle Manuskripte fallen, die irgendwelche Formeln beinhalten. Allerdings ist das Aufbegehren gegen griechische Buchstaben nicht ganz unberechtigt (natürlich gilt das nicht für die Beiträge des vorliegenden Hefts!). Theorielastige Konferenzen sind in die Krise geraten, wie sich z. B. an den Teilnehmerzahlen vieler Veranstaltungen unschwer ablesen lässt, vor allem aber an der quasi totalen Abstinenz nichtuniversitärer Teilnehmer. Ich habe mir über die Gründe dieser Entwicklung ein paar krumme Gedanken gemacht und glaube, dass die Krise sowohl logisch begründet als auch unvermeidlich ist. Weiterhin bin ich zur Überzeugung gelangt, dass praxisorientierte Konferenzen zwangsläufig infiziert und ebenfalls in den Abgrund gerissen werden, was eine Art von Entropietod des Konferenzwesens ist. Im Folgenden will ich versuchen, meine Vermutung zu begründen.

Alois Potton
Kapitel 44. Der Bachelor, ein armer Hund?

An den deutschen Universitäten rumort es: Zu lange Verweilzeiten, zu hohe Abbrecherquoten, zu viel Theorie und zu wenig Praxis, immer weiter sinkendes Niveau, zu geringe Internationalisierung,… Insgesamt also: zu wenige echte Reformen. Daher greift jetzt ein Reformationsgeist um sich, der den von Martin Luther deutlich in den Schatten stellt. Frei nach dem Motto: Alles muss umgestaltet werden, dann wird’s schon besser werden.

Alois Potton
Kapitel 45. Drängler, Dussel, Diktatoren

Die neuen Kommunikationstechniken – allen voran natürlich das Internet – machen Abläufe dramatisch viel schneller: Postlaufzeiten entfallen, Korrekturen von Manuskripten lassen sich im Nullkommanix erledigen. Alles wird viel besser. Da sollte man meinen, die gewonnene Zeit könne jetzt zum Relaxen genutzt werden. Man könnte sich jetzt also theoretisch gesehen mehr Zeit lassen und die pünktliche Ablieferung etwa eines Gutachtens immer noch schaffen. Die Deutsche Bahn verwendet solche Strategien listigerweise dadurch, dass sie ihre Pünktlichkeit durch Verlängerung der Fahrzeiten zu verbessern sucht (aber auch damit ist sie, wie jeder leidvoll weiß, nicht gerade erfolgreich). So brauchte zum Beispiel der schnellste Zug für die Strecke Aachen – Köln im Jahre 1960 gerade mal 36 min, heute geht das laut Fahrplan bestenfalls in 43 min.

Alois Potton
Kapitel 46. KWOSS

Alle Welt redet heutzutage über Dienstgüte, neudeutsch „Quality of Service“, abgekürzt QoS = KWOSS. Und von KWOSS-Diensten werden nicht nur Qualitäten, sondern sogar Garantien(!) verlangt. Dabei ist das mit Garantien so eine Sache: Es gibt Hersteller von Matratzen, die dem Kunden eine zwanzigjährige Garantie auf ihre Produkte versprechen. Mich hat es schon immer brennend interessiert, was passieren würde, wenn man ca. 18 Jahre nach dem Kauf mit solch einem hinreichend versifften Matratzenexemplar beim Produzenten aufkreuzen und die Garantieleistung einfordern würde (?!). Ich bezweifle, dass jemals jemand die Kühnheit zu einer solch verwegenen Aktion besessen hat. Wahrscheinlich wäre so etwas auch faktisch unmöglich. Es ist nämlich ziemlich sicher, dass der Matratzenhersteller innerhalb des 18-Jahres-Zeitraums in Konkurs gegangen ist oder mindestens insolvent wurde. Letzteres ist ja momentan große Mode: Wer nicht insolvent ist, der ist überhaupt nicht mehr „in“. Weil man also ernsthaft in Erwägung ziehen muss, dass Hersteller während der Garantiezeit den Weg zum Konkursrichter antreten müssen, sollte man sich vielleicht ernsthaft fragen, ob in der heutigen Zeit die sechsmonatige Garantie auf einen Siemensstaubsauger noch irgendeinen real existierenden Wert hat.

Alois Potton
Kapitel 47. Von PIK zu PIC?

Es ist soweit: Eine weitere Bastion ist gefallen, nämlich das Festhalten der PIK an Beiträgen in deutscher Sprache! Das übrigens sehr gut gelungene (Themen)-Heft 2/2003 ist nämlich – abgesehen vom Inhalt natürlich – nur dem/der verständlich, der/die mit dem Angelsächsischen einigermaßen vertraut ist. Ich hatte den Eindruck, dass die deutschen Themen am Ende des Hefts zum Beispiel über „Innovation und intellektuelles Eigentum“ oder über „Informationsmanagement als Teil der Unternehmensführung“ ein wenig provinziell wirkten – vielleicht deswegen, weil die englische Sprache vornehmer ist, jedenfalls in unserer Branche.

Alois Potton
Kapitel 48. SPAM

Eine Drecklawine überrollt uns ähnlich den Schlammfluten, welche nach der Schneeschmelze diverse Alpentäler heimsuchen und unpassierbar machen. Die neue Lawine ist elektronisch und wir verdanken sie der Leichtigkeit des Versendens von Nachrichten an viele Adressaten gleichzeitig. Das hat viele zwielichtige Gestalten dazu veranlasst, aller Welt diverse Angebote zweifelhaften Inhalts zu machen. Woher wissen die Absender dieser Nachrichten eigentlich, dass ich Interesse oder Bedarf an diesen Angeboten habe? Nun gut, den Anlass dazu habe ich vielleicht schuldhaft dadurch gegeben, dass ich mir vor geraumer Zeit einmal eine ähnliche Nachricht aus Schussligkeit oder auch aus Neugier angesehen habe. Ich geb’s ja zu. Aber fragen tue ich mich doch, woher diese Müllschleuderer wissen, dass ich diverse körperliche Gebrechen habe und dass ich zudem total verschuldet bin. Ich vermute einmal, dass die Verursacher der SPAM-Flut dies eben nicht wissen, sondern dass sie einfach nur die Streubreite maximieren und wie mit einer Schrotflinte losballern in der Hoffnung, vielleicht doch irgendetwas oder irgendjemanden zu treffen. Leider sind Spam-Produzenten (noch?) schwer zu entlarven bzw. müssen wenig für den Vertrieb ihres Schrotts bezahlen, sonst würden sie es ja aufgeben.

Alois Potton
Kapitel 49. Drittmittel

Die vorliegende Ausgabe ist von den bisherigen 49 Kolumnen diejenige, die am knappsten vor ihrer Drucklegung geschrieben wurde. Dass Alois derart in Zeitnot geriet, hat mehrere Gründe.

Alois Potton
Kapitel 50. ConfTools

Neue Möglichkeiten verleiten den IT-Experten häufig zu missbräuchlicher Nutzung, die nicht selten bizarre Ausmaße annimmt. Ich will das an einigen Beispielen zu belegen versuchen. Das erste davon ist nicht IT-bezogen, aber immerhin zahlentheoretisch und besonders absurd. Es hat mit Bahnhöfen zu tun, genauer gesagt mit dem Hauptbahnhof von Stolberg (Rheinland). Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass dieses mickrige Gelände mit seinen wenigen Gleisen den großmächtigen Titel Hauptbahnhof führen darf. Die Berechtigung dafür wird wohl daraus hergeleitet, dass es einen zweiten noch winzigeren Haltepunkt in der Kupferstadt Stolberg gibt. Größenwahnsinnig ist aber auf jeden Fall die Nummerierung der drei Bahnsteige, die es dort gibt. Sie lautet nämlich: 1, 2 (soweit noch ganz normal) und – man kann es nicht glauben – 43 (!). Welcher Wahnsinnige kann auf eine solche Schnapsidee verfallen? Dieser Mensch wollte vielleicht beweisen, dass er bis weit über 10 hinaus zu zählen in der Lage ist.

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Oktoberrevolution: Die Exzellenzinitiative

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Kapitel 51. 25 Jahre KiVS

In Berlin (West) und nur in Berlin sollte sie stattfinden, unsere KiVS-Tagung. An Berlin (Ost) war ja aus Wessi-Sicht vor 25 Jahren (Stand:2005) noch gar nicht zu denken und andere Lokationen der alten Bundesrepublik sollten als Veranstaltungsort auf immer und ewig ausgeschlossen sein. Und die KiVS sollte vom Niveau (das sowieso!) und auch von der Teilnehmerzahl her eine gleichfalls im Frühjahr organisierte kommerzielle Konkurrenzveranstaltung, deren Namen ich hier nicht nennen will, deutlich übertreffen. Diese Ziele wurden auch zeitweise erreicht, denn in der Berliner Frühzeit hatte die KiVS locker und leicht 750 zahlende Teilnehmer, viele davon aus der Industrie. Heute sind uns leider die Industriellen weitestgehend abhanden gekommen und die Teilnehmerzahl erreicht nur noch Bruchteile früherer Werte – mit sinkender Tendenz.

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Kapitel 52. Felix East Asia

Es gibt ein Problem, auf das ich bereits vor einem Jahr hingewiesen habe: Die IT-Themen werden langsam rar. Entweder sie sind schon abgearbeitet oder ich erkenne die neuen Trends nicht mehr (ich kann doch nicht permanent über die Unternehmensberater herziehen, das wäre ja albern). Nebenbemerkung: „Neue Trends“, das ist ja ein Duplikat wie „weißer Schimmel“. Mehrere Leser haben mir dankenswerterweise gut gemeinte Ratschläge für neue Themen gegeben, thanks in particular to Manfred Paul and to Werner Gora. Die Schwierigkeit mit der praktischen Umsetzung ist aber, dass diese Vorschläge für eine praktische Umsetzung nur bedingt taugen, denn das Verfassen der Kolumne ist schwieriger als vielleicht vermutet wird. Ich jedenfalls brauche eine Art Urknall oder einen Kickstart, danach geht es ziemlich leicht, aber ohne Urknall ist es eine pure Quälerei mit vorhersehbar jämmerlichem Resultat, so sehr ich mich auch anstrenge. Und besagter Urknall lässt sich eben nicht erzwingen.

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Kapitel 53. Die Exzellenz-Cluster-Initiative

Mit den deutschen Universitäten steht es nicht zum Besten (oder schreibt man das Wort „besten“ ab sofort mit kleinem Anfangsbuchstaben? Verfluchte Rechtschreibreform!). Der schlimme Zustand der Universitäten ist seit ewigen Zeiten bekannt – und es gab und gibt ungezählte selbst ernannte Experten, die daran herumdoktern und uns permanent neue Reformen verordnen, ohne dabei aber nachhaltige Erfolge zu erzielen. Vielleicht wäre eine Nicht-Veränderung zielführender als ständig neue „Ideen“, welche die Lage graduell immer weiter verschlechtern. Dieser Änderungswahn hat vergleichbare Wirkungen wie bei meinem Rechner: Sobald der Systemadministrator drangegangen ist mit dem Versprechen, eine garantiert noch viel tollere und schnellere neue Software zu installieren, arbeitet das Gerät langsamer als vorher. Die gefühlte Geschwindigkeit des Rechners ist sozusagen ein eindeutiger Beleg für die gut gemeinten, aber manchmal etwas übermotivierten Aktivitäten unseres Systembetreuers.

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Kapitel 54. Alois ist stolz auf sich!

In der Tat, Alois ist stolz auf sich. Nicht zuletzt wegen der offenbar gelungenen Kolumne zum Thema „Exzellenz-Cluster-Initiative“. Viele Kollegen und sogar Rektoratsvertreter haben sich erfreut oder begeistert gezeigt. Allgemeines Schulterklopfen! „Wie mähdzde dat eijendlisch, Jong?“. Gut, in Aachen sind solche Beiträge geduldet bzw. erwünscht, sogar im Rektorat. Vielleicht sieht das in anderen deutschen Landen etwas anders aus. Aber ich will die Gelegenheit nutzen, um einmal ein paar Tricks zu verraten, die beim Anfertigen einer solchen Kolumne nützlich oder notwendig sind. Möglicherweise hole ich mir durch diese Offenlegung Konkurrenz ins Haus, aber das macht nichts.

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Kapitel 55. Die Flatrate und andere Flachheiten

Flatrate ist ein Spezialtarif, der wie viele andere solcher Tarife (all-you-can-eat, Monatskarte, Ehe) das Ereignis total entwertet. Diese Erkenntnis stammt nicht von mir, sondern ist aus TITANIC (Dezemberheft 2005) entnommen. Es scheint mir aber nahe liegend zu sein, dass an dieser Weisheit etwas dran ist: Was nichts kostet oder was fixe Kosten verursacht, ist nichts oder wenig wert. Als gesichert kann gelten, dass die Flatrate eine Abkehr vom Gebot der Datensparsamkeit im Gefolge haben wird. Überlegungen zur strukturierten und effizienten Erstellung von Programmcode oder von Webseiten oder von was auch immer werden hinfällig und sogar als dumm oder einfältig verspottet werden. Dabei würde uns etwas Datensparsamkeit ganz gut zu Gesicht stehen. Denn dieses Prinzip würde so manchen Höchstleistungsrechner entbehrlich machen, wenn man dort nämlich bessere Programmiersprachen, leistungsfähigere Compiler und weniger altmodische Programme einsetzen würde anstatt dieselben uralten Codes mit immer mehr Mega-, Giga-, Tera-, Peta-, Exa-, Zetta- und Yotta-Flops durchzunudeln – um dann doch den Tsunami nicht vorhersagen zu können. Übrigens: der Name „Flop“ als Bezeichnung für eine Gleitkommaoperation (pro Sekunde), ist das nicht ein frappierendes Indiz für die vermutete Nützlichkeit solcher Rechenoperationen – sozusagen eine wirklich gelungene Freudsche Fehlleistung? Nebenbei bemerkt: Die Umkehrungen zu Mega, … Yotta heißen Mikro, Nano, Pico, Femto, Atto, Zepto und Yocto. Hätten Sie’s gewusst? Wahrscheinlich nicht, aber Wikipedia weiß alles!

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Kapitel 56. Pyrrhus-Siege

Pyrrhus (wie mag sich der Kerl eigentlich nach der Rechtschreibereform schreiben, vielleicht Piruss oder so?) war König der Molosser und Hegemon des Epirotenbundes. Er lebte von 319 bis 272 vor Christus (die Ossis würden sagen v. u. Z. = vor unserer Zeitrechnung) und sein Name wäre längst vergessen, wenn er nicht zwei unangenehme Eigenschaften gehabt hätte. Erstens hatte er Schweißfüße. Diese Erkenntnis ist das Hauptresultat einer an der Universität SFUSF2 (

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Kapitel 57. Θ bar

Das Tagungsgeschäft liegt danieder. Die inflationäre Zunahme von Veranstaltungen hat keineswegs zur Qualitätsverbesserung beigetragen, sondern das Gegenteil ist der Fall. Das Produkt von Veranstaltungszahl und Registrierungen ist konstant, was eigentlich eine triviale Erkenntnis ist, weil sich das Budget der in Frage kommenden Teilnehmer/innen nicht ins Uferlose steigern lässt. Folglich kommen zu den meisten Tagungen selten mehr Teilnehmer als das Veranstaltungsprogramm an Vorträgen ausweist.

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Kapitel 58. Anspruch und Wirklichkeit …

klaffen oft meilenweit auseinander. Das möchte ich an zwei Beispielen belegen, wobei eines meinem Steinbruch von Alois-Potton-Ansätzen entstammt und schon sehr lange dort herumliegt, weil es bisher keine Gelegenheit zur Verwertung gab. Es handelt sich um eine Werbefotografie, die Gertrud Höhler und ihren unsäglichen Sohn Abel angeblich beim Schachspiel zeigt. Gertrud Höhler, wer kennt sie noch? Es ist die von den Narren (im wahrsten Sinne des Wortes) des Aachener Karnevals-Vereins vor diversen Jahren ausgewählte „Ritterin wider den tierischen Ernst“, die dann aber eine so blamable Leistung bot, dass sie sich nie mehr zur Rückkehr in den Narrenkäfig traute, obwohl ihr das ja fürstlich honoriert würde. Geschäftlich war (oder ist?) sie wohl als Politik- oder als Unternehmensberaterin unterwegs, was eigentlich schon alles besagt.

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Kapitel 59. KiVS in Bern

Die KiVS-Tagung findet 2007 zum ersten Mal im Ausland statt, genauer gesagt in der Schweiz und sogar in der Bundeshauptstadt Bern. Die Geschichte wiederholt sich: Begann doch die KiVS-Tradition in der (damals sich allerdings noch nicht Bundeshauptstadt schimpfen dürfenden) Lokalität namens Berlin – um übrigens nie wieder dorthin zurückzukehren. Und auch die meisten von uns werden es nicht mehr erleben, dass die KiVS noch einmal in Bern aufschlagen wird, denn dazu gibt es doch allzu viele Klein- und Mittelstädte im deutschsprachigen Raum, die sich Universität nennen dürfen und die nach der vielleicht zweifelhaften Ehre der KiVS-Organisation gieren.

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Kapitel 60. Die Initiativstrafe und andere Gemeinheiten

Eines der wenigen Überbleibsel aus der ehemaligen DDR ist die „Initiativstrafe“. Ansonsten ist ja fast nichts geblieben außer dem Sandmännchen, dem Ampelmännchen, dem grünen Pfeil und der Wortschöpfung O-Saft (und meinetwegen noch „Plaste und Elaste“, aber auch das ist schon grenzwertig, weil beinahe ausgestorben).

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Indian Summer: Noshownen und andere Ind(ian)er

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Kapitel 61. Genderwahnsinn

Es ist noch nicht allzu lange her, da habe ich Gender für einen Flugplatz in Neufundland gehalten: weit weg, nur zum Auftanken, bedeutungslos, kein Thema. Diese Unkenntnis ist vatersbedingt. Denn dieser hatte die fixe Idee, mein Berufsziel müsse es sein, um den Altar zu turnen. Und er hatte mir zur Förderung dieses hoffnungslosen Unterfangens ein altsprachliches Gymnasium verordnet. Dort wurde ich dann mit Latein, Griechisch und auch mit etwas Hebräisch traktiert. Englisch galt als unfein und kam deshalb nicht vor. Als Folge davon kann ich heute (horribile dictu!) mit diversen lateinischen Floskeln um mich schmeißen – und mutatis mutandis ist mir die griechische Mythologie cum grano salis ebenso vertraut wie der trojanische Krieg. Weshalb ich zum Beispiel weiß, dass im trojanischen Pferd keine Trojaner versteckt waren.

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Kapitel 62. Die IETF

Sie ist eine der weltweit wichtigsten Organisationen, die IETF. Ihr Einfluss kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, vor allem in Asien, also in der Region, wo sowieso die Post abgeht. Jeden Einwohner des westlichen Bushvolks und auch die kaum zahlreicheren EU-ropäer kann man locker mit jeweils mehreren Indern oder Chinesen überdecken – von den Indonesiern, Japanern oder Thais einmal ganz abgesehen. Besonders aber das Bushvolk, das immer noch der irrigen Meinung anhängt, es hätte die IT-Entwicklung für sich gepachtet. Dabei befinden sich die

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Kapitel 63. Google-Scholarismus

Eine mehr als ärgerliche Seuche hat sich ausgebreitet, seitdem Google seinen „Scholar“ eingeführt hat. Man kann sie als „scholastica googelensis“ bezeichnen und es ist eine sehr gefährliche Krankheit. Sie führt nämlich zur Linearisierung aller Menschen und damit zu scheinbar perfekter Anordnung und zu einer blitzschnellen (aber vorschnellen!) vergleichenden Bewertung verschiedener Kandidaten. Es ist ebenso überraschend wie ärgerlich, dass von dieser linearisierenden Krankheit vorzugsweise unsere theorieorientierten Kollegen befallen werden, denen doch sonst kein Baum zu unendlich, kein Modell zu checkbedürftig, kein Automat zu unsinnig bzw. zu abstrus, kein Klapparatismus zu weltabgewandt ist. Gerade diese Kerle sind gläubige Anhänger des durch Google Scholar hervorgerufenen Linearisierungsvorgangs.

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Kapitel 64. Suchmaschinen und wie man sie überlistet

Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht von Suchmaschinen fasziniert wäre. Kann man doch mit diesen Werkzeugen eine ungeahnte Menge von mehr oder weniger nützlichen Informationen erhalten. Ob diese immer absolut zuverlässig sind, mag zwar dahingestellt bleiben. Aber da man sich jede Auskunft im Regelfall aus zig verschiedenen Quellen besorgen kann, besteht gute Hoffnung, dass sich durch statistische Mittelung ein hoher Zuverlässigkeitsgrad herausbildet. Viele lang dauernde und nicht selten in böse Feindschaft mündende Stammtischdebatten lassen sich so vermeiden. Zum Beispiel kamen wir neulich bei einem Kolloquiumstee zufällig auf die Frage, wem denn die sprichwörtlich gewordene Formulierung „wenn hinten weit in der Türkei…“ zu verdanken sei. Schnell konvergierten wir zur (richtigen) Meinung, der Autor müsse der unvermeidliche Goethe sein, aber die meisten von uns glaubten, das Zitat stamme aus „Hermann und Dorothea“. Diese Mehrheit, zu der auch ich gehörte, musste sich aber via Google überzeugen lassen, dass die Zitatstelle aus „Faust I“ stammt und folgendermaßen lautet:

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Kapitel 65. TPC’s mit und ohne Geräuschbelästigung

TPC: Für mich ist das nicht etwa „The Pension Consultancy“, der „Teen Prayer Congress“, der „Tournament Players Club“ oder eine andere Dechiffrierung dieses Dreibuchstabenkürzels, die Google als eine der 100 häufigsten Erklärungen anbietet. Nein, ein TPC ist eine unverzichtbare Komponente jeder größeren Veranstaltung und heißt ausgeschrieben „Technical Program(me) Committee“. Dabei steht „Technical“ im Gegensatz zu „Organisational“, was bedeuten soll, dass dieses Gremium sich um den inhaltlichen Ablauf der Veranstaltung kümmern soll, nicht aber um das Rahmenprogramm oder um die Kaffeepausen oder um die Finanzierung und Ausrichtung des Victory Dinners. Interessanterweise wird lange vor einer Tagung bereits ein „Victory Dinner“ für die (wenigen) bei der Veranstaltung anwesenden TPC-Mitglieder angesetzt. Von einem „Disaster Lunch“ habe ich dagegen noch nie etwas gehört, obwohl doch das Ergebnis (also ob die Sache nun zu einem Erfolg oder zu einer Katastrophe geraten ist) keineswegs von vornherein feststeht.

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Kapitel 66. Alois im Lande der Noshownen

Für diese Kolumne muss ich etwas weiter ausholen und zwar bis hin zu Karl May. Ein gar seltsamer Schriftsteller ist/war das: Zuerst verschlingt man seine zahlreichen Pamphlete geradezu, aber dann wird er im Laufe der Zeit so gut wie unlesbar. Es ist mir mittlerweile unverständlich, wieso mich seine missionarischen Ausführungen über die Vorzüge des Christentums und über die Schlechtigkeit der Sioux-Indianer in Kindheit und Jugend dermaßen begeistern konnten. Heute finde ich Karl Mays Werke einfach nur noch widerwärtig. Das ist ein wirklich merkwürdiges Phänomen, mit dem ich aber keineswegs allein stehe.

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Kapitel 67. Mischen und Wischen

So gut wie kein Unternehmen kann ohne es auskommen, das regelmäßig stattfindende Strategiemeeting nämlich. Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass ab und zu die generelle Richtung überprüft und neu bestimmt werden muss. Das gilt erst recht in unternehmerisch schwierigen Zeiten, wo das Überleben der Institution stark gefährdet zu sein scheint. Das Alte muss verwischt und die Karten müssen neu gemischt werden. „Mischen und Wischen“ („Mission and Vision“) nennt man den entsprechenden Vorgang in Umkehrung der eigentlich logischer scheinenden Wisch-Misch-Reihenfolge. Das heißt: Es sind sowohl missionarische als auch visionäre Ergüsse zur Perestroika (deutsch: Umgestaltung) gefordert. Ob sich solcherlei Bestrebungen dann aber in den Unternehmensalltag umsetzen lassen, steht auf einem völlig anderen Blatt.

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Kapitel 68. Aküfi, die Zweite

Diese Kolumne wird mit ein paar ziemlich an den Haaren herbeigezogenen Bemerkungen beginnen (um auf die für eine halbwegs gut gefüllte Seite benötigte Zeichenzahl zu kommen) und dann zum Thema AKÜFI wechseln. AKÜFI = Abkürzungsfimmel, so hieß die erste von inzwischen 68(!) Alois-Potton-Glossen. Nur die wenigsten Leser(innen) werden sich noch an eine so lange zurückliegende Zeit erinnern. Denn seit AKÜFI 1 sind ja mehr als 17 Jahre vergangen, weil die Glosse viermal jährlich erscheint und einige wenige Ausgaben ohne die übliche Kolumne blieben. Nach Erscheinen dieser seltenen Ohne-Alois-Potton-Hefte gab es regelmäßig einen Aufschrei einer größeren Lesergemeinde, was ein positives Indiz für die Kolumne war. Als Resonanz auf die Mit-Alois-Potton-Hefte gab es nichts oder wenig Vergleichbares. Es war eher so als würde man einen Topf Wasser im Sommer bei Timbuktu über einer Wanderdüne verschütten: Genauso rückstandsfrei und spurlos schienen die Kolumnen zu verdampfen. Wenn wenigstens mal jemand einen Leserbrief dazu schriebe… Aber lassen wir das und Sie mich nach diesem Vorgeplänkel auf Umwegen zum Thema AKÜFI 2 kommen.

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Kapitel 69. Wie killt man einen E-Techniker?

Es ist normalerweise sehr angenehm, in einer Universitätsstadt zu leben. Manchmal ist es aber auch bedenklich. So fuhr ich heute einem abwrackprämientauglichen VW Polo hinterher, in dessen Heckfenster der junge Fahrer den Stolz auf sein mit Mühe geschafftes Abitur mit dem Aufkleber „ABIana Jones 2008“ kundtat. Den Namen der Schule verschwieg er allerdings – und das war wohl auch besser so. Man muss sich das einmal vorstellen: Eine ganze Klasse von normalerweise doch recht intelligenten Leuten quält sich um ein Motto für das Abitur. Und heraus kommt dann: „ABIana Jones 2008“. Ja, isses denn möööschlisch! Ich verfolgte den Polo dann noch ein Stück weit bis er zu den Gefilden der E-Technik abbog und da wurde ich schlagartig milde und rief ihm im Geiste zu: „Du bist zwar ein armer Idiot, aber Du studierst E-Technik. Und das erklärt natürlich alles“. Denn der Informatiker ist ja der natürliche Feind des E-Technikers (oder des Informationstechnikers, wie sich diese Kerle heute zu schimpfen wagen). Dies natürlich vor allem an technischen Universitäten und technischen Hochschulen, aber anderswo kommt die Rasse des homo electricus ja auch selten vor.

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Kapitel 70. Mittelmäßige Hirsche

Viele Jahrzehnte lang war das Leben eines deutschen Wissenschaftsbeamten ganz gemütlich: War man einmal berufen oder bestallt, dann war man eben wohlbestallt, sofern man sich nicht um auswärtige Rufe bemühte, die einem ein Geringes an zusätzlichem monatlichem Salär eingebracht hätten. Soll heißen: Man konnte tun oder lassen, was man wollte. In der ehemaligen DDR führte das dazu, dass sich nicht wenige Kollegen in die innere Emigration begaben, nur noch ihre Datscha bewirtschafteten und auf diese Weise das Kunstgebilde „DDR“ nachhaltig zum

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Novemberstürme: Mittelmäßige Hirsche

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Kapitel 71. Slimming

In Thailand (möglicherweise auch in anderen Ländern, weil auf dem mir vorliegenden Exemplar „Thai Edition“ steht) gibt es eine monatlich erscheinende und auf Hochglanzpapier gedruckte Illustrierte namens „Slimming“, was ja soviel heißt wie „dünner werden“. Denselben Vorgang könnte man auch als „Abnehmen“ bezeichnen oder im Saarland merkwürdigerweise als „Abholen“ („Ei, ich hann im ledschde Johr sechs Kilo abgeholl“). Jede Ausgabe dieser Zeitschrift porträtiert Hunderte von ziemlich gleich aussehenden Mädchen der Altersklasse 19–21 Jahre und der Gewichtsklasse 38–42 Kilo (mit wenigen sehr gewichtigen Ausnahmen, die offenbar zur Abschreckung gezeigt werden), also mit jeweils zwei Kilogramm Lebendgewicht pro Jahr. Ob sich diese Proportionalität lebenslang fortsetzt? Wie würden unter dieser Annahme die im aktuellen Heft abgelichteten Mädchen im Alter von – sagen wir mal – 60 Jahren aussehen?

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Kapitel 72. Etepetetene Esel

Also ich war wieder einmal in Thailand. Natürlich ist mir klar, dass mich der eine oder der andere Moralapostel dafür tadeln wird. Aber ich kann als Entschuldigung immerhin ins Feld führen, dass wir dort einen gemeinsamen Studiengang mit einer der lokal besten Unis haben, an dem ich mich gern beteilige. Nun taugt das noch nicht unbedingt als Alibi, denn wir haben auch gemeinsame Studiengänge mit dem Oman sowie mit Abu Dhabi und dort enthalte ich mich der Teilnahme, denn dann könnte ich mich ja gleich in Alcatraz einmieten und hätte einen noch schöneren Ausblick aufs Meer. Der mögliche Tadel des Moralapostels ist mir total schnurz und piepe.

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Kapitel 73. Zu Unrecht Verachtete

Diese Kolumne ist eine Hommage an diverse Bevölkerungsgruppen, die eine sehr wichtige Funktion haben und dennoch von der Öffentlichkeit und von der öffentlichen Meinung missachtet oder sogar völlig ignoriert werden.

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Kapitel 74. Kult, Kollegs und Katastrophen

Die Welt ist ein Jammertal. Ein bezeichnendes Beispiel dafür sind die Kultprogramme der ARD, die unter dem Namen Weltspiegel sonntags ab 19 Uhr 20 ausgestrahlt werden und einem durch ihre Schwarzmalerei das Wochenende vergällen sowie Depressionen für die kommende Woche fördern. Dort kommen in ziemlich regelmäßigen Abständen – man muss die Sendezeit ja mit irgendetwas Negativem füllen – Beiträge zur Fischerei. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob die Angehörigen dieses Berufsstands auf der vor der schottischen Westküste gelegenen Insel Arran, im Mekongdelta oder in Senegal beheimatet sind: Das Gezeter ist in allen Fällen gleich. Gezeigt wird ein marodes Boot, das eigentlich schon längst durch ein neues hätte ersetzt werden müssen, wofür natürlich kein Geld da ist. Die interviewten Fischer erklären unisono, dass die Quantität des Fangs trotz mehrmaligen Rausfahrens pro Nacht immer mehr zurückgehe. Und auch die Qualität werde immer schlechter. In früheren Jahren habe man fast alles, was heute noch verkauft werden müsse, als Bei-fang und damit als Ausschuss über Bord geworfen. Die Gründe für diese katastrophale Entwicklung sind laut Weltspiegel vielfältig und reichen von globaler Überfischung (woran der dieses beklagende Fischer allerdings mitverantwortlich ist) über den unverantwortlichen neuen Staudamm in China und die damit einhergehende Senkung des Pegelstands bis hin zur Klimaveränderung und und und. Außerdem verfalle der Marktpreis immer mehr. Schlussfolgerung ist dann in schöner Regelmäßigkeit die resignierende Feststellung: „Von den Erträgen kann ich nicht mehr leben“. Und das ist dann doch irgendwie merkwürdig, denn der betreffende Fischer (es ist in jedem solchen Weltspiegelfilmchen natürlich ein anderer) sieht nicht unbedingt so aus als wenn er gerade am Verhungern wäre.

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Kapitel 75. Das informatische Justizklavier

Dies ist die erste Kolumne, die Alois als Rentner schreibt. So schnell verfliegt die Zeit! Dabei war Alois auf diesen Status keineswegs scharf, im Gegenteil. Die Bezeichnung „Rentner“ ist irgendwie isomorph zu „Alteisen“ oder so. Das ist ganz schrecklich, aber leider biologisch nicht zu ändern.

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Kapitel 76. Zugegebene Irrtümer

Wenn RTL oder ein anderer unserer unsäglichen kommerziellen Fernsehsender eine moralisierend-weinerliche Sensationsmeldung von sich gibt, zum Beispiel über einen durch verantwortungslose Wilderer verletzten und auf nur noch drei Beine und einen halben Elfenbeinzahn reduzierten Elefanten, dann heißt es am Ende einer solchen Schmonzette mit schöner Regelmäßigkeit: „Wir halten Sie natürlich weiter auf dem Laufenden“. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Versprechen die Schallwelle nicht wert ist, mit der es gesprochen wird. Denn dreibeinige Gegenstände erregen nur kurzfristig Aufmerksamkeit, das gilt für kranke Elefanten genauso wie etwa die liebevolle Ankündigung der Stewardess bei Pakistan International Airways, die da lautet: „Wir kochen jetzt Tee auf dem Dreibein“. Die RTL-Ankündigung „wir halten Sie auf dem Laufenden“ zeigt aber noch etwas anderes, nämlich dass RTL das Futur 1 nicht kennt, sondern nur in der Gegenwart verhaftet ist.

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Kapitel 77. Bangkok Post und Data Bases

In diesem Beitrag muss ich einmal das Hohe Lied der Bangkok Post singen. Das ist eine Tageszeitung wie ich sie mir auch in Deutschland wünschen würde. Nicht nur wegen ihrer Rätselseite, die einen im Urlaub stundenlang beschäftigt hält und den oder das Oxford Dictionary zum Glühen bringt. Schön ist auch die tägliche Leserbriefseite (die PIK-Leser zeigen sich ja diesbezüglich leider völlig abstinent), aus der man die thailändische Befindlichkeit erahnen kann, obwohl die meisten der unter Pseudonym veröffentlichten Briefe offensichtlich gefälscht sind; aber die momentane Stimmungslage in der Regierung kann man daraus sehr wohl ableiten.

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Kapitel 78. Der Promotionsgutachtengenerator

Das erste Halbjahr 2011 war geprägt von einem

gutten Berg

an Skandälchen, die das Ansehen der Wissenschaft nachhaltig in Misskredit gebracht haben. Wie inzwischen jedem bekannt ist, ging es dabei um eine scheinbar ausgezeichnete, in Wirklichkeit aber nur frech und mit großem Unverstand aus fremden Quellen zusammengeschnippelte und zunächst auch freudig akzeptierte Promotionsschrift und das zugehörige Erstgutachten. In der aktuellen Glosse soll es weniger um die angeblich dissertationswürdige Schrift gehen, denn allzu opak und kraus ist mir denn doch ihr diffuser Inhalt, wenn man bei der Krummheit der schwülstigen Formulierungen überhaupt von „Inhalt“ reden kann. Vielmehr will ich mich der Frage widmen, wie man mit einiger Leichtigkeit Gutachten zu solchen Machwerken erstellen kann – und zwar seriöse solche.

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Kapitel 79. Green IT, die Erste

Heutzutage muss alles grün sein: Nicht nur die Parteienlandschaft, sondern auch die Informations- und Kommunikationstechnik sowie ganz allgemein alle Bestandteile des täglichen Lebens. Ausgelöst wurde dieser neue Hype natürlich durch die bedrohlichen Nachrichten zur globalen Erderwärmung und durch die dadurch ausgelösten bzw. sich abzeichnenden Katastrophen.

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Kapitel 80. Green IT, die Zweite

Nachdem die vorige Kolumne einen Schwerpunkt auf den sozialpolitischen Touch des Green-Hypes gelegt hatte (also auf die Frage, wieweit sich „grün“ durch Einsparungen bei Zigarettenholfahrten oder durch Vermeidung von Oma-Opa-Kaffeetrinkbesuchen verbessern lässt), soll die Sache nun eher technologisch betrachtet werden so wie es sich für „Green IT“ ja auch geziemt.

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Götterdämmerung: Was hat uns Alois Potton gebracht?

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Kapitel 81. Ein sehr persönlich gefärbtes Fazit

In Monty Pythons Kultfilm „Das Leben des Brian“ stellt der Anführer der Volksfront für die Befreiung Judäas die rhetorische Frage „Was haben uns die Römer gebracht?“ und liefert die ihm logisch scheinende Antwort gleich mit, nämlich: „Nichts!“. Eine durchaus analoge Frage könnte man stellen, wenn man „die Römer“ durch „Alois Potton“ ersetzt. Und es wäre zu prüfen, ob auch dann die Antwort „nichts“ lauten sollte. Das wäre aber vielleicht doch etwas zu kurz gesprungen, denn ebenso wie im „Leben des Brian“ könnte ja möglicherweise doch auf positive Wirkungen hingewiesen werden. Zwar nicht auf vergleichbar drastische solche wie „Aquädukt“, „Kanalisation“, „Sicherheit“ und „vor allem natürlich der Wein“ bei Monty Python, aber vielleicht doch auf bescheidenere Dinge.

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Metadaten
Titel
Abgründe der Informatik
verfasst von
Alois Potton
Copyright-Jahr
2012
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-22975-6
Print ISBN
978-3-642-22974-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-22975-6

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