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2007 | Buch

Akustische Grundlagen sprachlicher Kommunikation

verfasst von: Dr.-Ing. Hans Lazarus, Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Charlotte A. Sust, Dr. Dipl.-Psych. Rita Steckel, Cand. Phys. Marko Kulka, Dr.-Ing. Patrick Kurtz

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieser Bericht behandelt die akustischen Aspekte der sprachlichen Kommunikation, insbesondere wenn sie durch Geräusche, Nachhall oder Schwerhörigkeit gestört ist. Produktion und Wahrnehmung von Sprache, also Sprechen und Hören, dienen wesentlich der Integration eines Menschen in das soziale und kulturelle Leben. Beides ist die Voraussetzung für ein kompetentes Verhalten in der Familie, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz und in der Ausbildung. Der Fortschritt der Technik verlangt notwendig nach mehr Kommunikation: u.a. aufgrund veränderter Betriebsabläufe (Teamarbeit zur Verbindung von Entwicklung, Konstruktion, Produktion, Verteilung der Arbeit an unterschiedlichen Standorten), an mobilen Arbeitsplätzen, bei der Benutzung akustischer Medien oder mobiler Telefone und beim weltweiten Kommunizieren in einer Zweitsprache. Die Auswirkungen reduzierter Kommunikation aufgrund von Lärm oder Schwerhörigkeit sind deshalb beträchtlich. Durch akustisch schlecht gestaltete Räume, Arbeitsplätze und Kommunikationsgeräte und durch zu hohe Sprechpegel, z.B. aus Lautsprechern, wird die Sprachkommunikation zusätzlich eingeschränkt. Damit ist nicht nur Wahrnehmen und Verstehen von Sprache reduziert, sondern zwingend auch der Informationsaustausch: die private, soziale und betriebliche Interaktion. Zu beachten sind ebenso auch langfristige Folgen, wie z.B. ein verzögerter Spracherwerb in Kindergarten und Schule, die Abnahme der Qualität der Arbeit, die Zunahme von Konflikten und von Unfällen am Arbeitsplatz und eine Verminderung der physischen und psychischen Gesundheit. Ausgangspunkt der Analyse ist das Sprecher-Hörer-Modell im Kontext der Psychoakustik. Einleitend werden wichtige Grundlagen des Sprechens, der Sprache, der Wahrnehmung und des Verstehens von Sprache dargestellt: der Sprecher produziert Sprache (Sprechweise, Artikulation), die zum Hörer im Raum oder über elektroakustische Anlagen übertragen wird und gestört werden kann (Bandbegrenzung, Geräusche, Nachhall, Übersteuerung etc.). Der Hörer muss die Sprache wahrnehmen und verstehen, auch wenn er schwerhörig ist oder Gehörschutz trägt. Die Messung der Sprachverständlichkeit wird anhand der Sprachindices erläutert. Die Methoden zur Bestimmung der Qualität der Sprachkommunikation werden aufbauend auf der Verständlichkeit durch Parameter wie Konzentration und Belästigung ergänzt und neu formuliert. Die so entwickelten Qualitätsstufen werden ausführlich diskutiert, dazu werden Kriterien für die Raumgestaltung (u.a. Schulen) abgeleitet. Die Analyse soll es ermöglichen, den Umgebungsbereich für sprachliche Kommunikation "barrierefrei" zu gestalten, so dass die Kommunikationspartner ungeachtet ihres Alters, individueller Handicaps (begrenzte Sprachkompetenz, Schwerhörigkeit) in öffentlichen Bereichen und in der Arbeitswelt als gleichberechtigte Partner am Gespräch teilnehmen können. Ziel dieses Buches ist es auch über die Akustik hinaus einen großen Leserkreis unterschiedlicher Interessen und Berufsgruppen wie Ergonomen, Psychologen, Mediziner, Architekten, Medienexperten in die Diskussion über die Sprachkommunikation aus wissenschaftlicher und angewandter Sicht einzuführen und Hinweise für eine optimale Gestaltung zu geben.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Vorbemerkungen zur Sprachkommunikation
Auszug
In diesem Buch werden wesentliche Aspekte der sprachlichen Kommunikation beleuchtet und analysiert, indem Befunde empirischer Forschung aufgearbeitet und im Kontext psychoakustischer Modelle diskutiert werden. Gespräche und sprachliche Mitteilungen gehören zum alltäglichen Zusammenleben. Dabei dient Sprache nicht nur dem Informationsaustausch, sondern sie vermittelt ebenso die Emotionslage des Sprechers und bewirkt eine solche beim Hörer. So wie im Tierreich (Vögel, Säuger) akustische Interaktion vor allem Gegenwart und eine spezifische Intention signalisiert, könnte die menschliche Kommunikation mit sprachlichen Lauten ähnliches bedeuten.
2. Wahrnehmung und Messung von Schall
Auszug
Ein Sprecher oder eine in Betrieb genommene Maschine mit vibrierenden Teilen erzeugt in ihrer Umgebung Schwingungen der Luftmoleküle, d.h. die Schallquelle emittiert Schall. Diese Schwingungen geben ihre Energie weiter, es entstehen Schallwellen, die das Ohr erreichen und Hörempfindungen auslösen.
3. Akustische Eigenschaften gesprochener Sprache
Auszug
Sprache, als ein Schallereignis aufgefasst, transportiert Information in Form von Schalldruck- und Frequenzmustern und -änderungen über die Zeit. Die kennzeichnenden Eigenschaften gesprochener Sprache werden mit den in der Akustik üblichen Geräten und Verfahren, wie sie in Kapitel 2 beschrieben worden sind, gemessen und analysiert.
4. Linguistische Eigenschaften der Sprache
Auszug
Die Phonetik befasst sich mit der Erforschung gesprochener Sprache, also mit der Analyse und Beschreibung des Sprechergebnisses selbst: der Produktion der Sprache, den Übermittlungsträgern der sprachlichen Information und dem Wahrnehmen der übermittelten Schallereignisse.
5. Sprechen in realer Umgebung und Hörer-Feedback
Auszug
Der Sprecher hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, um auf verschiedene Gesprächssituationen zu reagieren und unterschiedlich zu sprechen: er flüstert, spricht normal, schreit, spricht deutlich oder schnell. Er benutzt unterschiedliche Sprechweisen. Dabei reicht die Sprechanstrengung von gering bis hoch, d.h. vom leise Sprechen bis zum Schreien. Die Artikulation kann entspannt, natürlich oder deutlich sein. Teilweise benutzt der Sprecher die Sprechweise willentlich, teilweise auch fast unbewusst, automatisch. Wenn ein Sprecher bei Umgebungsgeräuschen spricht, so spricht er automatisch lauter als in Ruhe. Dies ist ein automatisierter Effekt, der Lombardeffekt (s. Abschn. 5.3) genannt wird. Auch die Rückmeldung des Hörers bleibt nicht ohne Einfluss (Abschn. 5.4, 5.8).
6. Verstehen von Sprache in realer Umgebung und Sprachkompetenz
Auszug
Sprache wird vom Sprecher produziert (gesprochen) und über Luft oder elektroakustische Übertragungssysteme zum Hörer transportiert (vgl. hierzu die differenzierte Beschreibung der Kommunikationssysteme und Beurteilung mit vereinbarten und standardisierten Verfahren in Kapitel 7).
7. Vorhersage der Sprachverständlichkeit: Sprachindices
Auszug
Im Allgemeinen sind drei Hauptwege der Kommunikation zwischen Personen zu beschreiben (s.a. ISO 9921 2003):
  • Direkte Kommunikation ohne Verwendung elektroakustischer Mittel
  • Kommunikation über ein öffentliches Ansagesystem
  • Kommunikation über ein Personenkommunikationssystem Als Bestandteile der Kommunikation sind allen drei Systemen gemeinsam: der Sprecher, der Übertragungsweg, also die Umgebung (Raum) und/oder das elektroakustische Übertragungssystem und der Hörer.
8. Kommunikation bei Schwerhörigkeit und mit Gehörschutz
Auszug
Die Schwerhörigkeit stellt eine Einschränkung des Hörvermögens dar, die sich in einer Verminderung und in einem Verlust der Wahrnehmung von Schallereignissen und der Sprachkommunikation äußert.
9. Einfluss psycholinguistischer Faktoren auf die Sprachverständlichkeit
Auszug
Die referierten Untersuchungen zum Verstehen verrauschter Sprache sind mit sinnlosen Silben oder auch mit einsilbigen Wörtern, die z.T. in Wortgruppen zusammengefasst sind, durchgeführt worden. Das Sprachmaterial wurde pro Wortgruppe jeweils nach einer Reihe von Kriterien vergleichbar gemacht, um den Schwierigkeitsgrad der Sprachwahrnehmung, der durch die psycholinguistischen und phonetischen Merkmale der Sprachreize bedingt sein kann, möglichst ähnlich zu halten. Dagegen wurden die Störvariablen wie z.B. die Intensität des Geräusches (Abschn. 6.3) oder die Unterbrechungsfrequenz des Sprachreizes selbst (Abschn. 6.2.4) systematisch variiert. Eine andere Möglichkeit zur Erfassung der Faktoren, von denen die Sprachverständlichkeit abhängig ist, besteht darin, den Signal-Geräuschabstand konstant zu halten und das Sprachmaterial in seinem Inhalt oder auch in seiner Strukturiertheit zu verändern. Dieser Problembereich wird in den folgenden Ausführungen angesprochen.
10. Sprachliche Kommunikation: Bewertung und Sprachqualität
Auszug
Unter dem Begriff Sprachqualität werden häufig Merkmale des Sprachsignals wie Verständlichkeit, Lautheit, Angenehmheit des Klangs, Verzerrungen, Natürlichkeit und Klarheit zusammengefasst (IEEE 1969; Nakatani u. Dukes 1973; Lazarus-Mainka et al. 1985; Pavlovic et al. 1990; Sotscheck 1992; Jekosch 1994; Preminger u. Tasell 1995a, b; Boike u. Souza 2000; Möller 2000, 2002, 2003). Auch Merkmale, die sich eher indirekt auf die Sprachqualität auswirken, wie die notwendige Höreranstrengung, die Hörerzufriedenheit oder die Lästigkeit von Störungen, werden einbezogen (Nakatani u. Dukes 1973; Lazarus-Mainka u. Leushacke 1985; Lazarus- Mainka et al. 1985; Sotscheck 1992; Preminger u. Tasell 1995a, b; Boike u. Souza 2000; Volberg et al. 2004, 2006). Da die Zusammensetzung der für die Sprachqualität als relevant erachteten Merkmale je nach Art und Ziel des Experiments stark variiert, wird versucht, die Sprachqualität zu systematisieren und in einen größeren Zusammenhang zu stellen, so z.B. unter Beachtung der Semiotik (Jekosch 2001a) oder der Qualität von Geräuschen (Jekosch u. Blauert 2005) oder der Anwendung (Jekosch 2000b, 2001b). Das zentrale Merkmal der Sprachqualität ist die Sprachverständlichkeit. Hierüber besteht Einigkeit. Beispielsweise bezeichnet Jekosch (1994) die Verständlichkeit als wesentliches Qualitätsmerkmal gesprochener Sprache.
11. Lautheit von Sprachreizen, Belästigung durch Geräusche
Auszug
Stellt man die Frage nach der Belästigung durch Geräusche, so steht im Vordergrund der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Schallintensität des Geräusches und dem Grad der subjektiv erlebten Belästigung. Je lauter ein Geräusch ist, das als unerwünscht bewertet wird, desto lästiger wird es empfunden.
12. Gestaltung von Räumen und Kommunikationsgeräten
Auszug
Der Anwendungsbereich der Sprachkommunikation ist vielgestaltig. Es wurde schon mehrfach angesprochen, dass die Sprachkommunikation einerseits in allen Lebensbereichen möglich sein sollte (Abschn. 10.4, 10.5), dass andererseits aber auch spezifische Fragestellungen und Aspekte zu beachten sind, wie Schwerhörigkeit (Abschn. 6.3.2, 8.2), Alter (Abschn. 6.5.4), Zweitsprache (Abschn. 6.5.5) oder Gehörschutz (Abschn. 8.4). Wobei die Störung der Sprache (Kapitel 6) und die Messung und Bewertung der Sprachverständlichkeit (Kapitel 7) alle Kommunikationsbereiche tangieren. Es ist das Ziel, dass Gespräche im Bereich der Wohnung, Arbeit und Öffentlichkeit ungestört geführt werden können. Für dieses Umgebungsfeld der Gespräche, das bis zu einem Abstand der Gesprächspartner zueinander von 5 m (in Einzelfällen bis 8 m) geht, wurden für einzelne Tätigkeitsfelder mit Sprachkommunikation Höchstwerte für Geräuschpegel abgeleitet und diskutiert (Abschn.10.5, Tab. 10.5-2). Im Weiteren werden einzelne Anwendungsfelder, in denen die Sprachkommunikation eine besondere Rolle spielt, ausführlicher behandelt, wie
  • Unterrichtsräume, Ausbildungsräume
  • Dienstleistungsbereiche, Büro, Callcenter.
Backmatter
Metadaten
Titel
Akustische Grundlagen sprachlicher Kommunikation
verfasst von
Dr.-Ing. Hans Lazarus
Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Charlotte A. Sust
Dr. Dipl.-Psych. Rita Steckel
Cand. Phys. Marko Kulka
Dr.-Ing. Patrick Kurtz
Copyright-Jahr
2007
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-49986-2
Print ISBN
978-3-540-49984-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-540-49986-2

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