Skip to main content
Erschienen in:
Buchtitelbild

Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

9. Automatische Modellgenerierung aus Engineering-Daten

verfasst von : Stefan Scheifele, Alexander Verl

Erschienen in: Echtzeitsimulation in der Produktionsautomatisierung

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Zusammenfassung

Vom modernen Maschinen – und Anlagenbau wird erwartet individuelle Kundenwünsche hinsichtlich Funktionalität, Qualität und Wirtschaftlichkeit zu erfüllen. Dies gelingt durch ein mechatronisches Engineering, das kundenindividuelle Maschinen und Anlagen auf Basis eines Baukastens aus wiederverwendbaren Komponenten realisieren kann. Dieser Beitrag stellt dar, wie auch der Digitale Zwilling für die Virtuelle Inbetriebnahme ebenso modular und auf denselben Prinzipien beruhend automatisiert generiert werden kann. Durch Integration der Virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) in den mechatronischen Engineeringprozess lässt sich die VIBN wirtschaftlich in der Praxis einsetzen. Dies wird anhand einer modularen Fertigungsanlage für die vollautomatisierte Möbelfertigung gezeigt.

9.1 Einleitung

Als Schlüssel zu einer schnellen kundenspezifischen Maschinen- und Anlagenkonfiguration setzen Werkzeugmaschinenhersteller heute auf ein systembasiertes Engineering, welches verschiedene Funktionsanforderungen mit einem Minimum an Ressourcen erfüllt [1]. Hierbei werden die Produktionsanlagen anhand wiederverwendbarer Baugruppen aus einem mechatronischen Baukasten aufgebaut. Sämtliche Entwicklungs- und Projektierungsabläufe und die dafür eingesetzten Softwaretools sind auf diesen Baukasten abgestimmt weshalb dieser nicht einfach ausgetauscht, sondern nur ergänzt und kompatibel weiterentwickelt werden kann.
Durch immer komplexer werdende Fertigungsabläufe in den Maschinen und Anlagen muss die Inbetriebnahme durch virtuelle Engineering-Methoden, wie z. B. die Virtuelle Inbetriebnahme unterstützt werden. Die hierfür notwendigen Modelle sind heute jedoch nicht im mechatronischen Baukasten berücksichtigt und auch nicht standardisiert. Das Konzept der cyber-physischen Systeme (CPS) der „Industrie 4.0“ könnte in reduzierter Form der Schlüssel sein: Eine mechatronische Baugruppe, welche alle notwendigen Informationen und Daten beinhaltet.
Der Beitrag stellt vor, wie unter Nutzung des CPS-Konzepts virtuelle Maschinen (VM) und Anlagen für die Virtuelle Inbetriebnahme im Rahmen des etablierten Engineeringprozesses von mechatronischen Maschinen und Anlagen automatisiert erstellt werden können.

9.2 Stand der Technik

In innovativen Maschinenbauunternehmen werden bereits modulare Konzepte entwickelt, um damit Produktionsanlagen für unterschiedlichste Fertigungsaufgaben wirtschaftlich aufbauen und anbieten zu können. Dabei ist die Modularisierung nicht nur auf den mechanischen Kontext begrenzt, sondern vielmehr als Abbildung mechatronischer Einheiten zu verstehen.
Modularisierung der Hardware
Bereits Ende der 90er Jahre kam die Idee der rekonfigurierbaren Maschinen auf. Ein Prototyp eines rekonfigurierbaren Robotersystems wurde von Pritschow et al. [2] vorgestellt. Ziel der Modularisierung in mechatronische Komponenten war, das Hinzufügen, Entfernen oder Verändern von Modulen an einem Robotersystem in kurzer Zeit zu ermöglichen. Dabei bestimmt die Wahl der Systemgrenzen eines Moduls die Komplexität der Modulschnittstelle sowie die Rekonfigurationseffizienz. Folgende Schnittstellenarten wurden als einheitliche Modulschnittstellen identifiziert [2]:
  • Die mechanische Schnittstelle, welche die einzelnen Module physisch miteinander verbindet,
  • Die funktionale Schnittstelle, welche die Funktionalität beschreibt, wie z. B. 2-achsiges Robotergelenk mit Differentialgelenk,
  • Die energetische Schnittstelle, welche die Module mit Energie versorgt,
  • Die kommunikative Schnittstelle, welche die Kommunikation zwischen Modulen und Steuerungssystemen ermöglicht.
Eine mechatronische Komponente ist demnach ein Subsystem, welches so wenig externe Schnittstellen wie möglich besitzt. Das bedeutet allerdings auch, dass mechatronische Komponenten auf eine einzige oder einige gleiche Funktionen beschränkt sind, damit die mechatronische Komponente eine abgeschlossene und autonome Einheit bildet.
Rekonfigurierbare Maschinensysteme bestehen somit aus definiert kombinierbaren mechatronischen Modulen mit einheitlichen Schnittstellen, die sich in ihren kinematischen und dynamischen Eigenschaften parametrisch verändern lassen.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnte eine einheitliche Definition von Modulen, unabhängig davon, ob diese einen Roboter, eine Werkzeugmaschine oder ein Produktionssystem aufbauen, gefunden werden.
Modularisierung der Software
Mit der Einführung der integrierten Schaltungstechnik und der Software-Hochsprache C konnten Ende der 1980er Jahre fortschrittliche Steuerungen entwickelt werden, die auf austauschbaren Softwaremodulen beruhten. Dies führte 1992 zu dem von der EU geförderten Projekt OSACA, das die Idee verfolgte eine Steuerung als Softwareplattform mit einheitlichen Schnittstellen für austauschbare Applikationsmodulen zu konzipieren.
Im Jahr 2001 wurde das Projektergebnis in [3] veröffentlicht. Mithilfe einer Bausteinbibliothek aus Softwarebausteinen konnte der Anwender in einfacher Weise eine angepasste Steuerung konfigurieren. In diesem Projekt wurden erstmals objektorientierte Konzepte in der industriellen Steuerungstechnik umgesetzt.
Modularisierung der Software- und Hardwareentwicklung
Die Entwicklungen und Erkenntnisse aus dem Bereich der Modularisierung von Soft- und Hardware bilden heute die Grundlage für das mechatronische Engineering. Mechatronische Module umfassen und verbinden Mechanik, Elektrik und Softwaretechnik (vgl. VDI-Richtlinie 2206 [4]).
Das erforderliche Vorgehensmodell für das mechatronische funktionale Engineering nach dem Prinzip der Objektorientierung wurden unter anderem in den Forschungsprojekten „Föderal“ [5] und „AQUIMO“ [6] entwickelt. Dabei wird im Engineering-Prozess zwischen „Entwicklung“ und „Projektierung“ unterschieden. Bei der Entwicklung werden projektneutrale, wiederverwendbare, mechatronische Komponenten nach vorgegebenen Standards entwickelt und in einem Baukasten abgelegt. Die so entstehende Baukastenkomponente verfügt über disziplinspezifische Daten (z. B. Stücklisten für die Mechanik, Stromlaufpläne für die Elektrotechnik, Programmbausteine für die Softwaretechnik). Bei der Projektierung wird anschließend aus dem entstandenen Baukasten eine auftragsspezifische Maschine zusammengestellt. Es entsteht eine disziplinübergreifende, mechatronische Gesamtkonfiguration der Maschine, welche alle benötigten Unterlagen für die Fertigung, die Softwaretechnik und die Inbetriebnahme enthält und aus welcher alle Dokumentationen auftragsspezifisch generiert werden (vgl. Abb. 9.1).
Beim idealisierten Ansatz der mechatronischen Module nach Pritschow et al. [2] sind die mechatronischen Module abgeschlossene funktionale Einheiten, welche nicht nur Mechanik, Elektrik und Software umfassen, sondern auch ein eigenes Steuerungsmodul besitzen. Dadurch wird ein schaltschrankloser Aufbau des modularen Systems ermöglicht. Nur durch ein solches Konzept kann eine schnelle Austauschbarkeit einzelner Module praktisch umgesetzt werden. Anwendungsmöglichkeiten findet man überall dort, wo funktional abgeschlossene Einzelmaschinen über einen „Durchlauf der Werkstücke“ miteinander verkettet sind, beispielsweise in der Förder- und Verpackungstechnik sowie bei den Durchlaufmaschinen zur Holzbearbeitung. Ein modulares Robotersystem aus autarken Achsen ist damit jedoch nicht realisierbar, da keine industriell verfügbare Steuerungslösung existiert, die unabhängige Einzelachsen über eine achsübergreifende Bahnsteuerung koppeln kann.
Aus Kostengründen wird im allgemeinen Maschinen- und Anlagenbau auf eine Modularisierung nach dem oben dargestellten Konzept verzichtet, das heißt die Mechanik wird von der Elektrik getrennt aufgebaut: Ein Großteil der E/A (Ein-/Ausgabe)-Schnittstellen ist in einem zentralen Schaltschrank installiert, da nur so die vergleichsweise teuren E/A-Schnittstellen und die Leistungselektronik der Antriebe optimal ausgenutzt werden können.
Doch nicht nur die Mechanik und die Elektrik werden aus den mechatronischen Modulen gelöst, auch die moduleigene Steuerung wird, soweit sinnvoll, auf ein zentrales Steuerungssystem zusammengefasst. Steuerungstechnische Abhängigkeiten der einzelnen Module können so mit wenig Aufwand realisiert werden.

9.3 Konzeption

Die durch das mechatronische Konzept einhergehende hohe Komplexität kann nur durch Engineeringtools für das funktionale Engineering nach „Föderal“ [5] und „AQUIMO“ [6] beherrscht werden. Denn nicht nur der elektrische Aufbau wird deutlich komplexer als beim idealisierten mechatronischen Konzept, sondern auch die Steuerungsprogramme nehmen an Komplexität deutlich zu. Maschinen, welche nach diesem Konzept gebaut wurden, besitzen meist ein zentrales Steuerungssystem. Dieses benötigt Abstraktionsschichten um einen modularen und kostengünstigen Aufbau realisieren zu können.
Die Engineeringtools nutzen die funktionale Sicht auf die zu projektierende Maschine beziehungsweise Anlage. Ein Experte konfiguriert aus einem Baukasten heraus die mechatronische Einheit für eine Fertigungsaufgabe (vgl. Abb. 9.2). Das Projektierungstool kennt sämtliche mechatronischen Baugruppen, sowie deren Querbeziehungen, Abhängigkeiten und Kompatibilitäten. Einer Baugruppe sind disziplinspezifische Daten zugeordnet, wie zum Beispiel ECAD- (Electronic Computer-Aided Design), MCAD- (Mechanical Computer-Aided Design), Dokumentationsdaten, Konfigurationsdaten für die CNC und die SPS, kundenspezifische Bedienoberflächen, Wartungspläne und Fehlertexte in verschiedenen Sprachen. Unter Berücksichtigung dieser Daten leitet das Projektierungstool den Anwender durch die Zusammenstellung einer neuen Maschinen- beziehungsweise Anlagenkonfiguration und konfiguriert Generatoren für die Erzeugung des SPS-Quellcodes sowie der Konfiguration der CNC.
Treten bei der Generierung der Steuerung logische oder funktionale Fehler auf, bleiben diese aufgrund des Umfangs eines solchen Steuerungsprogramms meist unerkannt. Bei der Inbetriebnahme der Maschine werden aus zeitlichen Gründen und aus Gründen der Maschinenunversehrtheit meist nur die Basisfunktionen des Sicherheitsprogramms, als auch des funktionalen Programms getestet – ein Großteil des Steuerungsprogramms, nach Expertenmeinung ca. 2/3, wird somit nicht überprüft.
Um diese wachsende Komplexität zu beherrschen, findet die Virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) zunehmend im Engineeringprozess von Maschinen und Anlagen Einsatz. Dabei wird mittels einer an die reale Steuerung angekoppelte Hardware-in-the-Loop Simulation (HiLS) das Verhalten der realen Maschine simuliert [7]. Damit die Steuerung deterministisch mit Feldbussignalen versorgt wird und sichergestellt werden kann, dass jedes Signal auch erfasst und verarbeitet wird, muss der Simulationsrechner die virtuelle Maschine im Steuerungstakt berechnen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Verhalten der virtuellen Maschine am Feldbus auch dem der realen Maschine entspricht.
Unterstützung durch virtuelle Methoden
Seit Anfang der 2000er Jahre wird an der virtuellen Maschine (VM) in Steuerungsechtzeit geforscht. Während zu Beginn noch der Test des Steuerungssystems im Vordergrund [78910] stand, hat man sich bald mit der Modularisierung und Wiederverwendbarkeit der VM im Einklang mit den Erkenntnissen und Vorgehensmodellen aus dem Engineering beschäftigt [1112].
Je nach Modellierungstiefe und Zweck der VM kommen verschiedene Ansätze zum Einsatz, welche von der Modellierung echtzeitfähiger Verhaltensmodelle für die Virtuelle Inbetriebnahme [13] bis hin zur realitätsgetreuen Abbildung von physikalischen Effekten und Eigenschaften der gesamten Maschine oder Anlage [14] reichen.
Verschiedene Werkzeuge für die HiLS sind auf dem Markt erhältlich. Ein HiLS-Tool, das die hohen Anforderungen einer steuerungsgekoppelten HiLS erfüllt, ist ISG-virtuos der Fima ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH. Bei ISG-virtuos ist die HiLS primär in die Verhaltenseinheit (BU) und die Geometrieeinheit (GU) unterteilt (siehe Abb. 9.3). Gemeinsam bauen sie das virtuelle Modul (VU) auf. Die VU ist das virtuelle Äquivalent des mechatronischen Moduls im Baukasten [15].
Integration der virtuellen Maschine in den mechatronischen Engineeringprozess
Der Engineeringprozess nach „Föderal“ [5] sieht vor, dass sämtliche Baugruppen, welche in einer Maschine oder Anlage verwendet werden können, unabhängig voneinander konstruiert werden. Sind alle benötigten Daten der Baugruppe (MCAD, ECAD, Dokumentation, Steuerungsprogramm, …) vorhanden, werden diese im mechatronischen Baukasten des Herstellers abgelegt. Hieraus kann eine neue Maschine oder Anlage projektiert werden (vgl. Abb. 9.2).
Erweitert man diesen Ansatz in Analogie zu Abb. 9.2 um die virtuelle Maschine, so entsteht der Ablauf in Abb. 9.4: Das Projektierungstool erzeugt aus der Anforderungsliste des Kunden eine Kommissionierungsliste, welche für den Aufbau der realen, als auch für die virtuelle Maschine genutzt wird. Aus einem Baukasten heraus – bei der virtuellen Maschine sind die virtuellen Baugruppen (VU) in einer Datenbank abgelegt – werden für die Anforderungen passende Baugruppen ausgewählt und zusammengestellt. Während ein Baukastenelement aus sämtlichen Engineeringdaten besteht, umfasst eine virtuelle Baugruppe das Verhaltensmodell (BU) und das Geometriemodell (GU).
Durch die getrennte Modellierung und Verwaltung der mechatronischen Baugruppe (MU) und der virtuellen Baugruppe (VU) ist es nicht auszuschließen, dass sich MU und VU getrennt voneinander entwickeln. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die VU aus Zeitmangel, oder weil deren Relevanz nicht hoch genug eingeschätzt wird, hinter der Entwicklung der MU zurückbleibt. Der mechatronische und virtuelle Baukasten wird damit inkonsistent. Eine automatisierte Erstellung der virtuellen Maschine ist dann nicht mehr möglich. Es gilt also eine Lösung zu finden, welche die Entwickler zwingt VU und MU zusammen zu entwickeln und somit die virtuelle Baugruppe als Teil des mechatronischen Engineerings zu sehen.
Der objektorientierte Ansatz nach „Föderal“ [5] und „AQUIMO“ [6] legt es nahe, die separate Datenbank für virtuelle Baugruppen aufzulösen und die VU in die MU des mechatronischen Baukastens zu integrieren (vgl. Abb. 9.5). Dies hat zur Folge, dass sie zusammen verwaltet und als Einheit gesehen werden. Eine solche Komponente wird im Folgenden, angelehnt an die internationale Begriffsdefinition [16], als Cyber-physisches System (CPS) bezeichnet.
Neben der internationalen Begriffsdefinition gibt es in der Literatur weitere Ansätze ein CPS zu definieren, welche sich mit zunehmendem Verständnis der Anforderungen stetig weiterentwickeln [161718]. Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass keine Lösung für die Integration einer virtuellen Maschine gefunden wurde. Dies begründet sich darin, dass es zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Buchbeitrags keinen einheitlichen Standard für ein Modell für die (deterministische, echtzeitfähige) Virtuelle Inbetriebnahme gab, da diesen Modellen toolspezifische Bibliotheken zugrunde liegen.

9.4 Verifikation

Zur Verifikation des Konzeptes wurden zwei Maschinen mittlerer und großer Bauform umgesetzt. Der konzipierte und realisierte Ablauf der Generierung eines HiLS-Systems ist in Abb. 9.6 schematisch dargestellt.
Nachdem ein Kundenauftrag eingegangen ist, wird über ein Projektierungstool eine neue Maschine zusammengestellt, die zu den Kundenanforderungen passt. Hieraus entsteht die Kommissionierungsliste (1), welche die Basis für die nächsten Schritte ist.
Aus der Kommissionierungsliste lassen sich alle benötigten Dokumente für den Aufbau der Maschine ableiten. Parallel hierzu wird über einen Generator das Steuerungssystem konfiguriert und parametriert (2). Die benötigten Daten lassen sich ebenfalls aus der Kommissionierungsliste ableiten. Im letzten Schritt wird über einen weiteren Generator die virtuelle Maschine erstellt (3). Hierfür werden aus der Kommissionierungsliste die darin definierten Baugruppen und Funktionsbaugruppen extrahiert. Abschließend wird das Steuerungssystem an der virtuellen Maschine in Betrieb genommen. Durch die 1:1-Abbildung der realen Maschine am Feldbus lassen sich die Ergebnisse der VIBN direkt auf die Ansteuerung der realen Maschine übertragen. Sobald diese fertig aufgebaut ist, kann das Steuerungssystem an mit großer Zeiteinsparung „real“ in Betrieb genommen werden.
Für den abschließenden Test des Modellgenerators wurde ein Anlagenteil einer hochkomplexen Fertigungsanlage (Abb. 9.7) für die vollautomatisierte Möbelfertigung der Firma HOMAG GmbH generiert. Die Anlagenteile sind über Förderstrecken miteinander verbunden. Die Werkstücke werden von einem Transfer-Portal aus der Förderstrecke entnommen und in die Anlage eingebracht. Ein zweites Transfer-Portal führt die bearbeiteten Werkstücke wieder zurück auf die Förderstrecke. In der Anlage sind mehrere Bearbeitungsaggregate als Linie miteinander verbunden, durch die ein Werkstück gefördert wird – möglicherweise auch mehrfach.
Das Verhaltensmodell hat folgende technische Daten:
  • 246 Baugruppen in 53 Funktionsbaugruppen
  • 3242 E/A (über mehrere Feldbussysteme)
  • 143 Querverbindungen
  • 2 Steuerungssysteme (Anlage, Transfersysteme)
Der manuelle Aufbau der virtuellen Maschine wurde in 15 Mannwochen (MW) realisiert. Anschließend wurden die einzelnen Baugruppen als Digitale Zwillinge modelliert und in eine Bibliothek wiederverwendbar abgelegt. Die manuelle Modellierung aus dieser Bibliothek heraus betrug anschließen nur noch 4 MW. Durch den Einsatz des Modellgenerators konnte die Erstellung der virtuellen Maschine inklusive Ankopplung an das Steuerungssystem, unter Zuhilfenahme der Bibliothek, auf wenige Minuten reduziert werden.

9.5 Zusammenfassung und Ausblick

Vom modernen Maschinen- und Anlagenbau wird erwartet, individuelle Kundenwünsche hinsichtlich Funktionalität, Qualität und Wirtschaftlichkeit zu erfüllen. Dies gelingt durch ein mechatronisches Engineering, das kundenindividuelle Maschinen und Anlagen auf Basis eines Baukastens aus wiederverwendbaren Komponenten realisieren kann.
Es hat sich gezeigt, dass der Digitale Zwilling der realen Maschine ebenso modular aus wiederverwendbaren Komponenten aufgebaut werden kann wie die reale Maschine. Die etablierten Methoden zur Modularisierung können direkt auf den Digitalen Zwilling übertragen werden und der etablierte Baukasten, aus welchem Maschinen und Anlagen gebaut werden, kann um die Digitalen Zwillinge der Baukastenkomponenten ergänzt werden.
Durch Integration der Virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) als integraler Bestandteil des Engineerings (automatisierte Generierung der virtuellen Maschine aus Kommissionierungslisten), lässt sich die VIBN wirtschaftlich in der Praxis einsetzen. Dies konnte in der Verifikation anhand einer Fertigungsanlage für die vollautomatisierte Möbelfertigung gezeigt werden.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Reuter A, Kircher C, Verl A (2010) Manufacturer-independent mechatronic information model for control systems. Production Eng 4(2-3):165-173 Reuter A, Kircher C, Verl A (2010) Manufacturer-independent mechatronic information model for control systems. Production Eng 4(2-3):165-173
2.
Zurück zum Zitat Pritschow G, Wurst K-H, Seyfarth M, Bürger T (2003) Requirements for controllers in reconfigurable machining systems, CIRP 2nd international conference on reconfigurable manufacturing. Ann Arbor, USA Pritschow G, Wurst K-H, Seyfarth M, Bürger T (2003) Requirements for controllers in reconfigurable machining systems, CIRP 2nd international conference on reconfigurable manufacturing. Ann Arbor, USA
3.
Zurück zum Zitat Pritschow G, Altintas Y, Jovane F, Koren Y, Mitsuishi M, Takata S, Van Brussel H, Weck M, Yamazaki K (2001) Open controller architecture – Past, present and future. CIRP Annals – Manufactur Technol 50(2):463–470 Pritschow G, Altintas Y, Jovane F, Koren Y, Mitsuishi M, Takata S, Van Brussel H, Weck M, Yamazaki K (2001) Open controller architecture – Past, present and future. CIRP Annals – Manufactur Technol 50(2):463–470
4.
Zurück zum Zitat VDI 2206. 06.2004. Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme VDI 2206. 06.2004. Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme
5.
Zurück zum Zitat Litto M, Korajda I, Mangold C, Angerbauer R, Hils W, Lerche M (2004) Baukastenbasiertes Engineering mit Föderal: Ein Leitfaden für Maschinen- und Anlagenbauer. VDMA, Frankfurt a. M. Litto M, Korajda I, Mangold C, Angerbauer R, Hils W, Lerche M (2004) Baukastenbasiertes Engineering mit Föderal: Ein Leitfaden für Maschinen- und Anlagenbauer. VDMA, Frankfurt a. M.
6.
Zurück zum Zitat Angerbauer R, Buck R, Doll U, Hackel M, Eberhardinger S, Kayser K-H, Klebl M, Mack H, Siegler R, Wascher F, Würslin R (2010) Adaptierbares Modellierungswerkzeug und Qualifizierungsprogramm für den Aufbau firmenspezifischer mechatronischer Engineeringprozesse: Ein Leitfaden für Maschinen- und Anlagenbauer. VDMA, Frankfurt a. M. Angerbauer R, Buck R, Doll U, Hackel M, Eberhardinger S, Kayser K-H, Klebl M, Mack H, Siegler R, Wascher F, Würslin R (2010) Adaptierbares Modellierungswerkzeug und Qualifizierungsprogramm für den Aufbau firmenspezifischer mechatronischer Engineeringprozesse: Ein Leitfaden für Maschinen- und Anlagenbauer. VDMA, Frankfurt a. M.
7.
Zurück zum Zitat Pritschow G, Röck S (2004) Hardware in the loop. Simulation of machine tools. CIRP Annals – Manufactur Technol 53(1):295–298 Pritschow G, Röck S (2004) Hardware in the loop. Simulation of machine tools. CIRP Annals – Manufactur Technol 53(1):295–298
8.
Zurück zum Zitat Röck S (2007) Echtzeitsimulation von Produktionsanlagen mit realen Steuerungselementen, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart Röck S (2007) Echtzeitsimulation von Produktionsanlagen mit realen Steuerungselementen, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart
9.
Zurück zum Zitat Wünsch G (2007) Methoden für die virtuelle Inbetriebnahme automatisierter Produktionssysteme, Dissertation. Technische Universität München, München Wünsch G (2007) Methoden für die virtuelle Inbetriebnahme automatisierter Produktionssysteme, Dissertation. Technische Universität München, München
10.
Zurück zum Zitat Pritschow G, Röck S, Rüdele H (2005) Echtzeitfähige Simulation von Werkzeugmaschinen: Anforderungen und Eigenschaften einer Hardware-in-the-Loop-Simulationsumgebung für Werkzeugmaschinen. wt Werkstattstechnik online 95(5):302–308 Pritschow G, Röck S, Rüdele H (2005) Echtzeitfähige Simulation von Werkzeugmaschinen: Anforderungen und Eigenschaften einer Hardware-in-the-Loop-Simulationsumgebung für Werkzeugmaschinen. wt Werkstattstechnik online 95(5):302–308
11.
Zurück zum Zitat Kufner A (2012) Automatisierte Erstellung von Maschinenmodellen für die Hardware-in-the-Loop-Simulation von Montagemaschinen, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart Kufner A (2012) Automatisierte Erstellung von Maschinenmodellen für die Hardware-in-the-Loop-Simulation von Montagemaschinen, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart
12.
Zurück zum Zitat Voß V (2012) Wiederverwendbare Simulationsmodelle für die domänen- und disziplinübergreifende Produktentwicklung, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart Voß V (2012) Wiederverwendbare Simulationsmodelle für die domänen- und disziplinübergreifende Produktentwicklung, Dissertation. Universität Stuttgart, Stuttgart
13.
Zurück zum Zitat VDI/VDE 3693–1. 08.2016. Virtuelle Inbetriebnahme VDI/VDE 3693–1. 08.2016. Virtuelle Inbetriebnahme
14.
Zurück zum Zitat VDI 4499–1. 05.2006. Digitale Fabrik – Grundlagen VDI 4499–1. 05.2006. Digitale Fabrik – Grundlagen
15.
Zurück zum Zitat Scheifele S, Verl A (2016) Automatische HiLS-Generierung für komplexe Maschinen: Hardware-in-the-Loop-Simulationslösung für den variantenreichen Sondermaschinenbau. wt Werkstattstechnik online 106(7/8):501–505. Scheifele S, Verl A (2016) Automatische HiLS-Generierung für komplexe Maschinen: Hardware-in-the-Loop-Simulationslösung für den variantenreichen Sondermaschinenbau. wt Werkstattstechnik online 106(7/8):501–505.
16.
Zurück zum Zitat Lee EA (2008) Cyber physical systems: Design challenges. (UCB/EECS-2008–8) Lee EA (2008) Cyber physical systems: Design challenges. (UCB/EECS-2008–8)
17.
Zurück zum Zitat acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V., Geisberger E (Mitarb.), Broy M (Mitarb.) (2012) Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems. Springer, Heidelberg acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V., Geisberger E (Mitarb.), Broy M (Mitarb.) (2012) Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems. Springer, Heidelberg
Metadaten
Titel
Automatische Modellgenerierung aus Engineering-Daten
verfasst von
Stefan Scheifele
Alexander Verl
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66217-5_9

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.