Skip to main content

07.01.2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Mercedes-Benz F 015: Elektro-Hybridantrieb und neues Karosseriekonzept

verfasst von: Angelina Hofacker

8 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

1100 Kilometer weit emissionsfrei Fahren: Mercedes-Benz setzt dieses Versprechen in Form eines F-Cell-Plug-in-Hybridantriebs und einem neuen Karosseriekonzept in dem voll automatisierten Forschungsfahrzeug F 015 um. Derzeit ist das Fahrzeug auf der CES (6. bis 9. Januar 2015) in Las Vegas zu sehen.

Mercedes-Benz zeigt mit dem F 015 ein neuartiges Fahrzeugkonzept. Dies sollen schon die ungewöhnlichen Proportionen des Forschungsfahrzeugs signalisieren: Es ist 5220 Millimeter lang, 2018 breit und 1524 Millimetern hoch. Das monolithische Exterieur aus einem Guss sowie die großflächigen LED-Leuchtmodule an Front und Heck muten ebenfalls futuristisch an. Unter diese Haube haben die Mercedes-Benz-Ingenieure nicht nur neuartige Assistenzsysteme und Kommunikationstechnik verbaut, wie die Redaktion Automobil- und Motorentechnik gestern berichtete, sondern auch eine in Hybrid-Leichtbauweise gefertigte Karosserie und einen weiterentwickelten F-Cell-Plug-in-Hybridantrieb.

Elektro-Hybridsystem ermöglicht Reichweite von 1100 Kilometern

Ein Elektroantrieb mit Brennstoffzelle fungiert im Forschungsfahrzeug F 015 als Antriebssystem. Das Elektro-Hybridsystem basiert auf dem F-Cell-Plug-in-Hybridantrieb des Forschungsfahrzeugs F 125 aus dem Jahr 2011. Die Ingenieure von Mercedes-Benz haben den Brennstoffzellen-Stack in Hinblick auf Leistung, Effizienz und Dauerhaltbarkeit weiter optimiert. Im Fokus der Entwickler stand die Überlegung, die chemische Reaktionsgeschwindigkeit innerhalb des Systems zu verbessern. Dies sei durch zahlreiche Detailmaßnahmen wie etwa eine neuartige Platin-Katalysatorbeschichtung mit größenoptimierten, homogenen Nanopartikeln und durch die Verminderung der elektrischen Widerstände in den Zellschichten des Stacks gelungen. Ein optimierter elektrischer Turbolader erhöhe den Luftdurchsatz und beschleunige so die chemische Reaktion.

Dank dieser Maßnahmen liefere das System nun den Fahrstrom für zwei Elektromotoren mit jeweils 100 kW Leistung. Die Elektromotoren sind im Heck angeordnet und übertragen ihre Antriebskraft auf die Hinterräder. Insgesamt erreicht das elektrische Antriebssystem laut Hersteller eine Spitzenleistung von 200 kW. Das maximale Drehmoment von jeweils 200 Nm stehe bereits ab dem Start zur Verfügung und sorge für kraftvolle Beschleunigung. Den Spurt von 0 auf 100 km/h soll der F 015 in 6,7 Sekunden absolvieren, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 200 km/h abgeregelt.

Der Verbrauch liegt nach Neuem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) laut Mercedes-Benz umgerechnet bei 0,6 Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer. Die Gesamtreichweite des Elektro-Hybridsystems beträgt dem Automobilhersteller zufolge 1100 Kilometer, davon sollen rund 200 Kilometer mit der Batterie gefahren werden und etwa 900 Kilometer mit dem Strom aus der Brennstoffzelle. Der Aktionsradius des Forschungsfahrzeugs entspreche damit dem eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs, allerdings voll elektrisch und ohne lokale Emissionen, betonen die Entwickler.

Lesen Sie mehr über das Energiespeicherkonzept des F 015 auf Seite 2.

Kompakte Hochvoltbatterie

Der F-Cell-Plug-in-Hybridantrieb kombiniert die Stromerzeugung an Bord des F 015 mit einer besonders leistungsfähigen und kompakten Hochvoltbatterie, berichten die Entwickler von Mercedes-Benz. Die Hochvoltbatterie ist zusammen mit dem Brennstoffzellensystem im Vorderwagen des F 015 installierbar und verfüge über eine Kapazität von 29 Kilowattstunden. Möchte der Fahrer die Maximalleistung abrufen oder die Gesamtreichweite verlängern, wird die Batterie als zusätzliche Energiequelle genutzt. Der Energiegehalt soll eine rein batterieelektrische Reichweite von rund 200 Kilometern ermöglichen und auch als "Boost" dienen, um die Leistung des Antriebs kurzfristig zu erhöhen. Mit 450 Wattstunden und 1,2 Kilowatt pro Liter ließe sich die Batterie bei einem Serieneinsatz gleichermaßen für Plug-in-Hybride und reine Elektrofahrzeuge verwenden, erklären die Ingenieure des Automobilherstellers. Die Hochvoltbatterie soll berührungslos per Induktion aufgeladen werden können. Der kontaktlose Ladevorgang lasse sich dabei per Smartphone überwachen und steuern.

Drucktanks aus CFK

Zur Wasserstoffspeicherung sieht das Konzept 700-bar-Drucktanks aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) vor. Die schlanken Druckzylinder sollen insgesamt 5,4 Kilogramm Wasserstoff fassen. Wie die Experten von Mercedes-Benz erklären, können die Tanks aufprallgeschützt im Wagenboden integriert werden, da sie sich die Druckzylinder dank ihres geringen Durchmessers flach im Boden des F 015 unterbringen lassen. Das Wasserstoff-Druckspeicher-System könne gewohnt schnell in wenigen Minuten aufgetankt werden und sei kompatibel mit dem heute verwendeten H2-Tankstellen-Standard.

Technische Daten des F-Cell-Plug-in-Hybridantriebsystem im Überblick

(Angaben laut Mercedes-Benz)

Peakleistung Heckmotoren

je rund 100 kW/136 PS

Drehmoment Heckmotoren

je rund 200 Nm

Gesamtleistung Dauer

120 kW/163 PS

Gesamtleistung Maximal

200 kW/272 PS

Dauerleistung Brennstoffzelle

120 kW

Maximalleistung Batterie

80 kW

Beschleunigung 0-100 km/h

6,7 s (Zielwert)

Beschleunigung 60-120 km/h   

6,2 s (Zielwert)

Höchstgeschwindigkeit

200 km/h (Zielwert)

Wasserstoff-Verbrauch

0,60 kg/100 km (entspricht 2,0 l Dieseläquivalent)

C02 ges.              

0 g/km

Reichweite ges. gemäß NEFZ   

1100 km

Inhalt H2-Druckspeicher

ca. 5,4 kg

Energieinhalt Hochvoltbatterie

29 kWh

Lesen Sie mehr über das neuartige Karosseriekonzept des F 015 auf Seite 3.

Intelligenter Hybrid-Leichtbau

Aktuelle Serienkarosserien konstruiert Mercedes-Benz nach den Prinzipien des "3D Body Engineering“: Es umfasse mit Aero-, Hybrid-Body- und Safety-Engineering alle drei relevanten Dimensionen des Karosseriebaus. Durch den Einsatz neuer Materialien und Strukturen haben die Ingenieure des Automobilherstellers dieses Konstruktionsprinzip für den F 015 zur sogenannten "Smart Body Structure (SBS)" weiterentwickelt. Dieser intelligente Hybrid-Leichtbau soll bedarfsgerecht neuartige Materialien kombinieren und auf diese Weise für höchste Festigkeit und Crashsicherheit bei optimiertem Gewicht sorgen.

Zum Abbau von Aufprallenergie verwenden die Werkstoffexperten etwa statt herkömmlicher Stähle faserverstärkte Kunststoffe (FVK), insbesondere auf Kohlefaserbasis (carbonfaserverstärkter Kunststoff, CFK). Den Entwicklern sei dabei die langjährigen Erfahrungen des Unternehmens in der Formel 1 zugute gekommen. Der Motorsport-Werkstoff könne bei einem Aufprall gewichtsspezifisch die vier- bis fünffach höhere Energiemenge als Stahl oder Aluminium absorbieren und sei gleichzeitig deutlich leichter. Mit einer exakt auf die jeweilige Anforderung abgestimmten Kombination aus CFK, Aluminium und hochfesten Stählen konnten die Leichtbau-Experten des Autoherstellers eine um 40 Prozent leichtere Rohkarosserie im Vergleich zu heutigen Serienfahrzeugen realisieren.

Sicherheit für Passagiere und Antriebskomponenten

Die bisher üblichen Längsträger aus Stahl an der Front haben die Mercedes-Benz-Entwickler durch plattenförmige Mehrkammerprofile ersetzt. Sie sollen aus einem sehr leichten CFK-Verbundwerkstoff bestehen. Zusammen mit zusätzlichen Querversteifungen oberhalb und unterhalb der Stirnwand ergebe sich eine hocheffiziente, hochsteife Frontbox-Einheit. Dort lässt sich die Brennstoffzelle integrieren, deren Komponenten bei einem möglichen Aufprall ideal geschützt sind, erklären die Ingenieure. Die Aufprallenergie soll vor der Antriebseinheit auf sehr kurzem Weg durch die Energieabsorptionsstruktur aufgenommen werden. Eine ähnliche Konstruktion sei auch am Heck zu finden: Dort beherbergt sie die beiden Elektromotoren, wichtige Steuereinheiten und Hochvoltkomponenten.

Die hochsteife Fahrgastzelle verfüge über ein Energiespeicherkonzept in CFK-/Aluminium-Mischbauweise. In dieser Struktur, von Mercedes-Benz als Energy Space bezeichnet, können die Zylinder des Wasserstoff-Druckspeicher-Systems eine wichtige Rolle übernehmen, erklären die Ingenieure des Autoherstellers. Sie bestünden komplett aus hochfestem CFK und lägen quer zur Fahrtrichtung. Die Hohlräume zwischen den Wasserstoff-Zylindern seien mit speziellen, extrem stabilen Strukturkomponenten gefüllt und sollen so deutlich die Eigenstabilität des Energy Space erhöhen. Zusätzlich seien die Speichertanks durch spezielle CFK-Träger mit angepasstem Querschnitt fixierbar, die links und rechts jeweils über 250 Millimeter über die Druckzylinder hinausragen. Durch die ergänzende Lastpfadstruktur könne der Energy Space noch mehr Aufprallenergie aufnehmen, ohne zu kollabieren. Zusammen mit den crashoptimierten Seitenwänden und den Aluminium-/FVK-Schwellerstrukturen ergebe sich ein hochfester Fahrzeugverbund. Bei einem Seitenaufprall soll diese Konstruktion die Karosseriestruktur unterstützen und gleichermaßen Passagiere und Technik schützen.

Gegenläufiges Türsystem ohne B-Säule

Ein weiteres Kernelement des Karosseriekonzepts ist das neuartige Türsystem mit gegenläufig öffnenden Türen, vom Hersteller als Saloon-Doors-System bezeichnet. Front- und Fondportale können so unabhängig voneinander betätigt werden. Die Türöffnungswinkel von jeweils 90 Grad sollen auf beiden Fahrzeugseiten einen komfortablen Zugang zum Innenraum ermöglichen. Auf eine B-Säule habe dank der spezifischen Auslegung der Karosseriestruktur verzichtet werden können. Ein hochstabiles Verbundsystem mit mechanischen Verriegelungselementen gewährleiste die Sicherheit. Front- und Fondtüren seien im geschlossenen Zustand stabil miteinander verzahnt und seien zusätzlich fest an Dachrahmen sowie Seitenschwellern angebunden. Der so entstandene Lastpfad-Verbund ermögliche eine extrem hohe Energieaufnahme im Falle eines Front- oder Seitenaufpralls bei geringsten Intrusionen in den Fahrgastraum.

Um die Front- und Fondportale auch unabhängig voneinander öffnen zu können, haben die Karosserieexperten von Mercedes-Benz für die Fondtüren zudem ein spezielles, an der C-Säule angeschlagenes Doppelscharnier entwickelt. Dieses ermögliche die separate Entriegelung der Fondtür aus dem Verbund durch eine flüssige Schiebebewegung hin zum Heck, bevor sie sich dann per Drehung vollständig öffnet. Alle Türkinematiken seien elektrisch angetrieben und mit Einklemmschutz versehen. Das Dichtungskonzept des Türsystems entspreche dem der aktuellen Mercedes-Benz S-Klasse, eine automatische Zuziehhilfe sorge für Bedienkomfort.

Auch die Türen selbst sollen dem Hersteller zufolge eine wesentliche Rolle bei der Passiven Sicherheit spielen. Dazu trage nicht nur ihr neuartiger Aufbau mit bionisch optimierter Aluminium-Innenstruktur und aus Carbon bestehender Außenhaut bei. Entscheidend seien die crashaktiven Bordkanten in den Türen unterhalb der Seitenfenster. Diese bereits beim Experimentalsicherheitsfahrzeug ESF 2009 vorgestellte und jetzt weiterentwickelte Technik (Pre-Safe-System) soll maximale Sicherheit bei minimalem Bauraum ermöglichen: Bei einem seitlichen Aufprall "pumpen" sich diese Karosserieelemente, ähnlich wie ein Airbag, blitzartig auf und können so die Aufprallenergie maximal absorbieren, erläutern die Sicherheitsexperten des Automobilherstellers. Und auch bei einem Überschlag seien die Passagiere optimal geschützt: Von der Front durchgehend bis ins Heck zur C-Säule erstreckt sich eine hochstabile Dachrahmenstruktur in FVK-/Stahl-Hybridbauweise. Im hinteren Bereich besteht das Dach aus einer netzartigen Aluminiumstruktur, die hohe Struktursteifigkeit und Energieaufnahme bei geringem Eigengewicht ermöglichen soll.

Weiterführende Themen

    Premium Partner