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08.08.2013 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

„Compliance zu leben ist wie Zähneputzen“

verfasst von: Anja Kühner

5 Min. Lesedauer

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Compliance-Spezialistin Marianne Klausberger sprach mit Springer für Professionals über die Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung von Compliance-Zielen bei deutschen Instituten und inwieweit der "Kulturwandel" in der Branche bereits angekommen ist.

Hat ein Wertekanon, wie ihn die Deutsche Bank präsentiert hat, Auswirkungen auf ein Unternehmen? Oder ist das ein Deckmäntelchen, um gegenüber den Kunden Vertrauen zurückzugewinnen – und in Wirklichkeit ändert sich dadurch nichts?

Es kann beides sein. Immer wieder finden sich auch Wiederholungstäter sowie ex- oder implizite Anweisungen, Compliance Schulungen nur im Sinne eines Deckmantels durchzuführen. Von außen lässt sich daher nicht beurteilen, welche internen Auswirkungen die Verkündung der neuen Grundwerte bei der Deutschen Bank haben werden.

Die Liste der PR-wirksam veröffentlichten „Grundwerte“ an sich verrät uns nicht, ob sich an den Entscheidungen im Unternehmen etwas ändert, wenn die Werte darüber gegossen werden. Eine Implementierung der publizierten Werte, ein „Runterbrechen“, was denn diese Werte für die Arbeit des Einzelnen bedeuten, diese kann sehr wohl etwas bewirken. Ich hätte mir gewünscht, dass die Deutsche Bank diese Werte nicht nur als Liste veröffentlicht, sondern auch deutlich macht, dass da ein Weg dahinter steckt, dass es Schulungen für die Mitarbeiter geben wird oder in welchem Zeitrahmen das ins Unternehmen einfließen soll.

Es kommt also nicht auf die verkündeten Werte an sich an, sondern auf deren Implementierung?

Compliance wirklich zu leben ist ein bisschen wie Zähneputzen: Wer schon mal Zahnschmerzen hatte, der nimmt es ernster und hat mehr Motivation, tatsächlich etwas zu verändern im Unternehmen. Der „Schmerz“, den die Verantwortlichen der Unternehmen in Erinnerung haben, ist in der Finanzbranche der Kollaps von Banken und Bankprodukten, teure Gerichtsverfahren und negative Publicity.

Eine erfolgreiche Implementierung eines Wertekanons kann nicht ohne ein aktives Engagement der Mitarbeiter über die Bühne gehen: Konkrete Hinweise zu einer Geschäftspraxis, die möglicherweise mit den Werten in Konflikt steht, müssen aus dem aktiven Geschäft kommen. Allgemeines Feedback, ob die Werte glaubhaft vorgelebt werden und in Bezug auf welche Stakeholder-Gruppen sie vielleicht eher zaghaft angewendet werden, sollte dem Management über anonyme Mitarbeiterbefragungen wiedergespiegelt werden.

Compliance- oder Integriätsbranche, die ihre Anregungen aus den laufenden Verfahren nimmt („Unternehmen XY hatte trotz der pro-forma Werte keine funktionierende Ethikkultur, weil ….“) wünscht sich natürlich eine Mess- und Prüfbarkeit, kein reines In-die-Sterne-Schauen („Unternehmen YZ hat soundsoviel für Kunst und Kultur ausgegeben, also muss es ein ethisches Unternehmen sein“). Für eine solche Prüfung gibt es internationale Standards. Auch das Institut für Wirtschaftsprüfer hat einen Standard vorgelegt (IDW PS 980), nach dem auch ThyssenKrupp geprüft worden sein soll.

Sollten es andere Banken der Deutschen Bank nachmachen und sich solche „Goldenen Regeln“ geben?

Es gibt kein 0-8-15-Rezept für einen Kulturwandel, das auf alle passt. Auch wenn alle Banken und Sparkassen nun Werte-Webseiten hätten, ergibt das noch keine veränderte Bankenwelt.

Wenn mir meine Erfahrung mit Untersuchungen und Workshops zum Thema „Regel-Verletzungen“ eines gezeigt hat, dann dies: Die richtige und damit integere Entscheidung - um mit Deutsche Bank-Werten zu sprechen – zu treffen ist immer dann am schwierigsten, wenn man selbst mittendrin ist, also einen engen Bezug zum Tagesgeschäft hat. Aus der Distanz ist das Urteil meist klarer. Aber wenn ein Mitarbeiter in einer Besprechung zum Libor die im Team besprochene Vorgangsweise in Frage stellt, dann kann dieses Ansprechen Konsequenzen für seine Karriere haben. Hier haben wir das in der Beratung mit ihren Vertriebszielen wichtige „faire Teilen“, also die Werte „Kundenorientierung“ und „Partnerschaft“ noch gar nicht angesprochen.

Die Glaubwürdigkeit des vorgestellten Programms zeigt sich in den finanziellen Entscheidungen. Ein erfolgreiches Compliance-Programm hat Strategien für Sorge um verlorenes Geschäft und geringere Boni. Diese „Deferred boni” und konkrete an dem Risikomanagement-Programm orientierte Mitarbeiterziele sind wichtige Tools, für die die Mitarbeiter erst ins Boot geholt werden müssen.

Was muss eine gute Compliance-Arbeit leisten?

Wünschenswert wäre, dass der einzelne Mitarbeiter eine klarere Vorstellung bekommt, wann das Vorgehen eines Vorgesetzten oder Kollegen das „Verantwortungsbewusstsein“ gefährdet. Wenn der Mitarbeiter weiß, wie Bedenken gemeldet und untersucht werden, dann kann sich das herumsprechen und positiv im Sinne einer Compliance-Kultur auswirken. Hier könnte jede Bank eine Vorreiterrolle einnehmen, indem sie ihren Mitarbeitern starke Hilfestellung im Lösen von Compliance-Problemen gibt.

Aus dem Straßenverkehr ist bekannt: Wo keine Strafe droht, da werden Regeln oft ignoriert – erst mit Strafbewehrung halten sich die Autofahrer an Anschnallpflicht usw. Funktioniert das im Arbeitsleben ebenso?

Vor allem im Verhältnis der Bank als Arbeitgeber zu den Mitarbeitern ist nicht der Bußgeldrahmen entscheidend, sondern die Frage, ob es eine Kultur des Ahndens gibt. Für mich ist das, was Gustl Mollath laut Medienberichten widerfahren ist, ein deutliches Signal. Er soll Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau bei der HypoVereinsbank aufgedeckt haben und landete später wegen Gemeingefährlichkeit in der Psychiatrie. Hier sieht man: Die Rechtskeule ist da, aber solange die zu prüfenden Bankgeschäfte einen geringeren Widerstand erleben als der Hinweisgeber, wird das Unternehmen wohl kaum derartige Hinweise verzeichnen können.

Nicht zu unterschätzen ist das Vertrauen des sogenannten Whistleblowers, dass eine Aufklärung auch ernsthaft stattfindet. Dieses Vertrauen hängt auch davon ab, wie aussagekräftig der Informationsfluss an Kontrollorgane wie den Aufsichtsrat ist und wie unabhängig das Kontrollorgan agieren kann. Auch in diesem Zusammenhang, nämlich der Frage eines direkten Wechsels von Vorstand in den Aufsichtsrat, war die Deutsche Bank in den Schlagzeilen.

Zur Person: 

Die international tätige Rechtsanwältin Marianne Klausberger (solicitor advocate, London) berät Unternehmen im deutsch- und englischsprachigen Raum zu Business Ethics & Compliance. Sie gibt Workshops und ist europaweit gefragte als Referentin und für Diskussionsrunden.
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