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2022 | Buch

Bürgerdialoge in Zeiten der Krise

Ethnomethodologische Fallstudien aus Sachsen

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Über dieses Buch

Demokratie benötigt Streit. Streit benötigt Austragungsorte. Neben Parlamenten und Medien bilden Dialogformate, in denen Bürger in direkten Austausch mit Akteuren des politischen Systems gelangen, ein wichtiges Standbein einer pluralistischen, um das Gemeinwohl ringenden Gesellschaft. Gerade in den letzten Jahren wurden vielfältige neue Formate des Austauschs zwischen Politik und Gesellschaft in Sachsen entwickelt, nicht zuletzt unter den Eindrücken des Migrationsgeschehens von 2015 und der Corona-Pandemie sowie der in diesem Kontext aufkommenden sozialen Protestbewegungen. In diesen Bürgerdialogen geht es, wie bei allen Streitprozessen, darum, wer sich gegen wen und mit welchen Mitteln durchzusetzen kann. Genau dies zu analysieren, steht im Zentrum dieses Buches beim Beispiel Sachsens.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Bürgerdialoge in Zeiten der Krise – eine Einführung
Zusammenfassung
Demokratie benötigt Streit. Streit benötigt Austragungsorte. Neben Parlamenten und Medien bilden Dialogformate, in denen Bürger in direkten Austausch mit Akteuren des politischen Systems gelangen, ein wichtiges Standbein einer pluralistischen, um das Gemeinwohl ringenden Gesellschaft.
Cathleen Bochmann
The Futile Plea for Rational Dialogue in Times of Crisis: How Deliberative Formats Interact with Emotional Responses of Citizens
Abstract
Many societies have to deal with crises that emerge from aggravated and perpetuated conflicts. This article examines why measures of deliberation, that are based on the concept of “rational dialogues”, often fail in such situations. We argue that we need to understand the interaction between the formats and the affective dimensions of citizen’s responses while interacting within those formats. We then develop a typology that provides a framework for which formats work best at which stages of a conflict. This typology was designed based on mixed-methods research covering over 150 deliberative events of local and state government in South-East Germany since 2018. A number of commonly used deliberative formats are explored in detail how they can address conflict parties. We argue that the formats must regulate the interactions between the conflicting parties according to the level of escalation. For this, the rules of conduct must also be adapted to the emotions of the participants.
Cathleen Bochmann, Willi Hetze
„Zurück zur Sachlichkeit“ – Kampf um Wirklichkeit in Bautzen
Zusammenfassung
Der nachstehende Artikel widmet sich einer Dialogveranstaltung, die 2019 in Bautzen stattfand. Unter dem Titel „Zurück zur Sachlichkeit“ sollte es einen Austausch zwischen einer rechte Strukturen anprangernden Bloggerin und einem als rechts geltenden Bauunternehmer geben. Allerdings kam alles anders: Mit über 800 Teilnehmenden wurden die Kapazitätsgrenzen des Veranstaltungsortes extrem überschritten und der geplante Bürgerdialog verkam zum Tribunal gegen Andersdenkende. Der Artikel zeichnet das Geschehen nach, widmet sich der Frage, wie es soweit kommen konnte und zeigt auf, wie es konzeptionell und inhaltlich hätte anders laufen müssen, um erfolgreichen Dialog zwischen verhärteten Fronten zu gewährleisten.
Thea Stapelfeld
„Streitbar! Wie frei sind wir mit unseren Meinungen?“ – Uwe Tellkamp und Durs Grünbein im Dresdner Kulturpalast
Zusammenfassung
Podiumsdiskussionen sind ein beliebtes Mittel in der deliberativen Auseinandersetzung mit einem Thema. Einer solchen Diskussion zur Problematik der Meinungsfreiheit widmet sich dieser Artikel. Im Zentrum der Analyse steht eine Veranstaltung im Dresdner Kulturpalast aus dem März 2018. Anstatt den oft beschriebenen Riss durch die Gesellschaft etwas zu schließen, wurde dieser durch die Veranstaltung noch vertieft und die Diskussion fiel neurechten Wortergreifungsstrategien zum Opfer. Der Artikel untersucht, wie die Auseinandersetzung um die Konstruktion lokal-situativer Wirklichkeit zwischen zwei kontrahierenden Gruppen bei gegenseitiger strategischer Kontextbildung verläuft und welche Erklärungen sich für diesen Verlauf generieren lassen.
Lisa Marie Porsch, Marie-Theres Ueberlein
„Ist Menschlichkeit verhandelbar? Zu den Grenzen von Humanismus in Europa“ – Ein Bürgerdialog zur Seenotrettung
Zusammenfassung
Einem Bürgerdialog in Dresden zur Seenotrettung Geflüchteter auf dem Mittelmeer widmet sich der folgende Artikel. Unter dem Titel „Ist Menschlichkeit verhandelbar?“ sollte es im Anschluss an eine Filmvorführung über die „Mission Lifeline“ die Gelegenheit zur Diskussion über die Thematik geben. Doch schon vor der Veranstaltung kam es zu so massiven Störungen, dass die Polizei eingreifen musste. Wie konnte es zu einer solchen Eskalation und einem Misslingen der Verständigung kommen? Die Autorinnen zeichnen die Geschehnisse des Abends und dessen Konfliktkurve detailliert nach, in Gesprächen mit Beteiligten rekonstruieren sie deren Wahrnehmungen in der Auseinandersetzung zwischen Befürwortenden und Gegnern von Seenotrettung.
Teresa Golschewski, Daria Humburg, Vanessa Maria Wohlgemuth
Niemand hat die Absicht, eine Kantine abzureißen“ Bürgerbeteiligung auf Basis falscher Tatsachen
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit einem World Café zu einem stadtplanerischen Thema in Dresden. Das Heikle dabei: Eigentlich gibt es im untersuchten Fall überhaupt nichts zu entscheiden oder bewirken, weil das betreffende Areal in Privatbesitz und somit außerhalb der Verfügungsgewalt der Stadt Dresden liegt und Pläne zu dessen Ankauf bis heute nicht umgesetzt sind. Der Beitrag untersucht, wie fernab der bestehenden Tatsachen eine Realität konstruiert werden konnte, in der Teilnehmende und Organisatoren Pläne entwickelten, die wahrscheinlich niemals zur Umsetzung kommen. Zudem zieht er Schlüsse, was es für Bürgerbeteiligung bedeutet, wenn man diese wie im analysierten Fall auf falschen Behauptungen aufbaut und die Wünsche der Menschen in Wahrheit überhaupt nicht berücksichtigt werden können, weil es nichts zu entscheiden gibt.
Janek Treiber
„Flüchtlinge in Dresden“ ein Asyldialog in der Kreuzkirche
Zusammenfassung
Dieser Aufsatz widmet sich einem Bürgerdialog, der bereits 2016 im Rahmen der Flüchtlingskrise in der Dresdner Kreuzkirche stattfand und den Titel „Flüchtlinge in Dresden“ trug. In diesem Gotteshaus gab es schon zu DDR-Zeiten Gesprächsformate, die zur friedlichen Revolution 1989/1990 beitrugen, sodass im Artikel wird die Bedeutung dieser Räumlichkeit mit ihrer Atmosphäre und den daraus resultierenden Rahmenbedingungen für die gesamte Veranstaltung untersucht werden. Das Verhalten und die verschiedenen, teils widersprüchlichen Wirklichkeitskonstruktionen der Teilnehmenden zwischen Zustimmung und Ablehnung von Migration werden analysiert. Zudem wird beurteilt, inwiefern bei solch einer Veranstaltung mit vielen Teilnehmenden in einer emotional aufgeheizten Situation sinnvoller Dialog entstehen kann.
Franziska Hildebrant-Rocholl
Metadaten
Titel
Bürgerdialoge in Zeiten der Krise
herausgegeben von
Cathleen Bochmann
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-38016-8
Print ISBN
978-3-658-38015-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38016-8