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2022 | Buch

Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft

Zu den Grenzen der Wirksamkeit einer Norm

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Über dieses Buch

In diesem Buch wird untersucht, warum Staaten die Norm zum Verbot von Zwangsarbeit nicht oder nur unzureichend verwirklichen. Weltweit arbeiten 16 Millionen Menschen in privatwirtschaftlichen Zwangsarbeitsverhältnissen. Diese anhaltend hohe Zahl legt die Vermutung nahe, dass die Nichteinhaltung relevanter Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verbreitet und teilweise schwerwiegend ist. Empirisch befasst sich die Analyse mit dem internationalen Arbeitsrechtsregime der ILO, der globalen politischen Ökonomie von Zwangsarbeit und normativer Lokalisierungsprozesse. Die Autorin untersucht dafür transnationale Arbeitsmärkte im Kontext globaler Unternehmensstrategien (Offshoring, Outsourcing) und globaler (Im)mobilitäten (Migration, Investitionen und die dazugehörigen Raumpolitiken). Diese sind für die Region Zentralasien detailliert herausgearbeitet. Es können drei Gründe für die Nichtverwirklichung des Zwangsarbeitsverbots identifiziert werden: fehlerhafte Übersetzung normativer Gehalte in Gesetzestexte, Normkonkurrenzen und Normkoproduktionen. Diese Variablen entfalten Wirkung über Verantwortungskontestationen und Ressourcenallokationen des ILO-Arbeitsrechtsregimes.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Zur Untersuchung der Wirksamkeit von Normen werden nicht Fragen der Compliance mit den rechtsverbindlichen Übereinkommen in den Blick genommen, sondern vielmehr werden die normativen, substanziellen Gehalte des Zwangsarbeitsverbots herausgearbeitet. Letzteres umfasst deren Bedeutung, also den definitorischen Inhalt, den Gegenstandsbereich der Norm sowie zugrunde liegende Begründungszusammenhänge. Diese Gehalte werden nicht isoliert betrachtet, sondern ihre Positionierungen gegenüber anderen normativen Vorschriften werden zur Erklärung der Grenzen der Normwirkung herangezogen.
Julia Drubel
Kapitel 2. Forschungsstand: (Privatwirtschaftliche) Zwangsarbeit und globale Normativität
Zusammenfassung
Zwangsarbeit und moderne Sklaverei werden in den letzten Jahren vermehrt in der Literatur behandelt und genießen auch eine größere gesellschaftspolitische Aufmerksamkeit. Insgesamt zeichnet sich die bisherige wissenschaftliche Debatte jedoch durch eine Marginalisierung relevanter Kontextfaktoren aus, indem beispielsweise Produktionsstrukturen und deren komplexe (normative) Verregelung nicht näher zur Analyse herangezogen werden. Im politischen Raum sind noch immer Alltagserklärungen prävalent, die auf einer Legaldefinition beruhen, welche Zwangsarbeit als kriminelles Verhalten Einzelner beschreibt. Dies mündet in Erklärungen, die individuelle Vulnerabilitäten oder Unzulänglichkeiten als hinreichende Bedingungen für die Zwangsarbeitsproblematik verstehen. Die angestrebte systematische Auseinandersetzung mit der globalen Norm gegen Zwangsarbeit stellt damit einen sowohl hinsichtlich gesellschaftlich-ökonomischer Problemstellungen als auch hinsichtlich der Theorieentwicklung relevanten wissenschaftlichen Beitrag dar.
Julia Drubel
Kapitel 3. Untersuchungsziele und Aufbau
Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung zielt darauf ab, aufzudecken, welche Normen die ILO, auf welche Art und Weise, bereitstellt und mit welchen institutionellen Durchsetzungsmechanismen diese versehen sind. Die Entstehung der Norm zum Verbot von Zwangsarbeit, ihre Substanz und ihre potenziellen Wirkungen, beispielsweise als in Übereinkommen kodifiziertes verbindliches Völkerrecht oder als völkerrechtlich nicht-bindender Verhaltensstandard der Kernarbeitsnormen, werden analysiert.
Julia Drubel
Kapitel 4. Die Internationale Arbeitsorganisation: ILO
Zusammenfassung
Das folgende Kapitel befasst sich zunächst mit dem Aufbau und der Funktionsweise der ILO. Die ILO ist eine der ältesten internationalen Organisationen. Der für das Zwangsarbeit konstitutive Rechtsrahmen sowie die institutionell-prozeduralen Mechanismen zu dessen Verwirklichung werden im empirischen Teil bearbeitet. Seit dem 14. Dezember 1946 ist die ILO eine UN-Sonderorganisation mit Sitz in Genf. Die ILO ist eine tripartistisch besetzte Organisation, die über die folgenden Organe verfügt: die Internationale Arbeitskonferenz (International Labour Conference, ILC), den Verwaltungsrat (Governing Body, GB) und das Internationale Arbeitsamt (International Labour Office, Office).
Julia Drubel
Kapitel 5. Theorie: Zur Verwirklichung des Zwangsarbeitsverbots unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft
Zusammenfassung
Im folgenden Kapitel sollen Erklärungen für die mangelhafte Verwirklichung der Norm zum Verbot von Zwangsarbeit im Kontext der globalisierten Wirtschaft theoretisch abgeleitet werden. Dazu erfolgt zunächst eine Systematisierung der theoretischen Erklärungen für die Verwirklichung oder Nicht-Verwirklichung internationaler Normen, wie sie in den Disziplinen der IB und der GPÖ bereitgestellt werden. Hier wird der Einfluss von Ideen und Normen auf die materiellen Bedingungen internationaler Produktionsbeziehungen, deren Institutionalisierung und damit auf die internationale Politik der Arbeitsregulierung betrachtet.
Julia Drubel
Kapitel 6. Theorie: Zur Globalen Politischen Ökonomie der Zwangsarbeit
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Verdichtung des Zwangsarbeitsverbots zu einer normativen Ordnung. Diese Verdichtung findet auch im Kontext der Weltwirtschaft statt, die maßgeblich durch globale Netzwerke der Wertschöpfung geprägt ist. Dabei verlagern Unternehmen einzelne Produktionsschritte (Offshoring) auf verschiedene Standorte weltweit oder gliedern spezifische Aufgaben aus (Outsourcing). Ob und inwiefern Wertschöpfungsketten Einfluss auf die Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen und Arbeitsstandards haben, wird hier anhand der Globalen Politischen Ökonomie von Zwangsarbeit diskutiert.
Julia Drubel
Kapitel 7. Zwischenfazit Theorie: Norm-Law-Gap, internormative Beziehungen und die normative Ausgestaltung der Weltwirtschaft
Zusammenfassung
Bisher wurde die fehlerhafte, nationale Einbindung und Verwirklichung globaler Normen durch mangelnde Kenntnisse (Management) oder fehlenden politischen Willen (Enforcement) erklärt. Zu berücksichtigen sind jedoch auch Prozesse der fehlerhaften Transponierung normativer Gehalte in Gesetze (Norm-Law-Gap UV 1), die Mechanismen des legalen Enforcements mit Blick auf die Normverwirklichung unwirksam werden lassen. Die Wirkung von Normen ist zudem davon abhängig, wie ihre normative Bedeutung in globalen Settings bestimmt und gegebenenfalls in lokale Kontexte übersetzt wird; dies umfasst die Bestimmung des Norminhalts (Intension/Extension) und der Beziehung zum weiteren normativen Umfeld (internormative Beziehungen UV 2).
Julia Drubel
Kapitel 8. Forschungsdesign und Methode
Zusammenfassung
Das vorliegende Buch beforscht Erklärungen für die unzureichende Verwirklichung des Verbots von Zwangsarbeit im Kontext einer globalisierten Wirtschaft. Dabei geht das vorliegende Buch der Frage nach, wie sich normative Gehalte bzw. spezifische normative Ordnungen auf die Wirklichkeit auswirken. In einem deduktiven, qualitativen Forschungsdesign wird ein rational-kritischer Ansatz einer Wirkungsanalyse verfolgt. Das folgende Kapitel behandelt erstens die Korpusbestimmung, also die Identifikation der zu analysierenden Dokumente, und zweitens die Operationalisierung der unabhängigen Variablen (Norm-Law-Gap und internormative Beziehungen) in inhaltsanalytische Kategorien.
Julia Drubel
Kapitel 9. Zwangsarbeit: eine Globalisierungsproblematik
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel zielt darauf ab, die weltweite Prävalenz von Zwangsarbeit in einem ersten Schritt zu beschreiben und in einem zweiten Schritt bereits mit Blick auf die Normverwirklichung zu problematisieren. Dazu stellt das Kapitel erstens die von der ILO genutzten Begrifflichkeiten zur Erhebung von Zwangsarbeit vor, fasst zweitens die globale und regionale Verteilung von Zwangsarbeit zusammen und problematisiert drittens, dass zur Bestimmung des empirischen Felds auf die Erhebungen der ILO, also einen Teil des Untersuchungsgegenstandes selbst, zurückgegriffen wird.
Julia Drubel
Kapitel 10. Die ILO und das Ziel internationaler Arbeitsstandards
Zusammenfassung
Im folgenden Kapitel soll die ILO in ihrer Entstehungsgeschichte kurz beleuchtet werden, um die ihrer Gründung zugrunde liegenden Motivationen abbilden zu können. Außerdem sollen die sozialen Menschenrechte sowie das ILO-Zwangsarbeitsverbot hier eingeführt werden, um das heutige Engagement der ILO für menschenwürdige Arbeit darzulegen. Damit kann das hier beschriebene Engagement der ILO der anhaltend hohen Zahl von Zwangsarbeit Betroffener gegenüber gestellt werden. Inwiefern die ILO durch Kontinuität oder Brüche in ihrem Ziel der Ausgestaltung internationaler Arbeitsstandards geprägt ist, erlaubt es, sie im größeren normativen Kontext zu verorten, – auch indem ihr Verhältnis zu anderen Organisationen und deren politischen Zielen ausformuliert werden kann.
Julia Drubel
Kapitel 11. Die Kodifizierung des ILO-Zwangsarbeitsverbots (UV1 Norm-Law-Gap)
Zusammenfassung
Die ILO reguliert sozialpolitische Fragestellungen, indem sie normative Standards in Form von Übereinkommen und Empfehlungen verabschiedet. Seit den 1990er Jahren ist sie außerdem vermehrt im Bereich der technischen Zusammenarbeit aktiv. Mit der Verabschiedung der Decent Work Agenda (2001) hat die ILO zudem marktbasierte Governancemodi als politische Steuerungsformen integriert. Im vorliegenden Kapitel wird die Kodifizierung des Zwangsarbeitsverbots mit Blick auf fehlerhafte Transponierungen normativer Gehalte analysiert. Dies umfasst ihre historische Genese und ihre juristische wie politische Fortschreibung.
Julia Drubel
Kapitel 12. Internormative Beziehungen (UV2)
Zusammenfassung
Nachdem im vorherigen Kapitel das Norminnenverhältnis des Verbots von Zwangsarbeit – also die inneren Bedeutungszuschreibungen und Begründungszusammenhänge – untersucht wurde, geht es in diesem Kapitel darum, das Verbot in seinem normativen Außenverhältnis zu beschreiben. Dazu sollen die sprachlichen Prozesse der Normanwendung und Überprüfung auf die Herstellung verschiedener internormativer Beziehungen hin untersucht werden. Das normative Außenverhältnis des Verbots wird dabei insbesondere mit Blick auf die De-facto-Ausgestaltung von Zwangsarbeit im Rahmen der globalisierten Wirtschaft beleuchtet.
Julia Drubel
Kapitel 13. Effekte der globalen normativen Ordnung des ILO-Zwangsarbeitsverbots
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel bereitet die Ergebnisse der globalen Analyse bereits zusammenfassend auf, indem es erstens die globale normative Ordnung des ILO-Zwangsarbeitsverbots basierend auf den inhaltsanalytischen Erkenntnissen rekonstruiert und zweitens darstellt über welche Mechanismen sie im Rahmen der ILO Wirkung entfaltet. Damit stellt das vorliegende Kapitel die Grundlage für die Untersuchung von Lokalisierungsprozessen der hier rekonstruierten normativen Ordnung dar. Die normative Ordnung setzt sich zusammen aus einer Lücke zwischen Gesetz und normativ Wünschenswertem sowie spezifischen Normkoproduktionen und Normkonkurrenzen. 
Julia Drubel
Kapitel 14. Lokalisierungsprozesse des ILO-Zwangsarbeitsverbots: Das Beispiel Zentralasien
Zusammenfassung
Das vorliegende Buch fokussiert auf die globale Ebene des ILO-Arbeitsrechtsregimes. Es analysiert, wie dessen normative Ordnung zum Verbot von Zwangsarbeit entsteht und welche Wirkungen von ihr ausgehen. Allerdings stellt sich im Rahmen der erstarkten Debatte um Prozesse der „localization“, durchaus die Frage, inwiefern und in welcher Gestalt diese normativen Konfigurationen vertikal anschlussfähig sind. Die Untersuchung soll also zeigen, inwiefern normative Prozesse der globalen Ebene auch lokal abgebildet werden können. Es wird dazu die Output-Dimension der normativen Ordnung zum Zwangsarbeitsverbot in Zentralasien erhoben.
Julia Drubel
Kapitel 15. Zusammenfassung der Ergebnisse: Ursachen der begrenzten Normwirkung des ILO-Zwangsarbeitsverbots
Zusammenfassung
In diesem Buch wurden auf der globalen und regionalen Analyseebene Erklärungen für die mangelhafte Verwirklichung des ILO-Zwangsarbeitsverbots erarbeitet. Ursächlich sind eine Lücke zwischen Gesetz und normativ Gebotenem und spezifische internormative Beziehungen. Die unabhängigen Variablen der Norm-Law-Gap (UV 1) und der internormativen Beziehungen (UV 2) werden in ihren Ausprägungen dargestellt, inklusive der empirisch bestimmten kausalen Korridore und Wirkungspfade. Gleichzeitig wird  verdichtet diskutiert, in welchen Governancemodi (rechtsbasiert, hilfebasiert, marktbasiert) die erklärenden Variablen auf die Output-, Outcome- und Impactdimension der Normwirkung Einfluss nehmen.
Julia Drubel
Kapitel 16. Reflexion, Grenzen und Forschungsausblick
Zusammenfassung
Dieses abschließende Kapitel dient der Beschreibung der theoretischen und empirischen Ausgangslage des vorliegenden Buches sowie der Verortung der gemachten Befunde zur Norm-Law-Gap und der internormativen Beziehungen in den verschiedenen Forschungsprogrammen, die zur Anwendung gekommen sind. Neben der Formulierung konkreter Policy-Vorschläge, werden Stärken und Grenzen der Untersuchung zusammengefasst und mögliche anschließende Forschungsvorhaben formuliert.
Julia Drubel
Backmatter
Metadaten
Titel
Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft
verfasst von
Julia Drubel
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-38981-9
Print ISBN
978-3-658-38980-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38981-9