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2021 | Buch

Der Faktor Persönlichkeit in der internationalen Politik

Perspektiven aus Wissenschaft, Politik und Journalismus

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Über dieses Buch

Der Sammelband bildet den Auftakt der Schriftenreihe „Persönlichkeit und weltpolitische Gestaltung“, die von den Herausgebern begründet wurde. Er vereint Beiträge von Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft, Politik und Journalismus, die sich der Frage nach der Rolle von Persönlichkeiten in internationaler Politik und Geschichte widmen.

Der Band liefert einen Einstieg in das Forschungsfeld „Persönlichkeit und Politik“. Er kombiniert konzeptionelle Beiträge hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten Einzelner mit empirischen Untersuchungen ausgewählter Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart. Dabei werden sowohl Perspektiven unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen als auch Erfahrungsberichte aus der Praxis sowie journalistische Beobachtungen einbezogen. In seiner Gesamtschau möchte der Band somit gleichermaßen den derzeitigen Stand der personenbezogenen Politikforschung pointiert darstellen wie auch eine Agenda für das Forschungsfeld entwickeln.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Zur Einführung

Frontmatter
Persönlichkeit und weltpolitische Gestaltung – Annahmen und Forschungsagenda des personenbezogenen Ansatzes
Zusammenfassung
Aus welcher Perspektive, man könnte auch sagen, mit welcher Linse, sollen Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen in Vergangenheit und Gegenwart betrachtet werden? Welches sind die maßgeblichen Faktoren, die eben jene Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen geprägt haben? Oder anders formuliert: Wer oder was sind die treibenden Kräfte, die die Welt, in der wir leben, formen und geformt haben? Ausgehend von diesen einleitenden Fragen, die zu den zentralen der politischen Wissenschaft gezählt werden können, stellt der Beitrag den personenbezogenen Ansatz der Politikwissenschaft vor.Dazu werden zunächst die wesentlichen Annahmen der personenbezogenen Forschung präsentiert. Anschließend werden die Einflussmöglichkeiten von Personen und ihren jeweiligen Charaktermerkmalen auf (welt-)politische Entscheidungen kritisch beleuchtet und Vorzüge des Ansatzes identifiziert. Anknüpfend an Bonner Traditionen der politischen Wissenschaft und Zeitgeschichtsforschung, werden eine Forschungsagenda entwickelt und Zukunftsperspektiven des Ansatzes aufgezeigt. Der Beitrag schließt mit der Erkenntnis, dass die (Rück-)Besinnung auf den Faktor Persönlichkeit in der internationalen Politik einen enormen Erkenntnisgewinn verspricht.
Hendrik W. Ohnesorge, Xuewu Gu

Wissenschaftlich-akademische Perspektive

Frontmatter
Gestalten und Gestalter der Weltgeschichte – Zur Rolle des Individuums in der Geschichtsschreibung
Zusammenfassung
Von Überlegungen zum Einfluss Alexanders des Großen auf den Lauf der Geschichte ausgehend, skizziert das Kapitel die Rolle, die einzelnen Persönlichkeiten als Gestaltern der Weltgeschichte zugeschrieben werden kann. Beginnend mit den Ursprüngen der abendländischen Geschichtsschreibung im antiken Griechenland, wird der Einfluss Einzelner als kontinuierlich zentraler und gleichsam umstrittener Faktor in der Entwicklung der Historiographie identifiziert. Neben Traditions- und Entwicklungslinien werden auch Risiken des personenbezogenen Ansatzesausgemacht. Ergänzt um das gedankliche Instrumentarium der kontrafaktischen Geschichtsschreibung, wird das Spannungsverhältnis zwischen der Gestaltungskraft des Einzelnen und den strukturgebenden äußeren Einflüssen, zwischen Person und Umfeld, mit dem Verweis auf zur Verfügung stehende Optionen aufgelöst: mögen Umwelt und vorhandene Strukturen Möglichkeiten eröffnen, so bleibt die jeweils von den Handelnden getroffene Auswahl in entscheidendem Maße abhängig von ihrer Persönlichkeit, ihrem Werdegang, ihrer (Eigen-)Wahrnehmung und anderen personenbezogenen Faktoren. Im Mosaik der Geschichtsschreibung kommt dem Steinchen „Persönlichkeit“ folglich ungebrochene Bedeutung zu.
Hendrik W. Ohnesorge
Politische Führungspersönlichkeiten als Gestalter der Weltpolitik? Zum Einfluss von Persönlichkeitsprägungen auf außenpolitisches Handeln
Zusammenfassung
Mit ihrem Verweis auf die Bedeutung von politischen Führungspersönlichkeiten und die anthropomorphische Beschaffenheit von Staaten bietet die interdisziplinäre Forschungsperspektive der Politischen Psychologie eine alternative ontologische Lesart von Weltpolitik und ihren Akteuren an. Aus dieser Perspektive sind Staaten mehr als ein Konglomerat von Institutionen oder bürokratischen Apparaten, die alle kognitiven Verzerrungen, Heuristiken, Persönlichkeitsprägungen oder Emotionen ihrer politischen Entscheidungsträger verschwinden lassen. Vielmehr werden diese als (potenziell) bedeutsame Gestalter der Weltpolitik betrachtet: „Who leads matters“, resümieren Margaret Hermann, Begründerin des etablierten Leadership Trait Assessment-Ansatzes und ihre Kollegen.
Cornelia Frank
Eine andere Stimme – Zur Bedeutung der Frauen- und Geschlechterforschung in der internationalen Politik
Zusammenfassung
Die Frauen- und Geschlechterforschung nimmt an, dass Geschlechterverhältnisse ein konstitutives Element der internationalen Politik sind. Im Fokus stehen dabei Machtverhältnisse, wobei es für die meisten Arbeiten dieser Forschungsrichtung charakteristisch ist, nicht nur nach den Ursachen ungleicher Machtverteilung zu fragen, sondern im normativen Sinn Möglichkeiten der Beseitigung von diskriminierenden Praktiken und sozialen Ungleichheiten aufzuzeigen. Konzeptionell werden Vorstellungen von Macht und Gewalt, Sicherheit und Frieden, Identität und Menschenrechte durch eine geschlechtersensible Perspektive hinterfragt und die Intersektionalität von sich überschneidenden sozialen Unterschieden in den Fokus gerückt. Herausragende Persönlichkeiten und Aktivistinnen tragen dazu bei, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen und ihren Anliegen international Nachdruck zu verleihen. Der Beitrag erörtert die wichtigsten Forschungsergebnisse und zeigt insbesondere die Relevanz der Selbstrepräsentation von Frauen in der internationalen Politik auf.
Christiane Lemke
Persönlichkeit und soziale Kompetenz von Personen in Führungsfunktionen – Eine psychologische Analyse am Beispiel US-amerikanischer Präsidenten
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird der konzeptuelle Zusammenhang von Führung und Persönlichkeit aus psychologischer Sicht untersucht. Dafür stellen wir ausgehend von der sozioanalytischen Persönlichkeitstheorie Grundannahmen zur Bedeutung von Führung aus evolutionärer Perspektive dar und erläutern die dazugehörigen Konzepte von Persönlichkeit und sozialen Kompetenzen, sowie deren Zusammenspiel bei der Führung von Gruppen. Wir beleuchten sowohl helle (z.B. Extraversion) als auch dunkle Seiten (z.B. Psychopathie) der Persönlichkeit. Als Anwendungsbeispiel gehen wir auf zwei spezifische Persönlichkeitsmerkmale, furchtlose Dominanz und grandiosen Narzissmus, ein und erläutern den Zusammenhang mit Erfolg und Misserfolg in der US-amerikanischen Präsidentschaft. Abschließend erörtern wir Grenzen des Erklärungswerts der Persönlichkeit, zeigen den zukünftigen Forschungsbedarf auf und diskutieren die praktischen Implikationen der vorgestellten Befunde für das aktuelle Zeitgeschehen.
Iris Kranefeld, Hanna Aileen Genau, Gerhard Blickle
Otto von Bismarck – Reflexionen über einen Staatsmann
Zusammenfassung
Dass man es bei Otto von Bismarck mit einem Staatsmann zu tun hat, das dürfte unstreitig sein. Bismarck hat das 19. Jahrhundert Europas in der zweiten Hälfte stark bestimmt und eine größere Wirkung zu haben, ist einem Staatsmann auch schier nicht möglich. Seine Wirkung reicht dabei weit über seine Amtszeit und sein Jahrhundert hinaus.
Tilman Mayer
„Ich habe Bismarck studiert und bewundert“ – Kissingers Bismarck: Zum Geschichtsbild und Politikverständnis Henry Kissingers
Zusammenfassung
Der Artikel konzentriert sich zum einen auf das Geschichtsverständnis Henry Kissingers und seine Auffassung von Strategie und Diplomatie als Staatskunst, zum anderen versucht er, Kissingers Bismarckbild und sein Verständnis des Bismarckproblems in den größeren historiographischen Zusammenhang der deutschen Geschichte zu stellen. Die Ausführungen beschäftigen sich dabei insbesondere mit der erkenntnisleitenden Frage, inwieweit Henry Kissinger unter dem Einfluss seiner Verantwortung für die amerikanische Außenpolitik auch seinen Blick auf Bismarck gewandelt hat und inwieweit der Außenpolitiker Kissinger aus seiner Beschäftigung mit Kissinger erklärt werden kann. Die Fokussierung auf Bismarck, die sich in Kissingers wissenschaftlichem und publizistischem Werk findet, ist zugleich eine Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen der Entstehung und der inneren Entwicklung des deutschen Nationalstaates von 1871. Sie zeigt auch, wie sehr Kissinger damit die Verbindung zwischen Europa und Amerika gefordert und geprägt hat. Kissinger hatte seinen Bismarck studiert und ihn - das bezieht sich allerdings nur auf seine vielschichtige Persönlichkeit, nicht die politischen Leistungen ihrer Nachwirkungen – bewundert.
Ulrich Schlie
Ende einer Epoche – die Rolle Gorbatschows
Zusammenfassung
„Ich halte Gorbatschow für den größten Reformer des Jahrhunderts, und dies um so mehr, als er versuchte, in Rußland zu wirken, wo das Schicksal von Reformern seit jeher kein beneidenswertes ist“. Es war nicht abzusehen, dass ein in der tiefen Provinz des Nordkaukasus aufgewachsener, überzeugter Kommunist mit einer steilen Karriere im Apparat der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sich entscheidet, seine Weltmacht einer radikalen Reform zu unterziehen, im Kalten Krieg die sowjetische Konfrontationspolitik aufzugeben und die DDR und Mittelosteuropa eigene Wege gehen zu lassen. Dass er auf Gewalt verzichtet und zulässt, dass diese Weltmacht zerfällt.
Beate Neuss

Politisch-praktische Perspektive

Frontmatter
Einsichten aus der politischen Praxis eines Außenpolitikers
Zusammenfassung
„Männer machen Geschichte.“ Dieses Benito Mussolini zugeschriebene Zitat scheint heute – leider – wieder aktueller denn je. Die Persönlichkeit, das Charisma, der (zunehmend autistisch-pathologische) Charakter und die Machtfülle von Männern – und selbstverständlich auch von Frauen – spielt nach wie vor eine entscheidende Rolle in der internationalen Politik.
Rolf Mützenich
„Persönlichkeit“ – Mensch, Land, Institution
Zusammenfassung
In seiner Rede im Bundestag zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa 1985 sagte Richard von Weizsäcker: „Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen.“ Am 8. Mai 1945 wurde die Urkunde zur bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht ratifiziert und der Zweite Weltkrieg in Europa war endgültig vorbei.
Alexander Graf Lambsdorff
Menschen und Zeitenwenden
Zusammenfassung
Durch die „Große Europäische Freiheitsrevolution“ wurden die politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Systeme und Institutionen in Ostdeutschland und vielfach in Ost- und Mitteleuropa überwunden. Die Idee der Freiheit hatte nach vier Jahrzehnten Kalter Krieg einen Sieg über die sozialistischen Diktaturen errungen. Die Folge war eine Neugründung Europas. Übersehen wurde aber, dass alle Revolutionen zu neuen Konflikten führen. Es war ein Fehler, davon auszugehen, dass nur Ost- und Mitteleuropa große Anpassungsleistungen erbringen müssten. Es folgten eine Welle von Protestbewegungen, neue rechte und linke europakritische Parteien, ein neuer Nationalismus und populistische Parteien, die sich auf völkische und faschistische Vorbilder berufen. Sie beschädigten die Demokratie und den Rechtsstaat. Das vereinte Europa und das wiedervereinigte Deutschland mussten und müssen diese neuen Herausforderungen annehmen. Was heute fehlt, sind Führung und Ziele. Ziele werden von Politikern definiert, von Parteien formuliert, von Regierungen oder Koalitionen im Kompromiss mehrheitsfähig gemacht und vom Parlament beschlossen. Politik braucht Politiker. Große Politik braucht große Politiker. Als Konrad Adenauer das westdeutsche Volk vor die Alternative stellte: „Wollt ihr die Marktwirtschaft oder eine Staatswirtschaft?“, war das eine revolutionäre Politik. Als Willy Brandt seine neue Ostpolitik in einem Machtkampf innerhalb der eigenen Partei und dem Parlament mehrheitsfähig machte, war das große Politik. Als Helmut Kohl den Mut zur Wiedervereinigung Deutschlands und Europas hatte, veränderte er die Zukunft Europas und leitete den Weg zu einer neuen Weltordnung ein. Demokratien ohne Werte, Staaten ohne Staatslenker, Zukunft ohne Führung sind nicht vorstellbar.
Jürgen Rüttgers
Versuch und Annäherung (Mit Zwischenrufen)
Zusammenfassung
In spannungsreichen Gegensätzen. Einer davon ist die Entwicklung des Individuums in der Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Staat. Ein sich über viele Windungen und Wendungen entwickelndes Selbst-Bewusstsein schärft sich am nivellierenden Widerstand unterschiedlicher Kollektive. Damit verändert sich aber auch deren Bewusstsein. Grobe, tribale Strukturen differenzieren sich nach innen und übergreifen ihre tradierten Grenzen nach außen.
Bodo Hombach
Hans-Dietrich Genscher, der Vollblutdiplomat
Zusammenfassung
In den 18 Jahren als deutscher Außenminister stand Hans-Dietrich Genscher besonders für die Ausgleichspolitik zwischen Ost und West. Er entwickelte seine ganz eigene Strategie für eine Entspannungspolitik und hat so maßgeblich zur deutschen Wiedervereinigung beigetragen. Was er als junger Mann erlebt hat, den Krieg und den schrittweisen Wiederaufbau Deutschlands, hat ihn für den Rest seines Lebens geprägt. Er hat persönlich erfahren, was es bedeutet, wenn Europa uneins ist. Deshalb war er getrieben von der Erinnerung an das, was war und was wieder sein kann, wenn Europa nicht langfristig zusammenwächst. Als ich Hans-Dietrich Genscher im Jahr 2008 persönlich kennenlernte, war er bereits gelebte Geschichte.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Journalistisch-beobachtende Perspektive

Frontmatter
Außenpolitik im Pas de Deux
Zusammenfassung
Die persönlichen Erfahrungen und Eigenschaften politischer Persönlichkeiten können einen immensen Einfluss auf ihr Handeln und Entscheiden haben. Von eigenen Erfahrungen insbesondere in Bezug auf das deutsch-französische Verhältnis geprägt waren auch der französische Außenminister Roland Dumas und sein deutscher Amtskollege Hans-Dietrich Genscher. Die beiden Politiker verband eine persönliche Sympathie, die zu einer innigen Freundschaft und wechselseitigem Vertrauen reifte. Dieses freundschaftliche Verhältnis wirkte sich überaus förderlich auf die deutsch-französischen Beziehungen aus, die Politik beider Länder wurde eng koordiniert. Auch wenn es in seltenen Fällen zu Konflikten zwischen den beiden kam, wie im Fall der Jugoslawienkrise, gelang es ihnen stets, gemeinsame Lösungen zu finden und ihre guten Beziehungen – auch nach Beendigung ihrer politischen Karrieren – aufrecht zu erhalten.
Ulrich Wickert
Entscheidungsschlacht – Das emotionale Schema der Genration Helmut Schmidt im Deutschen Herbst 1977
Zusammenfassung
Das emotionale Schema von Helmut Schmidt und den Politikerkollegen seiner Generation half ihnen, im Terrorjahr 1977 und besonders im Deutschen Herbst die Nerven zu bewahren. Sie handelten wie schon im Weltkrieg rational und kaltblütig zugleich. Sie gewannen diese, wie sie es empfanden, letzte Schlacht. Zugleich beschleunigte dieser Sieg den politischen Abtritt dieser Generation.
Martin Rupps
Ziemlich beste Feinde – Donald Trump und Kim Jong-un
Zusammenfassung
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Nicht ganz! Zumindest aber hätte der Friedensprozess zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten von dieser skurrilen Beziehung zweier Staatsführer profitieren können.
Martin Benninghoff
Metadaten
Titel
Der Faktor Persönlichkeit in der internationalen Politik
herausgegeben von
Dr. Hendrik W. Ohnesorge
Prof. Dr. Xuewu Gu
Copyright-Jahr
2021
Electronic ISBN
978-3-658-32348-6
Print ISBN
978-3-658-32347-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32348-6