Der Supergau als Anlageobjekt?

In den letzten Jahren und Jahrzehnten häufen sich die Meldungen über katastrophale Schadensereignisse, welche die Menschheit mit immer größer werdenden materiellen und immateriellen Einbußen belasten. Im Bereich der Naturkatastrophen wurden dabei in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts Rekordschäden erzielt. In seinem Verlustumfang bisher unerreicht ist etwa der Wirbelsturm Andrew, der im Jahre 1992 im US-amerikanischen Bundesstaat Florida Versicherungsverluste von 16,5 Mrd. US$ verursachte und damit die unmittelbare Zahlungsunfähigkeit von sieben Großversicherungsunternehmen zur Folge hatte. Aus bundesdeutscher Sicht ist hier die Elbe-Flutkatastrophe des Sommers 2002 zu nennen, die zu internationalen Hilfsaktionen führte. Gründe für den Anstieg der Verluste im Natursektor werden zum einen in den Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf den Zustand der Umwelt vermutet. Zum anderen nimmt die private und industrielle Besiedlung inzwischen auch in bekannten Gefahrenzonen immer mehr zu.

Die derzeit weltweit bestehenden Haftungssysteme für Schäden aus der nuklearen Energiegewinnung decken lediglich einen Bruchteil der denkbaren Verluste ab. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die gesetzlichen Haftungsregeln allesamt die Haftung für Nuklearschäden begrenzen, entweder durch die Gewährung einer Haftungshöchstsumme oder durch die Limitierung der erforderlichen Deckungsvorsorge bei der unbegrenzten Betreiberhaftung. Infolgedessen wird der über diesen Grenzen liegende Restschadenanteil direkt oder indirekt auf den Staat als letzte Haftungsinstanz übertragen. Daraus ergibt sich eine haftungsrechtliche Subventionierung der Atomkraft.

Wie aus den vorangegangenen Ausführungen deutlich wurde, hält sich die Versicherungswirtschaft bei der Absicherung von Katastrophenwagnissen stark zurück. Gerade bei der haftungsrechtlichen Absicherung industrieller Gefahren orientiert sich der Gesetzgeber jedoch vorwiegend am Engagement der Versicherungswirtschaft. Dies führt zu Ineffizienzen in der haftungsrechtlichen Ausgestaltung dieser Risiken, die mit den traditionellen wirtschaftlichen und rechtlichen Mitteln nicht beseitigt werden können.

Die bishxerige Untersuchung hat gezeigt, dass Finanzinstrumente unter bestimmten Voraussetzungen gewinnbringend zur Absicherung von Großschadensrisiken eingesetzt werden können. Dies gilt zumindest für den Bereich der Naturkatastrophen. Zu klären ist, ob dies auch für industrielle Risiken—wie das Atomrisiko—gilt. Sollte dies der Fall sein, so könnte die Übertragung von Versicherungsrisiken in den Kapitalmarkt, in der Fachsprache „versicherungstechnische Securitization“ genannt, zur Ausweitung bestehender Haftungshöchstgrenzen eingesetzt werden.

Die Haftung für Nuklearschäden ist aus wirtschaftlichen Gründen nur mit Hilfe einer gesetzlichen Haftungs- bzw. Deckungssummenbegrenzung tragbar. Dies ist eine Folge der geringen Schadenswahrscheinlichkeit, der ein sehr hohes Schadenspotenzial gegenübersteht. Bei der Absicherung einer Entwicklungsgefahr, wie sie das nukleare Risiko darstellt, gelangt das Zivilrecht insofern schnell an seine Grenzen. Die Übertragung des oberhalb dieser Grenzen liegenden Risikos auf den Staat scheint somit unausweichlich und entspricht der derzeitigen Konstruktion des Atomhaftungsrechts auf nationaler und internationaler Ebene.