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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Die Allgemeinverbindlicherklärung in den Niederlanden

verfasst von : Wolfgang Günther

Erschienen in: Staatliche Stützung der Tarifpolitik

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Anders als in Deutschland ist die Tarifbindung in den Niederlanden trotz Wirtschaftskrisen und langanhaltender Arbeitslosigkeit nicht erodiert. Im Gegenteil, seit den 1990er Jahren stieg die Tarifbindung sogar und rangierte während der 2000er Jahre zwischen 80 % und 90 %. Eine wichtige Rolle für den hohen und steigenden Abdeckungsgrad spielt die Allgemeinverbindlicherklärung (nl. Algemeen verbindendverklaring, im Folgenden: AVV), die das System institutionell unterstützt. Das Fallkapitel zu den Niederlanden zeigt, dass die niederländischen Arbeitgeber weder Interesse an der Abschaffung der AVV noch des Tarifsystems haben und Angriffe auf die AVV abwehren.

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Fußnoten
1
Beer et al. (2017) zeigen, dass der reale Mindestlohn 20 % unter dem Level von 1979 liegt, die realen tariflichen Lohnhöhen 9 % darunter, während die realen Durchschnittslöhne über 16 % stiegen.
 
2
Nl.: Wet op het algemeen verbindend en het onverbindend verklaren van bepalingen van collectieve arbeidsovereenkomsten, Gesetz zur Allgemeinverbindlich- und Unverbindlicherklärung von Kollektivarbeitsverträgen.
 
3
Wie das Beispiel Deutschland zeigt, haben Arbeitgeber auch ohne diese gesetzliche Vorgabe den Anreiz, Tarifverträge auf unorganisierte Arbeitnehmer anzuwenden, um Arbeitnehmern keinen Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt zu liefern.
 
4
Die Schwankungen 2003/2004 lassen sich durch Probleme bei der Implementation zentraler Rahmenabkommen erklären und haben keine systemische Ursache.
 
5
Es liegen ebenfalls die Untersuchungen ab 2001 vor. Diese werden hier jedoch nicht aufgeführt, da sie erstens das hier gezeichnete Bild nicht in Frage stellen und zweitens eine andere Erhebungstechnik anwenden, so dass die Zahlen erst ab 2006 kohärent sind.
 
6
Kritisch hierzu Becker (2001), der das Abkommen und die Lohnmoderation auf sich verschärfende Machtungleichgewichte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zurückführt.
 
7
Dt.: Gesetz zur Allgemeinverbindlich- und Unverbindlicherklärung von Kollektivtarifverträgen.
 
8
Die Idee hinter den Produktionsorganisationen (PBO: Publijkrechtliche bedriefsorganisatie) war, Produktionsinteressen in bi-partistischen, sektoralen Koalitionen, also öffentlich-rechtlichen Körperschaften aus Unternehmen und Arbeitnehmern, zu organisieren. Sie stellen eine besondere Form des organisierten, korporatistischen Kapitalismus dar. Verbreitet wurde die Idee in den 1920er Jahren vom katholischen progressiven Ökonomen J.A. Veraart. Da diese Idee industrieller Organisation dem der katholischen Soziallehre verbundenen Subsidiaritätsprinzip entsprach, konnten sich die katholische Staatspartei, die protestantischen Parteien sowie die Sozialisten – sie sahen darin eine Vorstufe zur Sozialisierung – hinter dem Konzept versammeln. Allein die liberalen Parteien lehnten die PBOs ab, da sie die Marktfreiheit gefährdet sahen (Windmuller 1969: 68–73). Mit Gründung des SER als korporatistisches Organ wurde gleichzeitig ein PBO-Gesetz 1950 Realität, allerdings etablierten sich lediglich in landwirtschaftlichen Sektoren und im Handel vereinzelt Industriekammern (Windmuller 1969: 286–292). Bis in die 1990er Jahre gab es PBOs nur in der Landwirtschaft, die schließlich in den 1990er Jahren abgeschafft wurden (Interview STAR).
 
9
1935: Wet op het algemeen verbindend en onverbindend verklaren van ondernemersovereenkomsten.
 
10
2004 waren insgesamt 2,65 Mio., 2010 2,28 Mio. und 2016 558.000 Beschäftigte unter der Abdeckung eines Frühverrentungstarifvertrags.
 
11
Differenzen zu 100 % ergeben sich aus zurückgezogenen und noch nicht bearbeiteten Anträgen.
 
12
Außer in der Chemiebranche, die über Unternehmenstarifverträge und keine Branchentarifverträge verfügt. Die Unternehmenstarifverträge orientieren sich aneinander, so dass informell branchenweit ähnliche Arbeitsbedingungen herrschen.
 
13
Freeman et al. (1995) berichten vom Koreen Unternehmen im Hafenstreit von Rotterdam und IKEA. In der Zeitarbeit existierte außerdem die liberale Gewerkschaft AVV (Houwing 2010: 165).
 
14
Die Daten beziehen sich auf die Marktsektoren (ohne Öffentlichen Dienst, Wertschöpfung aus Immobilien oder Heimarbeit). Wertschöpfung: Value Added nach KLEMS; Arbeitsproduktivität: Value Added/Arbeitsstunden pro Arbeitnehmer nach KLEMS; Arbeitskompensation: Labour Compensation nach KLEMS; Tariflöhne: CBS Statline.
 
15
Der gesetzliche Anspruch auf dauerhafte Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma nach 26 Wochen kann durch einen Tarifvertrag auf 78 Wochen ausgedehnt werden (Houwing 2010: 160), d. h. ein Beschäftigter hat erst nach 78 Wochen anstatt 26 den Anspruch auf Festanstellung.
 
16
Die Ausweitung von Teilzeitarbeit ging ab den 1980er Jahren als Form der individuellen Arbeitszeitverkürzung und der Steigerung der Frauenerwerbsbeteiligung, die in Teilzeit Beschäftigung fanden, einher mit der Bekämpfung der gestiegenen Arbeitslosigkeit (siehe Visser 2000 für die Diskussion struktureller und politischer Ursachen).
 
17
Tatsächlich tritt die Trittbrettfahrerproblematik bereits vor der AVV auf. Nach dem Tarifvertragsgesetz (Wet CAO) müssen Arbeitgeber einen Tarifvertrag ebenfalls auf unorganisierte Arbeitnehmer eines Betriebs anwenden. Die Nichtunterscheidbarkeit zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Unorganisierten bietet bereits vor der Anwendung der AVV Anreize zum Trittbrettfahren, da der Tarifvertrag auf jeden Fall auf einen Beschäftigten erstreckt wird, sobald das Unternehmen ihn anwendet (Interview ABU).
 
Metadaten
Titel
Die Allgemeinverbindlicherklärung in den Niederlanden
verfasst von
Wolfgang Günther
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33454-3_6

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