Skip to main content

2024 | Buch

Die Kybernetisierung des Selbst

Digitale Selbstvermessung als kybernetische Selbstthematisierung

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Die digitale Selbstvermessung ist eine neue Form der Selbstthematisierung an der Schnittstelle von Lebensführung, Technologie und digitalem Kapitalismus. Damit ist sie ein Barometer für die Denk- und Kontrollformen zeitgenössischer Technowissenschaftskultur. Eryk Noji untersucht die Frage, wie Selbstvermesser*innen ihre Apps und Geräte im Alltag situieren. Mit Hilfe der Selbstvermessung regulieren Nutzer*innen ihren Alltag flexibel im Sinne kybernetischer Kontrolle. Diese Kybernetisierung des Selbst knüpft die Aussicht auf individuelle Autonomie an die Technisierung von Feedback und wird von Noji in ihren Ambivalenzen diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Mit der digitalen Selbstvermessung wird hier ein Feld untersucht, das an der Schnittmenge von individueller Lebensführung, technischer Entwicklung und digitalem Kapitalismus liegt. All diese Bereiche scheinen zudem eng mit jenen veränderten Objektbeziehungen zusammenzuhängen, deren Ursprung auf kybernetisches Denken zurückgeführt wird. Die Einleitung führt in grundlegende Rezeptionslinien ein und stellt die Gliederung der Arbeit vor.
Eryk Noji
Kapitel 2. Digitale Selbstvermessung zwischen Heteronomie und Autonomie
Zusammenfassung
Im Anschluss an eine nähere Bestimmung des Phänomenbereichs Selbstvermessung wird ein Strang der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Selbstvermessung rekonstruierend herausgegriffen, der insbesondere den Aspekt der Kontrolle ins Zentrum der Betrachtung stellt. Diese Betonung der Kontrolle lenkt den Blick einerseits auf die Kybernetik. Andererseits wird die Selbstkontrolle meistens vor dem Hintergrund von Selbstüberwachung und Selbstoptimierung interpretiert (Abschn. 2.1). Da diese Analysen sich meist im Anschluss an Foucault auf diskursive Formationen beziehen und zu einer Perspektivierung der Selbstvermessung als Selbstüberwachung im Sinne negativer Überwachungstheorien neigen, soll dieses Vorgehen einer Kritik unterzogen werden (Abschn. 2.2). Aus dieser Kritik wird hervorgehen, dass die Frage nach repressiven oder ermächtigenden Effekten von Überwachung von den Anwendungskontexten abhängt. Entsprechend werden im Anschluss solche Analysen im Zentrum stehen, die sich mit alltäglichen Nutzungskontexten der Selbstvermessung auseinandersetzen (Abschn. 2.3).
Eryk Noji
Kapitel 3. Kybernetisierung der Gesellschaft
Zusammenfassung
Die im Folgenden zu plausibilisierende These ist, dass es sich bei den Arbeiten der Kybernetiker*innen sowie deren populärkulturellen Ausläufern um technologische Leitbilder handelt, die den Weg für damals zukünftige – d. h. unsere heutigen – technischen Entwicklungen geebnet haben, insbesondere für digitale Datentechniken wie die Selbstvermessung. Dabei wird sich unter anderem zeigen, dass die Ambivalenz der Imaginationen zwischen technokratischer Oppression und gegenkultureller Emanzipation, wie sie im Diskurs um Techniken der Selbstvermessung gegenwärtig sichtbar ist, bereits in den Diskursen der Kybernetik angelegt war. Um das Denken der Kybernetiker*innen besser verstehen zu können, wird ein kurzer Blick auf die Zeit der Kybernetik geworfen (Abschn. 3.1), um aktuelle soziotechnische Fiktionen so in einen historischen Kontext zu stellen. Erst dadurch lassen sich die daran anschließenden Diagnosen adäquat einordnen, die sowohl der Gesellschaft (Abschn. 3.2) als auch der individuellen Selbstführung mit ihren Beratungsangeboten (Abschn. 3.3) etwas Kybernetisches unterstellen.
Eryk Noji
Kapitel 4. Taxonomien des Selbst in der Netzwerkwelt
Zusammenfassung
Zur Vorbereitung der Darstellung der empirischen Analyseergebnisse werden hier einige theoretische Anlagen des DFG-geförderten Forschungsprojekts Taxonomien des Selbst. Zur Genese und Verbreitung kalkulativer Praktiken der Selbstinspektion erörtert und mit den Erkenntnissen der vorigen Kapitel verbunden. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels wird vertiefend besonderes Augenmerk auf die Ökonomie der Konventionen gelegt, die nach der Koordination von Akteuren und ihren hierfür notwendigen Kompetenzen und Aktivitäten fragt. Im letzten Abschnitt wird auf den neuen Geist des Kapitalismus eingegangen. Dieses Transformationsmodell ermöglicht es, zeitgenössische Auffassungen von Gesellschaft mit jenen Entwicklungen zu verbinden, die im Kapitel zur Kybernetisierung der Gesellschaft beschrieben wurden.
Eryk Noji
Kapitel 5. Selbstvermessung in der Netzwerkwelt
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird die empirische Analyse der Selbstvermessungspraktiken vorgestellt. Zunächst werden drei perspektivische Erweiterungen ausgearbeitet, die der empirischen Analyse grundlegende Konzepte bereitstellen. Diese Erweiterungen betreffen Konventionen und die Koordination des Selbst, die Spezifik kybernetischer Techniken und deren moralische Rolle sowie die Frage nach der Orientierung in der Welt zwischen Optimierung und Exploration. Anschließend folgen in Abschnitt 5.1 einige Erläuterungen zur Datenbasis und zur Grounded Theory. In Abschnitt 5.2 werden die Ergebnisse präsentiert. Zu Beginn wird über grundlegende Motive gesprochen, die die Selbstvermesser*innen leiten: Optimierung, Therapie, Exploration und Spielerei. Im Anschluss daran wird die kybernetische Logik der Selbstvermessungstechniken untersucht, indem am Beispiel des Diet-Trackings die kybernetisch regulierte techno-korporale Konstellation der Selbstvermessung idealtypisch herausgearbeitet wird. Dies führt im dritten Abschnitt der Analyse zur Thematisierung von Prozessen der Situierung, in denen Aushandlungsprozesse und wechselnde Bezugnahmen auf die verschiedenen Regime des Engagements virulent werden. Im vierten Abschnitt werden in Anlehnung an das Regime des rechtfertigenden Handelns die Kritiken und die Vorstellungen des ‚Richtigen‘ thematisiert, die Selbstvermesser*innen in Bezug auf den Umgang mit sich selbst hervorbringen. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung und kondensierte Diskussion der Ergebnisse.
Eryk Noji
Kapitel 6. Kybernetisierung des Selbst
Zusammenfassung
Dieses Kapitel rekapituliert das Unterfangen, digitale Selbstvermessung in ihren Aneignungsweisen als willentlich genutzte Technik zu untersuchen. Zentral ist dabei die These: Individuen nutzen die Verdatungen ihres Selbst für sich selbst im Sinne einer kybernetischen Kontrollarchitektur. Diese Kybernetisierung des Selbst weist aus Sicht der Nutzer*innen eher Bezüge zu jenen Lesarten kybernetischer Kontrolle auf, die sie als Orientierungsoperation vor dem Hintergrund einer überkomplexen Umwelt ausweisen. Daran anschließend werden die Studienergebnisse in ihren Ambivalenzen zusammengefasst und mit Blick auf zeitgenössische Gesellschaftsdiagnosen der Beschleunigung und Unsicherheit sowie Fragen nach Autonomie, Selbstbestimmung und Entfremdung diskutiert. 
Eryk Noji
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Kybernetisierung des Selbst
verfasst von
Eryk Noji
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-43795-4
Print ISBN
978-3-658-43794-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43795-4

Premium Partner