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2023 | Buch

Die Wissenschaft in der Gesellschaft

Klima, Klimawandel und Klimapolitik

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Über dieses Buch

Als die Autoren – über die Grenzen zweier Wissenschaftskulturen hinweg – Anfang der 90er Jahre begannen, über die wissenschaftliche und populäre Wahrnehmung und Konstruktion des Phänomens Klima, Klimawandel, Klimapolitik und die Auswirkungen des Klimas auf die Gesellschaft nachzudenken, stießen sie auf erheblichen Widerstand, insbesondere als sie über die dringende Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Anpassung an den Klimawandel schrieben. Die Autoren sehen sich als Pioniere in diesem Politikfeld. Viele, wenn nicht die meisten Maßnahmen für den Klimaschutz und gegen die Klimafolgen erfordern die Innovationskraft aller Wissenschaften und der Technik. Die künftige Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Klimapolitik ist Schlüssel des erfolgreichen Umgangs der Gesellschaft mit den Folgen des Klimawandels. Dies geschieht jedoch nicht automatisch. Die Umsetzung von Wissenschaft in die Gesellschaft unterliegt ökonomischen, politischen und kulturellen Zwängen, und kann insbesondere durch den Mehrwert interdisziplinärer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, wie sie in diesem Band praktiziert wird, erreicht werden.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitende Worte der Autoren
Zusammenfassung
Jahrzehntelang haben viele Wissenschaftler, Nichtregierungsorganisationen, Politiker und andere Befürworter der Klimaschutzpolitik die Dringlichkeit ehrgeiziger Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen betont und falsche Versprechungen über die Machbarkeit dieser Maßnahmen gemacht. Daran hat auch die Klimakonferenz in Ägypten im Herbst 2022 nichts geändert. Das politische Rezept beruht fast ausschließlich auf einem einzigen Ansatz: der Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen.
Nico Stehr, Hans von Storch

Einführung

Frontmatter
Kapitel 2. Kontext
Zusammenfassung
Einige der hier abgedruckten Beiträge gehen auf frühere Überlegungen zur Natur des Klimas, zum Klimawandel und seinen Auswirkungen zurück. Ellsworth Huntington (1876–1947) und Eduard Brückner (1862–1927) waren prominente Vertreter traditioneller wissenschaftlicher Standpunkte, die entweder voll entwickelte klimadeterministische Ansichten waren oder Perspektiven, die einen geringeren Einfluss des Klimas und seiner Schwankungen auf Wirtschaft, politische Macht und Gesellschaft anerkannten. Diese Sichtweise hat sich in den letzten 50 Jahren verändert.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 3. Brückenschlag zwischen den Wissenschaftskulturen
Zusammenfassung
Im Jahr 1959 sprach C.P. Snow von der Existenz „zweier Kulturen“ in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, von denen die eine die Geisteswissenschaften und die andere die Naturwissenschaften leitet. Snow zufolge stehen diese beiden Kulturen in einem starken Widerspruch zueinander. Das vorliegende Buch versucht, Snows Dilemma zu überwinden und plädiert für eine für beide Seiten vorteilhafte Konvergenz der beiden Wissenschaftskulturen der Geistes- und Naturwissenschaften („science“ im Sinne des deutschen Wortes „Wissenschaft“).
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 4. Überblick
Zusammenfassung
Dieser Sammelband enthält eine Reihe von Aufsätzen, die die beiden Autoren in den letzten 30 Jahren geschrieben haben. Die hier versammelten Aufsätze sind größtenteils historisch ausgerichtet und inzwischen selbst historisch geworden, obwohl unsere Ideen in vielerlei Hinsicht nach wie vor aktuell sind. Unsere Forschung hat sich darauf konzentriert, Ideen über die Art der Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Klima und Klima und Gesellschaft zu finden, zu etablieren und vor allem zu verwerfen.
Nico Stehr, Hans von Storch

Wahrnehmung und Deutung des Klimas und des Klimawandels

Frontmatter
Kapitel 5. Das soziale Konstrukt des Klimas und des Klimawandels
Zusammenfassung
Verschiedene Zeitskalen des Klimawandels und ihre unterschiedliche Wahrnehmung in der Gesellschaft werden diskutiert. Eine historische Betrachtung der natürlichen Klimaveränderungen des letzten Jahrtausends legt nahe, dass kurzfristige, insbesondere signifikante Veränderungen eine starke Reaktion in und durch die Gesellschaft auslösen. Kurzfristige Änderungen entsprechen dem „Zeithorizont des täglichen Lebens“, d. h. einer Zeitskala von Tagen und Wochen bis zu einigen Jahren. Die derzeit erwarteten anthropogenen Klimaänderungen werden sich jedoch auf einer längeren Zeitskala abspielen. Sie erfordern gesellschaftliche Reaktionen, die nicht auf der Basis von Primärerfahrungen, sondern auf der Basis wissenschaftlich konstruierter Szenarien und der Art und Weise, wie diese Informationen z. B. in den modernen Medien präsentiert werden, erfolgen. Die sozio-ökonomische Wirkungsforschung stützt sich auf Konzepte, die von perfekt informierten Akteuren ausgehen, um optimale Anpassungsstrategien zu entwickeln. Im Gegensatz dazu entwickeln wir das Konzept der „sozialen Konstruktion des Klimas“, das für die öffentliche Wahrnehmung wissenschaftlicher Erkenntnisse über das Klima und für die öffentliche Politik zum Klimawandel entscheidend ist. Das Konzept wird anhand einer Reihe von Beispielen illustriert.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 6. Die Bedeutung der Sozialwissenschaften für die Klimaforschung
Zusammenfassung
Die gegenwärtigen Dilemmata, die durch den vom Menschen verursachten Klimawandel hervorgerufen werden, sind in vielerlei Hinsicht beispiellos. Das Wissen über die physikalische Natur des globalen Klimawandels reicht nicht aus, um vom Verstehen zur Lösung des Problems zu gelangen. Die Geschichte zeigt, dass auch frühere Generationen von den Auswirkungen des Klimas und des anthropogenen Klimawandels auf die Gesellschaft fasziniert und beunruhigt waren. Diese Bemühungen waren jedoch weitgehend von der Doktrin des Klimadeterminismus geprägt. Wir fragen daher, wie eine realistischere Form der Wirkungsforschung als Grundlage für die Klimapolitik aussehen müsste. Wir argumentieren, dass die Konzeption des Themas als „optimales Steuerungsproblem“ zu kurz greift. Wirkungsforschung muss sich der dynamischen sozialen Konstruktion des Klimas bewusst sein. Klimapolitik als eine Form der Steuerung des Klimawandels muss daher in hohem Maße auf sozialwissenschaftliche Expertise zurückgreifen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 7. Das Klima in den Köpfen der Menschen
Zusammenfassung
Dies Kapitel beschäftigt sich mit einer Unterscheidung in der Wahrnehmung und im Umgang mit Klima, wie sie sich in modernen Gesellschaften feststellen läßt. Es ist dies die Unterscheidung zwischen alltäglichen und wissenschaftlichen Klima- und Wettervorstellungen. Die alltäglichen Eindrücke und Überzeugungen vom Klima – beispielsweise von dessen Macht, die Bedingungen des menschlichen Lebens mitzubestimmen, die Entwicklungsprozesse menschlicher Gesellschaften, aber auch die Un- terschiede zwischen den Menschen, etwa ihren wirtschaftlichen Erfolg, ihre Gesundheit oder ihr Wohlbefinden, kausal zu beeinflussen – reichen sehr viel weiter zurück als die von der Klimawissenschaft entwickelten Vorstellungen von Klima und Wetter.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 8. Klimaforschung und Politikberatung: zwischen Bringeschuld und Postnormalität
Zusammenfassung
Die naturwissenschaftlichen und populären Wissensansprüche in Bezug auf Klima, Klimawandel und Klimawirkung unterscheiden sich erheblich; dies hat Folgen für die naturwissenschaftliche Beratung von Politik und Gesellschaft. Wie üblich in einer postnormalen Phase einer Wissenschaft sieht sich die Klimaforschung von verschiedenen Interessengruppen instrumentalisiert. Zusammen mit dem Gebot der Bringschuld entsteht so eine Mischung aus Politik und Wissenschaft, wobei die spezifischen Aufgaben und Leistungen der Wissenschaft verschwimmen. Hier ergeben sich wichtige Aufgaben für eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung, die es bisher nur vereinzelt gibt. Abschließend werden die Bemühungen des GKSS-Forschungszentrums beschrieben, dennoch eine unabhängige wissenschaftlich basierte Beratungsleistung zu erbringen.
Nico Stehr, Hans von Storch

Ideengeschichte des Klimas

Frontmatter
Kapitel 9. Klima wirkt: Die Anatomie einer aufgegebenen Forschungslinie
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird argumentiert, dass es insbesondere im sozialwissenschaftlichen Diskurs wichtig ist,n der Vorstellung, dass das Klima funktioniert, zur Vorstellung, dass das Klima eine Rolle spielt, überzugehen. In diesem Zusammenhang ist die große Tradition des Klimadeterminismus von entscheidender Bedeutung. Der Klimadeterminismus führt heute eine merkwürdige Doppelexistenz: Er ist in weiten Teilen der Öffentlichkeit, aber auch unter Naturwissenschaftlern eine weithin akzeptierte Ansicht, die sich im letzteren Fall auf fast selbstverständliche „Tatsachen“ und im ersteren Fall auf Traditionen des gesunden Menschenverstandes stützt. Unter Sozialwissenschaftlern hingegen gilt sie seit langem als diskreditierter Ansatz, der noch weniger Anklang findet als die Vorstellung vererbter Intelligenz als Grundlage sozialer Ungleichheit. Die Frage, ob es möglich ist, von der kompromittierten Vorstellung, dass das Klima funktioniert, zu der progressiven Vorstellung, dass das Klima eine Rolle spielt, überzugehen, ist daher gleichzeitig eine Übung, die uns zwingt, die scheinbar versiegelte Frage nach den Zusammenhängen zwischen natürlichen Prozessen und sozialem Handeln sowie sozialem Verhalten und der Natur neu zu stellen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 10. Über die Macht des Klimas. Ist der Klimadeterminismus nur eine Ideengeschichte oder ein relevanter Faktor für die aktuelle Klimapolitik?
Zusammenfassung
Bis in die 1980er Jahre stand die Klimadynamik im Mittelpunkt der Klimaforschung, aber seit den 1990ern geht es um die drohende „Klimakatastrophe“ und den Klimaschutz. Die Autoren argumentieren, daß diese Art von Forschung nicht mehr nur Naturwissenschaftler, sondern ebenso Sozial- und Kulturwissenschaft/erfordert. Unsere Vorstellungen über die Gefahren, die mit einem Klimawandel einhergehen, sind nur partiell Ausdruck naturwissenschaftlichen Wissens, sondern haben in erheblichem Maße ihren Ursprung in vorwissenschaftlichen und veralteten Wissensformen. Hier spielt der Klimadeterminismus eine besondere Rolle, der, obschon längst in den Sozialwissenschaften diskreditiert, dennoch eine wichtige, unterschwellige Rolle in der heutigen Klimadebatte spielt.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 11. Die Ideen von Eduard Brückner – relevant zu seiner Zeit und heute
Zusammenfassung
Für einen Naturwissenschaftler entwickelt sich der wissenschaftliche Diskurs wie der Stamm eines Baumes. Jedes Jahr wird ein neuer Jahrring gebildet, der auf den neuesten Erkenntnissen basiert und in den frühere Ergebnisse – sozusagen aus dem letzten Jahrring – und neu gewonnene Fakten und Interpretationen einfließen. Erkenntnisse früherer Forschungen werden in das aktuelle Wissen, das kontinuierlich von Baumring zu Baumring weitergegeben wird, entweder kodiert oder ausgelöscht – oder vergessen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 12. Der vom Menschen verursachte Klimawandel: Ein Grund zur Sorge seit dem 18. Jahrhundert
Zusammenfassung
In den letzten 20 Jahren hat das Konzept des anthropogenen Klimawandels die akademischen Kreise verlassen und ist zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen geworden. Manche sehen in der „globalen Erwärmung“ die größte Umweltbedrohung für unseren Planeten. Auch wenn dies oft als eine neue Bedrohung angesehen wird, zeigt ein Blick in die Geschichte, dass die Behauptung, der Mensch habe das Klima absichtlich oder unabsichtlich verändert, ein häufiges Phänomen in der westlichen Kultur ist. Seit der Antike wird über den Klimawandel, der sowohl natürliche als auch anthropogene Ursachen hat, diskutiert. Umweltveränderungen, einschließlich des Klimawandels, wurden von einigen als biblischer Auftrag zur „Vollendung der Schöpfung“ angesehen. Entsprechend wurde der Klimawandel in der Neuzeit als vielversprechende Herausforderung betrachtet. Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist der anthropogene Klimawandel zu einer bedrohlichen Perspektive geworden. Das Konzept des anthropogenen Klimawandels scheint zumindest in Europa tief im Volksglauben verankert zu sein, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen immer wieder auftaucht. Auch extreme Wetterereignisse wurden in der Vergangenheit häufig mit negativen menschlichen Einflüssen erklärt. Eine Liste von Behauptungen über anthropogene Klimaänderungen wird vorgestellt und die bemerkenswerte Ähnlichkeit der Debatte über anthropogene Klimaänderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der heutigen Situation verglichen. Es wird deutlich, dass die gegenwärtige Bedrohung sehr viel realer erscheint als alle historischen Vorläufer, die sich als überbewertet erwiesen haben.
Nico Stehr, Hans von Storch

Kulturen der Wissenschaft

Frontmatter
Kapitel 13. Klimaschutz
Zusammenfassung
Die Stimme der Sozialwissenschaften in der Klimaforschung und in den klimapolitischen Debatten ist, abgesehen von den Beiträgen der Ökonomen, die sich vor allem mit den Kosten der durch die klimawissenschaftliche Forschung vorangetriebenen Politikoptionen nicht befassen, schwach, wenn nicht gar abwesend. Es überrascht, dass die Abwesenheit der Sozialwissenschaften in der Klimaforschung und -politik den Klimadiskurs in besonderer Weise geprägt hat. Wir plädieren für eine stärkere Einbeziehung und Gewichtung der Sozialwissenschaften in der interdisziplinären Klimaforschung.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 14. Mikro/Makro und weich/hart: divergierende und konvergierende Themen in den Natur- und Sozialwissenschaften
Zusammenfassung
Das Konzept der Skalen ist in den Sozial-, Umwelt- und Naturwissenschaften weit verbreitet und in verschiedene philosophische Debatten über die Natur der Natur und die Natur der Gesellschaft eingebettet. Die Frage ist, ob der Unterschied zwischen Skalen einen Unterschied macht und wenn ja, welchen. Multidimensionale Ansätze konkurrieren mit reduktionistischen Ansätzen. Wir werden die Höhepunkte der Debatten und einige der vorgeschlagenen Lösungen nachzeichnen. Am wichtigsten ist, dass die Debatten über Skalenunterschiede mit dem zu tun haben, was unterschieden werden sollte, nämlich analytische Erkenntnisinteressen und solche, die man als praktische Erkenntnisinteressen bezeichnen könnte. Es ist unwahrscheinlich, dass rein analytische Debatten gelöst werden können. Fortschritte hinsichtlich der Wirkung und Relevanz von Maßstäben können jedoch auf der praktisch-politischen diskursiven Ebene von Wissensansprüchen erzielt werden. Genauer gesagt ist der Maßstab ein entscheidendes Konzept, wenn es darum geht, die Handlungsfähigkeit von Wissen über die Dynamik und die Strukturen von Prozessen zu bestimmen. Im Kontext des Klimawandels sind beispielsweise Wissensansprüche über globale und kontinentale Prozesse relevant für den internationalen politischen Prozess, der auf Vermeidungsmaßnahmen abzielt, während Wissen über regionale und lokale Auswirkungen Entscheidungen über Anpassungsmaßnahmen steuert.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 15. Die Naturwissenschaften und die Klimapolitik
Zusammenfassung
In den folgenden Abschnitten werden die physikalischen Grundlagen der Klimawissenschaft diskutiert. Einer der Gründe dafür ist die Beobachtung, dass einige Wissenschaftler, die als Physiker ausgebildet wurden, oft eine sehr einflussreiche Rolle als politische Akteure spielen, wenn sie die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für politische Implikationen interpretieren und erklären, indem sie das „lineare“ Modell verwenden, demzufolge Wissen direkt zu einem politischen Konsens und dann zur Entscheidungsfindung führt, während soziale und kulturelle Prozesse, die mit Präferenzen und Werten zusammenhängen, normalerweise ungültige Störungen darstellen (z. B. Beck, 2010; Curry und Webster, 2011). Natürlich impliziert das lineare Modell, dass diejenigen, die das Wissen kontrollieren, auch das Ergebnis des politischen Entscheidungsprozesses kontrollieren sollten.
Nico Stehr, Hans von Storch

Klimapolitik

Frontmatter
Kapitel 16. Durchführbarkeitsorientierte Politiken: Untersuchung Anwendung
Zusammenfassung
Mögliche Lösungen für den drohenden Klimawandel müssen eine Reihe gesellschaftlicher, nationaler und globaler Herausforderungen berücksichtigen, die heute und in Zukunft von Bedeutung sein werden. Zu diesen Herausforderungen gehören die Asymmetrien im Lebensstandard zwischen den Gesellschaften der Welt: Die wirtschaftlichen Bestrebungen des Nordens und des Südens, die unterschiedlichen Positionen von rohstoffreichen und rohstoffarmen Ländern, von demokratischen und autokratischen politischen Regimen und von Staaten mit dramatisch unterschiedlicher demografischer Dynamik. Nicht zuletzt stehen wir auch vor der Herausforderung, wie wir mit den stark voneinander abweichenden Überzeugungen darüber umgehen, was den Angehörigen verschiedener Kulturen „heilig“ ist.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 17. Effiziente Kommunikation
Zusammenfassung
Die Gesellschaft hat zunehmend Probleme mit der Naturwissenschaft, und diese wiederum hat Schwierigkeiten mit der Gesellschaft. Am Beispiel der globalen Klimaveränderung zeigen der Klimaforscher Hans von Storch und der Soziologe Nico Stehr, woher diese Verständigungsdefizite rühren, und machen Vorschlage, wie man sich annähern kann.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 18. Klimaforschung und Klimapolitik – Rollenverteilung und Nachhaltigkeit
Zusammenfassung
Die derzeitige Diskussion über die Klimaforschung und die klimapolitischen Maßnahmen lassen einen tiefen Vertrauensverlust in die Naturwissenschaften erkennen. Eine wesentliche Ursache ist, dass Bedingungen geschaffen wurden, die einen Wissenschaftlertyp forderten, den man als „wissenschaftlichen Anwalt“ bezeichnen kann. Dieser richtet seine Forschung nach politischen und gesellschaftlichen Zielsetzungen aus und versteht es, sich medial zu inszenieren. Dieser Fehlentwicklung sollte durch eine Besinnung auf die eigentlichen Aufgaben des Wissenschaftlers entgegengesteuert werden. Als „ehrlicher Makler“ sollte er seine Expertise zur Verfügung stellen, ohne mit politischem Sendungsbewusstsein zu agieren. Da Naturwissenschaftler stets von gesellschaftlichen und kulturellen Haltungen geprägt sind, ist es wichtig, dass sie eng mit Geistes- und Kulturwissenschaftlern zusammenarbeiten, um ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden. Nur auf diesem Weg kann die Institution Wissenschaft, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist, dauerhaft bestehen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 19. Die Atmosphäre der Demokratie: Wissen und politisches Handeln
Zusammenfassung
In den aktuellen Diskussionen über den Klimawandel unter führenden Klimawissenschaftlern wird das Verhältnis zwischen Wissen und Governance zunehmend als „unbequeme Demokratie“ betrachtet. Einerseits kommt die Diskrepanz zwischen unserem Wissen über den Klimawandel und den Verpflichtungen der Bürger zu Verhaltensänderungen der Diagnose eines „unbequemen Verstandes“ gleich, und andererseits führt die Trägheit der Politik bei der Umsetzung von Wissensfortschritten zu der Diagnose „unbequemer Institutionen“. Das Gefühl der politischen Ineffizienz, das vor allem unter Klimawissenschaftlern herrscht, führt zu einer starken Enttäuschung über die demokratische Regierungsführung. Infolgedessen wird vorgeschlagen, dass politisches Handeln, das auf den Grundsätzen demokratischen Regierens beruht, aufgegeben werden sollte. Mein Beitrag zeigt auf, dass eine solche Sichtweise falsch ist.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 20. Ein sehr blinder Fleck
Zusammenfassung
Der Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Klimakrise könnte nicht dringender sein. Deshalb hat die jüngste hitzige Klimadebatte in vielen Ländern auch ihre guten Seiten. Die Klimafrage steht wieder ganz oben auf der dringenden politischen Agenda in Europa und anderswo.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 21. Anpassung und Vermeidung oder von der Illusion der Differenz
Reaktion auf H. Ziegler. 2008. Adaptation versus mitigation – Zur Begriffspolitik in der Klimadebatte
Zusammenfassung
Hansvolker (Ziegler, GAIA 17:19–24, 2008) hat in seiner Polemik – dies, weil sein Beitrag voller Widersprüche ist und andere Positionen eigensinnig interpretiert – die Tugenden der angeblich herrschenden Begrifflichkeit, also die des International Panel on Climate Change (IPCC), gelobt. Ziegler argumentiert, dass das IPCC adaptation und mitigation schon immer als notwendig miteinander verbundene Vorgehensweisen in der Klimapolitik erkannt und gefordert habe. Er wirft uns vor, dass wir dies leugneten, indem wir einen unsinnigen Gegensatz zwischen Anpassung und Vermeidung konstruierten und damit der Wissenschaft, der Politik und dem Ziel der Nachhaltigkeit einen Bärendienst erwiesen.
Nico Stehr, Hans von Storch

Ausblick

Frontmatter
Kapitel 22. Zeppelin Manifest zum Klimaschutz (2008)
Zusammenfassung
Die von einflussreichen Kreisen der Klimaforschung unterstützte Klimaschutzpolitik ist weitgehend einseitig. Sie wird dem Problem nicht gerecht. Bisher werden unter dem Stichwort Klimaschutz fast ausschließlich Maßnahmen in den Bereichen Energie, Verkehr, Industrie und Hauswirtschaft ergriffen, wie z. B. Maßnahmen zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 23. Laufende verwandte Arbeiten von Nico Stehr
Zusammenfassung
Wir untersuchen weiterhin unabhängig voneinander Forschungsfragen über die Wechselbeziehung zwischen Klima und Gesellschaft. Dazu gehören.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 24. Laufende, verwandte Arbeiten von Hans von Storch
Zusammenfassung
Neben den rein naturwissenschaftlichen Fragen interessierte sich Hans von Storch für die Geschichte der Klimawissenschaft, für die Vorstellungen der Klimawissenschaftler über die Rolle und Bedeutung der Klimawissenschaft in der Gesellschaft und für die Herausforderung, an seinem Institut eine regionale Klimaberatungsstelle bzw. einen Klimadienst aufzubauen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Kapitel 25. Regionales Klimawissen für die Gesellschaft
Zusammenfassung
Die derzeitige Fehleinschätzung der Klimawissenschaft und ihrer Interaktion mit der Öffentlichkeit ist überholt. Während die Wissensbasis über die Dynamik des Klimas und seine Empfindlichkeit gegenüber erhöhten Treibhausgaskonzentrationen mit breitem Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erheblich erweitert wurde, hat die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern nicht zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Begrenzung des anthropogenen Klimawandels geführt. Es wird vorgeschlagen, einen anderen Ansatz zu wählen und einen regionalen Klimadienst einzurichten, der es der Öffentlichkeit und den Interessengruppen ermöglicht, Klimawissen zu berücksichtigen, wenn es darum geht, klimabezogene Probleme anzugehen. Die Klimawissenschaft sollte also nicht die Avantgarde der Klimapolitik sein, sondern den politischen Prozess durch die Bereitstellung von Wissen unterstützen.
Nico Stehr, Hans von Storch
Metadaten
Titel
Die Wissenschaft in der Gesellschaft
verfasst von
Nico Stehr
Hans von Storch
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-41882-3
Print ISBN
978-3-658-41881-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-41882-3