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Open Access 2024 | Open Access | Buch

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Entscheidungen in die weite Zukunft

Ungewissheiten bei der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle

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Über dieses Buch

In diesem Open-Access-Buch werden Wege aufgezeigt, mit verschiedenen Formen von Ungewissheiten und der Dynamik von Ungewissheiten bezüglich der Entsorgung radioaktiver Abfälle umzugehen. Die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle erfordert es, über Zeiträume von bis zu einer Million Jahre hinaus zu planen. Ein solches Vorhaben ist von erheblichen Ungewissheiten begleitet, die sich zudem auf dem Entsorgungsweg verändern. Dem Sammelband liegen inter- und transdisziplinäre Forschungsergebnisse zugrunde. Die Autor:innen sprechen in allgemein verständlicher Sprache eine breite Leserschaft an, die sich für die Entsorgung radioaktiver Abfälle oder grundlegender für den Umgang mit Vorhaben, die sehr langfristig angelegt sind, interessiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Open Access

Die Vielfalt der Ungewissheit bei der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle
Zusammenfassung
Dieser Band handelt von Ungewissheiten. Ungewissheiten sind aus dem Alltag bekannt, auch, wenn sie nicht differenziert oder explizit so benannt werden. Wir wissen nicht sicher, wie das Wetter wird, wie der Arbeitstag verlaufen wird, ob das Kind gesund von der Schule heimkommt, und auch nicht, ob wir in zwanzig Jahren noch im selben Ort leben werden. Und dennoch kommen wir mehr oder weniger gut zurecht, treffen alltäglich Entscheidungen und planen darüber hinaus in die Zukunft. Wir handeln also auf Basis von Entscheidungen unter Ungewissheit; das gilt auch für Entscheidungsträger:innen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Roman Seidl, Frank Becker, Anne Eckhardt, Volker Mintzlaff, Dirk Scheer

Open Access

Offene Zukunft und unsicheres Zukunftswissen: die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle
Zusammenfassung
Die sichere Lagerung radioaktiver, insbesondere hochradioaktiver und damit wärmeentwickelnder Abfallstoffe ist in Deutschland als Endlagerung in einer tiefen geologischen Formation beabsichtigt. Bestimmte Ungewissheiten resultieren aus der Notwendigkeit, lange Zeiträume, für die Zukunftswissen grundsätzlich unsicher ist, in Betracht ziehen zu müssen. Jegliche Strategie zum langfristigen Umgang mit hochradioaktiven Abfällen ist angesichts der Halbwertszeiten der jeweiligen Nuklide bzw. ihrer Zerfallsprodukte mit der Notwendigkeit konfrontiert, für lange, teils sehr lange Zeiträume zu planen bzw. Vorsorge zu treffen. Es geht um Sicherheit vor Strahlung und möglichen toxischen Effekten durch die Abfälle bzw. ihre Zerfallsprodukte für eine Million Jahre, wie dies 2010 vom Umweltministerium festgelegt wurde. Die erwartete Gewährleistung bzw. ein Nachweis dieser Sicherheit kollidieren insbesondere mit der Erfahrung, dass Zukunftswissen generell und insbesondere für derart lange Zeiträume unsicher ist. Die Spannung zwischen dieser bekannten Unsicherheit und dem Wunsch nach Sicherheit ist Gegenstand dieses Kapitels. Der Schwerpunkt liegt auf erkenntnistheoretischen Fragen des Zukunftswissens, wobei Zukunftswissen nach naturwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Feldern erkenntnistheoretisch differenziert betrachtet wird. Die Übertragung dieser allgemeinen Betrachtungen auf die Endlagerung erlaubt Schlussfolgerungen für Verantwortungszuschreibung und Handeln.
Armin Grunwald

Open Access

Hoffnung und Zuversicht für 1 Million Jahre
Langfristige Ziele und ungewisse Entwicklungen im Prozess der Endlagerung
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag gehe ich der Frage nach, ob Hoffnung und Zuversicht Kompetenzen zum Umgang mit Ungewissheiten darstellen und Grundlage von Umgangsstrategien mit anthropogenen Ungewissheiten sein könnten, insbesondere angesichts mittel- und langfristiger gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Nach einer kurzen Darstellung der Kategorie der anthropogenen Ungewissheiten sowie der Idee transdisziplinärer Forschung als Grundlage für politische Entscheidung zum Umgang mit Ungewissheiten betrachte ich die Rolle der Hoffnung am Beispiel des Klimawandels. Anschließend beleuchte ich ein sicherheitsrelevantes Ziel bzw. einen sicherheitsrelevanten Zustand im Rahmen der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland sowie die Akteur:innen in jedem dieser beiden Fälle: Zuversicht angesichts der Lernfähigkeit des Verfahrens sowie Hoffnung auf das Fortbestehen des rechtsstaatlichen Rahmens. Nach einer vertiefenden Betrachtung der Begriffe Zuversicht und Hoffnung argumentiere ich für eine positive Funktion der Zuversicht und weise auf die ambivalente Rolle der Hoffnung hin: Forscher:innen und Mitglieder der verantwortlichen Institutionen sind angehalten, ihre Zuversicht zu zeigen dort, wo sie angesichts der Entwicklung des lernenden Verfahrens begründet besteht. Das Fortbestehen eines demokratischen Rechtsstaats für den gesamten Entsorgungsprozess implizit vorauszusetzen, ist aber grundsätzlich zu vermeiden. Politiker:innen und Bürger:innen dürfen – im Sinne Kants – auf das Fortbestehen eines rechtsstaatlichen Rahmens dennoch hoffen, d. h. sie sollen daran weiter arbeiten trotz der Ungewissheit angesichts seiner Entwicklung.
Rosa Sierra

Open Access

Ad Calendas Graecas? Ethische und politische Bemerkungen zum offiziellen „Abschied von 2031“ bei der Endlagersuche
Zusammenfassung
Der Artikel reflektiert die 2023 eingetretene Lage der Verschiebung der Entscheidung für einen Endlagerstandort in den Zeitraum von 2046 bis 2068. Der Artikel verknüpft eine Situationsdeutung (1) mit einer ethischen Analyse (2) und einer normativen Positionierung (3) unter der Annahme, dass durch die Verlängerung des Suchverfahrens die Ungewissheiten auf dem Entsorgungspfad größer und die Risiken der Zwischenlagerung nicht kleiner werden. Es wird besonders auf die Ambivalenzen der Forderung nach Partizipation reflektiert (4). Es wird eine Konstellation bzw. ein Dispositiv aus Wirkfaktoren analysiert, das erklärt, warum Deutschland dabei sein könnte, den Pfad in Richtung einer dauerhaften Oberflächenlagerung einzuschlagen (5). Die normative Positionierung impliziert es, davor zu warnen (6).
Konrad Ott

Open Access

Gewissheit der Ungewissheit
Ungewissheiten bei der Entsorgung hochradioaktiver Stoffe aus Sicht der Arbeitsgruppe Bevölkerung
Zusammenfassung
Die Entsorgung von Atommüll ist ein kontroverses Thema, das technische, ökologische, und politische Überlegungen beinhaltet. Um gesellschaftliche Aspekte und Bedenken der Bevölkerung zu berücksichtigen, ist im Standortauswahlgesetz eine Beteiligung der Öffentlichkeit fixiert. Im TRANSENS-Forschungsvorhaben ist die AGBe an der Untersuchung der Frage, wie die Öffentlichkeit als einzubeziehender Akteur mit Ungewissheiten umgeht, beteiligt. Im Sinne dieses Kapitels sind unter Ungewissheiten Zustände zu verstehen, in denen etwas nicht feststeht (vgl. Duden „Ungewissheit“, „Bedeutung“ Zugriff: https://​www.​duden.​de/​rechtschreibung/​Ungewissheit.). Hierbei kann es sich beispielsweise um nicht eindeutig bewiesene Sachverhalte, unbestimmte Entwicklungen oder auch nicht als Fakten bestätigte Informationen oder Vermutungen handeln. Zunächst ergaben sich Ungewissheiten zu Beginn der Mitarbeit zu der Frage, welche Anforderungen an die Gruppe gestellt werden. Eine weitere Überlegung betrifft den Unterschied zwischen einer Bürger- und einer Laienbeteiligung und die Entwicklung von beteiligten Bürgern und Laien mit gewissen Fachkenntnissen durch die Aneignung von Wissen im Verlauf der Zusammenarbeit. Die Ungewissheit, ob und wie die Zusammenarbeit zwischen Bürgern mit geringen Vorkenntnissen und den beteiligten Wissenschaftlern funktionieren kann, begleitete die Arbeitsgruppe im ersten Jahr. Letztendlich beschäftigt sich die AGBe mit Fragen zum Umgang mit den auch bei der Wissenschaft verbleibenden Ungewissheiten, die sich aus dem unvorstellbar langen Zeitraum ergeben, der Generationengerechtigkeit und dem gesellschaftlichen Wandel.
Kevin Kramer, Henrike Neumann, Karla Preisler, Christopher Schäfer

Open Access

Atomkraft und Endlagerung: Von der parallelen Existenz von (Un-)Gewissheiten in Politik und Zivilgesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg
Zusammenfassung
Weder in der vergangenen noch in der gegenwärtigen bundesdeutschen Atomkraft- und Endlagerpolitik gab es eine Zeit gesellschaftlich unhinterfragter Gewissheiten im Sinne einer bedingungslosen Zustimmung zur Atomkraft und Endlagerung. Gewissheit bedeutet im vorliegendem Beitrag einerseits die politische Zustimmung zur Atomkraft, aber auch die Gewissheit, diese durchsetzen zu können. Seit den 1970er Jahren formierte sich eine breite Anti-Atomkraft-Bewegung, wodurch das Gewissheitsnarrativ der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger:innen durch die Wahrnehmung eines hohen Katastrophenpotentials und die Formulierung starker Ungewissheiten in Bezug auf die Atomkraft durch die Zivilgesellschaft infrage gestellt wurde. Dennoch war es nicht die Kritik der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung, die zur aktuellen Endlagersuche führte, sondern die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Das bedeutet, dass die jahrzehntelang formulierten Ungewissheiten der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung nur mittelbar der Grund für den Ausstieg aus der Atomkraft waren; an einem demokratischeren Prozess der aktuellen Endlagersuche hatte die Bewegung indes unmittelbaren Anteil, da politische Entscheidungsträger:innen lernten, dass sich Entsorgungsprogramme in Deutschland nicht einfach durchsetzen lassen, sondern dass mit Ungewissheiten zu rechnen ist, die Anpassungen erfordern können.
Astrid Mignon Kirchhof

Open Access

Trittsicherheit auf Zukunftspfaden? Ungewissheitsbewältigung bei der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle
Zusammenfassung
Die Wege für eine sichere Entsorgung hochradioaktiver Abfälle sind vielfältig und bleiben eine zentrale politisch-gesellschaftliche Herausforderung. Umweltverträglichkeit, Gesundheitsschutz und sozialer Frieden sind nur einige Aspekte, denen eine zukunftsgerichtete Endlagerung gerecht werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es eine zentrale Aufgabe, zieladäquate Zukunftspfade der nuklearen Entsorgung hochradioaktiver Abfälle zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten – dies steht im Mittelpunkt dieses Beitrags. Ziel ist zum einen eine vergleichende Betrachtung der identifizierten Pfade hinsichtlich ihrer Priorisierung und Charakteristika. Zum anderen werden aus den Pfaden übergeordnete Strategien zum Umgang mit Ungewissheiten abgeleitet. Insgesamt wurden sieben Zukunftspfade identifiziert und hinsichtlich ihrer Plausibilität und Umsetzungswahrscheinlichkeit eingeordnet. Die einzelnen Pfade werden im Beitrag zunächst dargestellt mit einem besonderen Augenmerk auf drei Pfaden, die als sehr wahrscheinlich eingestuft wurden. Darauf folgt eine vergleichende Pfadbetrachtung aus dem Blickwinkel von Gewissheiten und Ungewissheiten als Kernthema des Beitrags. Daraus werden drei übergreifende Strategien der Ungewissheitsbewältigung bei Entsorgungspfaden hochradioaktiver Abfälle herausgearbeitet.
Dirk Scheer, Frank Becker, Thomas Hassel, Peter Hocke, Thorsten Leusmann, Volker Metz

Open Access

Wicked Financing der Endlagerung: Ungewissheiten, Widersprüche und Herausforderungen
Zusammenfassung
Die finanzielle Verantwortung für die Entsorgung der hochradioaktiven Abfälle in Deutschland ging 2017 von den Betreibern der Atomkraftwerke (AKW) an den Staat über. Die Betreiber, die noch für den Rückbau der AKW verantwortlich sind, transferierten Rückstellungen in Höhe von 24,1 Mrd. EUR in den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO). Der erste deutsche Staatsfonds, der von einer Stiftung des öffentlichen Rechts verwaltet wird, soll die Finanzierung so gewährleisten, dass keine zusätzlichen Kosten auf die Gesellschaft zukommen. Dafür soll die Stiftung die Mittel langfristig sichern und gewinnbringend anlegen. Zugleich hat die Stiftung die politische Aufgabe, bei ihren Investitionen an den Finanzmärkten Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Die staatliche Aufgabe der nuklearen Entsorgung erfährt damit eine Finanzialisierung: Finanzielle und gesellschaftlich-ökologische Kriterien werden miteinander verknüpft. Damit gehen Ungewissheiten und Widersprüche einher, die sich nur bedingt im Sinne eines gesellschaftlichen Nutzens auflösen lassen, was wir unter dem Begriff wicked financing zusammenfassen. Es bleibt ungewiss, ob das an den Finanzmärkten investierte Kapital bis zum Ende dieses Jahrhunderts und darüber hinaus für die Finanzierung der Endlagerung ausreicht. Es ist widersprüchlich, dass der Staatsfonds mit Demokratie- und Transparenzzielsetzungen kompatibel sein soll und gleichzeitig Aufgaben auch an externe Vermögensverwalter*innen auslagert. Schließlich stehen die Anlagestrategien im Widerspruch zu den Nachhaltigkeitskriterien, denn Investitionen erfolgen auch in Unternehmen der fossil-nuklearen Energiebranche.
Achim Brunnengräber, Jan Sieveking

Open Access

Ungewissheit als Regulierungsaufgabe des Standortauswahlgesetzes
Von der Gefahrenabwehr zur Vorsorge für 1 Million Jahre
Zusammenfassung
Der Umgang mit Ungewissheit ist mittlerweile ein „Klassiker“ unter den Themen des besonderen Verwaltungsrechts. Aktuell wird der Standort für ein Endlager für hoch radioaktiven Abfall mit der bestmöglichen Sicherheit für 1 Million Jahre gesucht. Das Gesetz, das die Suche anleitet, das Standortauswahlgesetz, geht neue Wege, um im Falle dieses einzelnen Projektes mit Ungewissheit umzugehen. Der Beitrag informiert kurz über die Ursprünge des Umgangs mit Ungewissheit im Recht, indem der Weg von der Gefahrenabwehr hin zu Vorsorge und Risikomanagement nachgezeichnet wird. Im Hauptteil werden dann die besonderen Elemente zum Umgang mit Ungewissheit im Standortauswahlgesetz vorgestellt und aus rechtswissenschaftlicher Perspektive gewürdigt. Dazu wird u. a. die Grundunterscheidung von Vorsorge im konkreten Einzelfall und genereller Standardsetzung vorab genutzt.
Ulrich Smeddinck

Open Access

Systematischer Umgang mit Ungewissheiten bei der Standortwahl für geologische Tiefenlager in der Schweiz
Zusammenfassung
Die gesetzlichen Vorgaben und das Regelwerk der Aufsicht in der Schweiz sehen vor, dass ein geologisches Tiefenlager an einem Standort realisiert wird, dessen geologische Eignung durch Daten und Prozessverständnis gezeigt werden kann. Der systematische Umgang mit Ungewissheiten ist ein zentraler Teil des Sicherheitsnachweises. Das Aufzeigen der Robustheit eines Lagersystems und der Unempfindlichkeit gegen eine Vielzahl möglicher zukünftiger Entwicklungsszenarien stellen Schlüsselelemente in der Nachweisführung dar.
Für den Umgang mit Ungewissheiten wird in diesem Artikel ein schematisches Vorgehen aufgezeigt. Ein Rückblick über die Geschichte der Entsorgung in der Schweiz und insbesondere über das seit 2008 laufende Standortauswahlverfahren zeigt die Anwendung dieses Vorgehens, in dem Ungewissheiten zunächst auf ihre Sicherheitsrelevanz geprüft werden, anschließend zu klären ist, inwiefern Ungewissheiten durch Anpassungen ausgeschlossen werden können bzw. einzubeziehen sind. Bei einem Einbezug sind schlussendlich die Ungewissheiten genauer zu bestimmen oder in ihrer Wirkung einzugrenzen. An konkreten Beispielen wird das systematische Vorgehen erläutert.
Meinert Rahn, Ann-Kathrin Leuz, Felix Altorfer

Open Access

Wie viel Ungewissheit ist akzeptabel?
Beurteilung von Ungewissheiten in verschiedenen Entscheidungssituationen auf dem Entsorgungsweg
Zusammenfassung
Ungewissheiten bei der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle sind unter anderem in den langen Zeithorizonten begründet, über die Sicherheit belegt werden muss, und in der Komplexität des soziotechnischen Projekts der Endlagerung. Endlager für hochradioaktive Abfälle sind dafür konzipiert, Ungewissheiten zu vermeiden, zu vermindern oder ihre Auswirkungen zu begrenzen. Dennoch bleiben bei der Endlagerung bedeutende Ungewissheiten bestehen. Die Akzeptabilität von Ungewissheiten zu beurteilen, setzt zunächst ein Verständnis der unterschiedlichen Ungewissheiten voraus, die bei der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle von Bedeutung sind, und ihrer zeitlichen Entwicklungen. Auf dem Entsorgungsweg, der zum verschlossenen Endlager führt, müssen sowohl politische Entscheidungen als auch eine Vielzahl von Arbeitsentscheidungen zum Umgang mit Ungewissheiten getroffen werden. Dabei stellt sich die Frage, welche Ungewissheiten bzw. welches Maß an Ungewissheiten akzeptabel sind. Bei Arbeitsentscheidungen lässt sich die Akzeptabilität von Ungewissheiten anhand der spezifischen Konstellation von vier Kriterien überprüfen. Für Entscheidungen auf der politischen Ebene lassen sich ebenfalls Kriterien ableiten, um die Akzeptabilität spezifischer Ungewissheiten zu prüfen. Aufgrund der verschiedenen Formen, die Ungewissheiten annehmen, bleibt es anspruchsvoll, Gesamtbeurteilungen von Ungewissheiten auf dem Entsorgungsweg oder bei einem Endlagersystem vorzunehmen. Für die Zukunft eröffnen sich Perspektiven, Fragen zur Akzeptabilität von Ungewissheiten bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle mit neuen Argumenten und Verfahren differenzierter zu beantworten als es bisher möglich war.
Anne Eckhardt

Open Access

Der Safety Case als Grundlage für Entscheidungen unter Ungewissheit
Zusammenfassung
Aussagen und Bewertungen zur Sicherheit sind eine wichtige Grundlage für Entscheidungen zum Beispiel zur Auswahl eines Endlagerstandorts oder zur Genehmigung eines Endlagers. Die Methodik des Safety Case ermöglicht eine strukturierte und nachvollziehbare Erarbeitung und Dokumentation solcher Aussagen und Bewertungen und ist damit eine wesentliche Entscheidungsgrundlage. Im deutschen Standortauswahlverfahren kommt die Methodik in den sogenannten vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen in jeder der drei Verfahrensphasen zur Anwendung. Zum Safety Case gehören eine systematische Darstellung der jeweils bestehenden Ungewissheiten und die Erarbeitung von Empfehlungen zum weiteren Umgang mit ihnen. Behörden und politische Akteure versetzt der Safety Case in die Lage, sicherheitsrelevante Ungewissheiten im Entscheidungsprozess zu erkennen und zu berücksichtigen. Der Beitrag skizziert Struktur und Rolle des Safety Case, diskutiert Möglichkeiten und Grenzen beim Umgang mit Ungewissheiten und ordnet den Safety Case – je nach Fragestellung, gesellschaftlichem, politischem und juristischem Kontext und Stand des Entsorgungsprogramms und Endlagerprojekts unterschiedliche – Entscheidungssituationen zu.
Klaus-Jürgen Röhlig

Open Access

Ungewissheiten bezüglich der Langzeitsicherheit von Endlagern: Qualitative und quantitative Bewertung
Zusammenfassung
Der Beitrag fokussiert auf die Langzeitsicherheit eines verschlossenen Endlagers. Er gibt einen Überblick zu Möglichkeiten der qualitativen und quantitativen Bewertung von Ungewissheiten und ihrer Relevanz für die Sicherheit und zeigt exemplarisch einige Möglichkeiten zur grafischen Darstellung diesbezüglicher Analyseergebnisse auf. Zur quantitativen Bewertung steht eine Reihe mathematischer Methoden zur Verfügung, durchgesetzt hat sich aus mehreren Gründen eine Kombination von deterministischen und probabilistischen Ansätzen. Im Einzelnen bestehen jedoch unterschiedliche Möglichkeiten dahin gehend, für welchen Typ von Ungewissheit deterministische und für welchen Typ probabilistische Ansätze zum Einsatz kommen, in wie weit die Behandlung verschiedener Ungewissheiten in eine zusammenführende Analyse mündet, welche Ergebnisgrößen („Indikatoren“) betrachtet werden und welche Formen der Ergebniskommunikation gewählt werden. Solche Unterschiede sind zum Teil unterschiedlichen nationalen Regelwerken geschuldet, aber es bestehen auch viele Freiheitsgrade innerhalb dieser Vorgaben. Vor- und Nachteile insbesondere der Wahl von Indikatoren sowie von unterschiedlichen Methoden hinsichtlich ihrer internen Logik und der jeweiligen Darstellungsweisen und deren Kommunizierbarkeit sollten weiter erforscht und erprobt werden.
Klaus-Jürgen Röhlig

Open Access

Ein erster methodischer Ansatz zur Identifikation von Ungewissheiten bei der individuellen Durchführung der Materialparameterermittlung für numerische Simulationen aus arbeitspsychologischer Sicht
Zusammenfassung
Der Kernkraftwerksbetrieb endet. Doch die dabei entstandenen hochradioaktiven Abfälle sind für einen sehr langen Zeitraum sicher im geologischen Untergrund ein- beziehungsweise endzulagern. Angesichts von Ungewissheiten, die planungsseitig auf Prozess- und Systemebene bestehen, ist eine möglichst robuste Endlagerkonzeption erforderlich. Diese Forderung bezieht sich nicht nur auf die technische Ausgestaltung, sondern muss auch soziale Aspekte mitbetrachten – in diesem Fall den im Rahmen der Arbeitspsychologie genannten Faktor Mensch. Auf den Planungs- und Ausführungsprozess bezogen sind darunter die menschlichen Einflüsse zu verstehen, die aus subjektiv geprägtem Handeln resultieren. Die Ursachen und möglichen Auswirkungen des Faktors Mensch auf die technische Planung werden in diesem Beitrag beispielhaft untersucht. Im Rahmen des Planungsprozesses sind numerische Simulationen zur prognostischen Ermittlung des Endlagersystemverhaltens etabliert. Grundlage für die numerische Simulation ist die Abbildung des geplanten Endlagersystems in einem Simulationsmodell durch die Modellierenden. Für die Prognose des Langzeitverhaltens lässt sich nur schwer einschätzen, ob bei der Durchführung der rechnerischen Simulationen der jeweilig Modellierende mit seiner individuellen Vorgehensweise einen relevanten Einfluss hat. Daher wird in diesem Beitrag der individuelle Einfluss von Modellierenden am Beispiel einer Einlagerungsstrecke betrachtet, für die eine Prognose ihres langfristigen Tragverhaltens vorzunehmen ist. Ein Teil dieser Planungsarbeiten umfasst die Ermittlung von Parametern zur physikalischen Abbildung des Gebirgsverhaltens und die Simulation der Streckenverformungen im Laufe der Zeit. Vor diesem Hintergrund sind mehrere Modellierer parallel bei der Parameterermittlung mit verschiedenen methodischen Ansätzen der Arbeitspsychologie beobachtet worden. Die Ergebnisse dieses Beitrags zeigen, in welchem Umfang und aus welchen Gründen der Faktor Mensch bei der Prognose des Verhaltens sicherheitstechnischer Komponenten des Endlagersystems relevant sein kann. Daher sollte der Faktor Mensch soweit möglich bereits proaktiv auf Seiten des Antragstellers und nicht nur reaktiv im Rahmen des Genehmigungsverfahrens berücksichtigt werden.
Henriette Muxlhanga, Johann Arne Othmer, Oliver Sträter, Karl-Heinz Lux, Ralf Wolters, Jörg Feierabend, Junqing Sun-Kurczinski

Open Access

Kommunikation und Wahrnehmung wissenschaftlicher Ungewissheiten
Zusammenfassung
Aus dem Alltag kennen wir den Umgang mit Ungewissheiten. Ständig handeln wir, ohne dass wir genaue Risikoabschätzungen vornehmen, obwohl selten vollständiges Wissen vorliegt. In der Wissenschaft wird ebenfalls versucht, mit Ungewissheiten, etwa aus der Modellierung und Simulation, umzugehen. Gerade wenn es um Abschätzungen über das Verhalten von risikobehafteter Infrastruktur über lange Zeiträume geht, liegen verschiedene Arten von Ungewissheiten vor. Diese der Öffentlichkeit zu kommunizieren, gehört heute zur guten Praxis. Doch wie soll man gerade beim sensitiv beobachteten Thema der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle vorgehen? Wie sind Modellunsicherheiten aufzubereiten und darzustellen, sodass sie nicht zu weiterer Verunsicherung beitragen? In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit den Quellen und Formaten von Ungewissheiten sowie dem Wissen aus der Forschung zu Risikokommunikation und Ungewissheiten. Dabei wird klar, dass es nicht nur unterschiedliche Arten und Quellen von Ungewissheiten gibt, sondern auch interindividuelle Unterschiede bei den Adressaten. Entsprechend können sich die Wirkungen der Kommunikation unterscheiden. Wir zeigen an einem aktuellen Beispiel, wie zwei unterschiedliche Berechnungsarten und grafische Darstellungen von 177 Teilnehmern einer experimentellen Studie aufgenommen wurden.
Roman Seidl, Dirk-Alexander Becker, Cord Drögemüller, Jens Wolf

Open Access

Bedeutung von deterministischen und probabilistischen Methoden zur Behandlung und Kommunikation von Ungewissheiten hinsichtlich der Sicherheitsaussagen in einem Safety Case
Zusammenfassung
Mit diesem Beitrag wird der Einsatz deterministischer und probabilistischer Methoden im Safety Case beleuchtet. Basierend auf vorhandenen nationalen und internationalen Empfehlungen und Erkenntnissen sowie einem Online-Experiment zur Aussagekraft der Methoden und Darstellungsarten werden Schlussfolgerungen zum Einsatz der Methoden formuliert. Dabei wird auch diskutiert, welche Methoden zur Behandlung und Darstellung von Ungewissheiten geeignet sind, eine sowohl korrekte als auch möglichst gut verständliche Aussage hinsichtlich der Ungewissheit der Sicherheitsbewertung eines Endlagers zu formulieren. Diese Frage wird am Beispiel der Dosisabschätzung für ein hypothetisches Endlager in einer Tongesteinsformation diskutiert.
Dirk-Alexander Becker, Ulrich Noseck, Roman Seidl, Jens Wolf

Open Access

Ungewissheiten und Narrative im Kontext der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle – eine schwierige Beziehung?
Zusammenfassung
Bei der näheren Betrachtung des Themas „Ungewissheiten und Narrative im Kontext der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle“ fällt auf, dass dabei oft verschiedene Begriffe verwendet werden, die zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch als synonym oder sehr ähnlich wahrgenommen werden können. Der Beitrag umreißt daher in einem ersten Schritt das Begriffsfeld „Ungewissheit“ (Ungewissheit, Unsicherheit, Risiko, etc.) sowie das Begriffsfeld „Narrativ“ (Narrativ, Geschichte, Metapher, Slogan, etc.). Da die Rede vom Narrativ in den letzten Jahren zum Teil inflationär Verwendung findet, soll zunächst geklärt werden, was ein Narrativ charakterisiert und was im Umkehrschluss ausdrücklich kein Narrativ darstellt, obwohl der Begriff als Modewort oftmals nach Gutdünken verwendet wird. Beispielhaft werden dazu einige Narrative im Kontext der Endlagerung geschildert. Der Beitrag untersucht anschließend mögliche Verbindungen zwischen Ungewissheiten und Narrativen. Es stellt sich vor allem die Frage, inwiefern Narrative mit ihrem zielgerichteten Aufbau überhaupt geeignet sind, um Ungewissheiten zu transportieren, oder ob diese durch die Erzählstruktur nicht von vornherein ausgeschlossen bzw. relativiert werden. Als Untersuchungsbeispiel dienen unter anderem Narrative, die Radioaktivität und Kernkraft mit der negativ behafteten Metapher „Verstrahlung“ medienwirksam propagieren und dadurch Ungewissheiten und Missverständnisse verstärken können.
Frank Becker, Margarita Berg

Open Access

Das Unbekannte vorausdenken?
Entscheidungen unter Ungewissheit und zum Umgang mit Ungewissheiten
Zusammenfassung
Entscheiden unter Ungewissheit ist ein aktuelles Thema. Große, komplexe Herausforderungen wie der Klimawandel, bei denen zudem unterschiedliche Sichtweisen und Werthaltungen aufeinandertreffen, erfordern innovative Ansätze zum Umgang mit Ungewissheiten. Die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die aufgrund ungewöhnlich weitreichender zeitlicher Realisierungs- und Bewertungshorizonte mit erheblichen Ungewissheiten verbunden ist, obwohl die Entsorgungsoption der Endlagerung im geologischen Untergrund auch deshalb gewählt wurde, um Ungewissheiten einzudämmen. In Deutschland tragen zudem Belastungen durch eine konfliktreiche Vergangenheit zu Ungewissheiten über politische und gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen auf dem Entsorgungsweg bei. Entscheidungen zum Umgang mit konkreten, charakterisierten Ungewissheiten, die zum Beispiel die Sicherheitsbarrieren eines Endlagers betreffen, lassen sich entlang des in diesem Beitrag dargestellten Schemas (Abb. 1) treffen. In Einzelfällen kann und sollte von diesem Schema aber auch mit guten Gründen abgewichen werden. Entscheidungen unter teils komplexen und wenig charakterisierten Ungewissheiten auf dem Entsorgungsweg können affirmativ, robust oder adaptiv (Abb. 2) getroffen werden. Mit Entscheidungen unter Ungewissheit und zum Umgang mit Ungewissheiten sowohl auf Sicherheit, wie sie aus wissenschaftlich-technischer Perspektive verstanden wird, als auch auf weitgehenden gesellschaftlichen Konsens hinzuarbeiten, ist für alle Akteure der Entsorgung anspruchsvoll. Governance, der Einfluss menschlicher und organisatorischer Faktoren sowie kommunikative Erkenntnisse müssen bei Entscheidungen unter Ungewissheit und zum Umgang mit Ungewissheiten einbezogen werden.
Anne Eckhardt, Frank Becker, Volker Mintzlaff, Dirk Scheer, Roman Seidl
Metadaten
Titel
Entscheidungen in die weite Zukunft
herausgegeben von
Anne Eckhardt
Frank Becker
Volker Mintzlaff
Dirk Scheer
Roman Seidl
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-42698-9
Print ISBN
978-3-658-42697-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42698-9