Abends beim Bier oder bei einem Event — oft gleitet das Gespräch einer Runde von „alten IT-Kämpen“ zu den guten alten Zeiten, die noch gar nicht so lange her sind. Die IT-Budgets wuchsen Ende der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit Wachstumsraten von über 10 % weit über dem Durchschnitt der Nettoinlandsprodukt-Entwicklung und erreichten 2000/2001 einen Höhepunkt.
Computer sind wie kaum eine andere Technologie dem Gesetz der Kommodisierung unterworfen: In der „Kindheit“ einer Technologie können die Leistungsanforderungen der Kunden nur mit Mühe erfüllt werden. Das Ausreizen des technisch Machbaren steht im Vordergrund, und die Kunden haben keine andere Wahl, als sich proprietären Angeboten zu unterwerfen. Fortschreitende Grundinnovationen, zum Beispiel in der Prozessortechnologie und in den Speichersystemen, sorgen jedoch dafür, dass bald nicht mehr technologische Brillanz, sondern Preis/Leistungsvorteile zählen. Alternative, billigere Plattformen beginnen sich trotz anfänglicher Leistungsnachteile durchzusetzen, da sie über ein deutlich besseres Preis/Leistungsverhältnis verfügen. Wesentliche Quelle der Preis/Leistungsvorteile ist der zunehmende Einsatz von standardisierten Komponenten. Computersysteme werden so zu einer immer austauschbareren Ware mit immer geringeren Alleinstellungsmerkmalen, welche stetig mehr Leistung für immer weniger Geld bieten muss.
Haben IT und IT-Services eine Zukunft? Auf jeden Fall! Die Kommodisierung ändert nichts daran, dass Informationstechnologie eine wesentliche Ressource zur Produktivitätssteigerung und zur Differenzierung eines Unternehmens ist. Die IT-Infrastruktur muss weiter stabil, sicher und kostengünstig betrieben und gemanagt werden und darf keine Chancen verstellen. Auch die IT-Komplexität verschwindet nicht, sie verschiebt sich: Während die Komplexität in den einzelnen Bausteinen sinkt — siehe zum Beispiel „Rechnerboxen“ und Client-Betriebssysteme — entsteht neue Komplexität in den Software-Lösungen und in den Prozessen.1 Und auch weiterhin gehört die IT nicht zu den Kern-Kompetenzen eines Unternehmens, genausowenig wie seine Stromversorgung.
Nicolas Carr sorgte 2003 mit seinem Artikel „IT doesn’t matter“ [1] für einen Aufschrei in der IT-Industrie. In diesem Artikel behauptete Carr, dass die IT inzwischen zu einer Commodity geworden ist, die nicht mehr im Wettbewerb differenziert. Dies war offensichtlich zu viel für die geschundene Seele einer Branche, die gerade mitten in der schwersten Krise ihrer noch jungen Geschichte steckte. Kaum eine Veröffentlichung wurde von Branchenvertretern mehr angegriffen und in Frage gestellt.