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2023 | Buch

Funktionale Politisierung als informelle Institution

Eine „Grounded Typology“ politikzentrierter Handlungsentscheidungen

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Über dieses Buch

​Ein Desiderat der Verwaltungsforschung betrifft die Frage, welchen Mechanismen politisch-responsives Verhalten unterliegt. Einerseits soll eine normgebundene öffentliche Verwaltung gewährleistet werden, zugleich soll sie die Umsetzung des politischen Willens garantieren. Anhand des Forschungsprojektes erfolgte die Hinwendung zur wissenschaftlich unterrepräsentierten ministeriellen Arbeitsebene. Mithilfe der „Grounded Typology“ ist ein qualitativ-rekonstruktives Verfahren gewählt worden, das einen innovativen Zugang zu funktionaler Politisierung ermöglicht. Anhand theoriegenerierender Expert:inneninterviews werden Beschäftigte des gehobenen und höheren Dienstes zu ihren Handlungsentscheidungen befragt, um zu beantworten, wie funktionale Politisierung in ihrer geistigen und materiellen Welt verankert ist. Erkennbar ist, dass funktionale Politisierung ein graduelles Konzept darstellt, das aus organisationaler Sozialisierung und einer motivationalen Komponente resultiert, wobei die Verhaltenserwartungen des politisch-administrativen Systems bekannt und beherrscht sein müssen und eine Motivation vorliegen muss, den politischen Willen zu erfüllen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Wann immer sich die Dichotomie zwischen Verwaltung und Politik aufzulösen scheint, sind Fragen einer Politisierung der Verwaltung zu beantworten. Das wissenschaftliche Interesse konzentrierte sich dabei bislang entweder auf diejenigen Politisierungsformen, die in Zusammenhang mit der Personalrekrutierung stehen oder auf funktionale Politisierung als verhaltensbezogenes Konzept, sofern es das Ausmaß beschreibt, in dem Spitzenbürokrat:innen politische Erwägungen in ihre Entscheidungen einfließen lassen ohne hierfür eine Weisung erhalten haben zu müssen (Page & Wright, 1999). Die Annäherung des Rollenverständnisses bürokratischer und politischer Akteur:innen ist allerdings nicht nur obersten Positionen der öffentlichen Verwaltung vorbehalten.
Jana Marleen Walter
Kapitel 2. Informelle Institutionen aus institutionentheoretischer und sozialkonstruktivistischer Perspektive
Zusammenfassung
„Die Soziologie ist gewiß nicht arm an zentral wichtigen, aber nach wie vor nicht eindeutig geklärten Konzepten. Der Begriff der Institution gehört auch dazu.“ (Esser, 2000, p. 1). Der Versuch, sich auf eine exakte Definition des Institutionenbegriffes zu verständigen, erscheint schwierig, da sich eine Vielzahl theoretischer Ansätze aus verschiedenen disziplinären Perspektiven damit befasst und sich jeder dieser Zugänge einem Begriffsverständnis mit eigenen Forschungsinteressen und Fragestellungen nähert.
Jana Marleen Walter
Kapitel 3. Die Grundlagen funktionaler Politisierung als Konzept einer attitudinal politicization
Zusammenfassung
Der Terminus der Politisierung stellt einen interdisziplinären Begriff dar, der in Abhängigkeit des Betrachtungskontextes einen anderen Bedeutungsgehalt erfahren kann (Auf dem Hövel, 2003, p. 20). Für eine Annäherung an das Grundverständnis des verwaltungswissenschaftlich gebräuchlichen, bürokratischen Politisierungsbegriffes erscheint es sinnvoll, hierzu zunächst die Geschichte des allgemeinen Politisierungsbegriffes zu betrachten.
Jana Marleen Walter
Kapitel 4. „Grounded Typology“: Rekonstruktion einer subjektiven Theorie funktionaler Politisierung
Zusammenfassung
Zu Beginn jedes Forschungsvorhabens gilt es, aufgrund erster Überlegungen und in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Fachliteratur sowie anderen relevanten Quellen, ein eigenes Erkenntnisinteresse zu formulieren und die Fragestellungen der Untersuchung zu präzisieren. Auswahl und Ausgestaltung der empirischen Untersuchungsmethoden werden hierdurch entscheidend vorbestimmt – was nicht bedeutet, dass einmal festgelegte Fragestellungen nicht nochmals angepasst werden dürften (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, p. 3). Zur Rekonstruktion der informellen Institutionalisierung funktionaler Politisierung ist für die vorliegende Forschungsarbeit die Durchführung eines qualitativen Verfahrens favorisiert worden.
Jana Marleen Walter
Kapitel 5. Meso-Level: Verankerung funktionaler Politisierung in der geistigen und materiellen Welt der Akteur:innen
Zusammenfassung
Ausgehend von der Annahme, dass funktionale Politisierung nicht nur „a matter for higher-ranking civil servants“ (Poulsen & Koch, 2018, p. 41) ist, wurde zu Beginn des Forschungsprozesses davon ausgegangen, dass sich diese Politisierungsdimension als Phänomen charakterisieren lässt, das für jede Person in der Ministerialverwaltung relevant ist, zumal die Internalisierung politischer Responsivität sogar als konkrete Erwartung bezeichnet wird, von der keine Position einer Ministerialbürokratie ausgenommen wird. Aufgrund ihres unsichtbaren, normierenden Charakters ist funktionale Politisierung als informelle Institution zu verstehen. Sie entspricht einem Regelsystem, das das soziale Handeln bürokratischer Akteur:innen dergestalt formt, stabilisiert und lenkt, dass es für andere erwartbar wird.
Jana Marleen Walter
Kapitel 6. „Grounded Typology“ als Konsequenz: zur Begründung des Mikro-Levels (Akteur:innenebene)
Zusammenfassung
Durch Zuhilfenahme des Kodierparadigmas ist für die vorliegende empirische Untersuchung ersichtlich geworden, wie das Zusammenspiel aus Kontext- und ursächlicher Bedingung zur Entstehung des Phänomens führte. Seine Anwendung war die Basis für die Erkenntnis, dass, je nach Konstellation intervenierender Bedingungen, andere Strategien mit unterschiedlichen Konsequenzen angewandt werden. Das eingesetzte Typenbildungsverfahren stellt dazu eine Verallgemeinerungsstrategie dar, um die Einzelfallorientierung qualitativer Analysen zugunsten der Strukturierung des Gegenstandsbereiches zu überwinden. Die eher holistische Ausrichtung qualitativer Sozialforschung im Allgemeinen sowie der Grounded Theory Methodologie im Speziellen, die sich häufig Vorwürfe der Singularität von Einzelfällen gefallen lassen muss (Kuckartz, 2006), wird auf diese Weise konsequent auf ein System empirischer Wirklichkeit übertragen.
Jana Marleen Walter
Kapitel 7. Diskussion der Ergebnisse: funktionale Politisierung als essential part of the game?
Zusammenfassung
Der Forschungsmethodologie der Grounded Theory ist inhärent, dass Datenerhebung, Analyse, Auswertung und Interpretation ineinander übergreifen und sich diese Schritte nach Integration neuen Datenmaterials wiederholen. Daran anschließend wurde von der Forscherin im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Entscheidung getroffen, forschungsrelevante Literatur und theoretische Beiträge bereits während der Ergebnisdarstellung einzubinden, anstatt diese erst in einem nachgestellten Kapitelteil zu erwähnen und zu diskutieren. Dadurch sollte eine thematische Chronologie gewährleistet werden, die den Leser:innen der Arbeit eine ununterbrochene Nachvollziehbarkeit der story line ohne gedankliche Sprünge ermöglicht.
Jana Marleen Walter
Kapitel 8. Fazit
Zusammenfassung
Nicht in Abwendung, vielmehr in Abwandlung, des vorgängigen Forschungsinteresses, ist eine Annäherung an Fragen der Politics-Administration-Dichotomy bzw. daran, welchen Einfluss diese auf das Verhalten der Ministerialbürokratie ausübt, erstmals nicht durch Fokussierung rekrutierungsspezifischer Politisierungskonzepte oder eine zentrale Konzentration auf bürokratische Spitzenpositionen, sondern die Betrachtung der ministeriellen Arbeitsebene vorgenommen worden. Auf Basis des sehr kargen, meist veralteten oder nicht uneingeschränkt auf die deutsche Ministerialverwaltung übertragbaren Forschungsstandes zu verhaltensbasierten Politisierungskonzepten außerhalb von Führungspositionen, ist das Bild vorgeprägt worden, dass eine Annäherung des Rollenverständnisses zwischen bürokratischen und politischen Akteur:innen nicht nur obersten Positionen der öffentlichen Verwaltung vorbehalten ist, sondern eher eine Arbeitsanforderung darstellt, die für jede Position der Ministerialverwaltung Relevanz besitzt.
Jana Marleen Walter
Backmatter
Metadaten
Titel
Funktionale Politisierung als informelle Institution
verfasst von
Jana Marleen Walter
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-42686-6
Print ISBN
978-3-658-42685-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42686-6

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