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1991 | Buch

Funktionentheorie 2

verfasst von: Reinhold Remmert

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

Wer sich mit einer Wissenschaft bekannt machen will, darf nicht nur nach den reifen Früchten greife- er muß sich darum bekümmern, wie und wo sie gewachsen sind (J.c. POGGENDORFF). Darstellung der Funktionentheorie mit lebhaften Beziehungen zur geschichtlichen Entwicklung und zu Nachbardisziplinen: Das ist auch das Leitmotiv dieses zweiten Bandes. Der Leser soll Funktionentheorie persönlich erleben und teilhaben am Wirken des schaffenden Mathematikers. Natürlich lassen sich nicht immer im Nachhinein die Gerüste aufstellen, die man zum Bau von Domen braucht, doch sollte ein Lehrbuch nicht GAUSS folgen, der sagte, man dürfe einem guten Bauwerke nach seiner Vollendung nicht mehr das Gerüste ansehen *>. Bisweilen ist auch das Gefüge des überall glatt verputzten Hauses bloß zu legen. Das Gebäude der Funktionentheorie wurde von ABEL, CAUCHY, JACOBI, RIEMANN, WEIERSTRASS errichtet. Daneben haben viele andere wichtige und schöne Beiträge geliefert; es ist nicht nur das Wirken der Könige zu schildern, sondern auch das Leben der Edelleute und Bürger in den Königreichen. Dadurch wurden die Literaturhinweise sehr umfangreich. Doch scheint das ein geringer Preis. "Man kann der studirenden Jugend keinen größeren Dienst erweisen als wenn man sie zweckmäßig anleitet, sich durch das Studium der Quellen mit den Fortschritten der Wissenschaft bekannt zu machen" (Brief von WEIERSTRASS an CASORATI vom 21. Dez. 1868). Anders als im ersten Band finden sich häufig Ausblicke auf die Funktionen­ theorie mehrerer komplexer Veränderlichen: Damit soll unterstrichen werden, wie eigengesetzlich diese Disziplin geworden ist gegenüber der klassischen Funktionen­ theorie, aus der sie einst entsprang.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Unendliche Produkte und Partialbruchreihen

Frontmatter
Kapitel 1. Unendliche Produkte holomorpher Funktionen
Zusammenfassung
Unendliche Produkte traten erstmals 1579 bei F. Vieta auf, Opera, S. 400, Leyden 1646; er gab für die Kreiszahl π die Formel
an, (vgl. [Z], S. 104 u. S. 118). J. Wallis fand 1655, Arithmetica infinitorum, Opera I, S. 468, das berühmte Produkt
(vgl. [Z], S. 104 u. S. 119). Aber erst L. Euler hat systematisch mit unendlichen Produkten gearbeitet und wichtige Produktentwicklungen aufgestellt; vgl. Kapitel 9 seiner Introductio. Die ersten Konvergenzkriterien rühren von Cauchy her, Cours d’Analyse, S. 562 ff. Ihren festen Platz in der Analysis fanden unendliche Produkte spätestens 1854 durch Weierstrass, [Wei], S. 172 ff.*)
Reinhold Remmert
Kapitel 2. Die Gammafunktion
Zusammenfassung
Das Problem, die Funktion n!, n ∈ ℕ, auf reelle Argumente auszudehnen und eine möglichst einfache „Fakultätenfunktion“ zu finden, die an der Stelle n ∈ ℕ den Wert n! hat, führte Euler 1729 zur Γ-Funktion. Er gibt das unendliche Produkt
als Lösung an*). Euler betrachtet nur reelle Argumente; Gauss läßt 1811 auch komplexe Zahlen zu. Am 21. November 1811 schreibt er an Bessel (1784–1846), der sich ebenfalls mit dem Problem der allgemeinen Fakultäten beschäftigte: „Will man sich aber nicht ... zahllosen Paralogismen und Paradoxen und Widersprüchen blossstellen, so muss 1·2·3... x nicht als Definition von Пx gebraucht werden, da eine solche nur, wenn x eine ganze Zahl ist, einen bestimmten Sinn hat, sondern man muss von einer höheren algemein, selbst auf imaginäre Werthe von x anwendbaren, Definition ausgehen, wovonchrw ... jene als specieller Fall erscheint.
Reinhold Remmert
Kapitel 3. Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen
Zusammenfassung
Ist f ≠ 0 eine holomorphe Funktion in einem Gebiet G,so ist ihre Nullstellenmenge N(f) auf Grund des Identitätssatzes (vgl. I.8.1.3) diskret und abgeschlossen in G. Es ist naheliegend, folgendes Problem zu stellen:
Es sei T irgendeine in G diskrete und abgeschlossene Menge, jedem Punkt d ∈ T sei irgendwie eine natürliche Zahl d(d) ≥ 1 zugeordnet. Man konstruiere in G holomorphe Funktionen, die T als genaue Nullstellenmenge besitzen, und die überdies in jedem Punkt d ∈ T die Nullstellenordnung d(d) haben.
Reinhold Remmert
Kapitel 4. Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen
Zusammenfassung
Wir übertragen die im Kapitel 3 für ganze Funktionen gewonnenen Resultate auf holomorphe Funktionen in beliebigen Bereichen D in ℂ. Das Ziel ist zu zeigen, daß jeder Divisor in D ein Hauptdivisor ist (Existenzsatz 1.5). Dazu konstruieren wir im Paragraphen 1 zunächst zu jedem positiven Divisor Weierstrass-Produkte. Sie werden wie früher aus Weierstrass-Faktoren E n aufgebaut und konvergieren normal in Bereichen, die ℂ\∂D umfassen (Produktsatz 1.3). Im Paragraphen 2 entwickeln wir u.a. die Theorie des größten gemeinsamen Teilers für alle Integritätsringe O(G).
Reinhold Remmert
Kapitel 5. Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete
Zusammenfassung
Wir geben zunächst zwei interessante Anwendungen des Weierstrassschen Produktsatzes, die noch keinen rechten Eingang in die deutsche Lehrbuchliteratur gefunden haben. Im Paragraphen 1 diskutieren wir den erst 1965 entdeckten Satz von Iss’sa; im Paragraphen 2 zeigen wir — einmal direkt und einmal mit Hilfe des Produktsatzes —, daß jedes Gebiet in c ein Holomorphiegebiet ist. Im Paragraphen 3 schließlich diskutieren wir einfache Beispiele von Funktionen, die Gebiete der Form, zum Holomorphiegebiet haben, hierunter fallen insbesondere Cassini-Gebiete.
Reinhold Remmert
Kapitel 6. Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen
Zusammenfassung
Ist h meromorph im Bereich D, so ist die Polstellenmenge P(h) diskret und abgeschlossen in D. Auf Grund des Existenzsatzes 4.1.5 kommt jede in D diskrete und abgeschlossene Menge als Polstellenmenge einer Funktion h ∈ℳ (D) vor, vgl. auch 3.1.5(1).
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Abbildungstheorie

Frontmatter
Kapitel 7. Die Sätze von Montel und Vitali
Zusammenfassung
In der Infinitesimalrechnung ist das Prinzip der Auswahl konvergenter Folgen aus beschränkten Mengen M des ℝ n unentbehrlich: Jede Folge von Punkten aus M hat eine in ℝ n konvergente Teilfolge (Weierstrass-Bolzano-Eigenschaft). Die Übertragung dieses Häufungsstellensatzes auf Funktionenmengen ist für viele Überlegungen der Analysis fundamental. Allerdings ist Vorsicht geboten: Nicht jede Folge von im Intervall [0, 1] reell analytischen Funktionen, deren Werte alle in einem festen beschränkten Intervall liegen, hat konvergente Teilfolgen, ein nichtriviales Beispiel ist die Folge sin 2n π x, vgl. 1.1.
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Kapitel 8. Der Riemannsche Abbildungssatz
Zusammenfassung
In der geometrischen Funktionentheorie steht seit Riemann das Problem, alle zueinander biholomorph (= konform) äquivalenten Gebiete in der Zahlenebene zu bestimmen, im Vordergrund des Interesses. Existenz- und Eindeutigkeitssätze ermöglichen es, interessante und wichtige holomorphe Funktionen zu studieren, ohne daß man geschlossene analytische Ausdrücke (wie Integralformeln oder Potenzreihen) für diese Funktionen kennt; vielmehr gewinnt man aus geometrischen Eigenschaften der vorgegebenen Gebiete analytische Eigenschaften der Abbildungsfunktionen.
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Kapitel 9. Automorphismen und endliche innere Abbildungen
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Paragraphen 1 und 2 stehen die bereits in 8.4 untersuchten Gruppen Aut G und Halbgruppen Hol G. Bei beschränkten Gebieten G hat jede Folge f n ∈ Hol G eine konvergente Teilfolge (Montel), diese Tatsache hat überraschende Konsequenzen. So wird z.B. im Satz von H. Cartan aus dem Konvergenzverhalten der Iteriertenfolge zu einer Abbildung f: GG abgelesen, wann f ein Automorphismus von G ist. Als Anwendung des Cartanschen Satzes geben wir in 2.5 eine homologische Charakterisierung von Automorphismen.
Reinhold Remmert

Selecta

Frontmatter
Kapitel 10. Sätze von Bloch, Picard und Schottky
Zusammenfassung
Die Sinusfunktion nimmt jede komplexe Zahl als Wert an, die Exponentialfunktion läßt nur 0 als Wert aus. Diese Beispiele sind signifikant für das Werteverhalten ganzer Funktionen. Ein berühmter Satz von E. Picard besagt nämlich, daß jede nicht konstante ganze Funktion höchstens einen Wert ausläßt. Dieser sog. kleine Picardsche Satz ist eine überraschende Verallgemeinerung der Sätze von Liouville und Casorati-Weierstrass.
Reinhold Remmert
Kapitel 11. Randverhalten von Potenzreihen
Zusammenfassung
Eine in einem Gebiet holomorphe Funktion ist völlig bestimmt, sobald von ihr eine einzige Taylorentwicklung ∑ a v (zc) v bekannt ist. Alle Eigenschaften der Funktion sind also grundsätzlich in der Koeffizientenfolge a v gespeichert. Bereits 1892 hat J. Hadamard in seiner Thèse [H] das folgende Problem behandelt:
Welche Beziehungen bestehen zwischen den Koeffizienten einer Potenzreihe und den Singularitäten der Funktion, die sie darstellt?
Reinhold Remmert
Kapitel 12. Runge-Theorie für Kompakta
Zusammenfassung
In Kreisscheiben B werden alle holomorphen Funktionen kompakt durch ihre Taylor-Polynome approximiert: Insbesondere gibt es zu jedem f ∈ O(B) und zu jedem Kompaktum K in B eine Polynomfolge p n , so daß lim|fP n | K = O. In beliebigen Gebieten ist eine Polynomapproximation nicht immer möglich, so gibt es zu 1/z ∈ O (ℂ×)keine Polynomfolge p n , die 1/z auf einer Kreislinie γ um 0 gleichmäßig approximiert, da alsdann folgen würde
Reinhold Remmert
Kapitel 13. Runge-Theorie für Bereiche
Zusammenfassung
Wir übertragen zunächst die im Kapitel 12 für Kompakta gewonnenen Approximationssätze auf Bereiche. Wir stellen folgende Frage:
Wann sind Bereiche D, D′ mit D ⊂ D′ ein Rungesches Paar, d.h. wann ist jede in D holomorphe Funktion in D kompakt approximierbar durch in D’ holomorphe Funktionen?
Reinhold Remmert
Kapitel 14. Invarianz der Löcherzahl
Zusammenfassung
Ist es anschaulich klar, daß biholomorph (allgemeiner: topologisch) äquivalente Gebiete gleich viele Löcher haben? Es gibt keinen direkten Beweis für diesen Invarianzsatz. Die Eigenschaft „gleich viele Löcher haben“ wird durch die Lage von G in ℂ definiert und ist zunächst keine Invariante von G. Um die Invarianz der Löcherzahl nachzuweisen, ordnen wir jedem Gebiet in ℂ seine (erste) Homologiegruppe zu. Der Rang dieser Gruppe, die sog. Betti-Zahl von G, ist eine biholomorphe (sogar topologische) Invariante des Gebietes.
Reinhold Remmert
Backmatter
Metadaten
Titel
Funktionentheorie 2
verfasst von
Reinhold Remmert
Copyright-Jahr
1991
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-07354-4
Print ISBN
978-3-540-55384-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-07354-4