2.1 Begriffe und Definitionen des Landschaftswasserhaushalts
2.1.1 Komponenten und Bilanzgleichung des Wasserhaushalts
2.1.2 Wichtige Prozesse des Niederschlag-Abfluss-Vorgangs und ihre Terminologie
Wortverbindung mit | Einheit | Erklärung |
---|---|---|
…summe | Menge, z. B. m3, l | „…fluss“ summiert über eine bestimmte Zeitspanne; wird oft synonym zu „…volumen“ verwendet |
…fluss | Menge pro Zeit, z. B. l s−1, m3 s−1 | Volumen je Zeiteinheit (Volumenstrom); Quotient aus „…summe“ und einer Zeit |
…höhe | Längeneinheit, z. B. mm, cm | Quotient aus „…summe“ und einer Bezugsfläche (oft 1 m2) |
…spende | Menge pro Zeiteinheit und Fläche, z. B. l s−1 km−2 | Quotient aus „…fluss“ und der Fläche des betrachteten Gebiets |
…stärke, …intensität, …rate | Höhe pro Zeit, z. B. mm min−1, mm h−1, cm d−1 | Quotient aus „…höhe“ und der betrachteten Zeitspanne |
2.1.3 Einzugsgebiete und ihre Abgrenzung
2.1.4 Begriffe, Definitionen, Synonyme und ihre Einheiten und Formelzeichen
Begriff | Formel-zeichen | Einheit | Beschreibung/Synonyme |
---|---|---|---|
Abflussbeiwert | Ψ | – | Volumetrischer, meist ereignisspezifischer Quotient aus Direktabfluss- und Niederschlagssumme |
Abflussganglinie | – | – | Siehe Ganglinie |
Abflusskonzentration | – | – | Gesamtheit der Prozesse, die Abfluss bündeln und über laterale Fließpfade auf und unter der Landoberfläche aus der Fläche in die Gewässer ableiten |
Abflusskurve | – | – | Siehe Ganglinie |
Abflussminderung | – | – | Überbegriff für Maßnahmen, die zu einer Minderung des Abflusses eingesetzt werden können; Abflussminderung kann sowohl über den Rückhalt von Abflussvolumen als auch durch Verzögerung des Abflusses erreicht werden |
Abflussrate | q | l s−1, m3 s−1 | Wasservolumen eines Einzugsgebietes, das pro Zeiteinheit einen definierten Querschnitt passiert (Volumenstrom); Abfluss ist kaum direkt messbar und wird in der Regel indirekt über das Produkt aus Fließgeschwindigkeit und Querschnittsfläche ermittelt |
Abflussscheitel | qP | l s−1, m3 s−1 | Höchster Abfluss einer Abflusswelle |
Abflussspende | qS | l s−1 km−2, mm h−1 | Die Abflussspende ergibt sich, wenn die Abflussrate durch die Fläche des dazugehörigen Einzugsgebietes geteilt wird. Die Abflussspende quantifiziert den mittleren Abflussbeitrag einer Einheitsfläche (meist 1 km2 oder bei gekürzten Einheiten 1 m2). Je nach Einheitsfläche sind verschiedene Maßeinheiten gebräuchlich |
Abflussverzögerung | – | – | Oberbegriff für die Wirkung von Maßnahmen, die den Abfluss entlang des Entwässerungsweges bremsen, z. B. durch Bewuchs in Wegseitengräben, der die hydraulische Rauheit erhöht |
Abflussvolumen | Q | m3 | Wasservolumen eines Einzugsgebietes summiert über einen definierten Zeitraum |
Abflusswirksamer Niederschlag | Neff | mm | Anteil des Niederschlags, der nicht im Einzugsgebiet zurückgehalten wird und abfließt; Synonym zu Effektivniederschlag |
Anfangsverlust | Av | mm | Niederschlagsmenge, bis der erste (Oberflächen-)Abfluss einsetzt |
Bemessung | – | – | Im Ingenieurwesen etablierter Begriff für das Festlegen von Größen, z. B. für den Ausbau eines Gewässers, für den Durchmesser eines Rohrs, für die Dimensionierung eines Rückhaltebeckens usw. |
Dezentrale Hochwasserschutz -maßnahme | – | – | Oft kleine, unscheinbare Maßnahme zur Abflussminderung, die an vielzähligen Stellen im Einzugsgebiet und entlang des kompletten Entwässerungsweges umgesetzt werden kann; siehe auch Abflussminderung |
Direktabfluss | qD | m3 s−1 | Summe aus Oberflächenabfluss und schnellem Zwischenabfluss; siehe Oberflächenabfluss |
Drosselabfluss | qo | m3 s−1 | Durch ein Auslassorgan z. B. eine Lochblende oder einen Schieber an einem technischen Bauwerk begrenzte Abgabe. |
Durchfluss | q | m3 s−1, l s−1 | Analog zum Abfluss, wenn die genaue Zuordnung des Einzugsgebietes unklar ist |
Durchflusskoeffizient | Co | – | Durchflusskoeffizient durch ein Drosselorgan, abhängig von der Geometrie der Drosselöffnung |
Durchflussvolumen | Q | m3 | Siehe Abflussvolumen |
Eintrittswahrscheinlichkeit | PE | % | Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ereignis definierter Größe erreicht oder überschritten wird. Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird i. d. R. durch das mittlere Wiederkehrintervall quantifiziert und mit „einmal pro n Jahre“ oder als „n-jährliches“ Ereignis angegeben; siehe auch Wiederholungszeitspanne |
Effektivniederschlag | Neff | mm | Siehe abflusswirksamer Niederschlag |
Einheitsganglinie | EGL | – | Standardisierte, dimensionslose Form der Abflusswelle, die durch einen Niederschlagsimpuls erzeugt wird; durch Dimensionierung, die die Einzugsgebiets- und Niederschlagseigenschaften berücksichtigt, kann die zu erwartende, reale Abflussganglinie erzeugt werden |
Einzugsgebiet | EZG | – | Durch (oberirdische und unterirdische) Wasserscheiden begrenzte Fläche, aus der ein Gewässer- oder Entwässerungssystem seinen Abfluss bezieht |
Einzugsgebietsgröße | AEZG | ha, km2 | Größe des oberirdischen Einzugsgebietes |
Erdbeschleunigung | g | m s−2 | Naturkonstante g = 9,81 m s−2 |
Filterstreifen | – | – | Siehe Grünstreifen |
Fließgeschwindigkeit | v | m s−1 | (Durchschnittliche) Fließ- oder Strömungsgeschwindigkeit, mit der sich Abfluss entlang eines Fließpfades oder Gewässerabschnitts fortbewegt |
Fließgewässerlandschaft | – | – | Zusammenfassung von Fließgewässern mit vergleichbaren naturräumlichen und morphologischen Merkmalen (Geologie, Klima, Vegetation) zu Gewässerlandschaften [vgl. 9] |
Fließpfad | – | – | Abschnitt eines Entwässerungsweges, über den Oberflächenabfluss bei Starkregen von der Wasserscheide bis in ein Gewässer gelangt; Fließpfade können vielfältige Gestalt einnehmen und entsprechend des Abflusstyps z. B. in Schichtabflusspfade, Rinnen und Rillen, Hangmulden, Gräben oder Gewässerteilstrecken unterschieden werden |
Flood-Routing | – | – | Siehe Routing |
Flusshochwasser | – | – | Siehe Flussüberschwemmung |
Flussüberschwemmung | – | – | Ereignis, bei dem vom Gewässer ausgehend das angrenzende Gebiet (Aue) durch große Abflüsse (hohes Flusswasser) überschwemmt wird |
Ganglinie | – | – | Zeitlich sortierte, meist graphisch dargestellte Werte einer Variablen wie Niederschlag oder Abfluss (z. B. Hochwasserwelle) |
Gebietsniederschlag | N | mm | Über eine definierte Fläche (meist ein Einzugsgebiet) gemittelte Niederschlagshöhe (im Gegensatz zum punktuellen Niederschlag an einem Regenmesser) eines festgelegten, oft variablen Zeitraums (z. B. ein Ereignis) |
GIS | – | – | Geographisches Informationssystem |
Grünstreifen | – | – | Meist Grasstreifen von geringer Breite (wenige Meter), die quer durchflossen werden und dazu dienen, die Sedimentkonzentration im Oberflächenabfluss unmittelbar vor einem schutzwürdigen Objekt zu senken; die Begriffe Gras-, Filter- oder Pufferstreifen werden hier synonym verwendet, obwohl sie in der Literatur teilweise unterschiedlich definiert werden |
Hochwasser | – | – | Überbegriff, der für Überschwemmungen aller Art und damit sowohl für Flussüberschwemmungen als auch für Sturzfluten verwendet wird; oberer Teil einer Abflussganglinie im Gegensatz zum mittleren Teil (Mittelwasser) und zum unteren Teil (Niedrigwasser) oder Basisabfluss |
Hydrologische Bodengruppe | HBG | – | Klassifikationsschema für Böden zur Abschätzung ihrer Abflussreaktion bei Regenereignissen. Die Einteilung der Böden erfolgt nach ihrer Korngrößenzusammensetzung und Gründigkeit in vier Klassen (A bis D), wobei Böden der Gruppe A bei Regen am wenigsten und Böden der Gruppe D am meisten Abfluss erwarten lassen |
Jährlichkeit | Tn | 1 a−1 | Siehe Wiederholungszeitspanne |
Konzentrationszeit | tC | min | Zeit, die Oberflächenabfluss benötigt, um von der Wasserscheide bis zu einem definierten Bezugspunkt, z. B. einem Hangfuß, einem Grabenabschnitt oder einer Ortschaft zu fließen |
Landnutzung | – | – | Landnutzung wird synonym zu Flächennutzung verwendet und beschreibt die Art der Inanspruchnahme von Böden und Landflächen durch den Menschen; häufig verwendete Landnutzungsklassen sind Grünland, Wald, Acker, Wasser, Siedlungs- und Infrastrukturflächen |
Mulchsaat | – | – | Eine Zwischenfrucht steht über den Winter auf dem Feld (meist abgestorben) und die folgende Reihenkultur wird mit einer leichten Bodenbearbeitung (je nach Reihenkultur meist Ende März bis Ende April) gesät. Da das Pflügen Ende Oktober/Anfang November entfällt, verkürzt Mulchsaat die Periode, in der der Boden unbedeckt bleibt. Eine durchgehende Bodenruhe wird aber nicht erreicht. Hierfür ist eine Mulchdirektsaat erforderlich. Eine hydrologisch wirksame Mulchschicht sollte die Oberfläche wenigstens zu 30 % bedecken |
Mulchdirektsaat | – | – | Einsaat der Hauptfrucht in eine über den Winter abgestorbene Zwischenfrucht oder Untersaat ohne eine vorherige Bodenbearbeitung; wenn die Pflanzenreste von der Vorfrucht stammen, entfällt auch die Bearbeitung unmittelbar nach der Vorfrucht. Dann spricht man von Minimalbodenbearbeitung oder no-till-Verfahren. Die Mulchschicht einer Mulchdirektsaat bedeckt die Oberfläche üblicherweise immer > 30 % |
Niederschlag | – | – | Niederschlag wird hier synonym für Regen verwendet (umfasst aber eigentlich alle Arten von flüssigem oder eisförmigem Wasser, das sich auf dem Boden oder der Vegetation absetzt) |
Niederschlagsganglinie | – | – | Siehe Ganglinie |
Niederschlagshöhe | N | mm | Niederschlagsmenge in l pro Einheitsfläche (I m2) für einen definierten, aber meist variablen Zeitraum (z. B. ein Ereignis); durch Kürzen der Einheiten ergibt sich aus l m−2 eine Höhe in mm |
Niederschlagsintensität | – | mm h−1 | Niederschlagshöhe pro Zeit, meist mm d−1, mm h−1 oder mm min−1 |
Oberflächenabfluss | qD | m3 s−1 | Überbegriff für Wasser, das zeitweise auf der Landoberfläche oder außerhalb dauerhaft wasserführender Gewässer z. B. als Schichtabfluss oder als Abfluss in Rinnen, Rillen, Mulden oder Gräben auftritt. Oberflächenabfluss ergibt sich beispielsweise aus der Schneeschmelze oder dem Anteil des Niederschlags, der mit nur kurzer zeitlicher Verzögerung nach einem Regen abfließt. Oberflächenabfluss wird hier synonym zu Effektivniederschlag und Direktabfluss verwendet und enthält üblicherweise auch (exfiltrierenden) Zwischenabfluss Außerhalb bebauter oder befestigter Flächen bezeichnet das Wasserhaushaltsgesetz Oberflächenabfluss aktuell als wild abfließendes Wasser (§ 3 und 37 WHG). Innerhalb bebauter oder befestigter Flächen wird Oberflächenabfluss rechtlich als Niederschlagswasser bzw. Abwasser betrachtet (vgl. § 54 WHG). In diesem Handbuch wird einheitlich der Begriff Oberflächenabfluss verwendet |
Oberflächenrouting | – | – | Siehe Routing |
Pufferstreifen | – | – | Siehe Grünstreifen |
Rauigkeit | k | m1/3 s−1 | Siehe Rauheit |
Rauheit | k | m1/3 s−1 | Rauheit beeinflusst den Abflusswiderstand und wird hier synonym für den Beiwert der Gauckler-Manning-Strickler-Gleichung verwendet; dieser entspricht dem in der englischsprachigen Literatur verwendeten Kehrwert des Manning-Beiwerts n |
Routing | – | – | Überbegriff für Verfahren, die die Verlagerung (Translation) und/oder den Rückhalt (Retention) von Abfluss entlang der Fließstrecke berechnen (beispielsweise Auseinander- und Zusammenfließen von Oberflächenabfluss auf der Landoberfläche oder der Ablauf einer Hochwasserwelle in einem Gewässer und der angrenzenden Aue) |
Starkregen | – | – | Regen mit großer Niederschlagsmenge pro Zeiteinheit; der Deutsche Wetterdienst unterscheidet beispielsweise Starkregen, heftigen Starkregen und extrem heftigen Starkregen durch Niederschlagsmengen von 15–25, 25–40 und >40 mm h−1 bzw. 20–35, 35–60 und >60 mm in 6 h. Diese Kategorien erlauben allerdings keine Rückschlüsse auf die regionale Häufigkeit eines solchen Regens, weshalb zahlreiche weitere (oft länderspezifische) Definitionen für Starkregen existieren |
Sturzflut | – | – | Plötzlich und meist mit großer Wucht auftretender Abfluss, der sich zu Sturzbächen sammelt, die „von oben, aus der Fläche kommend“ in Richtung tiefer gelegener Bereiche und Gewässer strömen; Folge von meist kurzen, besonders heftigen und lokal begrenzten |
Teileinzugsgebiet | TEZG | – | Durch Wasserscheiden abgegrenztes Teilgebiet eines größeren Einzugsgebietes |
Untersaat | – | – | (Meist temporäre) Einsaat niedrigwüchsiger Pflanzenarten unter eine Hauptfrucht, die mit dieser nicht in Konkurrenz stehen. Untersaaten können zum Schutz des Bodens bei weitem Reihenabstand dienen und nach der Ernte der Hauptfrucht umgebrochen werden (z. B. Wintergetreideuntersaat nach der Saat von Mais), sie können aber auch zu Etablierung der Folgekultur ohne zeitliche Lücke dienen und beginnen dann nach der Ernte der Hauptfrucht stark zu wachsen (z. B. Untersaat von Klee bei Getreide; besonders im organischen Landbau häufig praktiziert) |
Wasserrückhalt | – | mm | Summe des Niederschlags, der nicht unmittelbar (als Direktabfluss) abfließt; Differenz aus Gesamtniederschlag und Effektivniederschlag; Wasserrückhalt kann durch Maßnahmen des dezentralen Hochwasserschutzes gefördert werden |
Wassersäulenhöhe | ho | m | Höhe der Wassersäule über der Drosselblende eines Rückhaltebeckens |
Wellenscheitel | qP | l s−1 | Siehe Abflussscheitel |
Wiederholungszeitspanne | Tn | a | Durchschnittliche Zeitspanne in Jahren, in dem ein Starkniederschlag oder Hochwasserereignis, dessen Jährlichkeit der Wiederkehrzeit entspricht, statistisch genau einmal auftritt; siehe auch Eintrittswahrscheinlichkeit |
Wild abfließendes Wasser | – | – | Siehe Oberflächenabfluss |
Wiederkehrintervall | – | – | Siehe Wiederholungszeitspanne |
Zwischenfrucht | – | – | Nach der Ernte einer Hauptfrucht zur Bodenbegrünung angebaute, schnell keimende Kultur, die normalerweise nicht genutzt wird und die nur die Lücke zwischen den Kulturen bis zum Anbau der nächsten Hauptfrucht verkleinern soll |
2.2 Starkregen – Auslöser für unterschiedliche Hochwasserarten
Hoch-wassertyp | Datum | Ort/Gebietsgröße | Niederschlagshöhe (mm) | Ereignisdauer (h) | Mittlere Intensität (mm h−1) | ||||
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F | Mai 1999 | Südbayern | 40–280 | 72 | 0.5–4.2 | ||||
F | August 2005 | Südbayern | 60–216 | 84 | 0.8–2.6 | ||||
F | August 2002 | Südostbayern | 140 | 72 | 2 | ||||
S/F | 01.06.2016 | Simbach/Inn | 167 | 40 | 4.2–22 | ||||
S | 25./26.06.2016 | Bayerischer Wald | 65 | 3 | 22 | ||||
S | 29./30.05.2016 | Obernzenn | 91 | 1 | 91 |
2.3 Ansätze und Wirkung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen
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Versiegelungen (Überbauung, Pflasterung),
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Verrohrungen und Gräben wie Wegseitengräben oder Drainagegräben,
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Hangeinschnitte, besonders im steilen Gelände (Waldbau),
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Verlust an landschaftlicher Vielfalt (Flächengliederung, Strukturelemente, Landnutzungen).