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2022 | Buch

Handbuch polizeiliches Einsatztraining

Professionelles Konfliktmanagement – Theorie, Trainingskonzepte und Praxiserfahrungen

herausgegeben von: Prof. Dr. mult. Mario Staller, Prof. Dr. Dr. Swen Koerner

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Dieses Buch bietet Einsatztrainer*innen, Polizist*innen, Entscheider*innen und Wissenschaftler*innen einen praktischen und evidenzbasierten Zugang zum Thema des polizeilichen Einsatztrainings. Im Mittelpunkt dieses Handbuches steht der Trainingsprozess des Einsatztrainings. Drei Perspektiven bilden dabei den Rahmen des Werkes:Die akademische Perspektive richtet sich an Einsatztrainer*innen, Wissenschaftler*innen und polizeiliche Entscheider*innen und bringt aktuelle Forschungsergebnisse zum Einsatztraining mit- und gegeneinander ins Gespräch. Die praktische Perspektive bietet Einsatztrainer*innen Fallbeispiele aus der polizeilichen Trainingspraxis. So erhalten Praktiker*innen neue Möglichkeiten zur Gestaltung und Reflexion des eigenen Trainings.Die in der Verflechtung beider Sichtweisen entstehende prakademische Perspektive gibt Praktiker*innen Anhaltspunkte zur Gestaltung und Reflexion des Einsatztrainings auf evidenzbasierter wissenschaftlicher Basis.
Der Bogen der behandelten Themen spannt sich von innovativen Theoriemodellen und neueren Trainingsanforderungen bis hin zu praktischen Einsatzanforderungen.Die Leser*innen finden in diesem Handbuch wertvolle Anregungen für die Bewältigung des herausfordernden Polizeialltags.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundsätzliches

Frontmatter
Die Verantwortung des Einsatztrainings: Die Welt besser machen

Das polizeiliche Einsatztraining hat eine große Verantwortung. Junge Polizist*innen werden im Rahmen ihrer Erstsozialisation ausgebildet; in der Praxis tätige Polizist*innen werden weiter in einsatz- und konfliktrelevanten Bereichen geschult und weiterentwickelt. Neben diesen Inhalten werden innerhalb des Lehr-Lern-Settings auch Werte, Einstellungen und Sichtweisen auf polizeiliche Einsatz- und Konfliktsituationen vermittelt. Der vorliegende Beitrag zeigt hierbei die Verantwortung des Einsatztrainings auf, zu einer sozialen und gerechten Gesellschaft beizutragen. Anhand der Verantwortungsbereiche in Bezug auf (a) die Ausrichtung am Einsatz, (b) die vermittelten Gesellschaftsbilder und Bilder der Polizei, (c) die verwendete Sprache, (d) das Wissensmanagement sowie (e) die Reflexivität skizzieren wir Potenzial für ein Einsatztraining, das sich der eigenen Verantwortung bewusst ist.

Mario Staller, Swen Koerner
Training für den Einsatz: Der Umfang des Einsatztrainings

Der Austausch über und die Diskussion von Elementen innerhalb der Handlungspraxen des polizeilichen Einsatztrainings bedürfen eines gemeinsamen Sprachcodes, welcher so – zumindest aktuell – noch nicht vorliegt. Das Kapitel stellt die Bedeutungsumfänge für eine Diskussion und in der Praxis notwendige Begrifflichkeiten vor – und stellt diese theoriegeleitet in den Zusammenhang zueinander.

Mario Staller, Swen Koerner

Prakademische Perspektive – Kontext

Frontmatter
Der/die reflektierte Praktiker*in: Reflektieren als Polizist*in und Einsatztrainer*in

Reflexion und Reflexivität sind wichtige Bestandteile einer professionellen Praxis im polizeilichen Tätigkeitsfeld. Der vorliegende Beitrag legt dar, dass Reflexivität über ein bloßes Nachdenken hinausgeht, und beschreibt eine Struktur der Reflexion auf drei Ebenen, welche mit jeweils anderen Kernfragen verbunden sind. Während auf niederschwelliger Reflexionsebene die Frage nach der korrekten Handlung im Mittelpunkt steht, dreht sich die Reflexion auf einer höheren Ebene um das Aufdecken der eigenen handlungsleitenden Annahmen, welche das Handeln (un)bewusst beeinflussen, und um die Möglichkeit zur Einnahme von anderen Perspektiven. Beides ist für den/die reflektierten Praktiker*in – sowohl im Konfliktmanagement als Einsatzkraft als auch im Trainingsprozess als Einsatztrainer*in – eine notwendige Voraussetzung.

Mario Staller, Swen Koerner, Benjamin Zaiser
Wissen als Ressource

Einsatztrainer*innen gründen ihre Trainingspraxis auf Wissen: auf Einsatzwissen, das, gerahmt von politischen und rechtlichen Vorgaben, Bewältigungskompetenzen für typische einsatzbezogene Anforderungen umfasst, sowie auf pädagogisches Wissen, das Kompetenzen zur Vermittlung entsprechender Einsatzkompetenzen beinhaltet. Der Beitrag argumentiert, dass Wissen die zentrale Ressource des Einsatztrainings bildet, dabei allerdings die Vorstellung eines einfachen Transfers zu problematisieren ist. Dazu wird Einsatz- und Trainingswissen aus Sicht der ökologischer Dynamiken als entscheidende Herausforderung für eine professionelle Trainingspraxis und deren Weiterentwicklung identifiziert. Für das Einsatztraining ist die moderne Wissenschaft in dieser Hinsicht ein wichtiger Ansprechpartner. Zugleich gehen mit der Bezugnahme auf Wissenschaft potenziell beachtenswerte Probleme für das Einsatztraining einher: Moderne Wissenschaft ist hoch spezialisiert. Daraus folgt mitunter ein isolierter Blickwinkel, der die komplexen Anforderungen der Leistungserbingung in Training und Einsatz unterläuft. Einsatztraining steht unter zeitlichem Druck und muss für Polizeikräfte nützlich sein: Das kann eine übereilte Rezeption und Finalisierung (pseudo-)wissenschaftlichen Wissens zur Folge haben. Die Wissenschaft hat eigene Verfahrensregeln, nach denen sie ihr Wissen generiert und bewertet. Sofern diese Regeln und das aus ihnen resultierende Wissen bestehende Vorstellungen und Strukturen der Polizei infrage stellen, besteht die Gefahr einer Immunisierung gegenüber Wissenschaft. Mit dem Plädoyer für eine „organisationale Wissensbildung“ (Nonaka 1994) wird eine konkrete Entwicklungsperspektive aufgezeigt, die im Zusammenspiel von Praktiker*innen und Entscheider*innen dem Wissensbedarf des Einsatztrainings eine systematische Grundlage bieten kann.

Swen Koerner, Mario Staller
Die Struktur polizeilicher Leistung: Von den polizeilichen Meisterlehren zum evidenzbasierten Polizeitraining

Polizeitraining besitzt eine zentrale Funktion in der Aus- und Fortbildung von Polizeikräften. Es hat die Aufgabe, Einsatzkräfte optimal auf eine unvorhersehbare und mitunter gefährliche Einsatzdynamik vorzubereiten. Konkret muss das Polizeitraining dabei sicherstellen, dass Einsatzkräfte unter Lebensgefahr in diesen dynamischen Einsatzsituationen hinreichend funktional bleiben, das heißt gegebene Gefahrenmomente wahrnehmen und einschätzen sowie gemäß Verhaltnismäßigkeit entscheiden und entsprechend handeln können. Angesichts dieser Bedeutung des Polizeitrainings erscheint gegenwärtig die wissenschaftliche Fundierung und empirische Evaluation eher gering. Vielmehr liefern polizeiliche Meisterlehren eine intuitive Orientierung für die Trainingsgestaltung. Nachdem die Theoriebildung als Kernstück des empirischen Forschungsprozesses identifiziert ist, wird die Notwendigkeit empirisch validierter Anforderungsprofile als Voraussetzung des Polizeitrainings herausgestellt. Zur inhaltlichen Gestaltung des Trainings schlagen wir sodann in Anlehnung an Leistungsstrukturmodelle der Sport- und Trainingswissenschaften ein allgemeines Modell zur Struktur polizeilicher Leistung vor. Dieser Vorschlag soll als Rahmenkonzeption für Polizeitrainings eine Diskussionsgrundlage und ein initialer Orientierungspunkt für im Feld Tätige darstellen. Hieran werden zentrale Ideen für das Polizeitraining diskutiert. Der Beitrag schließt mit Empfehlungen für die Stärkung der Wissenschaftlichkeit im Polizeitraining ab.

Stefan Schade
Kampfkunst-Mythen im Einsatztraining

Im Gegensatz zu wettkampforientierten Kampfkünsten, die das Ziel ihres Trainings (den zeitlich, örtlich und durch Regeln gefassten Kampf) direkt abrufen können, sieht sich polizeiliches Einsatztraining mit einem fundamentalen Problem konfrontiert: Schon aus Sicherheitsgründen können die Situationen, auf die das Training vorbereiten soll, in ihrer physischen Konsequenz nicht vollumfänglich simuliert werden. Auch die psychologische Dimension und die Komplexität „echter“ Konflikte sind nur schwierig bis gar nicht im Trainingsbetrieb darzustellen.Mit dieser Divergenz von Training und Ernstfall sehen sich nicht erst die Einsatztrainer*innen der modernen Polizeiausbildung konfrontiert. Tatsächlich begleitet sie die Kampfkunst seit Jahrhunderten, zumal zu Zeiten, da ein Hauptaugenmerk auf dem Einsatz von (Klingen-)Waffen lag. Um den Trainierenden zu vermitteln, dass ihre Übungen „richtig“ waren, d. h. eine effektive Chancenverbesserung im Falle gewalttätiger Auseinandersetzungen bewirkten, entwickelten die Kampfkünste eine Vielzahl von Narrativen, die als „Kampfkunst-Mythen“ beschrieben werden können. Durch sie sollten die Techniken und Methoden des jeweiligen Stils plausibel gemacht werden. Gewöhnlich geschah dies, indem die Praktiken jenseits der unmittelbaren, überprüfbaren Realität verankert wurden, beispielsweise im Tierreich, in den Taten vorhistorischer Gründerfiguren, in einer „heiligen“ Geometrie oder in besonders gewalttätigen Epochen der Vergangenheit.Die Analyse solcher historischer Kampfkunst-Mythen legt die Frage nahe, inwieweit auch heutige Nahkampfsysteme der oben beschriebenen Problematik „Training vs. Ernstfall“ durch vergleichbare Narrative zu begegnen suchen. Tatsächlich scheinen sich nur die Bezüge, nicht aber die grundlegenden Strukturen der mythischen Erzählungen geändert zu haben. Nach Darstellung ihrer Vertreter*innen „funktionieren“ heutige Systeme, da sie beispielsweise von militärischen Spezialkräften in kriegerischen Konflikten erprobt würden, die „natürlichen Bewegungen des Menschen“ aufgriffen oder ganz einfach „reality based“ seien.Zur zielführenden Entwicklung des polizeilichen Einsatztrainings sollten die involvierten Akteur*innen bereit und in der Lage sein, solche narrativen Muster zu erkennen und ihre eigene Befangenheit in ihnen zu hinterfragen. Der vorliegende Beitrag soll dabei Hilfestellung leisten.

Sixt Wetzler
Was nicht passt, wird passend gemacht? Der Person-Environment-Fit und Rolle der Personalauswahl im Polizeitraining

Personalauswahl und Personalentwicklung spielen angesichts des demografischen Wandels, des steigenden Konkurrenzdrucks im Kampf um Nachwuchskräfte sowie des wachsenden Aufgabenspektrums eine zentrale Rolle für alle Polizeiorganisationen. Mit der Rekrutierung erfolgt der Einstieg in eine berufliche Laufbahn bei der Polizei und liefert so die personale Grundlage für Polizeistudium, Polizeitraining und späteren Polizeiberuf. Typischerweise werden Polizeibewerber*innen ausgewählt, denen ein Potenzial zu geschrieben wird, in der Zukunft polizeiliche Einsatzrealitäten erfolgreich bewältigen zu können. Im Rahmen der Personalentwicklung kommt dem Polizeistudium und -training sowie der polizeilichen Fortbildung die Aufgabe zu, das Potenzial der ausgewählten Bewerber*innen zu entwickeln, sodass eine manifeste Handlungskompetenz ausgeformt wird. Als Kompass für Personalauswahl und Personalentwicklung kann dabei der Person-Environment-Fit-Ansatz (In diesem Beitrag wird der englische Ausdruck als Fachterminus verwendet.) angesehen werden. Der Grundgedanke ist, die Passung zwischen den personalen Voraussetzungen der Kandidat*innen (Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und andere Charakteristika) und den Merkmalen der (zukünftigen) beruflichen Arbeitsumwelt zu maximieren. Sodann verspricht eine hohe Passung nicht nur berufliche Leistung, sondern auch Berufszufriedenheit und Wohlbefinden – mit anderen Worten leistungsstarke, zufriedene und gesunde Organisationsmitglieder. Im vorliegenden Beitrag werden der Person-Environment-Fit-Ansatz, empirische Studien und Implikationen für das Polizeitraining dargestellt.

Stefan Schade, Markus M. Thielgen, Christian Beck, Thomas Wimmer
Adaptive Managementstrukturen in der Polizei: Eine systemische Betrachtung durch fünf methodische Lernkompetenzen

Ist die Polizei eine Lernende Organisation? Diese Frage mit „Ja“ zu beantworten, setzt eine Organisationskultur voraus, die das organisationale Lernen, Nachdenken und Reflektieren fördert. Die Polizei ist aber eine hierarchisch strukturierte Organisation mit funktionalem Führungsstil und pfadabhängigen Befehlsketten. Durch systematisch antrainierte Routinen lernen Polizist*innen, wie sie am effektivsten schießen, denken und kommunizieren. Sie sind wichtig, um gerade in konfliktträchtigen Einsätzen reibungslos zu funktionieren. Innerhalb eines realen komplexen und dynamischen Handlungsumfeldes können derartige antrainierte Einstellungen und Gewohnheitsbildungen jedoch zu nachteiligen Auswirkungen sowie Gefahrenpotenzialen führen. Ein professionelles Konfliktmanagement der Polizei muss diese umweltbedingten Veränderungen und ihre zugrunde liegenden systemischen Verknüpfungen verinnerlichen und mit entsprechendem Handwerkszeug gegensteuern. Mit den fünf Disziplinen einer lernenden Organisation kann durch die Linse der Systembetrachtung neu und realistischer auf polizeiliches Einsatzhandeln geschaut werden. Der Beitrag möchte Erkenntnisse im Systemdenken wecken und anregen, über Lernprozesse in der Organisation der Polizei tiefer nachzudenken. Diese ganz andere „systemische“ Betrachtungs- und Denkweise entspricht jedoch schlicht einer Transformation des vorherrschenden Managementsystems der Polizei.

Jan-Philipp Küppers

Prakademische Perspektive – Einsatz

Frontmatter
Vertrauen in die Polizei im 21. Jahrhundert: Fairness in Interaktionen als Grundlage

Vertrauen in die Polizei gründet auf verschiedenen Faktoren, wobei vor allem positive und negative Erfahrungen in Interaktionen zwischen der Bevölkerung und der Polizei prägend sind. Polizist*innen agieren dabei als Schlüsselpersonen, da ihr Verhalten als Gradmesser für das Vertrauen in die Polizeiorganisation als Ganzes gesehen wird. Der vorliegende Beitrag argumentiert, dass gerade in modernen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts, welche sich durch eine große Diversität und Komplexität auszeichnen, Erfahrungen mit Vertreter*innen von Organisationen wie der Polizei immer wichtiger werden, wenn es um deren Bewertung geht. Denn Vertrauen als Handlungserwartung basierend auf Wissen über Organisationen und deren Abläufe wird zunehmend schwieriger, da sich auch Organisationen wie die Polizei durch eine zunehmende Komplexität auszeichnen.

Silvia Staubli
Autorität auf dem Prüfstand – wie Modernisierungserscheinungen die Polizei herausfordern

Gesellschaftliche Veränderungen belasten heute spürbar das Verhältnis zwischen Polizei und Bürger. Unter den Lebensbedingungen der Individualisierung haben sich neue Einstellungen und Verhaltensdispositionen herausgebildet, die das Konfliktpotenzial im Polizeidienst deutlich erhöhen. Es sind vor allem drei wesentliche Einstellungsveränderungen, die heute den Selbst- und Weltbezug des spätmodernen Menschen bestimmen und ein zunehmend aggressives Sozialverhalten bewirken: die Forderung von nahezu uneingeschränkter Selbstbestimmtheit, die Ablehnung von Über- und Unterordnungsverhältnissen infolge geringer Machtdistanz und das kämpferische Streben nach Anerkennung und Wertschätzung. Infolge dieser Veränderungen nimmt die Akzeptanz polizeilicher Autorität ab. Die Polizei steht vor der Aufgabe, adäquate Deeskalationstrategien zu entwickeln, um auf diese gesellschaftlichen Herausforderungen reagieren zu können. Statt den Autoritätsanspruch ganz aufzugeben, sollte Autorität als soziale Beziehungsform zwischen Polizei und Bürger durch Kommunikations- und Verhaltensanpassungen einer Modernisierung unterzogen werden.

Susanne vom Hau
Guardian oder Warrior? Überlegungen zu polizeilichen Grundeinstellungen

Die polizeiliche Grundeinstellung stellt die Weichen für das Handeln von Polizist*innen. Im polizeiwissenschaftlichen und -praktischen Diskurs stehen dabei gegenwärtig besonders zwei Grundeinstellungen im Fokus: das kriegerische „Warrior Mindset“ und das beschützerische „Guardian Mindset“. Der Beitrag kontrastiert die jeweiligen Sinnkomplexe beider Grundeinstellungen und stellt diese in den Kontext polizeilicher Organisationskultur. Am Beispiel des Warrior Mindsets zeigen wir, wie die Polizeikultur über vielfältige Artefakte (Sprache, Narrative, Insignien, Symbole etc.) Einstellungen als geteilte Werte erzeugt, deren Wirken im Handeln von Polizist*innen sie kaum kontrollieren kann. Wir plädieren für einen analytischen Gebrauch der Unterscheidung als Ansatzpunkt für eine Reflexion tragender Grundeinstellungen, die auf allen Ebenen polizeilicher Arbeit erfolgen sollte. In normativer Hinsicht identifizieren wir im Guardian Mindset exakt jene Einstellung, die dem polizeilichen Fernziel einer Reduktion von Gewalt in der Gesellschaft optimal Rechnung trägt, ohne dabei die Gewaltoption zu negieren.

Mario Staller, Swen Koerner, Valentina Heil
Professionelles Einsatzverhalten: Das Gewaltreduzierende Einsatzmodell

Polizeiliches Einsatzhandeln ist dynamisch und vor allem komplex. Einsatzmodelle beschreiben, was im Einsatz passiert, und helfen dabei, die Einsatzpraxis vor Ort zu optimieren. Das Gewaltreduzierende Einsatzmodell (GeredE) stellt eines dieser Einsatzmodelle dar. Als handlungsstrukturierender- und -leitender Nachfolger des Deeskalierenden Einsatzmodells (Staller et al. 2021b) eröffnet das GeredE Polizist*innen eine Navigationsstruktur innerhalb der Einsatzkomplexität. Dabei liefert es keine Wenn-Dann-Struktur für die unendlichen Fälle möglicher Einsatzsituationen, sondern ermöglicht die Planung und Reflexion von spezifischem Einsatzhandeln anhand von sechs Dimensionen, welche miteinander eng verknüpft sind und sich wechselseitig bedingen.

Mario Staller, Swen Koerner, Benjamin Zaiser
Einsatzverhalten planen und reflektieren: Eine mögliche Struktur

Die Komplexität und Dynamik von Einsatzsituationen nähren den Bedarf an systematischen Strukturen zur Planung und Reflexion des Einsatzverhaltens von Einsatzkräften. Basierend auf dem Gewaltreduzierenden Einsatzmodell legen wir im vorliegenden Beitrag eine Planungs- und Reflexionsstruktur vor, die Beamt*innen im Streifendienst eine systematische Vor- und Nachbereitung des Einsatzes ermöglicht. Neben der Optimierung des Einsatzverhaltens trägt die vorliegende Struktur im Rahmen eines learnings on the job zur Entwicklung der Expertise als polizeiliche Einsatzkraft bei.

Mario Staller, Benjamin Zaiser, Swen Koerner
Kommunikation in der Anwendung

Polizeiliche Kommunikationsfähigkeit und deeskalative Handlungskompetenz sind Schlüsselkompetenzen, die dem Einsatz anderer Mittel im Bürgerkontakt übergeordnet sind und das polizeiliche Handeln als Gesamtes tragen. Um effektiv kommunizieren zu können, benötigen Polizeivollzugsbeamt*innen einen Grundbestand an praktischem Hintergrundwissen zur Konfliktbewältigung. Mit dem dadurch gewonnenen Verständnis des Bestimmungspotenzials einer gelungenen Deeskalation können Polizeivollzugsbeamt*innen ihre Grundeinstellung und ihr Selbstbild mit den die Polizei legitimierenden Werten in Deckung bringen. Auf diesem Fundament können sie dann Gesprächstechniken Erfolg versprechend in Einsatz bringen. In diesem an Anwender*innen gerichteten Beitrag stellen wir einen wissenschaftlich fundierten Ansatz zur Erfolg versprechenderen Anwendung etablierter Kommunikationstechniken vor. In einem ersten Schritt besprechen wir die Mechanismen, die zwischenmenschliche Konflikte bestimmen, und erlangen Einsichten der Konfliktbewältigung und Deeskalation. In einem zweiten Schritt erarbeiten wir mit diesen Erkenntnissen korrespondierende Ankerpunkte, an denen Polizeivollzugsbeamt*innen ihre persönliche Einstellung und ihr Werteverständnis festmachen können. In einem dritten Schritt leiten wir anwendungsbereite Gesprächsansätze zur deeskalativen Konflikt-Kommunikation ab und stellen diese anhand von Beispielen vor. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die Dimension des verbalen Anteils zwischenmenschlicher Kommunikation.

Benjamin Zaiser, Mario Staller, Swen Koerner
Polizeiliche Kommunikationsfähigkeit und deeskalative Handlungskompetenz – Grundlagen und Potenzial des Einsatztrainings

Nur mit dem Vertrauen der Öffentlichkeit ist es der Polizei als Institution möglich, Straftaten erfolgreich vorzubeugen und aufzuklären. Das Vertrauen in die Polizei wird dabei maßgeblich von der öffentlichen Wahrnehmung beeinflusst, die durch die Kommunikation zwischen Polizist*innen und Bürgern gestaltet wird. Der vor diesem Hintergrund sinnvolle Trainingsaufwand von Kommunikation und deeskalierender Handlungskompetenz steht jedoch in stark benachteiligtem Verhältnis zu der Anwendung unmittelbaren Zwanges. Diese Anwendung unmittelbaren Zwanges folgt oft bereits vorausgegangener Kommunikation, die durch Polizist*innen, den/die Bürger*in oder durch die Wechselwirkung der von beiden ausgehenden Kommunikation eskaliert. In diesem an Praktiker*innen, insbesondere jedoch an Entscheidungsträger*innen, gerichteten Beitrag erarbeiten wir das Bestimmungspotenzial der polizeilichen Kommunikationsfähigkeit und deeskalierenden Handlungskompetenz für den Verlauf des Bürger*innenkontaktes. Wir zeigen, dass deeskalierende Kommunikation eine Schlüsselkompetenz aller Polizeivollzugsbeamt*innen ist, die dem Einsatz anderer Mittel, insbesondere der Anwendung von Zwang, übergeordnet ist und das polizeiliche Handeln als Gesamtes trägt. Im weiteren Verlauf erarbeiten wir die wissenschaftliche Evidenz dieses Bestimmungspotenzials und begründen die Relevanz für das polizeiliche Einsatztraining und Konfliktmanagement im Einsatzfall. In der darauffolgenden Bestandsaufnahme zum Kommunikationsverständnis und dem davon hergeleiteten Trainingsaufwand der polizeilichen Kommunikationsfähigkeit und deeskalativen Handlungskompetenz zeigen wir, wie der institutionelle Status quo den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gerecht wird. Am Ende des Beitrags formulieren wir Empfehlungen, wie die festgestellten Mängel angesprochen und behoben werden können. Das Ziel ist es dabei sicherzustellen, evidenzbasierte Inhalte und Kompetenzen zu vermitteln, die es Polizeivollzugsbeamt*innen ermöglichen, über diverse und komplexe Kontexte hinweg den Bürger*innenkontakt stets deeskalativ zu gestalten, auch wenn die Anwendung von Zwang ein Bestandteil davon ist.

Benjamin Zaiser, Mario Staller, Swen Koerner
Kontakt-Kompetenz im polizeilichen Dienstalltag

Um in polizeilichen Einsätzen mit einer handlungssicheren Gelassenheit agieren zu können, ist es notwendig, dass sich Polizeibeamt*innen auf verschiedenen Ebenen der Handlungskompetenz einschätzen und reflektieren können. Unter Berücksichtigung des in diesem Beitrag vorgestellten Ansatzes der Kontakt-Kompetenz soll erörtert werden, wie es gelingen kann, Kompetenzen zu fördern und somit Potenziale von Polizeibeamt*innen auszubilden und zu stärken. Ausgehend von einer erziehungswissenschaftlich-psychologischen Perspektive werden zunächst relevante Begrifflichkeiten und Konzepte wissenschaftlich verortet und mit Blick auf den Begriff der Kontakt-Kompetenz vorgestellt. Dieser wird im Anschluss als ein tragfähiger Ansatz zur Förderung von Handlungssicherheit für den Aus- und Fortbildungskontext von Polizeibeamt*innen dargestellt und konzeptionell auf das Trainings-Transfer-Modell (Baldwin und Ford 1988) übertragen. Hieran schließen sich Hinweise zum Transfer und Empfehlungen für die polizeiliche Aus- und Fortbildungspraxis an. In diesem Sinne handelt es sich bei den folgenden Ausführungen um eine handlungspraktische Erörterung bereits existierender theoretischer Inhalte, die in der Darstellung und Konzeption eines neuen Modells der Kontakt-Kompetenz münden, welches abschließend, mit Blick auf seine Anwendbarkeit in der polizeilichen (Ausbildungs-)Praxis, kritisch diskutiert wird.

Heidi Mescher, Sandra Winheller
Einsatzkompetenz – Ein Modell zur Bewältigung kritischer Einsatzsituationen

Polizeiarbeit ist Handeln unter Risikobedingungen. Selbst Routineverrichtungen können in schwierige bis lebensbedrohliche Lagen umschlagen. Sie werden dann zu kritischen Situationen, in denen es sich entscheidet, welchen Verlauf eine Sache (z. B. ein Einsatz) nimmt und wie die Sache ausgeht. Solche Situationen sind nicht in allen Details planbar. Oft nehmen sie eine neue oder überraschende Wendung. Je überraschender oder erwartungswidriger sich dann die Einsatzlage entwickelt, umso weniger reicht es aus, dass Polizist*innen auf allgemeine fachliche, persönliche und soziale Kompetenzen zurückgreifen können. Sie brauchen zusätzliche Ressourcen, die mit dem Begriff der Einsatzkompetenz umschrieben und in einem psychologischen Modell operativer Handlungskompetenz ausformuliert werden.Einsatzkompetenz wird darin definiert als die Gesamtheit an persönlichen Merkmalen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Polizist*innen zur Verfügung haben, um Einsatzsituationen zu bewältigen, wobei deren Einsatzkompetenz umso bedeutsamer wird, je kritischer die Situation ist. Im Extremfall ist sie lebensrettend. Der Modellannahme zufolge legen sich die einzelnen Komponenten der Einsatzkompetenz schichtenförmig um einen Persönlichkeitskern. Sie umfassen Aspekte des dienstlichen Umfeldes und der Einstellung zum Beruf, ferner Funktionsweisen innerpsychischer Abläufe wie Wahrnehmungs-, Denk- und emotionale Prozesse und schließlich Fertigkeiten auf der Ebene des konkreten Einsatzhandelns. Jede Schicht steuert spezifische Teilkompetenzen bei, die zusammen im Idealfall den einsatzkompetenten Beamten bzw. die einsatzkompetente Beamtin ausmachen.Die handlungsrelevanten Fertigkeiten (wie zum Beispiel das kommunikative Verhalten oder das taktische Vorgehen) können konkret beschrieben und für empirische Zwecke operationalisiert werden. Es konnte experimentell nachgewiesen werden, dass man Einsatzkompetenz (zumindest auf der Ebene dieser handlungsrelevanten Fertigkeiten) mithilfe interaktiver Einsatztrainings erwerben beziehungsweise deutlich verbessern kann. Der Königsweg zur Einsatzkompetenz führt somit über Einsatztrainings, die integrativ die einzelnen Komponenten des Modells berücksichtigen.

Hans Peter Schmalzl
Aspekte des polizeilichen Schusswaffengebrauchs zur realistischen Gestaltung des Einsatz- und Schießtrainings

Um auf die Realtität vorbereitet zu sein, muss die Realtität bekannt sein und es muss realistisch trainiert werden. Über den polizeilichen Schusswaffengebrauch in Deutschland existiert aber relativ wenig wissenschaftlich fundiertes Wissen. Der Beitrag widmet sich dabei den unterschiedlichen Arten des polizeilichen Schusswaffengebrauchs. Er versucht, sowohl die Realität zu erfassen und darzustellen als auch einzelne Aspekte des Schusswaffengebrauchs empirisch zu untersuchen. Dargestellt werden dabei die grundlegenden Aspekte der Studien sowie die wesentlichen Ergebnisse zu den folgenden Themen: Schießen auf flüchtende Personen Schnell schießen oder genau treffen Schießen auf Täter*innen mit Schutzwesten Vor- und Nachteile unterschiedlicher Schießhaltungen Umstände und Folgen von Warnschüssen Der Beitrag möchte damit über einige Erkenntnisse zum polizeilichen Schießen aufklären, die in Aus- und Fortbildung häufig thematisiert, aber kaum empirische fundiert behandelt werden. Die dargestellten Ergebnisse erscheinen geeignet, über rechtlich zulässig oder unverhältnismäßig entscheiden zu können, taktisch relevante Hinweise zu geben und Grundlagen für realistisches Training zu bieten.

Clemens Lorei
Taktische Blickführung und Aufmerksamkeitsausrichtung in polizeilichen Hochstresssituationen

Polizeivollzugsbeamt*innen müssen sich im Dienst auf ihre visuelle Wahrnehmung verlassen können. Vor allem bei der Erkennung von Gefahren spielen Blickführung und Aufmerksamkeitsausrichtung eine entscheidende Rolle. Studien zeigen, dass noch vor polizeilicher Diensterfahrung insbesondere ein hoher Trainingsstand positive Auswirkungen auf Blickführung, taktisches Verständnis und Gefahrenerkennung hat. Anhand praktischer Beispiele werden in diesem Beitrag Blickführungsmuster thematisiert, die gezielt kritische Regionen des polizeilichen Gegenübers priorisieren und unter Stress die Gefahr eines „Wahrnehmungslochs“ reduzieren können. Abschließend wird Entscheider*innen und Einsatztrainer*innen nahegelegt, der Thematik verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen und antiquierte Trainingskonzepte zu überdenken. Einsatzkräften wird geraten, die polizeiliche Aus- und Fortbildung im Hinblick auf Wahrnehmungselemente proaktiv zu reflektieren und sinnvoll mitzugestalten. Trainierende sind keine reinen Konsument*innen, sie müssen aktiv am Training teilnehmen und die vermittelten Inhalte nicht nur lernen – sondern vor allem verstehen.

Benedikt Heusler
Mentale Stärke von Polizeibeamten*innen im Einsatz und im Polizeitraining

Mentale Stärke ist eine Ressource, die auf der persönlichen Einstellung sowie Denk- und Wahrnehmungsprozessen basiert. Die Bewältigung von belastenden und stressigen Situationen im Polizeialltag kann durch eine solide mentale Stärke gefördert werden. Zusätzlich wird dadurch irrationales und unverhältnismäßiges Handeln von Polizisten*innen minimiert. Mentale Stärke kann durch adaptierte Wahrnehmungsprozesse, Emotionskontrolle und eine positive Einstellung gefördert werden. Studien postulieren, dass es zur Herausbildung mentaler Stärke effektive Trainingsmöglichkeiten gibt. Demnach können Polizisten*innen ihre mentale Stärke mittels Emotions- und Selbstregulationstechniken sowie der Visualisierung von Einsatzlagen trainieren.

Valentina Heil, Michelle Bechold
Die äußere Erscheinung von Polizistinnen und Polizisten im Polizeieinsatz – auch im Einsatztraining?

Die äußere Erscheinung von Polizist*innen im Einsatz ist durch Uniform und Ausrüstung für andere deutlich wahrnehmbar. Mit der Wahrnehmbarkeit beginnt auch die Eindrucksbildung. Im Sinne des Brunswik’schen Linsenmodells formt der/die Betrachtende aus proximalen („wahrnehmbaren“) Hinweisreizen (cues) einer Person ein Urteil über distale („entfernte“) Merkmale der Person (zum Beispiel „Kompetenz“, „Vertrauenswürdigkeit“ oder „Bedrohlichkeit“). Bei Begegnungen mit der Polizei fließen sämtliche Merkmale der eingesetzten Polizeikräfte zu einem Gesamteindruck beim polizeilichen Gegenüber zusammen – und umgekehrt. Die Polizeiuniform als äußeres Merkmal führt dabei üblicherweise zu einer positiveren Einschätzung des/des Träger*in durch Beobachtende (Uniform-Effekt). Auch von Führungs- und Einsatzmitteln, insbesondere Waffen, ist der Einfluss auf Wahrnehmung und Verhalten bekannt (Waffen-Effekt; Waffen-Fokus-Effekt). Wenn das äußere Erscheinungsbild eine einsatzrelevante und empirisch nachweisbare Einflussgröße darstellt und hierdurch insbesondere Einsatzerfolg und Einsatzrisiko beeinflusst werden, dann ist dessen Wirkung im Einsatzgeschehen von den beteiligten Einsatzkräften zu beachten und muss konsequenterweise auch Gegenstand des Einsatztrainings sein. Theoretische Konzepte, empirische Befunde und Implikationen für das polizeiliche Einsatztraining werden nachfolgend diskutiert.

Markus M. Thielgen, Stefan Schade, Christine Telser
Menschen mit psychischen Erkrankungen in Polizeieinsätzen – Besonderheiten und deren Bedeutung für die Praxis

Polizeieinsätze, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen beteiligt sind, gehen mit besonderen Herausforderungen für die Einsatzkräfte einher. In dem vorliegenden Beitrag werden sowohl die Zunahme der Häufigkeit als auch die Anlässe dieser Einsätze vorgestellt. Darüber hinaus wird das subjektive Erleben der beteiligten Einsatzkräfte sowie der Menschen mit psychischen Erkrankungen dargestellt. Zudem wird beispielhaft ein vertiefter Einblick in psychotisches Erleben gegeben, um darüber die Besonderheiten für die Einsatzbewältigung aufzuzeigen. Die besondere Vulnerabilität von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Rahmen von Polizeieinsätzen wird als Folge von Stigmatisierungsphänomen diskutiert. Am Beispiel der Schizophrenie wird die verzerrte gesellschaftliche und polizeiliche Wahrnehmung der betroffenen Menschen als gefährlich und unberechenbar beschrieben. Am Ende des Beitrages werden Empfehlungen für Entscheider*innen, Einsatzkräfte und Einsatztrainer*innen vorgestellt.

Linus Wittmann
Der polizeiliche Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen bei Menschen mit psychischen Störungen – Handlungskonzepte, Spannungsfelder und Notwendigkeiten der zukünftigen Beforschung

Obgleich die Notwendigkeit adäquater polizeilicher Konzepte im Umgang mit Aggressionen von Menschen mit psychischen Störungen erkannt wurde, fehlt bislang ein anerkannter und dezidiert empirisch begründeter Ansatz hierzu. Ein unzureichendes Verständnis von Erlebenswirklichkeiten bei unterschiedlichen psychischen Störungsbildern sowie mangelnde Trainingskonzepte begünstigen sowohl Stigmatisierungstendenzen als auch Handlungsunsicherheiten. An dieser Stelle setzt das im Beitrag vorgestellte polizeiliche Einsatzmodell an, welches verschiedene Bedingungen für aggressive Verhaltensweisen im Kontext psychischer Störungen differenziert und in ein interdisziplinär ausgerichtetes Seminarkonzept eingebettet ist. Daran anknüpfend werden Spannungsfelder zu bisherigen Handlungsempfehlungen skizziert und allgemeine Voraussetzungen zur didaktischen Vermittlung aufgezeigt. Zudem sollen Ansatzpunkte für die empirische Beforschung entsprechender Interventionsansätze diskutiert werden.

Jürgen Biedermann, Karoline Ellrich
Polizeilicher Schusswaffengebrauch und psychisch erkrankte Angreifer

Ein erheblicher Teil der tödlich endenden Schusswaffeneinsätze durch die Polizei erfolgt gegenüber psychisch kranken Personen. Das ist besorgniserregend, zumal ein letaler Waffengebrauch gegenüber dieser Personengruppe situativ oft vermeidbar erscheint. In diesem Beitrag wird erörtert, welche rechtlichen Einschränkungen sich für den Schusswaffeneinsatz gegenüber psychisch Kranken ergeben können (1.2) und warum der Umgang mit dieser Personengruppe im Einsatztraining stärker als bislang verankert werden muss (1.3). Gefordert werden eine interdisziplinär ausgerichtete Aus- und Fortbildung sowie die Einrichtung von lokalen Netzwerken für die Bewältigung dieser Situationen im polizeilichen Alltagsdienst.

Michael Jasch
Die Gefährlichkeit von Begegnungen der Polizei mit psychisch auffälligen Personen im Einsatz

Die Polizei kommt typischerweise dann in Kontakt mit einer psychisch auffälligen Person, wenn diese den Scheitelpunkt einer akuten Krise erreicht hat und dann besonders hilfsbedürftig, aber häufig auch problematisch in ihrem Verhalten ist. Bei einigen psychischen Störungsbildern, vor allem bei suchtkranken, paranoid schizophrenen und psychopathischen Personen kann das auffällige Verhalten bis zur Gewalttätigkeit gehen. Die Gefährlichkeit zeigt sich vor allem in bestimmten Konstellationen, die man als Polizist*in mitgestaltet. Für die Polizei kommt es deshalb darauf an, Begegnungen mit psychisch auffälligen Personen aufmerksam, auf Eigensicherung bedacht, kommunikativ und taktisch geschickt, kurz einsatzkompetent anzugehen und dabei spezifische, in diesem Beitrag dargestellte Verhaltensempfehlungen zu berücksichtigen.

Hans Peter Schmalzl
Rechtswidrige polizeiliche Gewaltanwendung: Interaktionen, Risikofaktoren und Auslöser

Kommt es in Konfliktsituationen zum Einsatz physischer Gewalt, so geht dem häufig ein dynamischer wechselseitiger Eskalationsprozess voraus. Zugleich sind die rechtlichen Grenzen polizeilicher Gewaltausübung in der Praxis fließend und im Nachhinein oft schwer zu rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund rückt der Beitrag Situation und Interaktion (im Vorfeld) der polizeilichen Gewaltanwendung in den Fokus, um der Frage nachzugehen, wann, wo und warum es zu rechtswidrigen Gewalthandlungen durch Polizeibeamt*innen kommt. Es wird ein Überblick über den nationalen sowie internationalen Forschungsstand zu individuellen, situativen und organisationalen Risikofaktoren gegeben. Im Anschluss wird dargestellt, welche Auslöser es aus Bürger*innenperspektive für rechtswidrige polizeiliche Gewalt gibt. Die Daten und Befunde stammen aus einer Online-Befragung von Personen (N = 3373), die polizeiliche Gewalt erlebt haben, die sie als rechtswidrig bewerteten, die 2018 im Rahmen des DFG-Projekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ durchgeführt wurde.

Laila Abdul-Rahman, Tobias Singelnstein
Gewalt gegen die Polizei – ein Überblick zur Verbreitung, zu Einflussfaktoren und Implikationen für die Praxis

Im Gegensatz zu den meisten anderen Berufen birgt die Tätigkeit von Polizeikräften stets die Gefahr, im Rahmen der Dienstausübung Gewalt zu erleben. Solche Erfahrungen können eine Vielzahl von Folgen auf körperlicher und psycho-emotionaler Ebene nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund ist der Vorbereitung auf den Umgang mit potenziell gefährlichen Einsatzsituationen und daraus resultierenden Angriffen ein hoher Stellenwert bei der Aus- und Fortbildung von Polizist*innen zuzusprechen. Entsprechende Handlungsempfehlungen sollten sich idealerweise an vorliegenden Forschungsbefunden orientieren. Ausgehend von aktuellen Daten zur Verbreitung von Gewaltopfererfahrungen in der Polizei, stehen deshalb Befunde aus Studien zu Einflussfaktoren von körperlichen Übergriffen im Fokus des Beitrags, welche entlang eines Erklärungsmodells der Gewaltentstehung überblicksartig dargestellt werden. Abschließend gilt es, die Bedeutung von Aus- und Fortbildung bzw. zukünftiger wissenschaftlicher Forschung in diesem Kontext aufzuzeigen und praktische Implikationen abzuleiten.

Karoline Ellrich, Dirk Baier
Zwangsanwendung durch die Polizei – Der unmittelbare Zwang aus der Perspektive des Rechts

Die erfolgreiche Bewältigung eines Einsatzes wird nicht nur an der Effektivität und Effizienz des polizeilichen Vorgehens bewertet, sondern auch an dessen Rechtmäßigkeit. So unterliegt jedes staatliche Handeln dem grundgesetzlich normierten Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes. An diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben hat sich polizeiliches Handeln auszurichten. Dies gilt besonders für die Ausübung des unmittelbaren Zwanges, also der staatlich legitimierten Gewaltanwendung durch Polizeikräfte. Der Einsatz polizeilicher Gewalt gab in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Anlass zur öffentlichen Diskussion. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich vorrangig aus der Perspektive des Rechts mit den Grundlagen und Besonderheiten der Zwangsanwendung durch die Polizei. Betrachtet werden unter anderem die Legitimation und Legalität des staatlichen Gewaltmonopols im Allgemeinen sowie die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der konkreten Zwangsausübung im Besonderen. Im Fokus stehen die Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sowie der Einsatz von Waffen. Speziell auf die Probleme bei der Anwendung der Schusswaffe wird umfänglich eingegangen und ferner Neuerungen in der diesbezüglichen Rechtsentwicklung dargestellt. Des Weiteren wird das Zwangsmittel Distanzelektroimpulsgerät („Taser“) betrachtet. Aus der Anwendung von unmittelbarem Zwang ergeben sich rechtliche Verpflichtungen und Handlungserfordernisse für die einschreitenden Beamten*innen. Diese werden gleichfalls in dem Beitrag erörtert.

Nils Neuwald
Polizeilicher Schusswaffeneinsatz und Notwehrrecht (§§ 32, 33 StGB)

Der Schusswaffengebrauch gehört unweigerlich zum Ausbildungskern des polizeilichen Einsatztrainings. Kein Herzenswunsch, aber doch reale Lebenswirklichkeit wird es sein, dass jede Beamtin und jeder Beamter im Dienstleben wohl einmal in einer tatsächlichen oder vorgestellten Notwehrsituation mit der Frage des Schusswaffeneinsatzes konfrontiert ist. Die Konsequenzen sind nicht nur für das Gegenüber erheblich, sondern gerade für den/die Polizist*in: Im Wege eines Ermittlungsverfahrens wird überprüft, ob und inwieweit das Handeln gerechtfertigt erscheint. Aktuell in den Fokus gerückte Ereignisse wie jüngst die obergerichtlich erzwungene Anklage gegen einen Bochumer Polizisten (Oberlandesgericht Hamm v. 27.10.2020 – III-2 Ws 20/20) offenbaren die zwingend notwendige, rechtliche Erläuterung des polizeilichen Schusswaffeneinsatzes unter Notwehrgesichtspunkten. Notwehr lässt sich nicht trainieren; ein notwehrfähiges Handeln verlangt einem selbst ab, den präsumtiven Einsatz in dem Bewusstsein der eigenen strafrechtlichen Folgen einzuschätzen. Dem soll hier anhand kürzerer und typischer Polizeiszenarien nachgegangen werden. Bei der vorgestellten Lösung der Fälle wird in erster Linie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herangezogen und weniger auf eine wissenschaftlich umfassende Darstellung der Literaturansätze Wert gelegt.

Hinner Schütze, Sascha Kische

Prakademische Perspektive – Training

Frontmatter
Was Einsatztrainer*innen tun: Professionelles Coaching

Der vorliegende Beitrag beantwortet die Frage danach, was Einsatztrainer*innen im Rahmen ihrer professionellen Praxis tun. In diesem Zusammenhang konzeptionalisieren wir Coaching als einen komplexen Prozess, der virtuos unterschiedliche Wissensbereiche miteinander kombiniert, um in der Trainingspraxis auftauchende Probleme zu lösen. Mit dem Professionellen Coaching-Modell stellen wir eine Struktur vor, die in sechs Dimensionen die benötigten Wissensstrukturen einer professionellen Praxis im Einsatztraining aufweist und so Anhaltspunkte für Entwicklung von Einsatztrainer*innen liefert.

Mario Staller, Swen Koerner
Einsatztraining systematisch planen und reflektieren

Das Handeln als Einsatztrainer*in ist ein komplexer Prozess, der von einer hohen Situativität geprägt ist. Um Einsatztrainer*innen bei ihrer täglichen Praxis zu unterstützen, legen wir im vorliegenden Beitrag eine Planungs- und Reflexionsstruktur vor, welche Trainer*innen als Denkhilfe für ihre Coaching-Tätigkeit nutzen können. Die Planungs- und Reflexionsstruktur Einsatztraining (PR-ET) umfasst dabei fünf relevante Elemente sowie deren Einbettung in die kurz-, mittel- und langfristige Planung des Einsatztrainings. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Interdependenzen der einzelnen Elemente. Planungs- und Reflexionsfragen ermöglichen Einsatztrainer*innen, sich systematisch mit der eigenen Planung des Trainings auseinanderzusetzen und den Reflexionsprozess strukturiert zu gestalten.

Mario Staller, Swen Koerner
Impulse zur Gestaltung des Einsatztrainings I – Der Constraints-led Approach

Einsatztrainer*in sind im Kern Designer*innen von Lernumgebungen. Ihre Aufgabe besteht darin, im Training repräsentative Inhalte von Polizeieinsätzen mit den Voraussetzungen der Lerner*innen sinnvoll in Beziehung zu bringen. Dazu benötigen und nutzen Einsatztrainer*innen Methoden der Vermittlung. Mit dem Constraints-led Approach (CLA) stellt der Beitrag ein methodisch nutzbares Vermittlungsparadigma vor. Wir argumentieren, dass die konzeptionelle Architektur des CLA den spezifischen Anforderungen und Zielen des Einsatztrainings in besonderer Weise entspricht. Einsatztrainer*innen bietet der CLA zum einen ein praktisches trainingspädagogisches Tool zur Gestaltung des Einsatztrainings. Zum anderen erfüllt der Ansatz Ansprüche an eine reflektierte pädagogisierte Praxis des Einsatztrainings, die ihre handlungsleitenden Annahmen begründen und ihre Folgen kontrollieren kann.

Swen Koerner, Mario Staller
Impulse zur Gestaltung des Einsatztrainings II – Das Trainer*innen-Mischpult

Einsatz-Trainer*innen sind per Auftrag Designer*innen von Lernumwelten. Ihr Trainingsdesign soll Lerner*innen eine individualisierte Auseinandersetzung mit den jeweils spezifischen Anforderungen der Einsatzumgebung ermöglichen. Um die damit einhergehenden Herausforderungen und praktischen Handlungsmöglichkeiten für Einsatztrainer*innen darzustellen, nutzen wir im Folgenden die Analogie des Mischpults, dessen Regler und Reglergruppen wir im Einzelnen vorstellen. Während das Mischpult Technik ist, ist seine Bedienung Kunst. Durch virtuoses Spiel an den Reglern ermöglichen Einsatztrainer*innen Trainierenden ein hohes Maß an Freiheit zur selbsttätigen Erkundung und Aneignung individueller Lösungen, die den situativen und normativen Anforderungen der Aufgabenbewältigung entsprechen. Einsatztrainer*innen bietet das Mischpult eine Grundlage für systematische Entscheidungen in der Planungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase ihrer Trainings und kann dabei auf einzelne Phasen oder auf die gesamte Einheit angewandt werden. Zudem sind die Regler kategorial so bestimmt, dass sie eine Anwendung auf die in vielen Polizeien Deutschlands vorherrschende Unterteilung des Trainings in Lösungsoptionen (Taktik, Selbstverteidigung/Sicherung, Schießen) ermöglichen. Das Konzept des Mischpults basiert auf den Grundlagen des Constraints-led Approachs und schließt an den Beitrag „Impulse für die Gestaltung des Einsatztrainings I“ in diesem Handbuch an.

Swen Koerner, Mario Staller
Überlegungen zur Anwendbarkeit der Cognitive Load Theory auf die Gestaltung polizeilicher Einsatztrainings: Braucht es eine kognitive Wende im Polizeitraining?

Als eine empirisch gut untersuchte Theorie aus der Pädagogischen Psychologie liefert die Cognitive Load Theory (CLT) auf der Grundlage der kognitiven Architektur des Lernenden didaktische Empfehlungen für die Gestaltung von Lernmaterialien und -umgebungen („instructional design“). Für die Entwicklung von Expertise sind hierbei insbesondere das kapazitätsbegrenzte Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis mit unbegrenzter Speicherkapazität zu berücksichtigen. Lernen besteht demnach darin, Wissen als Schemata im Langzeitgedächtnis anzulegen, um in der Folge den automatisierten Abruf gespeicherter Inhalte sowie deren Übersetzung in entsprechende Handlungsabläufe in einer gegebenen Situation zu ermöglichen. Wird das Arbeitsgedächtnis des Lernenden beim Lernen allerdings überlastet, kann der Lernprozess behindert werden. Im Polizeitraining sollen jene Handlungen, wie zum Beispiel das Schießen mit der Pistole oder die Anwendung einer Kampftechnik zur Selbstverteidigung, so gelernt werden, dass die kognitive Überlastung der Trainierenden beim Lernen vermieden wird und dass im realen Polizeieinsatz unter Stress und Lebensgefahr möglichst noch hinreichend funktional gehandelt werden kann. Angesichts dessen scheinen gerade Schema-Konstruktion und Automatisierung zentrale Prozesse des Lernens im Polizeitraining zu sein. Im vorliegenden Beitrag soll vor dem Hintergrund der kognitionspsychologischen Grundlagen der Gedächtnispsychologie die CLT in ihren Grundzügen dargestellt werden, um hiermit der Frage nachzugehen, inwiefern polizeiliches Einsatztraining von der Anwendung der CLT und dem darauf aufbauenden 4C/ID-Modell für Trainingsprogramme profitieren kann.

Stefan Schade, Markus M. Thielgen
Übung oder Ernst? Von Stressinduktion im Polizeitraining zu Stressbewältigung im Einsatz

Um polizeiliche Einsatzkräfte angemessen auf kritische Einsätze im Dienst vorzubereiten, sollten sie im möglichst realitätsnahen Einsatztraining erleben, wie Stress ihre Kognition und ihr Verhalten beeinflusst. Vor dem Hintergrund des Rahmenmodells der ökologischen Dynamiken stellt dieser Beitrag vor, wie Einsatztrainer*innen die Aufgabe, die Umgebung und die individuellen Voraussetzungen des/der Trainierenden so gestalten können, dass der/die Trainierende individualisierte Bewältigungsstrategien und funktionale Problemlösungen zum Umgang mit Stressreaktionen entwickeln kann. Allerdings erschweren der Mangel an repräsentativen Einsatzdaten, die Individualität in der Stressreaktion und die Unkenntnis über das optimale Stressniveau im Training die Gestaltung von Stress auslösenden Szenarien in der Praxis. Die Echtzeiterfassung von physiologischen Stressreaktionen hat das Potenzial für ein individualisiertes Einsatztraining unter Stress.

Laura Giessing, Marie Ottilie Frenkel
Virtuelle Realität als vielversprechende Ergänzung im polizeilichen Einsatztraining – Chancen, Grenzen und Implementationsmöglichkeiten

Eine adäquate Vorbereitung auf kritische Einsatzsituationen erfordert häufiges und realitätsnahes Training. Dafür werden bislang Simulationsübungen eingesetzt, die jedoch aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen sehr schwierig, teuer und zeitaufwendig zu organisieren sind. Aufgrund der vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten und des vergleichsweise geringen Organisationsaufwands wird aktuell die Implementation von Virtueller Realität (VR) in das Einsatztraining diskutiert. Ausführliche Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analysen betonen die besonderen Potenziale, verweisen aber auch auf mögliche Grenzen des VR-Trainings. Vor dem Hintergrund von theoretischen Überlegungen zu Trainingszielen, Lernkonzepten, der Rolle des/der Einsatztrainer*in und ethisch-rechtlichen Voraussetzungen in VR stellt dieser Beitrag praktische Richtlinien zur Integration von VR in die Trainingscurricula zum Einsatztraining vor.

Laura Giessing, Marie Ottilie Frenkel
Ethische Reflexion für das Einsatztraining

Der vorliegende Beitrag stellt den Wert der normativen Ethik für die Berufsausbildung der Polizei im Allgemeinen und das Einsatztraining im Besonderen dar. Normative Ethik ist die philosophische Disziplin, die sich im Kern mit der Frage „Was soll ich tun?“ beschäftigt und diese Frage mit einem systematischen Rekurs auf moralische Normen und Werte zu beantworten sucht. Zentrale Normen, Werte, Tugenden und Theorien der Ethik werden konzise präsentiert und ihre Relevanz für das vorliegende Thema unterstrichen. Es wird argumentiert, dass Ethik einen Mehrwert für die Reflexionsexpertise und -kompetenz des Einsatztrainings hat. Anleitende Fragen, die den reflektierten und intersubjektiv gültigen Urteilsbegründungen für Handeln und Unterlassen dienlich sein können, werden formuliert. Es wird empfohlen, dass sich Entscheider*innen, Einsatztrainer*innen und Einsatzkräfte mit Ethik für den Einsatz bzw. für das Einsatztraining auseinandersetzen und Ethik entsprechend in Curricula und im Einsatztraining angemessen berücksichtigen.

Peter Schröder-Bäck
Sprach- und Gewaltkompetenz im Einsatztraining

Polizeiliches Handeln beinhaltet Sprach- und Gewalthandlungen, zwischen denen Polizist*innen dynamisch wechseln müssen und die in Spannung zueinander stehen. Insbesondere in mehrsprachigen Situationen wird sichtbar, dass eine nicht situationsangepasste Auswahl beider Register zu Missverständnissen bei Bürger*innen führen kann. Im polizeilichen Einsatztraining sollte die Vermittlung von Gewaltkompetenz noch stärker durch die Vermittlung von sprachlicher Kompetenz ergänzt werden.

Jan Beek, André Kecke, Marcel Müller
Zur Vorbereitung auf Gewalt im Einsatz

Der Arbeitsalltag der Polizei ist untrennbar mit Gewalt verbunden. So kommen Polizeibeamt*innen zu Tatorten, an denen Gewalt zwischen Bürger*innen ausgeübt wurde oder sogar noch stattfindet. Hier nehmen sie gewalttätige Handlungen und deren Folgen wahr. Andererseits erfahren Polizeibeamt*innen auch selbst Gewalt. Die aktuelle öffentliche Diskussion thematisiert diese Form der Gewalterfahrung intensiv. Beide Arten von Erlebnissen muss ein/e Polizist*in bewältigen. Damit beschäftigt man sich in Wissenschaft und Praxis bereits eingehend. Weniger Aufmerksamkeit wird einem dritten Bereich geschenkt, in dem Polizeibeamt*innen mit Gewalt umgehen müssen: dem Ausüben von Gewalt. Hier müssen eine professionelle Gewaltbereitschaft, ein reales Bild von unterschiedlichen Gewalteinsätzen und eine hohe Handlungskompetenz geschaffen werden. Dies kann u. a. im Sinne einer Traumaprävention verstanden werden.Der Beitrag skizziert Aspekte dieser Thematik. Zunächst wird die Ausgangsposition von angehenden Polizeibeamt*innen beschrieben. Hier wird vor allem auf eine allgemeine Hemmung, Gewalt auszuüben, sowie auf Spezifika von Berufsanfänger*innen eingegangen. Ergänzend werden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gewaltbereitschaft von Polizeibeamt*innen angeführt. Anschließend werden unterschiedliche Ansätze beschrieben, die eine professionelle Auseinandersetzung und Vorbereitung mit einem eigenen Gewalteinsatz initiieren sollen. Neben klassischer Psychoedukation und dem Einsatztraining mit unterschiedlichen psychologischen Inhalten und Aspekten, sind dies vor allem eine mentale Vorbereitung sowie der Aufbau von Wissen am Beispiel des Schusswaffengebrauchs.

Clemens Lorei
Die Verzahnung von Recht und Einsatzlehre im Kontext der polizeilichen Aufgabenerfüllung

Einsatzlehre und Rechtsfächer werden häufig als klar zu unterscheidende Disziplinen verstanden, gehandhabt und gelehrt. Dabei sind sie sehr eng miteinander verzahnt: Jegliches Einsatzhandeln wird durch rechtliche Vorgaben bis ins Detail gesteuert oder jedenfalls „überlagert“, und die gesetzlichen Grundlagen werden (mitunter deutlich zu wenig) vor dem Hintergrund des polizeilichen Erfahrungswissens gestaltet. In diesem Beitrag werden die enge Verzahnung von Recht und Einsatzlehre verdeutlicht und Vorschläge für eine Neukonzeption der Lehre und auch des Einsatztrainings (für das Einsatzlehre wie Recht von besonderer Bedeutung sind) unter Berücksichtigung dieses untrennbaren Konnexes unterbreitet.

Markus Thiel

Reflektierte Praxis – Einsatz

Frontmatter
Gewalt gegen den Zoll: Kommunikation als zentrales Einsatzmittel in der Konfliktbearbeitung

Die Konfrontation mit Gewalt ist für die mehr als 43.000 Bediensteten der Zollverwaltung eine quantitativ eher seltene, dennoch besonders relevante Situation. Seit mehreren Jahren werden Gewalt und Bedrohung gegen Bedienstete systematisch erfasst und ausgewertet. Um dem Phänomen der Gewalt zu begegnen, hat der Zoll eine Reihe von Maßnahmen ausgestaltet und entwickelt diese fortlaufend weiter, die bereits in der Ausbildung beginnen, Einsatztrainings in der Praxis betreffen, in der Fort- und Weiterbildung adressiert werden und Gegenstand der Nachbereitung sind. Ziel ist es dabei, auf Grundlage der Rechtsstaatlichkeit alles zu tun, um der Gewalt gegen Einsatzkräfte vorzubeugen, ihr zu begegnen und die Gesundheit der Bediensteten sicherzustellen. Beginnend mit der Beschreibung der Ausgangslage (Besonderheiten der Aufgabenerfüllung innerhalb der Organisation, Gewaltaufkommen, Maßnahmen der Prävention, Intervention und Nachsorge beim Zoll), soll besonders auf den Aspekt der Kommunikation in Einsatzsituationen und konfliktbeladenen Bürger*innenkontakten eingegangen werden. Dabei sollen neben dem Schwerpunkt auf den waffentragenden Bereich des Zolls auch Konfliktsituation beleuchtet werden, die im Verwaltungskontext z. B. an Kfz-Steuer-Stellen entstehen. Auf Basis der in Aus- und Fortbildung des Zolls vermittelten Ansätze soll dargestellt werden, wie Kommunikation in der Gestaltung von Einsatztraining ständig mitgedacht werden muss, Gegenstand von theoretischem Unterricht, Verhaltenstraining und der unmittelbaren Weiterbildung im Dienst sein kann. Zwischen den grundlegenden Vorschriften von Polizei und Zoll zur Eigensicherung ergibt sich eine große Schnittmenge, allerdings findet sich darin nur ein sehr grober Rahmen zur Ausgestaltung der Kommunikation in Einsatzsituationen. Daraus ergibt sich ein eher heterogenes Konzeptspektrum, das teilweise unsystematisch durch Erfahrungswissen angereichert ist. Auf Grundlage der aktuellen Forschungslage soll ein Trainingsansatz aufgezeigt werden, der insbesondere empirisch fundierte Wirkmechanismen für Einsatzkräfte nutzbar macht. Des Weiteren soll dargestellt werden, wie die Auswertung von Ereignissen in der Berufspraxis, die Gestaltung von Aus- und Fortbildung und die Einsatznachsorge verzahnt sein müssen, um möglichst effektiv Einsatzkräften Handlungswissen zu vermitteln.

Torsten Porsch, Christian Pill
Die Einsatz-Kompetenz Strategie: Eine Verhaltensanweisung für Polizeikräfte im Einsatz

Die Arbeit von Polizeikräften geht heute mit dem Anspruch einher, bürgernah und kundenorientiert zu kommunizieren und gleichzeitig den gestiegenen Anforderungen der Eigensicherung gerecht zu werden. Dieser vermeintliche Widerspruch zeigt sich immer wieder. Psychologie und Polizeitaktik werden oft als gegensätzliche Aspekte betrachtet. Mit der Einsatz-Kompetenz-Strategie (EIKO) wurde bei der Stadtpolizei Zürich ein Konzept entwickelt, welches diese beiden beruflichen Anforderungen an Polizeikräfte miteinander verbindet. Mit der EIKO-Strategie werden Handlungsanweisungen für das Verhalten auf der Straße definiert mit dem Fokus, dass Einsatzkräfte Situationen proaktiv steuern und frühzeitig Einfluss auf abweichendes Verhalten nehmen. Im Zentrum der EIKO-Strategie steht eine empathische, aber klare Kommunikation, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass auf „Machtspiele“ verzichtet wird, dem Gegenüber aber deutliche Grenzen aufgezeigt werden, sollten die polizeilichen Anweisungen nicht eingehalten werden.

Wolfgang Moos

Reflektierte Praxis – Training

Frontmatter
Versuch einer Ist-Soll-Analyse am Beispiel eines integrativen Schießtrainings für polizeiliche Spezialeinheiten aus der „ecological dynamics“-Perspektive

Das polizeiliche Schießen gehört zu den Kernkompetenzen der Polizei im Allgemeinen und der polizeilichen Spezialeinheiten im Besonderen. Insbesondere das Spezialeinsatzkommando (SEK) ist für die Bekämpfung von gefährlichen und vor allem bewaffneten Täter*innen vorgesehen. Hierfür stehen den Einsatzkräften unterschiedliche Waffensysteme zur Verfügung. Zum Zwecke des passiven Schutzes trägt die Einsatzkraft eine ballistische Schutzausrüstung unter anderem bestehend aus Helm und Plattenträger. Bei Täterkontakt muss die Einsatzkraft unter Lebensgefahr und Hochstress in der Situationsdynamik vom Gegenüber ausgehende Gefahrenmomente wahrnehmen und einschätzen, bewusst oder unbewusst über Reaktionen entscheiden und dementsprechend gemäß Verhältnismäßigkeit handeln. Das Zusammenspiel der perzeptuell-kognitiven Prozesse (Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Urteilen, Entscheiden) und der Bewegungsabläufe (Waffen- und Magazinwechsel, Zielen, Schießen, Laufen) muss in diesen dynamischen Einsatzsituationen hinreichend funktional bleiben. Um die Einsatzkräfte optimal auf ihr Einsatzgeschehen vorzubereiten, stellt sich die Frage, wie das Schieß- und Einsatztraining zu gestalten ist, um maximalen Lerneffekt zu erzielen. Der „ecological dynamics“-Ansatz fordert dazu, die Einsatzanforderungen möglichst repräsentativ im Training abzubilden. Im vorliegenden Beitrag wollen wir eine aktuelle Schießübung der SEK Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund der Repräsentativität des Lerndesigns analysieren. Im Sinne einer Ist-Soll-Analyse sollen aus der Perspektive des „ecological dynamics“-Ansatzes Herausforderungen und Probleme hinsichtlich der einsatzrepräsentativen Gestaltung von Trainingsumgebungen diskutiert werden. Unsere Hoffnung besteht darin, den Mut zur kritischen Reflexion eigener Trainingsgestaltung zu stärken.

Christian Beck, Theobald Trapp, Stefan Schade
Der polizeiliche Schusswaffengebrauch als Hochstressereignis – Potenziale im Schieß-/Nichtschießtraining am Beispiel der Polizei Nordrhein-Westfalen

Der polizeiliche Schusswaffengebrauch gegen Personen stellt sowohl rechtlich als auch ethisch die Ultima Ratio polizeilicher Intervention dar. Folgt man der Grundannahme, dass im Regelfall im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse von der Dienstwaffe Gebrauch gemacht wird, liegt in diesen Situationen regelmäßig eine Gefahr für die Gesundheit oder gar das Leben der handelnden Polizeivollzugsbeamt*innen oder Dritten vor. Kann diese Gefahr nur durch den Einsatz der Dienstwaffe abgewendet werden, stehen die Beamt*innen einem komplexen Anforderungsszenario im Kontext eigener Vulnerabilität gegenüber, welches teils in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung über Leben und Tod erfordern kann. Der hohe Stresspegel, der zweifelsohne anzunehmen ist, kann dabei die Handlungsfähigkeit (auch im Sinne einer professionellen Angemessenheit) eklatant beeinträchtigen und so gravierende Folgen für den Verlauf der Einsatzsituation haben. Das rückblickende Empfinden von Hilflosigkeit in Verbindung mit der Manifestation von Angstempfindungen kann sich langfristig auswirken und psychische Belastungsstörungen hervorrufen. Um Schusswaffengebräuchen als Hochstressereignissen optimal begegnen zu können, ist eine umfassende Trainingsvorbereitung erforderlich. Dazu ist neben motorisch repetitiven Handlungsabläufen und Simulationen möglichst repräsentativer Stressbelastung auch die ethische Einordnung und Reflexion der eigenen Handlungsoptionen unbedingt erforderlich, um die Trainierenden Schritt für Schritt an die zu erwartenden Schwierigkeiten und Herausforderungen heranführen zu können.

Maximilian Haendschke
Die Implementierung nonlinearer Pädagogik in das Einsatztraining – Beschreibung einer Entwicklung

Einsatztraining bedient sich traditionell eher linearer Vermittlungsmethoden. Neuere Forschungen und lerntheoretische Modelle (vgl. Staller & Körner, Helmke, Fauth & Leuders) legen nahe, dass dies keineswegs die einzig mögliche und wahrscheinlich in vielen Fällen auch nicht die erfolgversprechendste Herangehensweise ist. Folglich unterliegt das Einsatztraining vielerorts derzeit einem Wandel, der wiederum bei nicht wenigen Einsatztrainern zu Unsicherheiten führt und kontrovers diskutiert wird. Beide Autoren sind in diesen Prozess eingebunden und an ihrem Standort maßgeblich an der Umsetzung pädagogischer Modelle in neue Trainingsformen beteiligt. Über diesen Prozess, seine Wirkungen, Gefahren und Chancen soll anhand praktischer Erfahrung der Autoren berichtet werden.Reflektiert werden sollen neben den Ergebnissen der veränderten Herangehensweise in Form von Kompetenzerwerb seitens der Studierenden auch praktische Erfahrungen mit möglichen Gefahren einer solchen Veränderung.Ferner sollen die Prozesse der Entwicklung neuer Trainingsformen beschrieben und mit vormals üblichen Trainingsformen verglichen werden. Hierbei sollen insbesondere Beispiele aus dem Bereich der Selbstverteidigungs- und Festnahmekompetenzen herangezogen werden, da hier erfahrungsgemäß besonders häufig Zweifel an der Umsetzbarkeit vorgebracht werden.

Patrick Schreier, Rado Mollenhauer
Umgang mit psychisch auffälligen Personen – Reflexion der Trainingskonzeption und Handlungsroutinen innerhalb des Einsatztrainings der Polizei NRW

Der Umgang mit psychisch auffälligen Personen stellt die Polizeivollzugsbeamt*innen des Landes Nordrhein-Westfalen im täglichen Dienst immer wieder vor Herausforderungen. Regelmäßig muss die Polizei eingreifen, wenn Kräfte medizinischer Institutionen oder Angehörige von psychisch erkrankten oder gestörten Personen auf nicht lösbares Konfliktpotenzial treffen. Die Situation kann aus polizeilicher Sicht oft nur durch den Einsatz unmittelbaren Zwangs beendet werden, überproportional häufig in Form des Schusswaffengebrauchs. Daher widmet sich die folgende Abhandlung der Frage, wie Polizeivollzugsbeamt*innen im Rahmen des Einsatztrainings NRW (ET NRW) auf den Umgang mit psychisch auffälligen Personen vorbereitet werden (können) und inwiefern wissenschaftliche Befunde Ansatzpunkte für eine Optimierung der Trainingsroutinen liefern können.

Maximilian Haendschke
Praktische Erfahrungen zum angewandten Stressmanagement für Einsatzkräfte am Beispiel der GSG 9

Spezialeinheiten und Einsatzkräfte können in ihren Einsätzen unter enormem Druck geraten, da im Ernstfall Leib und Leben der eigenen Kräfte sowie Unbeteiligter auf dem Spiel stehen. Bei den Maßnahmen der GSG 9, durch welche i. d. R. die Festnahme von Tatverdächtigen sowie die Sicherung von Wohnungsdurchsuchungen ermöglicht wird, sollen alle Schritte schnell und abgestimmt erfolgen. Diese Maßnahmen werden gegen Tatverdächtige aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Gewaltkriminalität getroffen. Aufgrund der Einschreitschwelle der GSG 9 ist bei derartigen Einsätzen stets mit einer gewaltsamen Gegenwehr sowie mit einer Bewaffnung des polizeilichen Gegenübers (Schusswaffen) zu rechnen. Um unter diesen Bedingungen handlungsfähig zu bleiben, müssen die Kräfte gezielt auf solche Anforderungen vorbereitet werden. Bei der GSG 9 bekommen deshalb die Auszubildenden seit Jahren eine Schulung zum Thema Stressregulation. Zusätzlich werden sie nach Bedarf individuell begleitet. In dem Beitrag werden die dem Training zugrunde liegenden Überlegungen aus der Praxis dargestellt. Stressregulation ist weit mehr als das Anwenden von Entspannungstechniken. Gerade im Einsatz unter Zeitdruck bedarf es gezielten und schnellwirksamen Stressmanagements. Außerdem hilft eine akzeptierende Grundhaltung. Zur Verdeutlichung werden Fallbeispiele aus dem Individualcoaching geschildert. Zum Abschluss des Beitrags werden Möglichkeiten diskutiert, wie zukünftig Trainings zum Stressmanagement bei Spezialeinsatzkräften aussehen könnten.

Lothar Linz, Kai Winter
Training: Angriffe mit scharfkantigen Gegenständen gegen Polizeibeamt*innen

Im Jahr 2018 gab es deutschlandweit 34.168 Straftaten nach § 113 StGB und § 114 StGB (Bundeslagebild 2018 „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte (PVB)“, BKA). Vergleicht man diesen Wert mit den Zahlen aus 2017 (24.419), muss man feststellen, dass es sich um eine Steigerung von 39,9 % handelt. Die 34.168 Straftaten gliedern sich in 21.556 Fälle, bei denen es zu Widerstandshandlungen gegen die Vollstreckungshandlung kam, und in 11.705 Fälle des tätlichen Angriffs auf Polizeibeamt*innen während der Diensthandlung (Bundeslagebild 2018 „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte (PVB)“, BKA). Diese Fallzahlen verdeutlichen, dass Polizeibeamt*innen während ihrer Dienstverrichtung mit Gewalt gegen sich oder ihr Handeln jederzeit konfrontiert werden können. Für das Einsatztraining bedeutet dies, dass die Polizeikräfte auf bestehende Gefahren während ihres hoheitlichen Handelns hingewiesen werden. Das Einsatztraining bildet Aktivmaßnahmen der Polizei, wie z. B. den unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen, aber auch Handlungsstrategien und -prinzipien zur Abwehr von tätlichen Angriffen ab. Im Speziellen wird im nachfolgenden Beitrag die Abwehr von Angriffen mit scharfkantigen Gegenständen gegen Polizeibeamt*innen Betrachtung finden.

Anne Dörner, Enrico Boden
„Im Vollbesitz der geistigen Kräfte“: Ein Trainingsprogramm für innere Stabilität von Einsatzkräften

„Einsatzbereitschaft hergestellt – und zwar in voller Gänze!“ Schon lange weiß man, dass die mentale Aufstellung, oft Mindset genannt, die Entfaltung von Einsatzbereitschaft und -kraft beeinträchtigt (Grossman. On Combat. The psychology and physiology of deadly conflict in war and in peace. Warrior Science Publications, Millstadt, 2008). Ausgangspunkt dieses Beitrags ist, dass auch andere Instanzen wie Motivation und Wille (Baumeister und Thierny. Die Macht der Disziplin. Wie wir unseren Willen trainieren können. The Penguin Press, New York, 2012), die moralische Haltung (Wood 2016) und die soziale Konstitution von Gruppen (Meyer. Kriegs- und Militärsoziologie. Goldmann, München, 1977) Einfluss auf die Einsatzbereitschaft ausüben. Offenbar spielt die innere Disposition von Einsatzkräften im Ganzen eine maßgebliche Rolle im Blick auf den Einsatzerfolg. In Anlehnung an den Begriff des Mentaltrainings werden deshalb Begriff und Konzept eines Internaltrainings in die Diskussion gebracht, um deutlich zu machen, dass neben der mentalen Instanz mindestens auch die Instanzen des Gewissens (Schmidt. Das Phänomen Zweikampf. K-ISOM Verlag, Nürnberg, 2016) und der Wir-Gesinnung (Biehl. Einsatzmotivation und Kampfmoral. In Leonhard N und Werkner IJ (Hrsg) Militärsoziologie – Eine Einführung. VS Verlag, Wiesbaden, S 268–286, 2012) adressiert zu werden verdienen. Die Thematik der lebensbedrohlichen Einsatzlagen hat das dargestellte Trainingsprogramm hervorgebracht, das inzwischen regulärer Bestandteil polizeilicher Aus- und Fortbildung ist. Nachfolgend werden die Trainingsmodule vorgestellt, wissenschaftlich grundgelegt und von da aus für weitere Anwendungen nutzbar gemacht.

Eckhard Zihn
„Aus der Praxis für die Praxis?“ – Potenziale des Trainings sozialer Kompetenz zur Vorbereitung auf die Bewältigung polizeilicher Einsätze

Überfachliche Kompetenzen wie beispielsweise stressregulative, emotionale, kommunikative und integrierende Kompetenzen sind wichtige Bestandteile erfolgreichen professionellen Handelns in der polizeilichen Praxis. Kommunikationspsychologische Schwerpunkte sowie mit der Vermittlung verbundene konkrete Ansätze zum Transfer in die Praxis leistet in der Ausbildung der Polizei in NRW vornehmlich das Training sozialer Kompetenz (TSK). Der vorliegende Beitrag untersucht entlang einer empirischen Studie, in welchem Maße die gegenwärtig vermittelten Inhalte der Trainings sozialer Kompetenz im Studium relevante Themen der polizeilichen Praxis aufgreifen und identifiziert erfolgskritische Einflussfaktoren, die eine hohe Qualität des TSK sicherstellen und zu einer effektiven Ausbildung polizeilicher Einsatzkräfte für die Praxis beitragen. Quantitative und qualitative Daten weisen erstens darauf hin, dass der Erfolg des TSK maßgeblich von konkreten Bezügen zur polizeilichen Praxis abhängt. Relevante (Trainings-)Situationen müssen diesem Anspruch also gerecht werden. Gleichzeitig scheint eine wahrgenommene große Heterogenität hinsichtlich der inhaltlichen Schwerpunkte zu bestehen, welche durch unterschiedliche Trainer*innen im TSK gesetzt werden. Zweitens erweist sich eine konsequente Verzahnung zwischen Fächern sowohl innerhalb des akademischen Kontextes als auch mit den Trainings- sowie mit den Praxisphasen als weiterer wichtiger Einflussfaktor. Drittens scheinen handelnde Trainer*innen, Tutor*innen und weitere Kolleg*innen und Vorgesetzte im Praxiskontext hinsichtlich ihrer Einstellung und Haltung sowie als authentische Vorbilder im konkreten polizeilichen Handeln wichtige Promotoren für eine erfolgreiche Einbettung des TSK in die Ausbildung zu sein. Schließlich erscheinen vor dem Hintergrund lebenslangen Lernens sowie mit Blick auf die zielgerichtete Weiterentwicklung und Schärfung der Trainingsinhalte der Teilmodule des TSK eine kontinuierliche Reflexion und Qualifizierung für Polizeivollzugsbeamte auch nach Abschluss des Studiums sinnvoll. Auf diese Weise kann das Potenzial des TSK optimal genutzt werden und soziale Kompetenzen werden entlang der gesamten beruflichen Laufbahn institutionsübergreifend zu einem wichtigen Thema.

Henning Staar, Ines Zeitner, Jürgen Zeitner
Eigensicherung, reflektiert

Der professionelle Umgang mit dem im Polizeiberuf vorhandenen Gewaltpotenzial gehört zum Arbeitsalltag von Polizist*innen. Das in Ausbildung und Praxis verankerte Konzept der Eigensicherung bietet hierfür die zentrale Orientierung. Der Beitrag plädiert aus der Perspektive der ökologischen Dynamik für ein umfassendes Verständnis: Das Mittel der Eigensicherung ist Kommunikation, der Mitteleinsatz kontextabhängig. Gewaltkommunikation kann zum Zwecke polizeilicher Eigensicherung situativ ebenso erforderlich sein wie Deeskalation, Nähe ebenso wie Distanz. Das persönliche Selbst-, Welt- und Rollenverständnis von Polizist*innen bildet das zentrale Nadelöhr reflektierter Eigensicherung.

Swen Koerner, Mario Staller
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch polizeiliches Einsatztraining
herausgegeben von
Prof. Dr. mult. Mario Staller
Prof. Dr. Dr. Swen Koerner
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-34158-9
Print ISBN
978-3-658-34157-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-34158-9

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