Skip to main content

2013 | Buch

Kommunikativer Konstruktivismus

Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz

herausgegeben von: Reiner Keller, Jo Reichertz, Hubert Knoblauch

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Wissen, Kommunikation und Gesellschaft

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Die Welt wartet nicht dort draußen darauf, entdeckt zu werden, sondern wir schaffen sie Tag für Tag neu - und zwar vor allem mittels kommunikativen Handelns. Deshalb ändert sich die Wirklichkeit tagtäglich und mit ihr auch die soziale Ordnung und die Normen und Werte, die unserem Handeln Bedeutung verleihen. Das ist die Grundposition des hier vorgestellten Kommunikativen Konstruktivismus.

Die versammelten Beiträge versuchen zum einen, den Ansatz des kommunikativen Konstruktivismus theoretisch zu begründen. Zum zweiten wird der Ansatz in empirischen Arbeiten umgesetzt, die sich mit den unterschiedlichen Themen in verschiedenen soziologischen Teildisziplinen (Wissenschaftssoziologie, Migrationssoziologie, Mediensoziologie) beschäftigen. Zum dritten beinhaltet der Band Arbeiten, die Anschlüsse zu anderen Disziplinen herstellen, wie etwa zu der Stadt- und Regionalplanung, der Organisationsforschung und der Kommunikationswissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Der Kommunikative Konstruktivismus als Weiterführung des Sozialkonstruktivismus – eine Einführung in den Band

Der Kommunikative Konstruktivismus als Weiterführung des Sozialkonstruktivismus – eine Einführung in den Band
Zusammenfassung
Seit den 1960er Jahren hat sich in der gesamten westlichen Wissenschaft eine Denkweise ausgebreitet, die man als „konstruktivistisch“ bezeichnet. Diese Denkweise reicht von der „Erlanger Schule“ der Philosophie über die Psychologie (z. B. Watzlawick) bis weit hinein in die Naturwissenschaften, wo etwa der „radikale Konstruktivismus“ in großer Breite Eingang fand. Auch die Sozialwissenschaft und hier vor allem die Soziologie hat mehrheitlich die konstruktivistische Wende vollzogen. Selbst wenn man in Deutschland irrtümlich erst an Luhmann denkt, wenn von „Konstruktivismus“ die Rede ist, waren es doch Peter Berger und Thomas Luckmann, die mit ihrem Buch zur „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“ im Jahre 1966 (deutsch: 1970) einen der ersten systematischen theoretischen Beiträge unter dem Titel der Konstruktion überhaupt vorlegten (und damit auch die Wissenssoziologie neu begründeten).
Reiner Keller, Hubert Knoblauch, Jo Reichertz

Positionierungen

Frontmatter
Grundbegriffe und Aufgaben des kommunikativen Konstruktivismus1
Zusammenfassung
Die Formulierung „kommunikative Konstruktion“ schließt an der „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“ von Berger und Luckmann (1966/1969) an, die vermutlich eine der ersten sozialwissenschaftlichen Formulierungen des Konstruktivismus war. Dabei macht der „kleine“ Austausch von „sozial“ zu „kommunikativ“ auf eine theoretische Verschiebung aufmerksam, deren Tragweite erst im Laufe der letzten Jahre deutlich wird. Die Formulierung „kommunikative Konstruktion“, die Anfang der 1990er-Jahre aufkommt, trägt einerseits dem Umstand Rechnung, dass die von Bergers und Luckmanns gesellschaftlicher Konstruktion inspirierte Soziologie sich zunehmend der empirischen Forschung zuwandte. Stand dabei anfangs die Sprache und die sprachliche Konversation als zentrale Trägerin des gesellschaftlichen Wissens im Vordergrund, so weitete sich das empirische Forschungsinteresse zunehmend auf die Kommunikation aus. Das Ziel des kommunikativen Konstruktivismus besteht darin, die verschiedenen Begriffe, die sich in den empirischen Untersuchungen bewährt haben, zu klären und miteinander zu verbinden. Andererseits trägt der kommunikative Konstruktivismus den theoretischen Entwicklungen in angrenzenden Theorien Rechnung, insbesondere wenn sie sich mit ähnlichen empirischen Gegenständen beschäftigen oder mit vergleichbaren Methoden arbeiten.
Hubert Knoblauch
Grundzüge des Kommunikativen Konstruktivismus
Zusammenfassung
Kommunikation gründet in der Kultur einer Sprach- und Interaktionsgemeinschaft. Jede kommunikative Praxis ruft diese Kultur einerseits auf, andererseits verändert sie diese Praxis auch immer. Die Praxis der Kommunikation ist Ausdruck der Kultur einer Gesellschaft und zugleich erschafft sie diese immer aufs Neue.
Jo Reichertz
Kommunikative Konstruktion und diskursive Konstruktion
Zusammenfassung
Ende der 1960er Jahre bestimmte Michel Foucault in ungemein einflussreicher Weise, was er mit dem Begriff „Diskurs“ verband. Die „Archäologie des Wissens“ ist demzufolge „eine Aufgabe, die darin besteht, nicht – nicht mehr – die Diskurse als Gesamtheiten von Zeichen (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte oder Repräsentationen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen.“ (Foucault 1988: 74). Dass Foucault hier von „sprechen“, also von kommunikativem Handeln oder kommunikativen Handlungen sprach, ist in der anschließenden Rezeption weitgehend unbeachtet geblieben. Dies mag damit zusammenhängen, dass ihn das einzelne kommunikative – oder wie er es nannte: diskursive Ereignis bzw. die Äußerung – in ihrer konkreten Singularität wenig interessierte.
Reiner Keller

Anschlüsse

Frontmatter
Die kommunikativen Figurationen mediatisierter Welten: Zur Mediatisierung der kommunikativen Konstruktion von Wirklichkeit
Zusammenfassung
Es ist nicht einfach, den Stellenwert von Medien für die kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit zu erfassen, worauf letztlich das Konzept der Mediatisierung – zumindest im hier umrissenen Sinne – abzielt. Verbunden mit diesem Konzept ist nicht nur die Überlegung, dass Medien eine bestimmte ‚Spezifik‘ haben, die als solche Kommunikation ‚beeinflusst‘. Darüber hinausgehend impliziert der Begriff der Mediatisierung ähnlich umfassende Wandlungsprozesse wie diejenigen der Globalisierung, Individualisierung und Kommerzialisierung. Um solche Zusammenhänge zu erfassen, war es in der Mediatisierungsforschung lange Zeit üblich, eine „Medienlogik“ zu unterstellen. Konkret heißt dies, dass den Medien eine bestimmte Logik zugeschrieben und dass Mediatisierung – zumindest in Teilen – als der Prozess verstanden worden ist, in dem sich diese Logik verbreitet und Bereiche von Kultur und Gesellschaft jenseits der Medien beeinflusst. Aber gibt es wirklich diese einzelne Medienlogik ? Und falls ja, wie könnte man überhaupt deren zunehmenden Einfluss auf die kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit fassen ?
Andreas Hepp
Eine Phänomenologie des Entscheidens, organisationstheoretisch genutzt und ergänzt
Zusammenfassung
Wenn Reinhard Selten stets (z. B. 1990 und o. J.) betont, dass wir selbst uns mitsamt unseren Entscheidungsprozessen eine black box sind, dann können wir mithilfe phänomenologischer Reflexion immerhin ein Theoriegerüst und sehr weit reichende Vorstellungen entwickeln, was sich in dieser alten Schachtel abspielt. In mancher Hinsicht reichen sie immer noch weiter als selbst die avancierteste Entscheidungstheorie heute. Soviel kann man immerhin schon sagen: Unter dem Mikroskop phänomenologischer Reflexion zeigt sich ein mannigfaltiges, strömendes Geschehen, das in seinem Resultat, dem Entscheid, zu verschwinden pflegt, das wir aber in den Blick nehmen müssen, wenn wir uns über die Bedingungen der Möglichkeit (und der Unmöglichkeit) des Entscheidens klar werden wollen. Einem solchen Bild, auch das sei vorab vermerkt, stellt sich die rationale Wahl der Entscheidungstheorie, der Ökonomik, der Betriebswirtschaftslehre und des Mainstreams der Soziologie als ein Spezialfall dar, als ein eher unwahrscheinlicher Fall. „Unwahrscheinlich“ soll dabei nicht heißen: „unglaubwürdig“ oder „(fast) unmöglich“1, auch nicht „selten“, wohl aber: erklärungsbedürftig. Mit anderen Worten: Der fraglos hingenommene Ausgangspunkt aller Rational-Choice- Ansätze wäre allererst als Resultat ganz unwahrscheinlicher Prozesse zu re- und zu dekonstruieren und auf diese Weise einzuholen.
Günther Ortmann

Diskursive Kontexte kommunikativer Konstruktion

Frontmatter
Raumpioniere in Stadtquartieren und die kommunikative (Re-)Konstruktion von Räumen
Zusammenfassung
Im Beitrag werden der theoretische Ansatz, das methodische Design und ausgewählte Ergebnisse eines abgeschlossenen Forschungsprojekts mit dem Titel „Raumpioniere im Stadtquartier – Zur kommunikativen (Re-)Konstruktion von Räumen im Strukturwandel“ vorgestellt. Eine übergreifende Frage dieses Projekts war, welche Wirklichkeitsdeutungen bzw. Visionen Akteure, die hier als Raumpioniere bezeichnet werden sollen, von ihrem Quartier haben, wie diese Deutungen in kommunikativen Prozessen ausgehandelt werden und wie es zu einer Rekonstruktion bzw. Transformation bestehender Raumdeutungen kommt. Die dem Projekt zugrundeliegende „Theorie der kommunikativen Raum(re)konstruktion“ basiert auf dem kommunikativen Konstruktivismus, der um die Komponente einer diskursiven Konstruktion von Wirklichkeit erweitert und für raumtheoretische Zwecke angepasst wurde (vgl. Knoblauch 1995, 2005b, 2012 in diesem Band, Reichertz o. J., 2012 in diesem Band, Keller et al. 2005).
Gabriela B. Christmann
Subjektivierungsweisen als diskursive und kommunikative Identitätskonstruktionen
Zusammenfassung
Das menschliche Bewusstsein und die Denkfähigkeit, so die zentrale Erkenntnis George Herbert Meads, ist ein dem gesellschaftlichen Kommunikationsgeschehen nachgelagerter Prozess. Die gesellschaftliche Wirklichkeit und alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir vermittelt über die Kommunikation, die wiederum aus historisch-gesellschaftlichen Interaktionsprozessen menschlicher Gemeinschaften hervorgegangen ist, wobei die Kommunikation wiederum bei Mead analog zum Wissensvorrat (Schütz/Luckmann 1979) als ‚Ablagerung‘ in Diskursuniversen tradiert wird. Ähnlich wie Mead und Schütz betont auch Michel Foucault die Zentralität der Kommunikation in seiner programmatischen Forderung, Diskurse „als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1988: 74). Diese Verweise auf die kommunikative Fundierung symbolischer Wissensordnungen, die die Beziehungen des Menschen zur Welt präformieren, führt Reiner Keller (2005) im Forschungsprogramm der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) zusammen. Die WDA versteht sich dabei als Teil der kommunikativen Wende (Knoblauch 1995) innerhalb der sozialkonstruktivistischen Ansätze, da sie untersucht, wie gesellschaftliche Wissensvorräte und Wirklichkeitskonstruktionen in den unterschiedlichsten Kommunikationsprozessen hergestellt, aufrechterhalten, weitergegeben und transformiert werden.
Saša Bosančić
Wissen-fokussierende Wirklichkeiten und ihre kommunikative Konstruktion
Zusammenfassung
In den vergangenen 30 bis 40 Jahren beschäftigt die Annahme, dass „Wissen“ und der massive Anstieg an (Informations- und Kommunikationstechnologie-basierter) Kommunikation zunehmend wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gestalten, wissenschaftliche Debatten, nationale Politiken und globale Entwicklungsdiskurse (Stehr 1994, 2001b). Gefasst unter den Leitbegriffen „Wissensgesellschaft“, der technikfokussierten „Informationsgesellschaft“ und der wirtschaftsorientierten „wissensbasierten Ökonomie“ wurde dies zunächst von Wissenschaftlern in Japan, den USA und Europa empirisch untersucht und konzeptionell aufgearbeitet. Von dort, und unter Ermangelung konzeptioneller Klarheit, traten die Begriffe und damit einhergehenden Konzepte in den Raum nationaler Politikgestaltung ein und prägten nationale Aktionspläne und Rahmenprogramme vieler Länder.
Anna-Katharina Hornidge
„Deine Stimme gegen Armut“ – Zur kommunikativen Konstruktion eines globalen Problems
Zusammenfassung
Die eingangs zitierten Worte der US-amerikanischen Politiktheoretikerin Amy Gutmann deuten an, was in einer plural verfassten Welt und aus ‚kommunikationskonstruktivistisch‘ aufgeklärter Sicht selbstverständlich ist. Es gibt verschiedene Arten und Weisen, über Armut zu sprechen; das heißt, es gibt verschiedene Arten und Weisen der Akzentuierung der mit Armut verbundenen Merkmalsbeschreibungen und Einzelphänomene, der Identifizierung und Interpretation materialer und sozialer Bedeutungskomponenten, der Suche nach verursachenden Faktoren und ‚Lösungsansätzen‘, der Skandalisierung, Moralisierung, Politisierung oder auch Bagatellisierung des Problemcharakters von Armut, nicht zuletzt der Problematisierung selbst, also der gesellschaftlichen Markierung von Armut als einem Sachverhalt, der gegebene symbolisch-institutionelle Ordnungen und moderne Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit, Teilhabe und des Anspruchs auf einen gewissen Lebensstandard mehr oder minder empfindlich stört oder zumindest vorübergehend irritierend: im Anblick eines vor Hunger ausgezehrten, sterbenden Kindes, eines im Müll nach Nahrung suchenden Alten, einer Bettlerin am Straßenrand und anderer, sei es unmittelbarer, sei es massenmedial vermittelter Begegnungen.
Angelika Poferl, Verena Walter
Kommunikationsregime: die Entstehung von Wissen um Medialität in kommunikativen Praktiken1
Zusammenfassung
Im Rahmen wissenssoziologischer Forschung liegt eine beeindruckende Anzahl von Einzelstudien zu akustischen Medien wie der Musik (Kurt 2009), Übertragungsmedien wie dem Radio (vgl. Knoblauch 1995), zum Geruch (Raab 2001), zu räumlich-theatralischen Medien wie dem Rollenspiel (Herbrik 2011) zu visuellen Medien wie Powerpoint (Schnettler und Knoblauch 2007), zu audiovisuellen Medien wie dem Amateurvideo (Raab 2008), zum Digitalmedium (Brosziewski 2003) und zum Online-Amateurvideo (Traue 2012) vor, um nur eine Auswahl zu nennen. Diese breite Beschäftigung mit Medien und den ihnen korrespondierenden Sinnhaftigkeiten verblieb aber bislang weitgehend auf der Ebene von Einzelstudien und wurde noch nicht in einer Diskussion zusammengeführt, in der die theoretischen Grundlagen der ‚neueren Wissenssoziologie‘ wiederum erneuert werden. Die Privilegierung der Sprache als Medium der Wirklichkeitskonstruktion schien deshalb bisher eine Schwäche dieser in den 1960er Jahren begründeten Wissenssoziologie zu sein.
Boris Traue

Situative Kontexte kommunikativer Konstruktion

Frontmatter
Organisationale Kommunikationsmacht
Die Einbeziehung indischer Flugbegleiter in eine globalisierte Airline
Zusammenfassung
Wirtschaftsorganisationen befinden sich im Virulenzstrudel der Globalisierung. Sie nutzen die Vorteile der Globalisierung, indem sie grenzüberschreitend tätig werden und ihre betriebswirtschaftlichen Aktivitäten auf internationale Märkte ausweiten. Sie verfolgen dabei selbstverständlich das Ziel, die Gewinne zu steigern. So erzielt „die Mehrzahl der deutschen DAX-30-Konzerne […] mehr als 50 % des Umsatzes im Ausland, beschäftigt dort mehr als 50 % seiner Mitarbeiter und ist – was weniger Beachtung findet – zu mehr als 50 % im Besitz ausländischer Aktionäre“ (Wiechern/Groth 2009: 48). Neben den wirtschaftlichen Vorteilen, die ohne Zweifel mit der Globalisierung für Unternehmen einhergehen, hält die Globalisierung für diese Unternehmen allerdings auch Herausforderungen bereit, auf die sie reagieren müssen, um die gesetzten Ziele erfolgreich global verfolgen zu können. Aus der Sicht des internationalen Personalmanagements beziehen sich diese Herausforderungen auf die mit der Globalisierung einhergehende Dezentralisierung der Belegschaft und der Verwaltung und auf die Einbindung der fremdkulturellen Mitarbeiter1 (vgl. Stahl et al. 2005; zur Einbindung neuer Mitarbeiter im besonderen Kieser u. a. 1990). Es geht um das Managen des Zusammenspiels der kulturell divergenten Wissensbestände und Deutungsperspektiven im gemeinsamen Arbeitsalltag (vgl. Olie/Köster 2005). Ein global aufgestelltes Unternehmen muss es schaffen, die einhergehende Einbindung fremdkultureller Mitarbeiter so zu gestalten, dass es seine Handlungsfähigkeit behält, um seine Produkte dann – gesteigert – absetzen zu können. Die Sicherung der Handlungsfähigkeit umfasst dann nicht selten die Sicherung der imagestiftenden Firmenidentität. Schaut man sich auf den Internetseiten der global operierenden Megaunternehmen um, so wird deutlich, dass über die Formulierung von Leitbildern traditionelle Firmenidentitäten als Verkaufsanreiz großzügig in Szene gesetzt werden. Unternehmen sind bei der Ausweitung ihrer betriebswirtschaftlichen Aktivitäten auf fremden Absatzmärkten dazu aufgefordert, sich auf diese Märkte einzustellen, ihre Dienstleistungen und Verkaufsstrategien den hiesigen Kulturräumen anzupassen, und dabei ihre identitätsstiftende Erkennbarkeit zu erhalten.
Richard Bettmann, Norbert Schröer
Das Imaginäre in der (Wissens-)Soziologie und seine kommunikative Konstruktion in der empirischen Praxis1
Zusammenfassung
Zu den erstaunlichsten Fähigkeiten des Menschen gehört es, sich auf Dinge beziehen zu können, die im Hier und Jetzt (oder überhaupt) nicht sinnlich erfahrbar sind, das bedeutet: die Ebene der sinnlichen Erfahrung mithilfe einer Fähigkeit zu überschreiten, die mal als Phantasie, mal als Einbildungskraft oder Imagination beschrieben worden ist. Doch was hat dieser Umstand in der Soziologie zu suchen ? Und warum soll sich soziologische Theorie mit dem Imaginären beschäftigen ? Auf den ersten Blick scheint es sich dabei doch um ein sehr spezielles Feld zu handeln, das nur für einige wenige Bereiche des menschlichen Lebens – wie die Kunst, die Literatur oder das Spiel – von Bedeutung ist. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch rasch deutlich, dass wir tagtäglich und im Rahmen unterschiedlichster Lebenswelten mit dem Imaginären befasst und konfrontiert sind. Wir pflegen überall dort Umgang mit ihm und nutzen es als Potential, wo wir entwerfen, planen, tagträumen, erfinden, aber auch Symbole benutzen oder bemüht sind, dasjenige, was wir über ein Gegenüber nicht wissen, mit eigenen Vermutungen und Annahmen aufzufüllen.
Regine Herbrik
Die kommunikative Konstruktion der Mathematik
Zur Rolle körperlicher Performanz im Umgang mit mathematischen Zeichen
Zusammenfassung
Mathematisches Wissen ist in besonderer Weise mit einem eigentümlichen Zeichensystem verknüpft, in welchem sowohl mathematische Gegenstände („Terme“) als auch mathematische Sachverhalte („Formeln“) ausgedrückt werden können. Treten Zeichen dieser Art in anderen Wissenschaften auf, so vor allem deshalb, weil man sich oft der Mathematik als eines Modellierungsinstrumentes bedient. Die enge Verbindung der Mathematik mit ihrem Symbolismus hat sogar dazu geführt, dass dieser bisweilen als ein Symbol zweiter Ordnung für jene als gesamte Wissenschaft fungiert – etwa als undurchdringlicher „Formelsalat“ auf Buchcovern oder in Karikaturen. Neben diesen populären Zuschreibungen gab es auch in der Philosophie der Mathematik immer wieder ernsthaftere Tendenzen, die Mathematik mit ihren in symbolischen Zeichen ausgedrückten Aussagen zu identifizieren. Dies gilt in besonderer Weise für Begründungsprogramme wie den Formalismus Hilberts, der die Mathematik zunächst als rein „formale“, syntaktische Manipulation von Zeichenreihen konzipiert, oder den Logizismus Freges, der die Mathematik auf wahre logische Axiome zurückführen will. Trotz ihrer Verschiedenheit und trotz ihres letztendlichen Scheiterns haben solche Konzeptionen dazu beitragen, dass sich in der Philosophie (und nicht nur dort) ein Bild von Mathematik verfestigt hat, in dem natürlich-sprachliche und körperliche-performative Rahmungen symbolischer Zeichen lediglich als Marginalien angesehen werden.
Christian Kiesow
Der Topos kultureller Vielfalt
Zur kommunikativen Konstruktion migrantischer ‚Zwischenwelten‘
Zusammenfassung
Die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern mit so genanntem „Migrationshintergrund“ – gleich ob mit oder ohne deutschen Pass – gilt gemeinhin als eines der Ziele politischen Handelns auf allen Entscheidungsebenen. Vor allem auf lokaler und kommunaler Ebene ist dieser Wunsch nach Teilhabe und Teilnahme von „Fremden“ an der lokalen Gemeinschaft interessanterweise häufig eng verwoben mit einer ausdrücklichen Zurschaustellung kultureller Differenz. Typischer Ort solcher Darbietungen sind öffentliche soziale Veranstaltungen. Dazu zählen Veranstaltungsformate wie national-historische Feiern, Länderabende, Musikveranstaltungen oder Workshops zu besonderen „kultur-typischen“ Praktiken wie Kochveranstaltungen oder Tanzkurse. Sie bilden wiederkehrende Foren performativer Darbietung von „Fremdheit“ ganz in unserer Nähe. Häufig werden dabei „fremde“, nun aber „mitten unter uns“ lebende Zeitgenossen eingeladen, allein oder als Teil einer Gruppe die kulturellen Besonderheiten ihrer anderen Herkunft zu präsentieren. Gerade in den Sommermonaten finden solche Darbietungen open air auf Interkultur-Festivals innerhalb größerer Städte ihren prominenten Ausdruck.
Bernt Schnettler, Bernd Rebstein, Maria Pusoma
Die kommunikative Video-(Re)Konstruktion1
Zusammenfassung
Das Konzept der kommunikativen Konstruktion der Wirklichkeit beschreibt einen Aspekt unserer sozialen Handlungen im Alltag besonders genau – aus soziologischer Perspektive den wichtigsten. Wir kommunizieren und schaffen durch unsere Kommunikation in verschiedensten Situationen eine geteilte Wirklichkeit – sei es durch gemeinsame Arbeitsaktivitäten, durch Lehr- und Lernsituationen, oder auch durch (scheinbar) beiläufige Tischgespräche und Small Talk über vergangene Ereignisse. Diese Konstruktionen von Wirklichkeit nehmen wir in verschiedensten Kontexten, vom Alltag bis hin zu Bereichen, in denen Sonderwissen produziert wird, vor. Insbesondere Experten und Professionen (Hitzler, Honer, & Maeder, 1994; Pfadenhauer, 2003) sind mit der Kommunikation über verschiedenste Gegenstände betraut – sie kommunizieren in einer bestimmten Art und Weise über Dinge, geben diesen eine Relevanz und konstruieren in der Gegenwartsgesellschaft das entsprechende Wissen darüber.
René Tuma
Backmatter
Metadaten
Titel
Kommunikativer Konstruktivismus
herausgegeben von
Reiner Keller
Jo Reichertz
Hubert Knoblauch
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Electronic ISBN
978-3-531-19797-5
Print ISBN
978-3-531-19796-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19797-5

Premium Partner