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28.03.2024 | Künstliche Intelligenz | Interview | Online-Artikel

"Schier unendliche Möglichkeiten"

verfasst von: Lea Sommerhäuser

4:30 Min. Lesedauer

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Im Interview betont Manuel Haug, Field CTO bei Celonis, dass die größte Herausforderung für den effizienten Einsatz von KI erfahrungsgemäß nicht technischer Natur ist.

Herr Haug, inwieweit hat es Künstliche Intelligenz (KI) bereits in die Führungsetagen der hiesigen Unternehmen geschafft?

Manuel Haug: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da der Grad der Durchdringung sehr stark variiert. Einige Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, sind schon heute sehr weit und setzen KI an den unterschiedlichsten Stellen ein. Das geschieht beispielsweise in Form von Chatbots oder virtuellen Assistenten im Kundenservice, bei der Prüfung von Bewerbungen und Lebensläufen im Personal-Management, bei der Analyse von Finanzdaten, der Erstellung personalisierter Marketingstrategien oder der Generierung von Verkaufsprognosen. Andere stehen hingegen noch ganz am Anfang und kratzen gerade einmal an der Oberfläche der schier unendlichen Möglichkeiten. Diese Unternehmen haben oft noch keine konkrete Vorstellung davon, wie tiefgreifend KI ihr Geschäftsfeld verändern kann. Und wieder andere haben sich der Herausforderung „KI“ noch gar nicht gestellt. Laut einer Studie von uns unter mehr als 1.200 Führungskräften weltweit ist die Technologie jedoch eindeutig auf dem Vormarsch: 89 Prozent der Befragten setzen Künstliche Intelligenz bereits aktiv in ihrem Unternehmen ein, Tendenz steigend.

Warum ist die wirksame Integration von KI in ein Unternehmen gar nicht so einfach?

Eine große Herausforderung bei der Implementierung von KI in Unternehmen liegt in der Sicherstellung der Validität ihrer Ergebnisse. Damit KI einen echten Mehrwert bietet, ist es essenziell, dass sie sinnvoll und zuverlässig agiert. Denn es kommt immer wieder vor, dass Large Language Models (LLMs) Falschinformationen als Fakten präsentieren, ein Phänomen, das als „Halluzinieren“ bezeichnet wird – z.B. wenn ChatGPT an einfachsten Rechenaufgaben scheitert. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Datensicherheit frei verfügbarer LLMs, da die Informationen, mit denen sie trainiert werden, das Unternehmen verlassen und oft nicht klar ist, für wen sie dadurch zugänglich werden. Um für die erforderliche Validität der LLM-Antworten zu sorgen, wird z.B. eine Technik namens Grounding genutzt. Dabei ruft das Modell (z.B. GPT) relevante Informationen aus einer umfangreichen Datenbank ab, um die Qualität und Relevanz der generierten Texte zu verbessern. Im Unternehmenskontext bilden ein einheitliches Datenmodell und die Integration von Prozessintelligenz die Grundlage für diese Informationen. Um den notwendigen Datenschutz zu gewährleisten, bieten sich Modelle an, die aus Metadatenmustern lernen. Private Hosting, wie es beispielsweise Azure OpenAI anbietet, ist ebenfalls ein wichtiger Ansatz, um unternehmenseigene Versionen von ChatGPT nutzen zu können. Auch wir verfolgen diesen Ansatz und stellen damit sicher, dass unsere Kunden von umfassend trainierten Modellen profitieren, ohne auf Datenschutz verzichten zu müssen. Die größte Herausforderung für den effizienten Einsatz von KI ist erfahrungsgemäß jedoch nicht technischer Natur: Unternehmen müssen bereit sein, sich beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf Veränderungen einzulassen. Ist dies nicht der Fall, wird immenses Potenzial verschenkt.

Inwieweit kann Prozessintelligenz an dieser Stelle aushelfen und KI in Unternehmen optimal nutzbar machen?

Durch das einheitliche Datenmodell moderner Process-Mining-Plattformen steht Unternehmen ein verlässlicher Datenpool zur Verfügung, der in Kombination mit Prozessintelligenz zu deutlich besseren und vor allem validen Ergebnissen führt. Diese Ebene ist der fehlende Baustein im KI-fähigen Unternehmens-Stack und ermöglicht schnellere und genauere Einblicke in Prozesse, eine bessere Prozessautomatisierung und eine sukzessive Produktivitätssteigerung. Bestes Beispiel sind falsche Ergebnisse bei Rechenaufgaben in ChatGPT: Fordert man dagegen den Chatbot auf, die Rechnung mit einem Taschenrechner zu lösen, liefert dieser stets korrekte Ergebnisse. Prozessintelligenz agiert ähnlich wie ein Taschenrechner. Wir kombinieren KI mit relevanten Prozessdaten und dem richtigen Prozesswissen, um Antworten oder Empfehlungen im Prozesskontext zu verankern und so eine präzise und kontextbewusste KI-Unterstützung zu bieten.

Warum ergänzen sich Process Mining und Künstliche Intelligenz gegenseitig?

Prozessintelligenz versteht Unternehmen wie kein anderes Tool. In Verbindung mit KI entstehen Lösungen, die Prozesse maßgeschneidert optimieren und dadurch das gesamte Unternehmen sowie seine Leistungsfähigkeit auf ein neues Niveau heben. LLMs, die durch Prozessintelligenz geprägt sind, passen sich individuell an die Charakteristika eines Unternehmens an und vereinfachen somit alltägliche Aufgaben und komplexe Prozesse. Mitarbeiter erfahren eine aktive Unterstützung durch KI-Modelle, die Antworten auf Fragen zu Geschäftsabläufen oder spezifischen Aufgabenbereichen liefern. Dies steigert die Effizienz jedes Einzelnen. In dieser Symbiose haben Process Mining und KI das Potenzial, die gesamte Geschäftswelt nachhaltig zu transformieren.

Was sollten Unternehmen jetzt tun, um anno 2024 das Beste aus KI herauszuholen?

Wer es noch nicht längst getan hat, sollte jetzt damit beginnen. In Deutschland sind wir oft übervorsichtig bei neuen Tools und Technologien. Umso wichtiger ist es, den Boom neuer KI-Anwendungen jetzt nicht zu verschlafen. Deutschland hat dabei mit seinem tiefgreifenden und industriespezifischen Wissen unserer führenden Unternehmen eine sehr gute Ausgangsbasis. Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz auf dieses Wissen bietet eine immense Chance. Durch das Erkennen von Mustern oder Abhängigkeiten und das Generieren von Empfehlungen, die auf diesem Wissen aufbauen, eröffnet sich für die deutsche Industrie die Möglichkeit, wieder zum Technologieführer zu avancieren. Der Weg zu einem vollständig KI-gesteuerten Unternehmen mag lang sein, ein sukzessiver Ansatz sorgt jedoch für Fortschritte bei gleichzeitig überschaubarem Aufwand und minimiertem Risiko.

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