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28.03.2024 | Künstliche Intelligenz | Im Fokus | Online-Artikel

Wie KI die Arbeitswelt verändert

verfasst von: Alexander Lorber

6:30 Min. Lesedauer

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Das Innovationspotenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) ist enorm. Daher ist es schon jetzt wichtig, das Fundament für eine positive Zukunft mit der neuen Technologie zu legen. Das neue KI-Gesetz der EU ist ein erster Schritt.

Dabei ist Künstliche Intelligenz längst im Alltag vieler Menschen angekommen: von Prozessen in der industriellen Fertigung, über Diagnoseunterstützung in der Medizin bis hin zu Know-Your-Customer-Prozessen im Finanzwesen. "Seit dem Launch von ChatGPT sind aber vor allem die Einsatzgebiete von generativer KI im Büroalltag ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt", sagt Lukas Rintelen, Mitgründer und Geschäftsführer von Tucan.ai. "KI kann beispielsweise in Meetings protokollieren, Zusammenfassungen erstellen, unternehmensinternes und externes Wissen intuitiv durchsuchbar und strategisch nutzbar machen." So müsse sich bald niemand mehr fragen, wo eine Datei abgelegt oder eine Information zu finden sei, sondern die KI finde es heraus. "Viele Menschen befinden sich gerade erst am Anfang, die enormen Produktivitätspotenziale – etwa von KI-Chatbots – für sich zu entdecken", meint Philipp Adamidis, CEO und Mitgründer von Quantpi. In vielen Branchen habe KI jedoch längst Einzug gehalten. In der Medizin etwa kämen KI-Tools in der Bildgebung und Robotik, in der Diagnostik, aber auch in der Analyse von Gesundheitsdaten zum Einsatz. Auch im Finanz- und Versicherungswesen leiste KI etwa in der Risikobewertung schon jetzt wertvolle Dienste. Und in der Automobilbranche wäre die Revolution des autonomen Fahrens ohne KI-Einsatz kaum denkbar.

Zwischen Angst und Zuversicht

Wie bei jeder anderen innovativen Technologie, von den ersten Maschinen bis hin zum Computer, überwiegt auch bei KI zunächst die Angst vor dem möglichen Schaden, statt der Gedanke an die potenziellen Vorteile. Schließlich ist KI in der Lage, viele Tätigkeiten im Arbeitsalltag zu übernehmen, die früher von Menschen übernommen wurden. Sascha Poggemann, Co-Founder und Chief Operating Officer (COO) von Cognigy: "Ein Beispiel: Den Beruf des Telefonisten gibt es nicht mehr, aber dafür zahlreiche neue Arbeitsplätze, die überhaupt erst durch Innovationen in der Telefontechnologie und Mobiltelefonie entstanden sind." Laut Microsoft Work Trend Index 2023 befürchten zwar 49 Prozent der Befragten, dass KI ihre Jobs überflüssig machen könnte, dennoch würden 70 Prozent gerne so viele Aufgaben wir möglich an eine KI abgeben, um ihre Arbeitslast zu reduzieren. "Wir müssen uns vor Augen halten, dass KI ein technisches Hilfsmittel ist – und niemals ein Ersatz für einen Menschen sein kann", betont Lukas Rintelen. Diese Sichtweise teilt auch Prof. Dagmar M. Schuller, CEO und Mitgründerin von Audeering: "Es geht weniger darum, dass Personen komplett durch KI ersetzt werden oder Arbeitsplätze von ihr verdrängt werden, sondern vielmehr darum, dass diejenigen, die KI effektiv nutzen können, einen Vorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern haben werden." Zudem werden auch völlig neue Berufe entstehen, wie beispielsweise KI-Manager, die KI-Assistenten steuern und verwalten oder Conversation Designer, die für die Gestaltung natürlicher Dialoge zwischen Mensch und Maschine verantwortlich sind. "Überall dort, wo bereits große Datenmengen und detailliert beschriebene Prozesse zur Verfügung stehen, lässt sich KI sehr gut trainieren und kann rasch eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen", erklärt Philipp Adamidis. Neue Berufe werden auch im IT-Bereich entstehen: So werden KI-Sicherheitsexperten und auf KI spezialisierte Datenanalysen künftig eine wichtige Rolle spielen. "KI wird Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche des Menschen haben. Wir werden in der Arbeitswelt eine Effizienz- und Produktivitätssteigerung ungeahnten Ausmaßes erleben", ist Adamidis überzeugt.

Innovation in fast allen Lebensbereichen

Prof. Dagmar M. Schuller geht davon aus, dass das enorme Innovationspotenzial von Künstlicher Intelligenz nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft und der Wirtschaft durchdringen wird: "In der Medizin kann KI Ärzten bei der Diagnosestellung und der weiteren Behandlung von Krankheiten unterstützen, indem sie riesige Mengen an medizinischen Daten analysiert, um frühere und präzisere Behandlungswege zu entwickeln." Und im Bereich "Automotive" müsse es gar nicht erst um Autonomes Fahren gehen. KI könne auch dafür genutzt werden, den Straßenverkehr sicherer zu machen, "indem Fahrer basierend auf dem Fahrverhalten und Umwelteinflüssen automatisiert Strecken, Geschwindigkeiten und Pausen vorgeschlagen bekommen", so Schuller. Im Verwaltungsbereich biete KI die Möglichkeit, verbesserte Dienstleistungen für die Bürger bereitzustellen. Im Finanzsektor könne KI Entscheidungsprozesse durch die Analyse von Marktdaten unterstützen, um Risiken zu minimieren und gleichzeitig die Renditen zu maximieren. Und nicht zu vergessen sei auch das Thema "Erneuerbare Energien", wo KI nicht zuletzt dazu beitragen könne, den Energieverbrauch zu optimieren und die Nutzung nachhaltiger Energiequellen zu maximieren. "Gerade dieser Punkt ist im Zeitalter des Klimawandels überlebenswichtig – ohne nachhaltige und kluge Innovationen wird sich der Zustand unserer Umwelt immer weiter verschlechtern. Das gilt es durch Innovation zu verhindern", mahnt Schuller.

Vertrauen stärken, Skepsis abbauen

"KI ermöglicht es uns, komplexe Probleme schneller zu lösen und die Grenzen dessen, was technologisch möglich ist, zu verschieben", sagt Sascha Poggemann und unterstreicht zugleich die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI: "Der verantwortungsvolle Einsatz von KI beginnt bereits in der Entwicklungsphase, in der Fragen der Transparenz, Erklärbarkeit sowie zum Datenschutz und zur Herkunft der Trainingsdaten geklärt werden müssen." Denn KI lerne und verändere sich mit der Zeit und benötige aus diesem Grund kontinuierliche Überwachung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin die gewünschte Leistung erbringe und den vorher definierten ethischen, regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen entspreche. "In Zukunft wird es deshalb KI-Beauftragte geben, die sich – ähnlich wie Datenschutzbeauftragte heute – mit den ethischen, Compliance-relevanten oder datenschutzrechtlichen Aspekten der KI-Nutzung beschäftigen und deren Einhaltung überwachen", erklärt Poggemann. "Das Wichtigste ist Transparenz", meint auch Lukas Rintelen. "Vor allem im Arbeitsalltag müssen wir uns darauf verlassen können, dass die Antwort einer KI auf den zur Frage passenden Datenquellen beruht und somit korrekt ist. Die Antwort muss zu 100 Prozent nachvollziehbar sein", so der Experte. "Gleichzeitig muss KI auf unserem europäischen Wertekanon basieren." Hier wären die Anbieter von KI-Lösungen in der Pflicht. Die Unternehmen müssten ihre Mitarbeiter im sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit generativer KI schulen. Gleichzeitig sollten Arbeitgeber die Motivation und Neugier ihrer Beschäftigten fördern, KI in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. "Der Einsatz von KI muss zu einer Selbstverständlichkeit werden, so wie es heute E-Mails, Chat-Nachrichten oder Videoanrufe sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass Unternehmen, die das rechtzeitig erkennen und umsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben werden", erklärt Rintelen.

Ein Fundament für Europas Technologiezukunft

Im März 2024 gab das Europäische Parlament grünes Licht für den "EU AI Act", das neue KI-Gesetz der EU. Für den Einsatz von KI sollen in der EU künftig strengere Regeln gelten. "Ein solch komplexes Regelwerk bietet selbstverständlich immer Anlass zu Kritik", weiß Philipp Adamidis. "Auch ob die konkrete Umsetzung in den Unternehmen immer reibungslos gelingen wird, wird sich in den kommenden Jahren, bis das Gesetz endgültig in Kraft tritt, zeigen." Grundsätzlich hält es der Experte aber für begrüßenswert, dass sich die Europäische Union zu einem so umfassenden Gesetz durchringen konnte. "Nur wenn Hersteller und Anwender von KI-Lösungen Rechtssicherheit haben, wird die KI-Transformation erst richtig Fahrt aufnehmen können", so Adamidis. Das sieht Patrick Heinen, Senior Director Solution Engineering und KI-Experte bei Salesforce, ähnlich: "Unser Unternehmen ist der Ansicht, dass die vertrauenswürdige Nutzung von KI nur dann möglich ist, wenn Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um verantwortungsvolle, sichere und weltweit interoperable KI-Rahmenbedingungen zu schaffen. Der EU AI Act hat die KI-Diskussion auf der ganzen Welt entscheidend vorangebracht."