Lean Management in Krankenhäusern

Der stationäre Sektor befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Neben demografischen, technischen, medizinischen und soziokulturellen Veränderungen haben insbesondere die im Jahr 2001 veränderte Leistungsabrechnung und die in 2004 erfolgte Anerkennung der ärztlichen Bereitschaft als Arbeitszeit wesentliche Änderungen der bis dato geltenden Rahmenbedingungen begründet.¹ Diese Gesetzesänderungen haben den Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsdruck im stationären Sektor, insbesondere für Häuser in öffentlicher Trägerschaft, deutlich erhöht.² Albrecht/ Töpfe r (2006) verweisen auf Hochrechnungen, wonach bis zum Jahr 2020 etwa 25% der heutigen Krankenhäuser ihre Aktivitäten einstellen müssen.³ Zudem hat die Änderung der Arbeitszeitregelung für Ärzte den vielfach beklagten Fachkräftemangel zusätzlich verschärft.⁴ Aufgrund der infolge der DRG-Einführung gesunkenen Verweildauern von Patienten und des zunehmenden Bettenabbaues gewinnen die Patienten-, Einweiser- und Krankenversichererbindung an strategischer Bedeutung.⁵ Im Wettbewerb um Patienten und Mitarbeiter eröffnet sich für das Management vieler Krankenhäuser in Deutschland ein triadisches Spannungsfeld zwischen effizienter Leistungserbringung, Mitarbeiter- sowie Kundengewinnung und -bindung.

Um die eingangs formulierten Forschungsfragen einer empirischen Prüfung zugänglich machen zu können, stehen aus wissenschaftlicher Sicht entweder das induktive oder das deduktive Vorgehen zur Auswahl.113 Wie einleitend dargelegt, zählt die Anwendung des Lean Managements im stationären Sektor in Deutschland zu den vergleichsweise jungen Entwicklungen,¹¹⁴ weswegen für die empirische Studie eine induktive Vorgehensweise unter Konsultation eines Kooperationshauses gewählt wird.

Um empirisch Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Lean Hospital in akutstationären Einrichtungen identifizieren zu können, ist es zunächst erforderlich, die dabei interessierenden Wirkungszusammenhänge mit Hilfe bewährter Theorien zu formulieren und in ein Forschungsmodell zu integrieren. Im Hinblick auf die eingangs formulierten Zielsetzungen der Arbeit ist somit ein Forschungsmodell herzuleiten, welches sowohl Wirkungszusammenhänge zur Erklärung des Adoptionsverhaltens der Krankenhausmitarbeiter formuliert (Kapitel 3.1), mögliche Cross-Level-Effekte von der Ebene des Krankenhausmanagements auf die Mitarbeiter betrachtet (Kapitel 3.2) sowie Kausalzusammenhänge auf Ebene der Patienten (Kapitel 3.3) und im Mitarbeiter- Patienten-Kontakt (Kapitel 3.4) abbildet.

Das Ziel der empirischen Studie ist es, die in Kapitel 3 formulierten Wirkungszusammenhänge empirisch zu testen, um darauf aufbauend Implikationen für weiterführende wissenschaftliche Arbeiten sowie die Krankenhauspraxis abzuleiten. In Vorbereitung auf die in Kapitel 5 folgenden Auswertungen der Studienergebnisse, werden nachfolgend zunächst die Ergebnisse der Vorstudien erörtert (vgl. Kapitel 4.1). Darauf aufbauend wird das gewählte Studiendesign vorgestellt (vgl. Kapitel 4.2), die Befragungsstichproben hinsichtlich Repräsentativität und Non-Response-Bias geprüft (vgl. Kapitel 4.2.2) sowie einen Überblick über die im Rahmen der Studienauswertung anzuwendenden Gütekriterien und Auswertungsverfahren gegeben (vgl. Kapitel 4.3).

Zur Ableitung von Einfluss- und Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Lean Management im Akutklinikbereich wurden in Kapitel 1.3 vier Forschungsfragen formuliert. Um diese vier Forschungsfragen einer empirischen Überprüfung zugänglich zu machen, wurden vorhergehend in Kapitel 3 zunächst theoriegeleitet Wirkungszusammenhänge und Forschungshypothesen abgeleitet, die es nun nachfolgend in den Kapiteln 5.2 bis 5.5 mit Hilfe der in Kapitel 4 vorgestellten Verfahren zu überprüfen gilt. Um die Ergebnisse der Hypothesenprüfung in den Untersuchungskontext einbinden zu können, werden in Abschnitt 5.1 zunächst die Ergebnisse des EA-CA-Experiments ausgewertet.

Ausgehend von den gewonnenen Erkenntnissen aus der empirischen Studie und den aufgezeigten Grenzen der Untersuchung werden nachfolgend Implikationen für die weitere wissenschaftliche Forschung (Kapitel 6.1) und die Krankenhauspraxis (Kapitel 6.2) abgeleitet.

Ausgehend von der aktuell erkennbaren Hinwendung des stationären Sektors zu den Prinzipien des Lean Hospitals, strebte die hier vorliegende Untersuchung nach Erkenntnissen darüber, welche Erfolgsfaktoren auf Ebene der Krankenhausmitarbeiter über deren Adoption von Lean Hospital als Teil ihrer Unternehmenskultur entscheiden und inwiefern sich durch Lean Hospital bedingte Veränderungen in Prozessen und Strukturen positiv auf die Patientenbindung auswirken.