Erfolgreiche Unternehmen müssen Anforderungen genügen, die in der Vergangenheit stetig gestiegen sind und — nicht zuletzt durch den zunehmenden Standortwettbewerb im Zuge der Globalisierung — in Zukunft weiter steigen werden. Die Marktforderung nach individuellen Produkten bei gleichzeitig möglichst geringen Lieferzeiten und hoher Termineinhaltung ist nur mit flexiblen Wertschöpfungsprozessen zu erreichen. Darüber hinaus wird stabile Qualität auf hohem Niveau bei konkurrenzfähigen Kosten und hoher Auslastung gefordert. Diese Quadratur des Kreises erfordert die konsequente Ausschöpfung sämtlicher Kosten-und Leistungsreserven innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens.
Die Grundidee von Lebenszykluskosten (LCC) ist, nicht nur die unmittelbaren Kosten, die mit dem Erwerb eines Investitionsgutes zusammenhängen, sondern auch die Kosten für den Betrieb, die Wartung und die Instandhaltung zu berücksichtigen. Beispiele aus dem täglichen Leben zeigen, dass schon lange unbewusst Entscheidungen auf Basis dieser Überlegungen getroffen werden. Wie sonst könnte der Siegeszug von Diesel-Pkw erklärt werden. Die Käufer haben die Vermutung, dass der höhere Einstandspreis sich über einen geringeren Kraftstoffverbrauch und einer höheren Lebensdauer rechnet.
Die Beachtung der Lebenszykluskosten in Relation zum Erstinvest, sowohl bei der Beschaffung eines neuen Investitionsgutes als auch bei der Produktentwicklung, ist im Prinzip nicht neu. Das Grundkonzept der Lebenszykluskostenanalyse wurde in den 1930er Jahren zunächst hauptsächlich für Großprojekte beim Militär entwickelt und hat sich spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts auch in der Werkzeugmaschinenindustrie etabliert.
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Die Daimler AG, damals noch DaimlerChrysler, suchte Anfang dieses Jahrzehnts nach Optimierungsmöglichkeiten in der Instandhaltung von Produktionsanlagen. Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten dieser Anlagen sollte intensiviert werden und insbesondere die technische Verfügbarkeit der Anlagen auch nach der Gewährleistungszeit von zwei Jahren verbessert werden. Es stellte sich die Frage, wie schon bei der Beschaffung von Anlagen die Qualität der Maschinen nach der Gewährleistung für einen langen Zeitraum bewertet und verglichen werden könnte.
Für produzierende Unternehmen haben die Betriebskosten der Produktionsanlagen einen großen Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Um diese in der Investitionsentscheidung besser berücksichtigen zu können, eignet sich eine vollständige Betrachtung der so genannte Lebenszykluskosten (LCC) der eingesetzten Maschinen und maschinellen Anlagen. Darunter wird „die Summe aller zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer [...] Maschine oder Anlage erforderlichen Aufwendungen von der Anschaffung bis zur Entsorgung“ verstanden (VDMA, 2007, S. 3).
Im heutigen Wettbewerbsumfeld bestimmen die Anwender den Nutzen eines Investitionsgutes wie einer Werkzeugmaschine zunehmend nicht mehr nur durch die über die technischen Daten bestimmten Produktivitätswerte, sondern sie stellen eine ganzheitliche Nutzenbetrachtung über die Einsatzdauer in den Vordergrund.
Neben der Führungsposition im Export stellen Maschinen- und Anlagenbauer die meisten Arbeitsplätze in Deutschland. Als Schlüssel zum Erfolg werden Entwicklungstätigkeiten gesehen (VDMA 2004). Dabei sind Werkzeugmaschinen das Kronjuwel in der deutschen Maschinenbauindustrie. Ohne ein Produkt aus diesem Industriezweig kann nahezu kein anderes Investirionsoder Konsumgut entstehen. Der internationale Wettbewerb kennzeichnet sich durch die kundenseitige Forderung nach leistungsfähigen, qualitativ hochwertigen und zuverlässigen sowie kundenindividuellen Produkten. Dem entgegen steht ein zunehmender Preisverfall am Markt, da für viele Käufer der Anschaffungspreis einer Werkzeugmaschine bei der Beschaffung neuer Fertigungsanlagen im Vordergrund steht. Aber immer mehr Kunden schließen eine Kalkulation der gesamten, über den Lebenszyklus einer Werkzeugmaschine anfallenden Kosten bei der Kaufentscheidung mit ein.
Die Kunden der Investitionsgüterindustrie erkennen zunehmend, dass es für eine Abwägung zwischen alternativen Angeboten verschiedener Investitionsgüterhersteller nicht ausreicht, sich auf einen Preis-Leistungsvergleich zu beschränken. Da die über die gesamte Lebens- und Nutzungszeit eines Investitionsguts anfallenden Kosten meist nur zum kleineren Teil durch die Anschaffungskosten determiniert werden, rücken zunehmend bereits beim Angebotsvergleich auch die Kostenarten ins Blickfeld, die nach der Investition anfallen.