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17.08.2016 | Leichtbau | Nachricht | Online-Artikel

Neuartige thermoplastische Composite-Strukturen mit Schaumkernen

verfasst von: Ulrich Knorra

4 Min. Lesedauer

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Sandwichstrukturen bieten der Luftfahrtindustrie ausgezeichnete Leichtbau-Eigenschaften. Bislang vor allem Sandwich-Strukturen mit Decklagen aus carbonfaserverstärkten und mit Epoxidharz imprägnierten Prepregs, die in aufwändigen Verfahren auf Aramid-/Phenol-Wabenkerne aufgebracht werden.

Diese Technologie dominiert bislang beim Interieur von Hubschraubern und Flächenflugzeugen. Bei Hubschraubern, die in geringeren Höhen als Flächenflügler operieren, kommen die Wabensandwichs auch für Tragstrukturen und Verkleidungen zur Anwendung. Bei großen Verkehrsflugzeugen schränkt die Physik den Anwendungsbereich ein: Durch die großen Flughöhen und die damit verbundenen Temperaturschwankungen könnte sich in den Waben Kondenswasser bilden, bei Frost ausdehnen und Schäden verursachen. Außerdem bremsen der hohe Herstellungsaufwand mit viel Handarbeit und hohe Investitionen in Autoklaven die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der konventionellen Wabenstrukturen.

Diese Situation erklärt, warum Airbus Group Innovations mit Unterstützung der Universität Bayreuth ein Forschungsprojekt auflegte, das die kostengünstige Herstellung hochfester, federleichter Strukturen ohne den störenden hygroskopischen Effekt zum Ziel hat. Im ersten Entwicklungsschritt wurde eine Potenzialanalyse aller bekannten Systeme durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass Wabenkerne aus CFK zu teuer sind und alle duroplastischen Harz-Härter-Lösungen an den langen Aushärtezeiten scheitern. Weiterhin offenbarte sich, dass die Umstellung der Decklagen von CFK auf GFK nicht möglich ist, zumal sich eine zu große Materialdicke und ein zu hohes Flächengewicht ergeben. Schließlich stand der nur aufwändig automatisierbare Herstellungsprozess jeglicher Wabenstrukturen den Forschungszielen entgegen.

Aus dieser Sachlage heraus wurden systematisch die Möglichkeiten des Einsatzes von Schaumkernen untersucht, so auch die in der Luftfahrt vielfach verwendeten Polymethacrylimide (PMI). Um zu kurzen Zykluszeiten zu kommen, wurden die vorimprägnierten Prepregs für die duroplastischen Decklagen durch CFK-Organosheets mit thermoplastischer Matrix mit einer Dicke von rund einem halben Millimeter ersetzt. Diese Decklagen wurden auf die Schaumkerne aufgebracht, konnten aber in Bezug auf die Scher- und Druckfestigkeit nicht die gestellten Anforderungen erfüllen.

"Deshalb galt der nächste Entwicklungsschritt der Verstärkung der Schaumkerne", berichtet Dr. Christian Weimer, der bei Airbus Group Innovations den Hauptbereich Verbundmaterialien mitsamt der zugehörigen Prozessentwicklung leitet. "Wir entschieden uns zunächst für die Verstärkung der Schaumkerne durch das Einnähen von CFK-Faserbündeln – quasi als Abstandshalter zwischen den beidseitigen Deckschichten." Hierfür entwickelte Airbus eigens eine Nähmaschine. Anfänglich konnte diese Maschine die CFK-Fasern nur in einem Winkel von 90 Grad zur Schaumoberfläche einbringen. "Um über die erzielte Druckfestigkeit hinaus auch die Scherfestigkeit zu steigern", erinnert sich Team-Mitglied Jonas Grünewald, "nahmen wir das Einziehen der Verstärkungsfäden in Winkeln bis zu 45 Grad in Angriff."

Auf diese Weise wurde sowohl die erforderliche Scher- als auch die Druckfestigkeit erreicht. "Zugleich zeigte sich", fügt Airbus-Entwickler Tilman Orth hinzu, "dass Dank der Verstärkungen auch ein um rund 20 kg/cm3 reduziertes Schaumgewicht ausreicht." Vor allem, "wenn die Möglichkeit der nähtechnischen Verstärkung genutzt wird und die Fäden hinsichtlich ihrer Orientierung und Rasterdichte partiell den Kraftflusslinien des jeweiligen Bauteils angepasst werden", erläutert Dr. Weimer. Entsprechend präparierte Schaumkerne sehen aus wie eine Bürste, deren vorimprägnierte Fasern beidseitig herausragen. Vor dem Aufbringen der Decklagen werden die Faserbündel "flachgebügelt" und anschließend bei einer Zykluszeit von weniger als einer Minute mit den thermoplastischen CFK-Decklagen stoffschlüssig verbunden. Unter den Aspekten der chemischen Beständigkeit und des Recyclings wurden zusätzlich zu den PEI-Schäumen auch erfolgreich Versuche mit PEEK-Schäumen unternommen.

Die jüngste Entwicklung, die das Forscherteam am 12. Oktober auf der Kongressmesse ITHEC in der Messe Bremen vorträgt, stellt einen Lösungsansatz dar, bei dem die nähtechnisch relativ aufwändig einzubringenden Carbonfasern durch vorkonfektionierte Faserstifte ersetzt werden. "Mit diesen lassen sich die Schaumkerne ohne Nadeln wirtschaftlich bestücken – auch wenn die Kraftbrücken zur Herstellung von Freiformelementen in unterschiedlicher Länge, Orientierung und Dichte eingebracht werden müssen", erklärt Weimer. Zugleich fasst er die Hauptvorzüge der thermoplastischen Schaumcomposites übersichtlich zusammen:
- Die Faserbündel bzw. Stifte, die durch den Schaum hindurch die Sandwich-Decklagen verbinden, erhöhen die Druckfestigkeit und die Scherfestigkeit der Sandwichbauteile.
- Die Schaumkerne können wärmetechnisch mit den Decklagen stoffschlüssig verbunden werden.
- Dank der thermoplastischen Matrix können die CFK-Schaum-Composites mit anderen Bauteilen verschweißt werden.
- Die geschäumten Sandwiches lassen sich auf Spritzgießmaschinen zu Bauteilen mit komplexer Formgebung umspritzen.
- Der sortenreine Einsatz von Schaum und Matrixwerkstoff ermöglicht ein preiswertes Recycling der Bauteile und die Rückgewinnung der Kohlenstofffasern.
- Gegenüber Sandwiches mit Wabenkernen bildet sich in den Schaumkernen kein Kondenswasser.
- Der Schaum bewirkt eine sehr gute Wärme- und Schalldämmung.

Bei Luftfahrt-Interieur als Ersatz der duroplastischen Sandwiches mit Wabenkernen und sogar bei Heckauslegern von Helikoptern sieht Weimer vorrangig Chancen für die Neuentwicklung. Denkbar seien darüber hinaus Anwendungen im Automobilbau, auch wegen der Option, die Sandwichs im Thermoformverfahren mit großer Formgebungsfreiheit umzuformen. Spritzwände für Autos, oder Kerne für Fahrzeugtüren oder Sitze seien gleichermaßen vorstellbar. Auch Wände und Dächer von Reisemobilen könnten prinzipiell mithilfe der ausgesteiften Schaumkern-Sandwichs hergestellt werden – vor allem, wenn anstelle der recht teuren Kohlenstofffasern Glasfasern zum Einsatz kommen. Weitere Informationen: http://www.ithec.de

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