2008 | OriginalPaper | Buchkapitel
„Les princes sont des dieux“. Zum Religionsbegriff des französischen Staates
verfasst von : Clemens Pornschlegel
Erschienen in: Der Begriff der Religion
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Es wird im Folgenden nicht darum gehen, den Religionsbegriff des französischen Staates in einem historischen Gesamtüberblick darzustellen, d. h., das Verhältnis von Kirche und Staat ausgehend von Philipp dem Schönen über die Pragmatische Sanktion von Bourges, die Regentschaften Heinrichs IV. und Ludwigs XIV., die verschiedenen Revolutionsverfassungen, das Napoleonische Empire, die Restauration bis hin in die V. Republik nachzuzeichnen. Vielmehr geht es um eine
historische Problematisierung
des republikanischen Religionsverständnisses, wie es der gegenwärtigen, juristisch auf das Trennungsgesetz von 1905 zurückgehenden Gesetzgebungspraxis der laizistischen französischen Republik
implizit
zugrunde liegt, zum Beispiel dem bekannten, dennoch nicht einfach verständlichen Schulgesetz von 2004, das in allen öffentlichen französischen Schulen das Zur-Schau-Stellen religiöser Symbole strikt verbietet. Im Unterschied zur laizistischen Gesetzgebung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, als es in erster Linie darum ging, Schulen und Universitäten zu verstaatlichen und zu republikanisieren‘, ist das Gesetz von 2004 politisch nicht mehr an den katholischen Klerikalismus beziehungsweise den Ultramontanismus adressiert, sondern an den Islam, der die Republik aufgrund seiner spezifischen Nicht-Institutionalität vor eine neue Situation stellt. Um den Religionsbegriff der französischen Republik verständlich zu machen, der dem rigiden Verbot zugrunde liegt, bietet sich ein institutionengeschichtlicher Rückblick an, der auf den ersten Blick vielleicht überraschend erscheinen mag, der sich analytisch aber als überaus fruchtbar erweist, nämlich der Rückblick auf die Institution der absolutistischen Staatskirche im
Royaume de France
, also auf den Gallikanismus‘ unter Ludwig XIV., wie er in der
Declaration des Quatre articles gallicans
von 1682 und noch mehr dann in der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 seinen Ausdruck gefunden hat. Die
laicité
der französischen Republik und ihrer Institutionen wird in ihrem die Religion ausschließenden Charakter in der Tat nur dann verständlich, wenn man sie auf das Religionsverständnis des absolutistischen französischen Zentral-Staates rückbezieht, wie es sich bereits vor der revolutionären Zäsur von 1789 ausgebildet hat.