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2018 | Buch

Liebe – eine Tugend?

Das Dilemma der modernen Ethik und der verdrängte Status der Liebe

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Über dieses Buch

M. Stockers bekannte Diagnose einer schizophrenen Situation der beiden Hauptstränge der modernen Ethik – Deontologismus und Konsequentialismus – und die Diagnose C. Halbigs eines Scheiterns der modernen Tugendethik hinterlassen den Eindruck einer aporetischen Situation. Die Autoren stellen sich dieser Frage angesichts der damit verbundenen Verblassung sowohl des Tugend- als auch des Liebesbegriffs in der Neuzeit. Sie erschließen die Systematik des Verlorengegangenen (Aristoteles, Thomas von Aquin, Duns Scotus), im Blick auf ethische Entwürfe, die eine Neubesinnung in der Überwindung der Dilemmata anstreben (Pieper, Spaemann), und fordern zu weiterer Durchdringung auf.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
In den modernen Ethik-Diskurs hinein die Frage zu stellen, ob die Liebe eine Tugend ist oder nicht, wirkt auf den ersten Blick sicherlich ein wenig befremdlich. Ist es nicht so, dass der Begriff der Liebe zwar im alltäglichen Gebrauch durchaus hoch im Kurs stehen kann, aber als ein Begriff, der wissenschaftlich und systematisch Entscheidendes zu bieten hätte, spätestens seit dem teilweisen (!) Verdikt Kants nach wie vor als obsolet gilt? Wie eine gelinde Mahnung wird er in jüngerer Zeit mehrfach in Erinnerung gerufen, so dass seine Wichtigkeit irgendwie vor Augen tritt, aber all diese Bemühungen haben ihre innere Grenze vor dem Richterstuhl der etablierten Ethiken, die mit ihren Methoden ihm nichts Wesentliches abgewinnen, geschweige denn einen systematischen Status zuerkennen können.
Winfried Rohr

Einführung in die Fragestellung

Frontmatter
Der Begriff der Liebe, die Bestimmung der Tugend und die Kategorie des Habitus
Die Neubestimmung der Tugendlehre bei Thomas von Aquin
Zusammenfassung
Thomas von Aquin versteht wie Aristoteles Liebe (amor) als eine Leidenschaft, die heilige Liebe (caritas) aber als Tugend. Sie ist freilich nicht eine neben anderen Tugenden, sondern sogar die Form der Tugenden. Damit setzt sich Thomas zwar einerseits von Petrus Lomardus ab, der an die Stelle eines Tugendhabitus den Hl. Geist setzt. Dies macht nämlich die Zuschreibung der Liebe als Haltung des Menschen unverständlich. Wenn Thomas aber anders als Aristoteles die Liebe als Tugend und sogar als deren Form versteht, dann deswegen, weil die Tugenden als Handlungsdispositionen gefasst werden, zu denen zugleich eine Neigung zu entsprechendem Handeln gehört. Dies kann aber nicht als ein psychologischer Gewöhnungseffekt interpretiert werden, da die Tugenden auf endliche Güter gerichtet sind, diese aber ihrerseits auf in dem einen unendlichen Gut begründet liegen. Die Bejahung, die darauf gerichtet ist, fasst Thomas als caritas. Diese wird daher auch nicht wie sonstige Tugenden durch entsprechende Akte erworben. Die thomasischen Untersuchungen des Tugendbegriffs sind zugleich von einer ausgearbeiteten Analyse sowohl des Habitus als einem Mittleren zwischen Potenz und Akt wie auch des Tugendbegriffs selbst getragen. Thomas versucht dabei, den handlungstheoretischen Sinn von virtus als Tugend mit dem außermoralischen Sinn als Kraft zu verbinden.
Rolf Schönberger
Caritas als Vollendung der Liebe
Zur Bedeutung von Tugend und Liebe nach Josef Pieper
Zusammenfassung
Der Beitrag verfolgt ein doppeltes Ziel. Es soll zunächst gezeigt werden, dass die Begriffe „Liebe“ und „Tugend“ abhängig sind von dem jeweils vorausgesetzten Begriff einer menschlichen Natur. Im Rückgriff auf Thomas von Aquin entwickelt Josef Pieper sowohl den Tugendbegriff wie den Begriff der Liebe als Fortsetzung und Weiterführung einer naturhaft (von Schöpfungs wegen) vorgegebenen Verwirklichungsdynamik in der Entgegensetzung zur neuzeitlichen Konzeption naturhafter Selbstbezüglichkeit. Tugenden werden so als Tugendpflichten (miss-) verstanden, weil die naturhafte Selbstliebe ethisch nicht anschlussfähig ist. Vor diesem Hintergrund werden dann Piepers inhaltliche Unterscheidungen am Phänomen „Liebe“ dargelegt mit dem Ziel, den Horizont der Ethik auf die mit der caritas-Liebe verbundene Wahrnehmung des Einzelnen zu weiten. Liebe bedeutet immer Gutheißung, welche nicht zuerst die Eigenschaften, sondern die Existenz des Anderen meint. Ihre Wirkung sieht Pieper in der Öffnung des Daseinsraums, die den Liebenden über sich selbst hinausführt und in der Teilhabe am Sein des Anderen glücklich macht. Erst durch die Liebe tritt der Andere als Subjekt in Erscheinung. Das Fehlen der Perspektive der Liebe ist der entscheidende Mangel in den neuzeitlichen Ethiktheorien.
Berthold Wald
Liebe und ,Haben der Natur‘
R. Spaemanns Reaktion auf die Grundlegungen neuzeitlicher Ethik
Zusammenfassung
Die entgegengesetzte Bestimmung der Gottesliebe auf cartesischer Grundlage bei Fénelon und Bossuet trotz der Bezugnahme beider Denker auf Thomas von Aquin wird von R. Spaemann als Weichenstellung für die Ausprägung deontologischer und konsequentialistischer Ethik gedeutet. Der Begriff der caritas ist in Spaemanns Reaktion darauf Kriterium und Ansatzpunkt sowohl für den erkenntnistheoretischen und ethischen Zugang zur Wirklichkeit jenseits der Subjekt-Objekt-Spaltung als auch für die Gewinnung des Naturbegriffs jenseits der neuzeitlichen natura pura. Das ,Haben der Natur‘ kraft der Reflexivität der Vernunft bietet in Spaemanns Denken den Ansatz für eine ontologische Integration der Tugend im Sinne der „Selbst-Inbesitznahme“ (Aristoteles), so dass Liebe und Tugend sich als komplementär erweisen.
Winfried Rohr
Ein Mangel an Liebe?
Die Konzepte der Fürsorge und des Naheseins in der modernen Tugendethik
Zusammenfassung
Über den Begriff der Liebe wird in der akademischen Philosophie wieder viel nachgedacht. Gleiches gilt für den Begriff und die Bedeutung der Tugend. Sucht man nach der Verbindung beider Themenbereiche, wird man allerdings enttäuscht. Der philosophische Liebes-Diskurs der Gegenwart kommt in der Regel ohne einen Verweis auf den Begriff der Tugend aus, in der modernen Tugendethik wiederum wird das Thema Liebe größtenteils ausgespart. Der Text stellt zwei Ausnahmen vor: den tugendethischen Ansatz der Fürsorge von Alasdair MacIntyre und die Diskussion der Liebe in der Tugendtheorie von Christine Swanton. Allerdings greifen weder MacIntyre noch Swanton den caritas-Begriff von Thomas von Aquin auf. Der Text versucht deutlich zu machen, warum das so ist und welche Probleme sich daraus sowohl für die beiden besprochenen Ansätze als auch für die moderne Tugendethik im Allgemeinen ergeben.
Kathi Beier

Liebe als Fundament einer Tugendethik

Frontmatter
Liebe als Affekt und Tugend
Reflexionen über eine komplexe Denkfigur bei Thomas von Aquin
Zusammenfassung
Liebe wird bei Thomas von Aquin zugleich als Affekt und als Tugend verstanden. Unter den Tugendbegriff der Liebe fallen sowohl die erworbene Charaktertugend der Freundschaftsliebe als auch die Glaubenstugend der Liebe, die eine Gottesgabe ist. Zugleich besteht Thomas darauf, dass Affekt und Tugend völlig disjunkte Begriffe sind. Die Spannung zwischen diesen auf den ersten Blick schwer vereinbaren Aussagen kann dann aufgelöst werden, wenn man den Begriff der Liebe als analogen Begriff auffasst und mit Thomas’ Theorie der menschlichen Seele und der rechten Ordnung und Ausrichtung ihrer Teile zusammenbringt. Eine solche Deutung ist auch systematisch fruchtbarer als platonisierende und deflationäre Interpretationen der Liebe als Affekt und Tugend bei Thomas. Die große Erklärungskraft seines Ansatzes wird abschließend dadurch zusätzlich erhellt, dass sie mit zeitgenössischen Liebestheorien kontrastiert wird. Dabei fällt die Wahl auf Martha Nussbaum, weil sie sich wie Thomas an einer aristotelischen Anthropologie orientiert und wie dieser eine kognitivistische Theorie der Emotionen und Affekte vertritt. Anders als Thomas verfügt sie aber nicht über eine ausgearbeitete Theorie der Seele. Ferner geht sie von einem univoken Begriff der Liebe als Emotion aus, die in der Konsequenz als so problematisch erscheint, dass sie nicht ohne Spannung zu den Grundgütern eines gelingenden menschlichen Lebens gerechnet werden kann.
Henning Tegtmeyer
Liebe als Prinzip sozialer Einheit
Bedingungen für ihren Status als Tugend bei Aristoteles und Thomas von Aquin
Zusammenfassung
Ein Verständnis der caritas als Tugend ist nicht unabhängig davon möglich, wie der allgemeine Begriff menschlicher Liebe bestimmt wird. Im Rückgriff auf die aristotelische Behandlung der Freundschaft lässt sich zeigen, dass bereits die Liebe im zwischenmenschlichen Bereich Züge einer Tugend trägt. Von zentraler Bedeutung sind dabei vor allem zwei Akte der Freundschaft, Wohltätigkeit und Eintracht, welche ontologisch auf verschiedene Formen sozialer Einheit verweisen. Auf Grundlage des Begriffs der Freundschaftsliebe lässt sich die caritas in ihrem Charakter als Tugend erhellen, nämlich insofern auch in ihr Wohltätigkeit und Eintracht wesentliche Elemente sind, die hier jedoch eine spezifische Prägung erfahren.
Falk Hamann
Moralität im Licht der caritas
Über die Liebe als Höchstform des Wohlwollens
Zusammenfassung
Schon Aristoteles hat die Untersuchung der Freundschaft nicht nur zum Gegenstand der Ethik gerechnet, sondern ihr darin auch eine zentrale Stelle zugewiesen. Seine Aussagen über die vollkommene Freundschaft dürfen wir so interpretieren, dass wir hier dessen ansichtig werden, was es in einem höchsten oder paradigmatischen Sinn heißt, moralisch zu sein und moralisch zu handeln. Umstritten ist gegenwärtig die Frage, wie genau die begriffliche Beziehung zwischen Freundschaft und Gerechtigkeit, zwischen Liebe und Moral zu fassen ist. Im Unterschied zu einem Modell der Dissoziation zwischen Liebe und Moral möchte ich mit Aristoteles, Thomas von Aquin und Josef Pieper dafür argumentieren, die Liebe als eine Höchstform des Wohlwollens anzusehen.
Stephan Herzberg
Das Verhältnis von Lieben und Erkennen bei Thomas von Aquin
Zusammenfassung
Vergleicht man die Auskünfte, die Aristoteles und Paulus zum Verhältnis von Lieben und Erkennen geben, scheint es, als würden sie sich widersprechen, weil Aristoteles das Erkennen höher bewertet als das Lieben und Paulus umgekehrt die Liebe höher als das Erkennen. Thomas von Aquin versucht, sowohl Aristoteles als auch Paulus gerecht zu werden. Ergebnis seiner Analyse ist, dass zwischen Aristoteles und Paulus kein Widerspruch besteht.
Um dies zu verstehen, muss man auf den Kontext sehen, in welchem die Überlegungen der beiden entwickelt werden, und zwischen irdischem und ewigem Leben unterscheiden: Für das irdische Leben hängt, was höher zu schätzen ist, vom Gegenstand ab, den man liebt oder erkennt. Handelt es sich um sinnlich wahrnehmbare Gegenstände, steht das Erkennen höher als das Lieben; handelt es sich hingegen um Gott, verhält es sich umgekehrt. Die Auskünfte widersprechen sich nicht und eine pauschale Bewertung ist nicht möglich. Nach dem Tod ändern sich die Verhältnisse. Für das ewige Leben lässt sich sagen: Gottesliebe ist eine Weise zu erkennen und Gotteserkenntnis eine Weise zu lieben. Lieben und Erkennen sind hier real ununterschieden. Sie sind nur noch begrifflich trennbar. Da nun aber die liebende Erkenntnis Gottes letztes Ziel des Menschen für Thomas ist, das womit allein er das ewige Leben verbringt, stellt sich die Frage, ob Lieben oder Erkennen wertvoller ist, nicht länger.
Peter Heuer
Zur Frage „Kann man Gott über alles lieben?“ bei Johannes Duns Scotus
Zusammenfassung
Der Streit zwischen Bossuet und Fénelon über die reine Liebe war der letzte theologische Diskurs an dem die europäischen Eliten gemeinsam teilnahmen. In den Theorien, die die Entstehung der Neuzeit und der Emanzipation von Religion und Kirche erklären wollen, wird Johannes Duns Scotus oft die Rolle des Vorreiters zugeschrieben, weil seine Betonung der Differenz zwischen dem Willen und der Natur – ‚der Wille will, weil er will‘ – im Sinne einer absoluten Selbstbestimmung der Freiheit missverstanden wird. Dies Missverständnis lässt sich aufklären, indem man nachforscht, wie er auf die Frage antwortet: ‚Kann man Gott über alles lieben?‘
Thomas Möllenbeck

"Liebe als Tugend in der Moderne –Grenze, Vorstoß und Bedingung"

Frontmatter
Liebe und praktische Philosophie bei Harry Frankfurt
Zusammenfassung
Harry Frankfurts Theorie der Liebe ist eine der umfassendsten Auseinandersetzungen der aktuellen philosophischen Debatte. Für ihn besitzt Liebe eine eigene Normativität, die für die menschliche Praxis grundlegender ist als jede mögliche Form moralischer Normen. Seine praktische Philosophie beansprucht daher das Untersuchungsfeld weiter aufzuspannen als die bisherige Moralphilosophie. Den Phänomenen der Sorge und der Liebe kommt dabei vorrangige Bedeutung zu. Im Anschluss an die ausführliche Analyse der von Frankfurt ausgewählten Phänomene der Liebe wird seine in den Tanner Lectures von 2004 vorgeschlagenen Theorie der volitionalen Vernunft und seine Antwort auf die Kritik, seine Philosophie sei relativistisch und non-kognitivistisch untersucht. Anhand seiner exemplarischen, aber zentralen Ablehnung der von Aristoteles vertretenen tugendethischen Auffassung, die Person sei mitverantwortlich für ihren Charakter, wird seine Theorie abschließend bewertet.
Johannes Hattler
Liebe als „affektivste Wertantwort“
Dietrich v. Hildebrands (1889-1977) wertphilosophisches Verständnis der Liebe und seine tugendethischen Implikationen
Zusammenfassung
Nach einer kurzen Einführung in die akademische und intellektuelle Biographie v. Hildebrands (1889-1977) und in die Tradition des phänomenologischen Wertdenkens vor v. Hildebrand bei Edmund Husserl (1859-1938), Max Scheler (1874-1928) und Nicolai Hartmann (1882-1950) werden die Grundzüge des Wertdenkens v. Hildebrands entfaltet, und zwar sein spezifisches Verständnis des Wertes, seiner Typen sowie des Wertwahrnehmungsaktes einschließlich der sog. „Wertantwort“ im Allgemeinen und der sog. „affektiven Wertantwort“ im Besonderen. Im Hauptteil wird v. Hildebrands Bestimmung des Wesens der personalen Liebe als der affektivsten Wertantwort des Menschen auf den unbedingten Wertanspruch einer je einmaligen Person rekonstruiert, in der unser Herz Sein und Wert dieser Person unbedingt und uneingeschränkt bejaht und sich für sie total engagiert. Zugleich erstrebt das von Liebe bewegte Herz des Menschen eine größtmögliche Vereinigung mit dem Geliebten und daher die Gegenliebe des Geliebten; es sucht nach einer wechselseitigen Selbsthingabe beider aneinander, dem v. Hildebrand so genannten „Ineinanderblick“ der sich Liebenden. Erst diese wechselseitige Selbsthingabe beider Liebenden aneinander macht ihre Liebe zueinander für sie zu einer Quelle unbeschreiblichen Glücks. Abschließend werden einige Ansätze zu einem tugendethischen Verständnis der personalen Liebe in v. Hildebrands phänomenologischer Wertphilosophie der Liebe identifiziert und diskutiert.
Markus Enders
Liebe als Haltung
Eine reizvolle Herausforderung für die zeitgenössische Tugendethik?
Zusammenfassung
Die Liebe ist traditionell ein Thema der Moralphilosophie. Gerade auch in der antiken und mittelalterlichen Tugendethik finden sich relevante Ausführungen zu dieser Thematik. Die zeitgenössische Tugendethik verzeichnet allerdings ein bisher recht begrenztes Interesse an der Frage, ob und falls ja, in welcher Weise man die Liebe als eine Tugend interpretieren könne. Gründe hierfür könnten unter anderem in den historischen Randbedingungen der Neukonzeption der Tugendethik in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts liegen; aber auch in konzeptionellen und inhaltlichen Schwierigkeiten begründet sein. Wie sich zeigen lässt, wäre es aber ein außerordentlich reizvolles Unternehmen, die Forschung zur Philosophie der Liebe aus einer tugendethischen Perspektive aufzunehmen.
Dagmar Borchers
Die Liebe als Tugend oder Gabe?
Auf der Suche nach ihrer Spezifität
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag versucht sich dem Phänomen der Liebe, dessen Rolle für den zeitgenössischen ethischen Diskurs größtenteils unbestimmt ist, von zwei Seiten her anzunähern. Zunächst ist es Aufgabe, Liebe mit Hilfe klassischer, d. h. erstpersonaler Tugendbegriffe zu beschreiben. Im Anschluss daran wird das gleiche Phänomen aus der Perspektive der sogenannten Gabe beleuchtet, welche zum Ausdruck bringen soll, dass zur Liebe auch immer etwas gehöre, das man sich im Unterschied zur Tugend nicht selbst geben könne. Allerdings verfehlen beide Ansätze auf je eigene Weise die besondere Spezifität der Liebe, welche sich auch nicht durch dialektische Vermittlungsversuche im Sinne der Idee einer „geschenkten Tugend“ rekonstruieren lässt. Vielmehr ist die Liebe, so möchte der Beitrag abschließend herausarbeiten, die ultimative Form (des Lebens), die sie sich selbst gibt, indem sie sich den Liebenden geben lässt. In diesem Licht erscheinen Tugenden und Gaben als notwendige Bestandteile einer Lebensform Liebe, die zur Norm derer wird, die sich lieben.
Martin Hähnel
Demut und Großgesinntheit
Apologie zweier schwieriger Tugenden
Zusammenfassung
Demut und Großgesinntheit sind gleichermaßen problematische Tugenden. Während die Demut nur noch in der verblassten Form der Bescheidenheit ihr Dasein im Wertekanon der Gegenwart fristet, erscheint die aristotelische Tugend der Großgesinntheit unter den Bedingungen der Moderne geradezu als Laster. Dennoch haben beide in der antik-mittelalterlichen Tradition eine zentrale Rolle gespielt. Dieser Beitrag stellt den Versuch dar, ausgehend von Überlegungen Thomas von Aquins und Immanuel Kants, Demut und Großgesinntheit in einer Weise neu zu deuten, die beide nicht nur als kohärent und als Tugenden, sondern sogar als komplementär ausweist. Diese Rekonstruktion erlaubt es zugleich, bestimmte strukturelle Probleme zu umgehen, die über diese beiden Tugenden hinaus für das weitere Feld der Tugendlehre von Relevanz sind.
Christoph Halbig
Backmatter
Metadaten
Titel
Liebe – eine Tugend?
herausgegeben von
Winfried Rohr
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-17874-1
Print ISBN
978-3-658-17873-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17874-1

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