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1986 | OriginalPaper | Buchkapitel

Bilanzwahrheit und Bilanzdelikte

verfasst von : Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Edmund Heinen

Erschienen in: Handelsbilanzen

Verlag: Gabler Verlag

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In der Diskussion um die GoB wird auch häufig auf das Prinzip der „Bilanz-wahrheit“ zurückgegriffen30. Die Ansichten über den Inhalt dieses Prinzips, sowie über die Frage, ob es eines solchen Grundsatzes überhaupt bedarf, gehen erheblich auseinander. Soweit sich das Wahrheitspostulat darauf bezieht, Vermögensgegenstände und Geschäftsvorfälle in zutreffend bezeichneten Bilanzpositionen auszuweisen, kann die Wahrheit bzw. Unwahrheit der Bilanz noch relativ leicht überprüft werden. Die Einstufung von Wertansätzen als wahr oder unwahr bereitet hingegen erhebliche Schwierigkeiten. Selbst die gesetzlichen Bewertungsvorschriften liefern keine eindeutigen Beurteilungskriterien. Die Bewertung der meisten Bilanzpositionen beruht auf Schätzungen. Zwar führt die Verwendung ausgefeilter mathematischer Methoden zu einer Objektivierung der Schätzungen, doch wird dadurch im Ergebnis keineswegs ein „objektiver“ Wert erreicht. Die Anwendung solcher Methoden gibt allerdings den gewählten Wertansätzen häufig einen objektiven Anstrich, so daß sie als „wahr“ erscheinen und leichter durchgesetzt werden können. Darüber hinaus bestehen Bewertungswahlrechte, deren Ausübung nicht an objektive Kriterien gebunden ist, sondern von subjektiven, interessenbezogenen Interpretationen der jeweiligen Situation abhängig ist. Dies zeigt, daß die Bilanzwahrheit Fiktion bleiben muß. Das Fehlen eines objektiven Wertmaßstabes impliziert also zwangsläufig zumindest eine Relativierung des Wahrheitspostulats. Infolgedessen könnte lediglich vom Prinzip der relativen Wahrheit gesprochen werden.

Metadaten
Titel
Bilanzwahrheit und Bilanzdelikte
verfasst von
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Edmund Heinen
Copyright-Jahr
1986
Verlag
Gabler Verlag
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-83546-8_13