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2000 | Buch

Bonitätsprüfung im Firmenkundengeschäft

Maschinelle Bilanzanalyse und Bewertung durch Kreditsachbearbeiter

verfasst von: Michael Schieble

Verlag: Deutscher Universitätsverlag

Buchreihe : Gabler Edition Wissenschaft

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Über dieses Buch

Das Kreditgeschäft ist traditionell eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder von Universalbanken, woran auch das Aufkommen neuer Finanzierungsforrnen nichts Grundsätzliches geändert hat: Kreditforderungen sind nach wie vor die mit Abstand wichtigsten Aktiva in der Bilanz von Universalbanken. Daher besitzt die Bonitätsprüfung von potentiellen Kreditnehmern eine über­ ragende Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg von Banken. Vor diesem Hintergrund hat sich in der Praxis die Art der Bonitätsprüfung im Firmenkun­ dengeschäft in den letzten Jahren erheblich gewandelt: Während bis Ende der siebziger Jahre die Entscheidung über eine Kreditvergabe vor allem vom Urteil des zuständigen Kredit­ sachbearbeiters abhing, werden in neuerer Zeit verstärkt standardisierte Verfahren bei der Bo­ nitätsprüfung, vor allem in Form einer maschinellen Bilanzanalyse, eingesetzt. Obwohl die Verbesserung dieser Verfahren momentan sowohl in der Bankpraxis als auch in der bankprak­ tischen Literatur im Zentrum des Interesses steht, sind die Verfahren noch weit davon entfernt, als alleinige Entscheidungskriterien bei der Kreditvergabe verwendet werden zu können. Viel­ mehr werden Banken auch in Zukunft bei der Kreditvergabe auf das Urteil von Kredit­ sachbearbeitern nicht verzichten können. Nach einer umfassenden Darstellung aktueller Entwicklungen konzentriert sich die Arbeit fol­ gerichtig auf das Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter. Aus Sicht der In­ formationsökonomie ist dieses Anreizproblem ausgesprochen komplex, da es aus wenigstens drei Teilproblemen besteht: 1. Der Kreditsachbearbeiter muß dazu angehalten werden, bei der Kreditprüfung den nötigen Arbeitseinsatz zu tätigen (unbeobachtbare Aktionen). 2. Der Kreditsachbearbeiter muß die bei der Prüfung erhaltenen Informationen unverzerrt in die Beurteilung der Kreditwürdigkeit einfließen lassen (unbeobachtbare Informationen).

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Das Kreditgeschäft zählt ohne Zweifel zu den Kerngeschäften einer Universalbank. Wenngleich vor allem im internationalen Bereich der Kredit in zunehmendem Maß durch neue Finanzierungsformen ergänzt wird, bleibt er trotzdem das “klassische Bankgeschäft” schlechthin. Selbst in großen Universalbanken bindet das Kreditgeschäft direkt und indirekt immer noch zwischen 30 und 40% der Mitarbeiter. Ein Blick auf die Bilanzen der Kreditinstitute zeigt, daß die Kreditforderungen mit Abstand die wichtigsten Aktiva einer Bankbilanz ausmachen. Auch in der Gewinn- und Verlustrechnung stellt das Kreditgeschäft eine tragende Säule dar und ist einer der wichtigsten Erfolgsträger.1
Michael Schieble
2. Bonitätsprüfung im Spannungsfeld zwischen standardisierten Verfahren und Einschätzung durch den Kreditsachbearbeiter
Zusammenfassung
Die Bonitätsprüfung15 umfaßt sämtliche Informationsbeschaffüngs- und -auswertungsmaßnahmen, die zu einer Bewertung der Kreditwürdigkeit eines kreditsuchenden Unternehmens führen. Unter der Kreditwürdigkeit wird die Fähigkeit und Bereitschaft des Kreditnehmers verstanden, seinen Zins- und Tilgungszahlungen termingerecht nachzukommen.16
Michael Schieble
3. Das Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter und seine bisherige Behandlung in der Bankpraxis
Zusammenfassung
Deutlich geworden ist, daß die Bonitätsprüfung eines Firmenkunden sinnvollerweise in erheblichem Maße durch einen Kreditsachbearbeiter beeinflußt werden sollte. Damit rückt für die Banken eine neue Problemstellung in den Mittelpunkt, nämlich die Frage, wie der Kreditsachbearbeiter dazu angehalten werden kann, die Bonitätsprüfung im Sinne der Bank auszuführen.229
Michael Schieble
4. Anreizproblematik und Prinzipal-Agenten-Theorie
Zusammenfassung
Nachdem in Kapitel 3 dargelegt wurde, daß sich weder die bankpraktische Literatur noch die Bankpraxis selber bislang nennenswert mit dem Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter beschäftigt haben, wird in diesem Kapitel dargestellt, inwieweit im Rahmen dieser Arbeit auf bisherige Ergebnisse der informationsökonomischen Forschung zurückgegriffen werden kann.
Michael Schieble
5. Das Grundmodell
Zusammenfassung
Die Ausführungen der beiden vorherigen Kapitel haben ergeben, daß sowohl in der bankpraktischen Literatur als auch in der Prinzipal-Agenten-Theorie bisher kein Modell existiert, welches das Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter unter auf die Bankpraxis übertragbaren Rahmenbedingungen analysiert. Deshalb verfolgen die restlichen Kapitel das Ziel, ein solches zu entwickeln und die für die Bankpraxis und für die Prinzipal-Agenten-Theorie wesentlichen Erkenntnisse zu interpretieren.
Michael Schieble
6. Optimaler Arbeitsvertrag bei beschränkter Haftung des Kreditsachbearbeiters
Zusammenfassung
Obiges Ergebnis postuliert eine für die Bank kostenlose Lösung des Anreizproblems durch eine vollständige Internalisierung der Auswirkungen des Verhaltens des risikoneutralen und unbegrenzt haftenden Kreditsachbearbeiters. Aus Sicht der Bankpraxis kann dieses Resultat jedoch nicht zufriedenstellen. Es impliziert, daß der Kreditsachbearbeiter in zwei von drei möglichen Zuständen, nämlich bei Y=-I und Y=0, ein negatives Gehalt erhält. So hätte der Agent z.B. bei einem Ausfall eines 20 Mio. DM Kredites 20 Mio DM + Fixbetrag k an die Bank zu bezahlen. Es ist schwer vorstellbar, daß das Vermögen des Kreditsachbearbeiters eine solche Zahlung ermöglicht. Angesichts der Tatsache, daß ein Kreditsachbearbeiter im Firmenkundengeschäft selten mehr als 80 bis 100 Kreditnehmer betreut, würde ihn ein in einer Rezession ohne weiteres vorstellbares Jahr mit zwei bis drei Kreditausfällen schon in arge Zahlungsschwierigkeiten bringen.
Michael Schieble
7. Der optimale Arbeitsvertrag bei zusätzlichem Signal über den Typ des Kreditnehmers
Zusammenfassung
Kapitel 6 analysierte den optimalen Arbeitsvertrag im kombinierten Problem bei beschränkter Haftung des Kreditsachbearbeiters. Dieses Kapitel untersucht, inwieweit sich die Gleichgewichtslösung ändert, wenn ein zusätzliches Signal h über den Typen des Antragstellers existiert, das in den Vertrag zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter eingehen kann. Der bankpraktische Hintergrund für dieses Signal ist das in Kapitel 2.4.2 ausführlich erläuterte Ergebnis einer maschinellen Bilanzanalyse, das in Deutschland inzwischen fast allen Banken zur Verfügung steht. Die Modellierung erfolgt dabei so, daß nach dem Vertragsabschluß zwischen Prinzipal und Agent, aber bevor der Kreditsachbearbeiter über die Prüfungsintensität entscheidet, das Ergebnis h der maschinellen Bilanzanalyse vorliegt. Dieser zeitliche Ablauf entspricht der Bankpraxis, in der der Kreditsachbearbeiter zuerst den Jahresabschluß des Kunden durch “den Automatismus schickt” und faktisch erst nach dem Ergebnis der maschinellen Auswertung über die zusätzlich einzuholenden Informationen entscheidet.
Michael Schieble
8. Optimaler Arbeitsvertrag bei nicht kontraktierbarem Output
Zusammenfassung
Die vorherigen Kapitel gingen davon aus, daß die Bank in der Lage ist, Arbeitsverträge anzubieten, die vom endgültigen Kreditergebnis Y abhängige Lohnzahlungen vorsehen. Wie in Kapitel 3.2.2 erwähnt, stehen derartigen leistungsbezogenen Arbeitsverträgen im heutigen Kreditgeschäft aber einige Hindernisse, vor allem die weitgehende Unmöglichkeit einer verursachungsgerechten Zurechnung des Outputs aufgrund der Verwischung von Verantwortlichkeiten bei Kreditvergabe und -überwachung, entgegen.
Michael Schieble
9. Schlußbetrachtung: Zusammenfassung der Hinweise an die Bankpraxis und Vorschläge für Erweiterungen des Modells
Zusammenfassung
Wie eingangs erläutert, liegt der Focus dieser Arbeit darauf, durch die theoretische Modellierung des Anreizproblems zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter praxisrelevante Hinweise für eine Verbesserung der Bonitätsprüfung im Firmenkundengeschäft zu generieren. Die entsprechenden Erkenntnisse, die an den jeweiligen Stellen des Modellfortschritts eingehend erläutert wurden, werden nachfolgend in sechs Thesen zusammengefaßt:
1
In der Bonitätsprüfung im Firmenkundengeschäft sollte die Aufmerksamkeit in Zukunft eher weg von immer sophistizierteren technischen Verfahren und hin zum Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter gelegt werden.376
 
2
In diesem Zusammenhang bietet es sich an, die maschinelle Bonitätsprüfung nicht im inhaltlichen Sinne als losgelöstes Signal über die Kreditwürdigkeit des Antragstellers zu sehen, sondern aus prozessualer Sicht als Instrument zu begreifen, mit dessen Hilfe die Bank das Anreizproblem mit dem Kreditsachbearbeiter mildern kann. Eine Verringerung der Fehleinschätzungen der maschinellen Systeme muß an sich noch keine Verbesserung darstellen, wenn das Anreizproblem mit dem Kreditsachbearbeiter außer acht gelassen wird.377
 
3
Das Anreizproblem zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter ist insgesamt bedeutender und komplexer als das klassische (hidden action) Anreizproblem zwischen einer Firma und einem Angestellten, da zusätzlich ein wahrheitsgetreues Votum des Kreditsachbearbeiters induziert werden muß.378
 
4
Die in der Praxis verwendeten Systeme der Deckungsbeitragsrechnung sollten auch das Schicksal von Unternehmen, deren Kreditwunsch abgelehnt wurde, weiterverfolgen.379
 
5
Eine Weitergabe des Ergebnisses der maschinellen Bilanzanalyse an den Kreditsachbearbeiter muß aus Banksicht nicht unbedingt vorteilhaft sein. Gerade an diesem Punkt und bezüglich Möglichkeiten einer Geheimhaltung des Signals ist eine intensive Diskussion in der Bankpraxis wünschenswert.380
 
6
Unabdingliche Voraussetzung für eine Minderung des Anreizproblems zwischen Bank und Kreditsachbearbeiter ist die Schaffung klarer Verantwortlichkeiten innerhalb des Kreditvergabeprozesses und während der Kreditlaufzeit.381
 
Michael Schieble
Backmatter
Metadaten
Titel
Bonitätsprüfung im Firmenkundengeschäft
verfasst von
Michael Schieble
Copyright-Jahr
2000
Verlag
Deutscher Universitätsverlag
Electronic ISBN
978-3-322-92334-9
Print ISBN
978-3-8244-7028-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-92334-9