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2012 | Buch

Lobbyismus im Klimaschutz

Die nationale Ausgestaltung des europäischen Emissionshandelssystems

verfasst von: Wolfgang Gründinger

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Die nationale Umsetzung des EU-Emissionshandels zeigt eine hohe Varianz im Hinblick auf das umweltpolitische Ambitionsniveau. Während Deutschland den Markt mit Emissionslizenzen überschwemmte und Kohleunternehmen großzügige Privilegien einräumte, legte Großbritannien seiner Wirtschaft spürbare Reduktionslasten auf. Wolfgang Gründinger zeigt, dass weniger der klimapolitische Anpassungs- oder Problemdruck, sondern vielmehr die institutionellen Gelegenheitsstrukturen des politischen Systems und die Struktur der Staat-Verbände-Beziehungen entscheidend für das Politikergebnis sind.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Klimaschutz im Spannungsfeld der Interessen
Zusammenfassung
Politik findet nicht im luftleeren Raum statt. Politische Entscheidungen sind vielmehr das Produkt eines langwierigen und komplexen Willensbildungsverfahrens, an dem vielfältige Akteure – allen voran organisierte Interessengruppen – teilhaben. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass ein auf dem akademischen Reißbrett entworfenes Konzept politisch ideal in die Tat umgesetzt wird: Zu viele Interessengruppen nutzen Gelegenheiten im politischen Institutionengefüge, um Druck auf die Politik auszuüben und ihre Interessen durchzusetzen.
Wolfgang Gründinger
2. Der Emissionshandel: ein Markt für Klimaschutz
Zusammenfassung
Der Schutz des Weltklimas gilt als eine zentrale Herausforderung des Jahrhunderts. Die bei der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Erdgas entstehenden Treibhausgase, hauptsächlich Kohlendioxid (CO2), reichern sich in der Atmosphäre an, hindern Sonnenwärme am Entweichen ins Weltall und bewirken so eine globale Erwärmung. Infolge dieses Treibhauseffekts sind gefährliche Klimaveränderungen im Gange: ein Anstieg des Meeresspiegels, das Schmelzen von Gletschern und Polareis sowie eine Zunahme von Naturkatastrophen wie Dürren, Fluten, Wirbelstürmen und Hitzewellen in Anzahl und Intensität (Rahmstorf/Schellnhuber 2006: 29–81; Wicke/Spiegel/Wicke-Thüs 2006: 21–61; Enders 2008: 50f.). Der Ausstoß an Treibhausgasen muss daher zügig und drastisch reduziert werden, um katastrophale Klimaschäden zu verhindern.
Wolfgang Gründinger
3. Lobbyismus: Legitime Interessenvertretung oder unlautere Schattenpolitik?
Zusammenfassung
„Those damned lobbyists“ – So entzürnte sich bereits US-Präsident Ulysses Grant im 19. Jahrhundert über die Interessenvertreter, die in der Empfangshalle des Willard Hotels in Washington D.C. warteten, wo Kongressabgeordnete gerne einen Drink nahmen und sich auch der Präsident bisweilen eine Zigarre und einen Brandy genehmigte (Bülow 2010: 155). Der Ruf der Lobbyisten in Deutschland ist kaum besser: Die „Herrschaft der Verbände“ ruiniere Demokratie und Gemeinwohl, lautete die frühe Warnung von Theodor Eschenburg (1955). Publizisten beklagen die „einträgliche Kungelei von Politik und Wirtschaft“ und die „korrupte Republik“ (Tillack 2009), in der mächtige „Strippenzieher“ (Gammelin/Hamann 2005) und „Puppenspieler“ die Geschicke des Landes steuern und sich am „Millionengeschäft der Politikberater und Lobbyisten“ bereichern (Cicero-Titel Februar 2011), während die demokratisch gewählten Parlamentarier zu austauschbaren Marionetten verkümmern. Wie real ist diese „fünfte Gewalt“ (Speth/Leif 2006)? Verderben die Lobbyisten Gemeinwohl und Demokratie – oder sind, ganz im Gegenteil, professionelle Politikberater für wohlinformierte politische Entscheidungen unabdingbar?
Wolfgang Gründinger
4. Internationaler Vergleich
Zusammenfassung
Die EU-Emissionshandelsrichtlinie lässt beträchtlichen nationalen Entscheidungsspielraum offen, was entsprechende Einflusschancen für Interessengruppen mit sich bringt (Steuwer 2007: 44, 88–998; Knill/Lenschow 2007: 235f.; Skjærseth/Wettestad 2008: 289f.). In der Folge unterscheiden sich die nationalen Allokationspläne erheblich voneinander. Wir formulieren die These, dass die Varianz auf die unterschiedlichen Einflusspotenziale der Interessengruppen zurückgeführt werden kann, und dass diese Einflussnahme vom jeweiligen politischen Institutionengefüge vorstrukturiert wird.
Wolfgang Gründinger
5. Die Rolle von Interessengruppen im politischen System Deutschlands
Zusammenfassung
Im Politikfeld Klimaschutz sind in Deutschland zahlreiche Akteure aktiv. Dieses Kapitel skizziert die relevanten Institutionen des formalen politischen Willensbildungssystems sowie die wichtigsten Interessengruppen unter Darlegung ihrer Politikpräferenzen. Anschließend werden die Akteure unter Rückgriff auf das Advocacy-Koalitionsmodell (Sabatier 1993) in den Systemkontext eingeordnet, um eine analytische Vereinfachung zu ermöglichen.
Wolfgang Gründinger
6. Verwässerung des Emissionshandels (NAP1) durch Industrie und Energiewirtschaft
Zusammenfassung
Das klimapolitische Flaggschiff der EU nahm nur mühsam Fahrt auf. Der „real existierende Emissionshandel“, klagt ein Papier des Umweltministeriums, entspreche nur „bedingt den theoretischen Idealvorstellungen“. Regelrecht „kastriert“ worden sei das Instrument, monierten Umweltschützer. Lediglich Industrie und Energiewirtschaft zeigten sich einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis (zit. n. Vorholz 2006: 29). Die Einführungsphase 2005–2007 war „misslungen“ und hatte nur wenig mit der eleganten Lehrbuchidee gemein, konstatiert die Forschungsabteilung der Deutschen Bank (2007: 1). „Trotz einiger Kinderkrankheiten ist der Start des Emissionshandels – auch wegen seines Symbolcharakters – positiv zu bewerten“, so das zurückhaltende Urteil (ebd.). Entscheidende Klimaziele konnten nicht erreicht werden. Eine Überallokation desavouierte die ökologische Lenkungswirkung, die Energieversorger realisierten beträchtliche Mitnahmegewinne ohne Gegenleistung, ein intransparentes Regelwerk führte zu unkalkulierbaren Wettbewerbswirkungen, und bestehende Industrie- und Energiestrukturen wurden konserviert (ebd.; DIW 2006; Donner/Stratmann 2006; Matthes 2007; SRU 2006; Vorholz 2006).
Wolfgang Gründinger
7. Ökologische Weichenstellungen und die Mission der EU-Kommission (NAP2)
Zusammenfassung
An die Pilotphase 2005–2007 schloss sich die zweite Handelsperiode 2008–2012 an. Die Erfahrungen aus der Pilotphase wurden genutzt, um Kinderkrankheiten des Instruments zu kurieren. Im Zentrum der Auseinandersetzung standen folgende Streitfragen:
1.
striktes Cap vs. weiches Cap;
 
2.
Teilauktionierung der Zertifikate vs. weiterhin vollständig kostenfreie Zuteilung;
 
3.
Benchmarks im Energiesektor brennstoffabhängig vs. nicht brennstoffabhängig;
 
4.
restriktive vs. freizügige Handhabung von JI/CDM-Gutschriften;
 
5.
Sonderregeln zugunsten einiger Unternehmen vs. einheitliche Preissignale;
 
6.
Vereinfachung des gesamten Zuteilungsverfahrens.
 
Wolfgang Gründinger
8. Zusammenfassung und Perspektiven
Zusammenfassung
Der Emissionshandel gilt als ein Klimaschutzinstrument, das ökologische Treffsicherheit mit ökonomischer Effizienz vereint. Die praktische Umsetzung des EUETS entspricht jedoch nicht dem theoretischen Ideal, sondern ist Gegenstand schwerer Verteilungskonflikte und Implementationsrestriktionen. Ökonomische und ökologische Interessengruppen nehmen Einfluss im politischen Entscheidungsfindungsprozess und gestalten das Ergebnis mit. Potenzial und Wege ihrer Einflussnahme werden dabei nicht nur von ihrer Konfliktfähigkeit, sondern vor allem von den Gelegenheitsstrukturen des Institutionengefüges vorstrukturiert.
Wolfgang Gründinger
Backmatter
Metadaten
Titel
Lobbyismus im Klimaschutz
verfasst von
Wolfgang Gründinger
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94070-0
Print ISBN
978-3-531-18348-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94070-0

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