Skip to main content

2016 | Buch

Betörend, berauschend, tödlich - Giftpflanzen in unserer Umgebung

verfasst von: Fritz Schade, Harald Jockusch

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Wussten Sie

dass durch Honig schon mal eine Schlacht entschieden wurde?dass sich das Reinheitsgebot für Bier ursprünglich gegen eine einheimische Rauschgiftpflanze gerichtet hat? dass der Wunderbaum Palma Christi ein Eiweiß produziert, das im deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz aufgeführt wird?wie bezaubernd schön viele Giftpflanzen sind?

Antworten auf viele spannende Fragen wie diese liefert das Giftpflanzenbuch von Fritz Schade und Harald Jockusch. Der Künstler Schade hat Giftpflanzen nach der Natur mit Farbstiften porträtiert, der Biologe Jockusch hat Fachwissen und Anekdotisches aus Gegenwart und Geschichte zu diesen Pflanzen zusammengestellt. Wie die üblichen, mit Fotografien bebilderten Giftpflanzenratgeber dient ihr Buch der Gefahrenvermeidung, betont aber auch das Anschauungs- und Lesevergnügen. Die Autoren beleuchten botanische, biochemische, historische und anekdotische Zusammenhänge für jede Pflanzenart und informieren so auf unterhaltsame Weise. Im Buch folgt die Anordnung der Arten in etwa der jahreszeitlichen Abfolge des ersten Auftretens auffälliger giftiger Pflanzenteile.

Die künstlerischen Darstellungen in diesem Buch verbinden ästhetischen Reiz mit hohem Wiedererkennungswert. Sie können leichter verinnerlicht werden als detailreiche Fotografien. Das gilt vor allem für Kinder, die durch Giftpflanzen besonders gefährdet sind. Neben der blühenden wird die fruchtende Pflanze dargestellt, wenn dies für die Vergiftungsgefahr relevant ist.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung

Betörend schön sind viele der Pflanzen, die wir auf dem Balkon, im Garten oder bei Spaziergängen sehen, einige duften verführerisch. Berauschend sind nicht nur Alkohol, der durch Vergärung von Fruchtsäften oder Feldfrüchten entsteht, sondern auch Tee oder Dämpfe von Teilen des Stechapfels, ein Unkraut trockener Schuttplätze; aber dieser Rausch ist gefährlicher als ein Alkoholrausch, kann tödlich sein. Das hübsche Maiglöckchen duftet betörend, doch es ist sehr giftig. Nicht jedermann ist bewusst, dass der hohe, dunkelblaue Eisenhut, den wir von Bergwanderungen als geschützte Wildpflanze kennen und dessen Gartenform in dicken Sträußen auf den Sommermärkten angeboten wird, ein tödliches Gift enthält, das sogar die Haut durchdringen kann. Giftig muss aber nicht immer tödlich heißen. Ein Brennen im Rachenraum, Schüttelfrost, Magen-Darm-Krämpfe oder Sehstörungen sind schlimm genug und die nötigen Gegenmaßnahmen wie das Schlucken von großen Mengen widerlicher Kohletabletten ist kein Vergnügen, vor allem nicht für Kinder.

Fritz Schade, Harald Jockusch
2. Christrose
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Sehr giftig!

Zum Jahreswechsel begrüßt uns einer der prachtvollsten Vertreter der Hahnenfußgewächse, die Christrose – unter den Gartenpflanzen hat nur die Pfingstrose eine größere Blüte, die allerdings bei den meisten Sorten gefüllt und somit nicht gleich als Hahnenfußblüte erkennbar ist. Die Sonnenblume zählt hier nicht, denn sie ist eigentlich ein Blütenstand, dessen Randblüten den Anschein von Blütenblättern erwecken.

Fritz Schade, Harald Jockusch
3. Efeu
Efeugewächse, Araliaceae Giftig

Der Efeu ist eine einheimische, durch Absenker leicht zu vermehrende Pflanze, die als Bodendecker oder Klimmer an einer alten Mauer oder am Gartenhäuschen zur Verschönerung des Gartens beitragen kann. Efeubewachsene Wände bieten Spatzen und anderen kleineren Vögeln Verstecke und Nistplätze, die Beeren erfreuen im Winter die Amseln. Im Süden Deutschlands gedeiht der Efeu manchmal so gut, dass er im Garten zum schwer auszurottenden Unkraut wird. Er erklimmt gerne Laubbäume und kann sie wie ein Mantel einhüllen.

Fritz Schade, Harald Jockusch
4. Winterling
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Sehr giftig!

Neben dem Schneeglöckchen gehört der Winterling zu den frühesten Frühlingsboten. In milden Wintern erscheinen seine Blüten ab Ende Januar. Die Heimat des Winterlings ist Südeuropa. Wo er sich bei uns wohlfühlt und nicht zu viel Konkurrenz durch andere krautige Pflanzen hat, bildet er dichte Rasen. Die Pflanze selbst ist ein Minimalorganismus: Aus der kaperngroßen Knolle sprießen ein bis drei kurze Stiele, die oberhalb eines Kranzes aus drei zerschlitzten Hochblättern eine einzige große, leuchtend gelbe Blüte tragen – und diese ist eine typische Hahnenfußblüte mit meist sechs Blütenblättern. Nachdem die Blüte ihre kurze Vorstellung beendet hat, treibt das Pflänzchen am Grund noch einen größeren Blattkranz, welcher der Knolle während der Samenreifung neue Nährstoffe für das folgende Frühjahr liefert.

Fritz Schade, Harald Jockusch
5. Zwiebeln: Zwiebel der Osterglocke und der Küchenzwiebel
Amaryllisgewächse, Amaryllidaceae Blumenzwiebeln sind giftig

Um es vorwegzunehmen: Alle Zwiebeln, die nicht eindeutig Kulturvarianten der Küchenzwiebel sind, haben in der Küche nichts verloren. Fast alle Blumenzwiebeln sind giftig, einige sogar sehr.

Fritz Schade, Harald Jockusch
6. Krokus
Schwertliliengewächse, Iridaceae Giftig

Violette, weiße und gelbe Krokusse sind beliebte Frühlingsboten, ob in den Parks von Hamburg bis München oder auf den Matten der Alpen, wo sie als Wildpflanzen vorkommen. Wo sich die Gartenformen des Krokus wohlfühlen, zum Beispiel unter ausladenden Laubbäumen, vermehren sie sich so, dass sie in der Blüte geschlossene Rasen bilden. Bei den Gartenformen gibt es Abwandlungen der Blütenfarben wie eine violett-weiße Streifung. Die Blütenpracht einer Krokuspflanze wird durch ein erstaunlich bescheidenes Blattwerk alimentiert: sechs bis zehn sehr schmale, fast grasartige Blätter mit einem weißen Mittelstreifen. Diese bleiben nach der Blüte nur wenige Wochen erhalten, die mit einer Art Bast umhüllte Knolle hat dann bereits genügend Nährstoffe für das folgende Frühjahr gesammelt.

Fritz Schade, Harald Jockusch
7. Seidelbast
Seidelbastgewächse, Thymeleaceae Sehr giftig!

Vorfrühlingsblüher sind im Garten und in der freien Natur immer beliebt. Das gilt auch für den schmächtigen Seidelbaststrauch, dem wir im mittleren und südlichen Deutschland im Unterholz feuchter Laubwälder begegnen. Seine intensiv rosa Sternblüten erscheinen in Büscheln direkt am Stamm vor den hellgrünen, spatelförmigen Blättern. Offensichtlich war diese Giftpflanze schon seit dem frühen Mittelalter von Interesse, ihre beiden deutschen Namen, Seidelbast und Kellerhals, sind so alt, dass sie schwer zu deuten sind. Für Ersteren wird ein Bezug zur glatten Rinde angeboten, für Letzteren so etwas wie „Halskiller“ wegen des Brennens, das man im Hals verspürt, wenn man von dem Sträuchlein nascht. Man kann sich auch über den wissenschaftlichen Namen wundern, den der schwedische Naturforscher Carl von Linné der Pflanze im 18. Jahrhundert gegeben hat: Daphne ist der Name einer Nymphe der griechischen Mythologie, die in einen Lorbeerstrauch verwandelt wurde, um sie vor den Nachstellungen des Gottes Apollo in Sicherheit zu bringen – bei einigen künstlerischen Darstellungen dieser Szene ist der blonde Apollo der schwarzhaarigen Nymphe schon recht hautnah.

Fritz Schade, Harald Jockusch
8. Märzbecher
Amaryllisgewächse, Amaryllidaceae Schwach giftig

Der Märzbecher oder Märzenbecher wird wegen des auffälligen Fruchtknotens an der Basis der Blütenblätter auch, wenig poetisch, Frühlingsknotenblume genannt. Als Großes Schneeglöckchen ist er der große Bruder des Kleinen Schneeglöckchens, des jedermann bekannten „normalen“ Schneeglöckchens (

Galanthus nivalis

, wörtlich Schnee-Milchblume), das einige Wochen früher blüht als der Märzbecher. Dort, wo es ihm gut geht, kann das Schneeglöckchen über die Jahre ganze Teppiche bilden.

Fritz Schade, Harald Jockusch
9. Scilla, Blaustern
Spargelgewächse, Asparagaceae Giftig

Der Blaustern oder die Scilla ist ein zierliches Pflänzchen der Wälder und Gebüsche des südlichen Europa. Abgebildet ist die Art

S. bifolia

, die zweiblättrige Scilla, ähnlich ist die Art

S. siberica

, die Sibirische Scilla. Die Scilla überrascht uns im Frühling mit dem intensiven Blau der Blüten zwischen dem Braun und Grau des noch nicht vermoderten Herbstlaubs. Aus Sicht des Autors war sie wegen ihres Erscheinens im frühen Frühling immer eine Kandidatin für den Ehrentitel „Blaue Blume der Romantik“, andere schlagen dafür das Leberblümchen oder, weniger romantisch, das im Hochsommer blühende Getreideunkraut Kornblume vor.

Fritz Schade, Harald Jockusch
10. Anemone
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Giftig

Es gehört zum frühen Frühling, dass der Boden von Buchen- und Eichenwäldern, besonders von feuchten Auwäldern, mit den weißen, unterwärts oft rosa angehauchten Blüten der Anemonen wie von leichtem Schnee bedeckt ist – im Norden wie im Süden Deutschlands.

Fritz Schade, Harald Jockusch
11. Schöllkraut
Mohngewächse, Papaveraceae Sehr giftig!

Das Schöllkraut kennt keine Jahreszeit. Wenn es im Winter mal etwas milder ist, grünt und blüht es schon in Gartenecken und an Wegrändern. Typisch für dieses Mohngewächs sind die vierzählige Blüte und der Milchsaft, der bei Verletzung des Krauts austritt, aber im Gegensatz zu dem des Mohns nicht weiß, sondern orangegelb ist. In der Kindheit des Autors hieß es, man könne mit diesem, die Haut reizenden Milchsaft Warzen beseitigen. So liest man es auch heute noch, ergänzt durch die Information, dass dieser Saft auch gegen Hühneraugen wirken soll.

Fritz Schade, Harald Jockusch
12. Tränendes Herz
Mohngewächse, Papaveraceae Unterfamilie Erdrauchgewächse, Fumariaceae Sehr giftig!

Dreißig oder 50 tränende Herzen kann man im Frühling an einer größeren Pflanze sehen – ein Bild der Rührung wie aus Grimms Märchen! Und dieses Erlebnis wird Jahr für Jahr am geeigneten feucht-halbschattigen Standort geboten. Obwohl wir diese Blume mit dem deutschen Bauerngarten verbinden, stammt sie aus Ostasien. Früher hat man sie zu den Mohngewächsen gezählt, heute trennt man sie in der Unterfamilie der Erdrauchgewächse von den eigentlichen Mohngewächsen ab, aber nicht wegen der Herzform ihrer Blüten, sondern weil sie keinen Milchsaft produziert. Das hat sie mit dem hübschen Ackerunkraut Erdrauch gemeinsam, das winzige rosa-purpurne Blüten hat; es wurde früher als Heilpflanze genutzt, ist aber heute nur wenigen bekannt. Vergleichen wir das Tränende Herz mit einer einfachen Mohnblüte, dann haben wir ein ähnliches Verhältnis wie zwischen der einfachen Hahnenfußblüte und der komplex geformten Blüte der Akelei (vgl. Kap. 16, Akelei): Von der Klassik zum Rokoko im Falle der Akelei innerhalb der Hahnenfußgewächse, zur Romantik vom Mohn zum Tränenden Herz. Es wäre doch jammerschade, vor allem für ganz junge Damen, wenn wir die Tränenden Herzen wegen Giftigkeit aus dem Garten verbannen müssten. Es gibt sie auch mit rein weißen Blüten, hier geht die Romantik in einen dekadenten Jugendstil über – Geschmacksache.

Fritz Schade, Harald Jockusch
13. Maiglöckchen
Spargelgewächse, Asparagaceae Sehr giftig!

Das Maiglöckchen war die Giftpflanze des Jahres 2014. Es gehört zu den Spargelgewächsen – hier gibt es also giftige und essbare Pflanzen in einer Familie. Maiglöckchen sind eine Bereicherung für jeden Garten. Wenn sie sich wohlfühlen, zum Beispiel an halbschattigen Plätzen mit humosem Boden, breiten sie sich über die Jahre mit ihren schnurförmigen Wurzelstöcken aus und bedecken rasenartig große Flächen. An Stellen, die Kleinkinder erreichen können, sollte man im Spätsommer die roten Beeren entfernen, die besonders attraktiv und gefährlich sind. Wilde Maiglöckchen wachsen wie der heute so beliebte Bärlauch auf feuchten, schattigen Waldböden. Beide haben einfach geformte, frischgrüne Blätter. Der Bärlauch erscheint früher, seine schlaffen Blätter sitzen einzeln an weichen, weißlichen Stengeln, die direkt aus dem Boden kommen. Maiglöckchenblätter erscheinen tütenartig gerollt in Paaren und haben einen steifen Stengel. Jeder kennt den traubig überhängenden Blütenstand des Maiglöckchens, der des Bärlauchs ist eine halbkugelige Dolde mit weißen Sternblüten – allerdings hat der Bärlauch seine beste Zeit als Küchenkraut hinter sich, wenn er im Mai blüht. Die oft beschworene Verwechslungsgefahr zwischen beiden Pflanzen sollte sich eigentlich erübrigen: Nur die Bärlauchblätter geben beim Quetschen den bei manchen Menschen beliebten, penetrant zwiebeligen Geruch ab; Maiglöckchenblätter riechen nur schwach nach Grünzeug.

Fritz Schade, Harald Jockusch
14. Aronstab
Aronstabgewächse, Araceae Sehr giftig!

Während die einheimische Art, der Gefleckte Aronstab (

Arum maculatum

), seine hellgrünen Blätter am Ende des Sommers „einzieht“, wie die Gärtner sich ausdrücken, und die kalte Jahreszeit im Winterschlaf unter der Erde verbringt, treibt sein italienischer Vetter im Herbst munter seine gelbgrün-dunkelgrün gemusterten Blätter aus, die so aussehen, als müssten sie beim ersten Frost zu Spinat kollabieren. Das tun sie aber nicht: Sie erfreuen uns durch die kalte Jahreszeit und halten ohne eine schützende Abdeckung Frost von minus 10 °C und darunter aus. Zum Vergleich: Die Artischocke, eine sehr dekorative Distelstaude, die wir mit französischer und italienischer Esskultur verbinden, treibt im Herbst ebenfalls frische Blätter – diese erfrieren aber jämmerlich schon bei wenigen Minusgraden. Den einheimischen Gefleckten Aronstab findet man in feuchten Laubwäldern oder unter Hecken. Die merkwürdige Gestalt der beiden Aronstabarten ist sehr ähnlich: Die „Blüte“ ist eigentlich ein Blütenstand, der von einem hellgrünen, halbtütenartig gerollten Hochblatt überragt wird, das im unteren Teil einen seitlich geschlossenen Kessel bildet. Daraus ragt ein beim einheimischen Aronstabschmutzig dunkelroter, nach Aas riechender Stab. Im unteren Teil, innerhalb des Kessels, trägt er zwei Kränze kümmerlicher männlicher und weiblicher Blüten. Der Aasgeruch lockt Fliegen in den Kessel, wo sie sich abstrampeln, um wieder in Freiheit zu gelangen, und dabei die Pollen aufnehmen bzw. die weiblichen Blüten bestäuben. Das Ergebnis dieser Minigruselgeschichte kann sich sehen lassen: Nach einiger Zeit verbleibt vom Blütenstand nur der untere Teil des Stabs, auf dem glänzend rote Beeren wie Körner auf einem Maiskolben angeordnet sind. So wird der Italienische Aronstab noch einmal zu einer besonderen Zierde des Gartens. Aber: Wenn es kleine Kinder in der Familie gibt, sollte man den Aronstab gar nicht erst pflanzen, und, falls Kinder zu Besuch kommen, wenigstens die Beeren entfernen und auf diesen Schmuck verzichten.

Fritz Schade, Harald Jockusch
15. Blauregen, Glyzinie, Wisteria
Hülsenfrüchtler, Fabaceae Giftig

Diese Liane verbindet duftende weibliche Schönheit mit wahrhaft unbändiger Kraftmeierei. Das sommergrüne Gehölz wird als „mächtiger Schlinger“ im Handel angeboten. Die Anweisungen für die Pflege dieser prachtvollen Pflanze befassen sich hauptsächlich damit, wie man ihren ungestümen Wuchs eindämmen und sie vom Abreißen der Halterungen und Aushebeln der Dachziegel abhalten kann. Es wird vor „beachtlichen Bauschäden“ gewarnt, aber kaum einer spricht davon, dass der Blauregen giftig ist. Früher nannte man die Pflanzenfamilie, zu der der Blauregen gehört, poetisch Schmetterlingsblütler, heute heißt sie eher küchensprachlich Hülsenfrüchtler. Zusammen mit der Bohne (s. Einführung) sind sechs Hülsenfrüchtler in diesem Buch genannt, die Familie ist also alles andere als harmlos, wie besonders bei Goldregen (Kap. 19) und Robinie (Kap. 23) ausgeführt wird. Neben den prachtvollen blauvioletten gibt es auch weißblütige Sorten.

Fritz Schade, Harald Jockusch
16. Akelei
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Giftig

Auf feuchten Waldwiesen in Mittel- und Süddeutschland findet man die Gemeine Akelei, meistens tief dunkelblau, manchmal aber auch in hellen, sogar weißen Varianten. Im Gegensatz zur schlichten Wildform sind die in vielen Farben von schwarzblau über purpur, rosa oder gelb gefärbten Gartenformen sehr dekorative, dabei aber äußerst vitale und freche Stauden, deren Büschel von Jahr zu Jahr breiter werden und die sich an geeigneten Stellen, vor allem im Halbschatten, kräftig aussäen. Weder die Blätter noch die Blüten haben die familientypische Gestalt der Hahnenfußgewächse. Vielmehr zeigt die Blüte eine sehr verzwickte dreidimensionale, origamiartige Abwandlung der flachen Hahnenfußblüte, die zu zeichnen ein kleines Kind wohl überfordern würde. Dem anmutigen Pflänzchen hat Dürer eine hübsche Darstellung gewidmet, die sich für ein altmodisches Jungmädchenzimmer eignet. Aber die Akelei beflügelt auch die zoologische Fantasie: Die in der Fünfzahl angeordneten Blütenblätter erinnern an fünf Tauben, die ihre Köpfe zusammenstecken; darauf weist der englische Name der Akelei

Columbine

(von lat.

columba

, Taube) hin.

Fritz Schade, Harald Jockusch
17. Vielblütiges Salomonssiegel, Vielblütige Weißwurz
Spargelwächse, Asparaginaceae Giftig

Die hier abgebildete Pflanze ist das Vielblütige Salomonssiegel, auch Vielblütige Weißwurz genannt. Sehr ähnlich im Wuchs ist das Einblütige Salomonssiegel, wobei sich diese Angabe auf die Blütenzahl pro Blattpaar bezieht. Die ausdauernden Pflanzen kommen bei uns in der Natur auf frischen Böden der Buchenwälder vor, wo wir auch Anemonen und Maiglöckchen finden. In schattigen Lagen sind sie im Garten mit ihren bogigen Sprossen zurückhaltend dekorative Pflanzen. Sie sind Stauden, die über viele Jahre mit einem weißen Wurzelstock – daher ihr Name „Weißwurz“ – überdauern. Die grünen Pflanzenteile verschwinden im Herbst. Der Wurzelstock verlängert sich jedes Jahr um einige Zentimeter, wobei der vorjährige Trieb eine rundliche Narbe hinterlässt, die an ein Siegel erinnert. Die erdachte Verbindung zu König Salomon machte dieses Siegel mythisch und wichtig; dies unterstützt die volksmedizinische Verwendung der Pflanze. Die wundheilende und schleimlösende Wirkung sollte man heute mit besser definierten Drogen erreichen.

Fritz Schade, Harald Jockusch
18. Geißblatt, Jelängerjelieber
Geißblattgewächse, Caprifoliaceae Giftig

Warum heißt das Geißblatt Geißblatt – im Deutschen, im Französischen und mit dem lateinischen, wissenschaftlichen Namen? Fressen Ziegen es trotz seiner Giftigkeit? Warum heißt es im Englischen

honey suckle

? Letzteres ist einleuchtend: Die angenehm duftenden Blüten werden von Nachtschwärmern besucht, die mit ihrem langen Rüssel den Nektar aussaugen. Warum heißt es aber im Deutschen auch Jelängerjelieber? Weil man seinen verführerischen Duft umso mehr schätzt, je länger man ihm ausgesetzt ist? Eine alternative Erklärung legt das Hochzeits-Doppel-Selbstporträt von Peter Paul Rubens aus dem Jahr 1610 nahe: Das prächtig gekleidete, sittsam händchenhaltende Paar sitzt nämlich in einer Geißblattlaube, das Jelängerjelieber symbolisierte wohl den Zusammenhalt der Ehe, die in diesem Fall nur durch den relativ frühen Tod der Ehefrau Isabella beendet wurde.

Fritz Schade, Harald Jockusch
19. Goldregen
Hülsenfrüchtler, Fabaceae Sehr giftig!

Eine der vier Urgroßmütter des Autors, eine sehr kurzsichtige Dame, die in Berlin gelebt hat, rief in einem Juni vor 150 Jahren: „Wie herrlich der Goldregen wieder blüht!” Es handelte sich allerdings um den gelben Postwagen, der hinter einem Gebüsch stand. Noch immer ist leuchtendes Gelb die Farbe der Post in Deutschland.

Fritz Schade, Harald Jockusch
20. Immergrün
Hundsgiftgewächse, Apocynaceae Sehr giftig!

Die Blüte – ein umwerfendes Blau, in der Form eines fünfzähligen Windrädchens –, dazu glänzend dunkelgrüne Blätter. So imponiert das Große Immergrün aus Südeuropa, etwas bescheidener sieht seine einheimische Schwester, das Kleine Immergrün,

Vinca minor

, aus. Wenn man einen Spross des Großen Immergrüns mit einem Vegetationsknoten erwischt, lässt sich der stibitzte Ableger problemlos im eigenen Garten aufziehen. „Unrecht gut gedeihet nicht“ trifft hier nicht zu, an schattigen und halbschattigen Plätzen wächst das Große Immergrün prachtvoll. Liegt es am Klimawandel? Wenigstens in Süddeutschland erweist sich das Große Immergrün schnell als Plage im Garten: Es kommt in Büscheln aus der Erde, sendet meterlange Pioniertriebe, seilt sich von Mauerkronen ab. Vielleicht ist es am erfreulichsten in einem kleinen Bereich des Gartens, aus dem es nicht entkommen kann, zum Beispiel weil es von Hauswand, Pflasterung oder Asphalt umgeben ist. Das Große Immergrün ist zwar in Südeuropa heimisch, ist aber bei uns frosthart. In warmen Wintern kann es auch schon mal im Januar blühen.

Fritz Schade, Harald Jockusch
21. Herbstzeitlose
Zeitlosengewächse, Colchicaceae Sehr giftig!

Im Frühjahr sprießen die saftig grünen Blätter der Herbstzeitlose. Man liest „es kommt immer wieder zu Vergiftungsfällen durch Verwechslung mit dem Bärlauch“, aber Bärlauchblätter sind spitz eiförmig und haben einen Stengel, die der Herbstzeitlose hingegen schieben sich, ausgehend von einer sehr tief sitzenden Knolle, rinnenförmig aus dem Boden und haben eine charakteristisch eingezogene Spitze. In dem oben zitierten Text wird weiter ausgeführt, dass sich die Blüte der Herbstzeitlose deutlich von der des Bärlauchs unterscheide, doch ist die Information wenig hilfreich, denn die Blüte der Herbstzeitlose erscheint, nachdem die Blätter schon mehrere Monate von der Bildfläche verschwunden sind. Allgemein haben Küchenkräuter meist ihre beste Zeit als Speisezutat hinter sich, wenn sie blühen. Wie beim Maiglöckchen (Kap. 13), dem bekanntesten Verwechslungspartner des Bärlauchs, ist auch bei der Herbstzeitlose das Entscheidende der Geruch: Herbstzeitlosenblätter haben keinen Lauchgeruch und würden auch ungiftig nicht als Küchenkraut taugen. Ein Problem kann es allerdings geben, wenn die Hände durch vorheriges Sammeln so stark nach Bärlauch riechen, dass die Geruchlosigkeit der Herbstzeitlosenblätter nicht mehr auffällt. Am besten ist daher, den Bärlauch nur selbst zu sammeln oder im Garten zu ziehen – geschenktes Bärlauchpesto könnte gefährlich sein!

Fritz Schade, Harald Jockusch
22. Besenginster
Hülsenfrüchtler, Fabaceae Giftig

Die Pflanzensystematiker wollen einen partout unglücklich machen: Der Besenginster sei eigentlich gar kein Ginster, sondern ein Geißklee, und die Familie der Schmetterlingsblütler ist nun zur Unterfamilie erklärt. Als Kind hat der Autor in der Nähe des Taunus gelebt, dieses alte, schon reichlich abgetragene Gebirge verläuft von West nach Ost und sorgt für ein besonders mildes Klima an seiner Südflanke. Die Taunusberge sind durch die Ostwestausrichtung relativ wasserarm, und außerdem ist der magere Boden sauer. Dies sind ideale Verhältnisse für den Roten Fingerhut (Kap. 35) und den Besenginster, den man als Autofahrer an baumlosen Autobahnböschungen sieht, die er im Frühsommer mit seinen sattgelben Blüten schmückt. Es gibt auch Gartenformen mit creme- oder orangefarbenen Blüten. Das Besondere am Besenginster sind die kantigen, grünen, fast blattlosen Sprosse, die man früher zu Besen verarbeitet hat, wie auch der englische Name

broom

sagt, ob auch zur Rute des Knecht Ruprecht, ist unklar. Oder waren das Birkenreiser?

Fritz Schade, Harald Jockusch
23. Robinie, Falsche Akazie
Hülsenfrüchtler, Fabaceae Sehr giftig, vor allem Samen, Holz und Rinde!

Dieser Baum wird häufig, meist unter dem Namen Akazie oder Falsche Akazie, als Straßenbaum angepflanzt, da er gegen das Stadtklima sehr widerstandsfähig ist. Als solcher muss er oft einen Kugelschnitt der Krone erleiden, damit er ordentlich aussieht. Im Wuchs an eine echte Akazie erinnert der Baum, der ursprünglich aus dem südlichen Mittelwesten der USA stammt, wenn er an Bahndämmen und Böschungen, an Feldrändern oder auf Schuttplätzen verwildert ist und seine etagenartig gegliederte Krone ungehindert ausbreiten kann. Im Mai bis Juni hängen wunderbar duftende Blütentrauben an den nicht beschnittenen Bäumen, meist in ziemlicher Höhe. Die Blüten sind eine beliebte und ergiebige Bienenweide und liefern den sehr flüssigen, aromatischen Akazienhonig, den man aus marketingtechnischen Gründen nicht gut „Falschen Akazienhonig“ nennen kann.

Fritz Schade, Harald Jockusch
24. Rhododendron
Heidekrautgewächse, Ericaceae Giftig bis sehr giftig!

Eine der für den Menschen erfolgreichsten Kooperationen zwischen Blütenpflanzen und Insekten ist die Herstellung von Honig aus Nektar durch Honigbienen. Im Alten Testament sind Milch und Honig im Überfluss die Kennzeichen des gelobten Landes Kanaan, das Gott dem Volk Israel versprochen hat. Wer würde da vermuten, dass im Altertum Honig als Kriegswaffe eingesetzt wurde? Und doch ist es geschehen und zwar in der Region Pontos am Schwarzen Meer, der heutigen türkischen Schwarzmeerküste. Das mächtige Rom versuchte in mehreren Kriegen den dort herrschenden König Mitridathes in die Knie zu zwingen. Letztlich ist dies gelungen, aber im Jahr 67 vor unserer Zeitrechnung hat der römische Konsul Gnaeus Pompeius eine Schlappe erlitten. Seine vorrückende Armee plünderte ein Honiglager. Statt des erhofften Energieschubs für die erschöpften Soldaten stellten sich Übelkeit, Verwirrtheit und Durchfälle ein; die Armee war für einen Tag kampfunfähig und wurde von den Verteidigern geschlagen. Was war geschehen? Das Honiglager war eine Falle, der Honig war giftig, aber nicht, weil er von Menschen vergiftet worden war, sondern weil ihn die Bienen aus dem giftigen Nektar der gelb blühenden Pontischen Azalee (

Rhododendron ponticum

) erzeugt hatten, die an der Südküste des Schwarzen Meeres massenhaft vorkommt. Auch heute führt die Azaleentracht gelegentlich zu giftigem „pontischem Honig“, der ab und zu in Deutschland als türkische Importware auftaucht.

Fritz Schade, Harald Jockusch
25. Bittersüßer Nachtschatten
Nachtschattengewächse, Solanaceae Giftig bis sehr giftig!

Nachtschattengewächse treten in diesem Buch sieben mal auf, sie sind also prominente Giftmischer unter den Pflanzen. Die Nutzpflanzen aus der Familie wie Tomate und Kartoffel sind zwar ursprünglich nicht in Europa beheimatet, sie sind aber aus der heutigen Küche nicht mehr wegdenken. Zwei Nachtschattenarten begegnen uns als Unkräuter im Garten. Der Schwarze Nachtschatten, ein halbmeter hohes, eher unscheinbares Kraut auf ungepflegten Beeten und Schuttplätzen ist nach der Farbe seiner Beeren benannt; der hier gezeigte Bittersüße Nachtschatten bevorzugt feuchte Plätze, kann zwei Meter hoch werden, lehnt sich dabei aber gerne an Sträucher an, da er selbst nur leicht verholzt. Mit der zierlichen Eleganz seiner Sprosse und den leuchtend roten Beeren ist er eigentlich eine sehr hübsche Pflanze. Der Artname bezieht sich auf getrocknete Stengelstücke, die früher als Arznei verwendet wurden. Sie schmecken erst süß, dann bitter, wie es der lateinische Name

S. dulcamara

und auch der französische treffend wiedergeben, während der deutsche Artname „bittersüß“ und der englische die zeitliche Reihenfolge der Geschmacksempfindung umkehren.

Fritz Schade, Harald Jockusch
26. Rittersporn
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Giftig bis sehr giftig!

Rittersporn gibt es in zwei Ausgaben: Feldrittersporn, ein halbmeter hohes, einjähriges Ackerunkraut, und Gartenrittersporn, der bis zu einer mannshohen Staude wachsen kann. Die Abbildung zeigt einen Gartenrittersporn, dessen Blüte der der Wildform noch relativ nahe ist. Der Name Rittersporn bezieht sich auf den langen Sporn an der Blüte, deren Grundform von der einfachen Hahnenfußblüte stark abweicht. Die Blätter sind dagegen typische Hahnenfußblätter.

Fritz Schade, Harald Jockusch
27. Kirschlorbeer
Rosengewächse, Rosaceae Giftig

Kirschlorbeer ist in Gärten und Parks als schnellwüchsiges und preiswertes Hecken- und Sichtschutzgehölz weit verbreitet. Zur Vermehrung lässt er sich leicht aus Samen aufziehen; noch einfacher ist es, die im Garten verstreuten Sämlinge einzusammeln. Das glänzende Dunkelgrün der Blätter schmückt das ganze Jahr, aber nach sehr strengem Frost (unter − 15 °C) kann es sich in ein hässliches Rostbraun verwandeln. Die Hecke muss danach radikal zurückgeschnitten oder ersetzt werden.

Fritz Schade, Harald Jockusch
28. Lupine
Hülsenfrüchtler, Fabaceae Giftig

Hier ist die violettblau blühende Vielblättrige Lupine gezeigt, die in Nordamerika zu Hause ist. Man sieht die auffallende Pflanze häufig verwildert an Waldrändern und Autobahnböschungen. Es gibt eng verwandte, auch weiß und gelb blühende Lupinenarten, sowie eine Palette bunter Gartenvarietäten. Aber die Lupinen bieten mehr als eine Augenweide. Im Jahr 2014 wurde einer Forschergruppe vom Bundespräsidenten der Deutsche Zukunftspreis überreicht, die sich mit den Eiweißen in Lupinen befasst hat – dies wohl im Hinblick darauf, dass für den größten Teil der Weltbevölkerung tierisches Eiweiß ein fast unbezahlbarer Luxus ist. Wie andere Hülsenfrüchte, zum Beispiel Sojabohnen, sind Lupinenkerne äußerst eiweißreich. Das Eiweiß hat jedoch einen „bohnigen“ Geschmack, der seiner Verwendung in der Lebensmittelindustrie entgegensteht.

Fritz Schade, Harald Jockusch
29. Schneebeere
Geißblattgewächse, Caprifoliaceae Giftig

Bei den Bezeichnungen „Knackeier“ oder „Knallerbsen“ werden sich viele an Kindheitstage erinnern. Der aus Nordamerika stammende, sommergrüne Strauch, der diese Früchtchen hervorbringt, wird gerne von Gemeinden an Wegrändern und auf Böschungen, auch an Kinderspielplätzen, gepflanzt. Gärtnerisch handelt es sich wohl eher um eine Verlegenheitslösung, aber schließlich ist die Pflanze preisgünstig, genügsam und unverwüstlich. Während die rosa Blütchen unscheinbar sind, fallen die Gruppen von schneeweißen, knapp kirschgroßen Beeren bis in den Winter hinein auf. Kindern machen sie Spaß, weil sie bei Zertreten knallen. Da verwundert es, die Schneebeeren unter der Rubrik „Giftpflanzen“ zu finden. Tatsächlich fressen in Nordamerika wildlebende Säugetiere und Vögel offenbar unbeschadet Blätter und Früchte dieser Pflanze. Wenn allerdings Kinder eine größere Menge Beeren essen, statt sie zu zertreten, kann es unangenehm werden: Reizung der Mundschleimhaut, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall können die Folge sein. Die Giftstoffe sind wohl noch nicht näher definiert, aber Saponine sind in den Beeren relativ hoch konzentriert. Angeblich sollen Indianerstämme im Ursprungsland der Schneebeere den Saft der Früchte als Haarshampoo verwendet haben – rein pflanzlich!

Fritz Schade, Harald Jockusch
30. Wolfsmilch
Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae Alle Wolfsmilcharten sind giftig

Kommen „Hund“ oder „Wolf“ in einem Pflanzennamen vor, bedeutet das nichts Gutes. Geht es darum, Hunde zu vergiften (vgl. Immergrün, Kap. 20; Hundspetersilie, Kap. 36; Oleander, Kap. 39) oder bedeutet es, dass die Pflanze so gefährlich ist wie ein Wolf (vgl. Tollkirsche, Kap. 41)? Die Wolfsmilchgewächse sind uns einerseits als lästige Unkräuter, andererseits als Zierpflanzen bekannt: Christusdorn, Weihnachtsstern, diverse Euphorbien für den Garten gehören zu der Familie. In allen Fällen sind es nicht Blütenblätter, durch die die oft schirmartigen Blütenstände auffallen, sondern Hochblätter; die Blüten selbst sind eher klein und knopfförmig, manchmal allerdings leuchtend gelb, während die Hochblätter grün, gelbgrün, weiß oder leuchtend rot sein können. Beim Weihnachtsstern ist die Hochblattnatur der Schmuckblätter besonders deutlich, weil es in Farbe und Form Übergänge von den grünen Laubblättern zu den roten oder weißen Hochblättern gibt. In Wüstengegenden haben sich Wolfsmilchgewächse oft stark an den Wassermangel angepasst: Die Blätter sind verkümmert, die Stämme sukkulent verdickt. Der Laie denkt, Kakteen vor sich zu haben.

Fritz Schade, Harald Jockusch
31. Rotfrüchtige Zaunrübe
Kürbisgewächse, Cucurbitaceae Sehr giftig!

Bei Hahn und Henne, bei Löwe und Löwin ist das Geschlecht offensichtlich, bei einem Krähenpaar äußerlich nicht, aber auch dort gibt es, wie bei allen Vögeln, Mann und Frau. Bei der Weinbergschnecke aber gibt es das nicht, alle Individuen sind beides zugleich, weiblich und männlich, sie sind Zwitter. Aber wie ist das bei den Pflanzen? Bei den meisten Pflanzen können wir kein Geschlecht unterscheiden, wohl aber weibliche Geschlechtsorgane, Stempel oder Narben, und männliche, Staubgefäße oder Staubbeutel, meist in einer Blüte. Also sind die meisten Pflanzen Zwitter, das nennt man bei Pflanzen „einhäusig“, womit nicht das Gegenteil von aushäusig gemeint ist. Allerdings gibt es auch einhäusige Pflanzen, bei denen männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanze vorhanden sind. So ist es bei der Eibe. Es verwundert nicht, dass man bis in die frühe Neuzeit keine rechte Vorstellung davon hatte, ob es bei Pflanzen überhaupt geschlechtliche Fortpflanzung gibt.

Fritz Schade, Harald Jockusch
32. Eisenhut
Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae Sehr giftig! Gift durchdringt auch die Haut

Gefährlicher als der Gartenteich ist für kleine Kinder nur der Eisenhut. Nachdem der Gartenteich blutenden Herzens zugeschüttet und in Rasen verwandelt wurde, kam der Eisenhut dran. Weil der Eisenhut als der Rekordhalter an Giftigkeit gilt, hat der Autor dieser Zeilen als besorgter Großvater 200 dieser Schmuckpflanzen mit der Wurzelknolle ausgerissen und der Vernichtung anheimgegeben.

Fritz Schade, Harald Jockusch
33. Kornrade
Nelkengewächse, Caryophyllaceae Sehr giftig!

Die Kornrade ist eine Pflanze mit wechselvoller Karriere. Mit den Getreidearten ist sie als wärmeliebender, blinder Passagier aus dem Südosten zu uns gekommen. In ihrem Wuchs hat sie sich an die schlanken Getreidehalme angepasst, mit der Samenreife an die Reife des Korns. Als perfektes Getreideunkraut hat sie jahrhundertelang Ärger verursacht, denn ihre Samen sind giftig. Mit den modernen Anbau- und Dreschmethoden konnte sie aber nicht mithalten und ist somit selten geworden. Derzeit erleben die klassischen Getreideunkräuter unter dem freundlicheren Namen „Beikräuter“ eine Renaissance: Käufliche Samengemische, die die Samen von Kornraden, Kornblumen und Klatschmohn enthalten, werden jetzt in Gärten, an Feldrändern oder auf den Inseln der Kreisverkehre ausgesät und erfreuen uns und viele Insekten im Hochsommer mit bunten Blüten, während die windbestäubten Getreidearten unter den Insekten nur speziellen Schädlingen einen Lebensunterhalt bieten.

Fritz Schade, Harald Jockusch
34. Schwarzes Bilsenkraut
Nachtschattengewächse, Solanaceae Sehr giftig, gefährliches Rauschmittel!

In seiner Jugend hörte der Autor das Gruselmärchen, dass man im ländlichen Ostpreußen die Erbfolge auf dem Bauernhof dadurch beschleunigte, dass man den alten Eltern Pfannkuchen mit Bilsenkraut servierte. Wie es zu diesem Märchen kam, darauf weist vielleicht die Ähnlichkeit der Bezeichnungen für beide Objekte in slawischen Sprachen hin: russisch

blin

, Eierpfannkuchen, tschechisch

blín

, Bilsenkraut; geografisch darf man da nicht zu kleinlich sein, denn insbesondere die Pfannkuchen haben durch den K.-u.-k.-Einfluss auf die Esskultur in den slawischen Sprachen auch andere Namen bekommen.

Fritz Schade, Harald Jockusch
35. Fingerhut
Wegerichgewächse, Plantaginaceae Sehr giftig!

Der Rote Fingerhut, wie er genauer heißt, ist eine unserer prächtigsten Wald- und Gartenpflanzen. Im Hochsommer erfreut er uns oft in Massen blühend auf sonnigen Kahlschlägen der Mittelgebirge. Es handelt sich um eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr eine Rosette filzig graugrüner Blätter bildet, die wenig auffällt, und erst im zweiten Jahr den meterhohen Blütenstand hervorbringt.

Fritz Schade, Harald Jockusch
36. Hundspetersilie
Doldenblütler, Apiaceae Unscheinbar, aber sehr giftig!

Fingerhut und Herbstzeitlose sind, wenigstens in der Blüte, allgemein bekannte Giftpflanzen. Auch, dass mit dem hochgiftigen Eisenhut nicht zu spaßen ist, spricht sich allmählich herum. Es handelt sich bei diesen Beispielen um sehr auffällige Pflanzen, deren Anblick uns im Garten oder bei Wanderungen erfreut.

Fritz Schade, Harald Jockusch
37. Kartoffel
Nachtschattengewächse, Solanaceae Alle grünen Teile und die Blüten sind sehr giftig!

Die Kartoffel brilliert mit über 16 Mio. Einträgen im Internet – ein Großteil davon dürften Küchenrezepte sein. Sie ist der weitaus wichtigste Vertreter der nützlichen Nachtschattengewächse – und das beruht auf den Knollen, von denen mehr als 40 kg pro Erdbewohner im Jahr geerntet werden. Kartoffeln werden auch Erdäpfel – wie im Französischen oder von van Gogh mit seinem Gemälde

De aardappeleters

– oder Erdbirnen (im Hessischen Krumbiere) genannt, es handelt sich aber nicht um Früchte, sondern, wie man an austreibenden Kartoffeln sehen kann, um verdickte unterirdische Sprosse.

Fritz Schade, Harald Jockusch
38. Prunkwinde
Windengewächse, Convolvulaceae Sehr giftig, gefährliches Rauschmittel!

„Was hätten Sie denn gern? Leckere Beilage zum Hühnchen? Schmuck an der Pergola? Rauschgift?“ – das alles bietet uns die Gattung

Ipomea

. Die Art

I. batatas

, die aus Südamerika stammende, in wärmeren Gegenden auf der Erde angebaute Süßkartoffel, hat mit der Kartoffel nur so viel zu tun, als sie ebenfalls ein stärkereiches Vorratsorgan der Pflanze ist und damit einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung liefert.

Fritz Schade, Harald Jockusch
39. Oleander
Hundsgiftgewächse, Apocynaceae Sehr giftig!

Mit dem Namen Oleander verbinden wir kilometerlange Reihen von üppig rot, rosa, lachs- und cremefarbenen blühenden Büschen auf den Mittelstreifen italienischer Autobahnen, deren biegsame Zweige sich im Wind beugen. Zu Hause geht es um die mit Glück ebenfalls üppig blühenden Büsche in bleischweren Kübeln auf der Terrasse, die uns im Frühjahr und im Herbst, wenn wir sie von und zu einem frostsicheren Ort tragen, mit Bangen an unsere Bandscheiben denken lassen. Daran, dass Oleander sehr giftig ist, denkt fast keiner, denn die wenigsten wissen, dass der prachtvolle immergrüne Strauch zu einer Pflanzenfamilie mit dem hässlichen Namen Hundsgiftgewächse gehört. Aber sehen wir uns mal die Blüte näher an: Sie ist fünfzählig, aber mit der Drehsymmetrie eines Windrädchens. Stellen wir uns diese Blüte dunkelblau vor, dann sind wir beim Immergrün, einem anderen Hundsgiftgewächs (Kap. 20). Oleander ist eine Pflanze heißer Klimate, die Wildform ist in den westlichen Anrainerländern des Mittelmeeres zu Hause.

Fritz Schade, Harald Jockusch
40. Stechapfel
Nachtschattengewächse, Solanaceae Sehr giftig!

Der Stechapfel ist eine wärmeliebende, krautige Pflanze, die gelegentlich auf Schuttplätzen und an Wegrändern zu finden ist. Es ist nicht ganz klar, ob sie aus der Neuen Welt bei uns eingeführt wurde oder schon vor deren Entdeckung weltweit verbreitet war. Die saftig grünen Blätter sind bei der jungen Pflanze einfach geformt und länglich, bei der erwachsenen breit und mit Zipfeln an den Rändern. Die hinfälligen weißen Tütenblüten ähneln denen einer Zaunwinde. Auffällig wird die Pflanze erst durch ihre stacheligen Früchte, die wie die Blüten etwas verklemmt in der Basis der Verzweigungsgabeln sitzen. Im unreifen, grünen Zustand erinnern sie an die Früchte der Rosskastanie, im reifen Zustand sind sie braun, sehr hart und platzen schließlich auf, sodass man die dunkelbraun glänzenden, stecknadelkopfgroßen Samen sehen kann. Für Zahlenfreunde: Während die Blüte, wie sich das für Nachtschattengewächse gehört, fünfzählig ist, platzt die daraus hervorgegangene Frucht kreuzförmig, also vierzählig, auf. In den heißen staubigen Sommern Ungarns fühlt sich der Stechapfel besonders wohl – die gleichzeitige Verwendung von geraden und ungeraden Takten charakterisiert auch die Musik der Puszta.

Fritz Schade, Harald Jockusch
41. Tollkirsche
Nachtschattengewächse, Solanaceae Sehr gefährliche Giftpflanze!

Kein vernünftiger Mensch wird Tollkirschen in einen Hausgarten pflanzen, obwohl diese großen, etwas düster wirkenden Nachtschattengewächse mit schirmartigem Wuchs, einfach geformten dunkelgrünen Blättern, rotbraunen Glockenblüten und schwarzglänzenden, kirschgroßen Früchten durchaus reizvoll sind. Beim sommerlichen Spaziergang durch einen feuchten Laubwald stehen sie jedoch unvermittelt am Wegesrand. Da heißt es, Kleinkinder zurückzuhalten, die größeren vor den glänzend schwarzen, angenehm süß schmeckenden Wolfskirschen (so sagen die Niederländer) zu warnen. Die gesamte Pflanze, nicht nur die Frucht, enthält ein Giftgemisch, darunter Komponenten, die Halluzinationen hervorrufen. Man wird vom Genuss „toll“, toll im Sinne von irre nicht von prima oder bestens (diese Bedeutung von „toll“ ist jüngeren Datums): Unruhe, Rededrang, Lachlust, Weinkrämpfe, Tanzlust, Irrereden, Schreien, Halluzinationen, Zittern, Delirien, Wahnsinnsanfälle, Kollaps, Lähmung, Koma. Der wissenschaftliche Gattungsname

Atropa

leitet sich von

atropos

, unabwendbar, bzw. Atropos, eine der drei Schicksalsgöttinnen in der griechischen Mythologie, ab. Atropos ist diejenige, die den Lebensfaden durchschneidet; der Name bezieht sich auf die tödliche Dosis: Angeblich reichen drei bis vier Beeren für Kinder, zehn bis zwölf für Erwachsene.

Fritz Schade, Harald Jockusch
42. Tabak
Nachtschattengewächse, Solanaceae Sehr giftig!

„Die Politik“ heißt es heutzutage oft, wenn ein Urheber von Unbegreiflichem, Empörenden ausgemacht werden soll. Erst recht gilt das für „die Politik der EU“. Ein schönes Beispiel bietet der Tabak: Dieselbe Institution, die Sprüche mit Trauerrand wie „Rauchen kann tödlich sein“ auf Zigarettenschachteln drucken lässt, hat jahrzehntelang den Tabakanbau mit Steuermillionen gefördert – in Deutschland zum Beispiel im Oberrheintal. In Europa sind insgesamt eine Milliarde Euro pro Jahr geflossen. Diese paradoxe Subventionierung wurde in den letzten Jahren schrittweise reduziert, aber bisher nicht völlig beendet.

Fritz Schade, Harald Jockusch
43. Engelstrompete
Nachtschattengewächse, Solanaceae Sehr giftig!

„Nicht zum Genuss geeignet“ hat der Autor auf der Verpackung von kleinen Pflanzen der Engelstrompete in einem Markt gelesen. Da handelt es sich wohl um ein

understatement

, wie der Engländer sagen würde: Die Engelstrompeten, als ausdauernde, aber frostempfindliche Kübelpflanzen mit verholzenden Stämmen häufig zu sehen, sind wie ihr wild lebender Verwandter, der einjährige Stechapfel (Kap. 40), sehr giftig. Die riesigen, hängenden, meist weißen, blassgelben oder lachsfarbenen Blüten der Engelstrompete oder

Brugmansia

sehen nicht nur dufte aus, sie „duften himmlisch“, wie es in einem Angebot für diese Pflanzen heißt; der kleine Bruder Stechapfel riecht dagegen widerwärtig. Die bei den Engelstrompeten stachellosen Früchte sind verlockend für Kinder. Wie beim Stechapfel löst das in allen Teilen der Pflanze enthaltene Giftgemisch Halluzinationen aus, kann aber durchaus tödlich sein. Zur Blütezeit ist der Alkaloidgehalt besonders hoch.

Fritz Schade, Harald Jockusch
44. Rizinus, Wunderbaum
Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae Sehr giftig, für Kinder besonders gefährlich!

Im Jahre 1978 passierte etwas in der Innenstadt von London, das einem Agentenfilm alle Ehre gemacht hat: Der bulgarische Schriftsteller Georgi Markow, der im Exil gegen den damaligen diktatorischen Staatschef Schiwkow agitierte, wurde auf der Waterloo-Brücke von seinem Hintermann mit der Spitze eines Regenschirms in den Unterschenkel gepikst. Das Ereignis wurde zunächst als Versehen abgetan. Drei Tage später starb Markow an einer Vergiftung. Seine Obduktion ergab, dass man ihm eine winzige poröse Metallkugel in die Wade injiziert hatte, die weniger als ein zwanzigtausendstel Gramm (40 µg) des Giftes Rizin freisetzte. Das Gift war aus den Samen des Wunderbaums (Rizinus) gewonnen worden. Mit fünf Samen kann sich ein Kind tödlich vergiften.

Fritz Schade, Harald Jockusch
45. Eibe
Eibengewächse, Taxaceae Sehr giftig (mit Ausnahme der roten Fruchtbecher)!

Die Eibe ist an feuchten, schattigen Plätzen des Gartens ein zwar langsam wachsendes, aber unverwüstliches und, als einziger Nadelbaum, fast beliebig trimmbares Hecken- und Sichtschutzgehölz. Ohne Rückschnitt kann sie aber auch zu einem stattlichen Baum heranwachsen, dessen rundliche Krone schon am Boden ansetzt.

Fritz Schade, Harald Jockusch
46. Buchsbaum
Buchsbaumgewächse, Buxaceae Giftig

Hochzeit, Umrahmung für den Frühlingswichtel, Türkranz, Weihnachtskranz, Buchskranzl für liebe Gäste zum Abschied – trotz des etwas strengen Geruchs der Blätter liefert der immergrüne Buchsbaum das Material für herzige Gaben, die besonders im süddeutschen Raum beliebt sind. Dieses sehr langsam wachsende Gehölz mit unscheinbaren, aber für Bienen wichtigen Blüten findet aber auch gärtnerische und handwerkliche Anwendungen: Da der Buchsbaum gut in Form getrimmt werden kann, eignet er sich für niedrige Beet- und Grabstellenumrandungen; sein Formschnitt erreicht bei Labyrinthen in Parks, perfekten Kugeln, meterhohen Wendeln, ja figurativen Lebendplastiken von Maillol‘scher Qualität in Form von Frauenakten und Sitzenden, vorzugsweise solche mit fülligen Formen, physische und künstlerische Höhen. Viel Zeit und Liebe steckt in diesen lebenden Kunstwerken. In den Hintergrund getreten ist dagegen heute die Verwendung des sehr harten, dichten und hornartig homogenen Buchsbaumholzes für Drechselarbeiten, Teile von Musikinstrumenten und Holzstiche, mit denen man im 19. Jahrhundert Bücher illustriert hat.

Fritz Schade, Harald Jockusch
47. Lebensbaum, Thuja
Zypressengewächse, Cupressaceae Sehr giftig!

Während die Niederländer es gut finden, wenn alle Welt einen Durchblick durch das Wohnzimmer ihres Eigenheims bis zum nächsten Haus hat, sind die meisten Deutschen eher an Privatsphäre und damit auch an Sichtschutz interessiert. Hier bietet sich beim Anlegen von Gärten um einen Neubau eine Lebensbaumhecke an, denn sie ist preiswert und schnellwüchsig. Meist handelt es sich dabei um den Abendländischen Lebensbaum,

Thuja occidentalis

. Aber Vorsicht ist geboten: Wie unten ausgeführt, ist die Pflanze in allen Teilen sehr giftig.

Fritz Schade, Harald Jockusch
48. Sadebaum
Zypressengewächse, Cupressaceae Sehr giftig!

Der Sadebaum ist eigentlich kein Baum und er ist auch nicht nach Marquis de Sade benannt – obwohl das vielleicht seine Berechtigung hätte, denn dieser in Gärten verbreitete Strauch könnte einen Menschen quälen, der auf die Idee kommt, von den stark würzigen Zweigen oder gar den schwarzen, hellblau bereiften Beeren zu naschen: Von einigen Gramm würden ihm Übelkeit, Krämpfe, Herzrhythmusstörung, Atemlähmung, blutiger Urin, und, wenn er überlebt, Nieren- und Leberschädigung blühen. Bei einem Verzehr von mehr als fünf Gramm könnten Bewusstlosigkeit und der Tod nach Stunden oder Tagen drohen. Und dieses giftige Gewächs ist nun nicht etwa aus einem fernen Land bei uns eingeführt worden, sondern in den kahlen, felsigen Regionen unserer Alpen und anderer europäischer Hochgebirge zu Hause. Die charakteristischen Gifte des Sadebaums sind Kleinmoleküle, die in dem aus der Pflanze gewonnenen Öl gelöst sind: Sabinol und Sabinen. Ihr Kohlenstoffgerüst ist jeweils ein mit einem Dreierring verschmolzener Fünferring mit verschiedenen Seitengruppen. Vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit wurden Sadebaumfrüchte zur Abtreibung eingesetzt – eine für Schwangere lebensgefährliche Methode, die dem Gehölz Namen wie Jungfernpalme, Jungfrauenrosmarin und Kindsmord eingebrachte.

Fritz Schade, Harald Jockusch
49. Pfaffenhütchen
Spindelbaumgewächse, Celastraceae Giftig

Birett nennt sich eine Kopfbedeckung katholischer Geistlicher, also der Herrschaften, die man seit altersher respektlos als Pfaffen bezeichnet. Die Birette erinnern schon sehr an botanische Objekte: Es gibt sie drei- und vierzählig und in Abstufungen der Farbe Rot, von Karmin bis Purpur, sowie auch in Schwarz. Hier haben wir es mit einer purpurroten vierzipfligen Variante zu tun, der Fruchtkapsel des Pfaffenhütchens. Die herausquellenden Samen haben eine leuchtend orange Hülle, die ganze Frucht fällt also durch eine eigenwillige Farbkombination auf. Diese Früchte sind für Menschen und Haustiere giftig, während sie von Vögeln offenbar ohne Schaden gefressen werden. Der Pfaffenhütchenstrauch, auch weniger lustig Spindelbusch genannt, wird ein paar Meter hoch und ist von sperrigem Wuchs. Aus den unansehnlichen grünlichen Blüten entwickelt sich im Herbst der dekorative Schmuck, von dem die Pflanze ihren Namen hat.

Fritz Schade, Harald Jockusch
50. Stechpalme
Stechpalmengewächse, Aquifoliaceae Sehr giftig!

Die Bezeichnung eines Gehölzes als Palme hat etwa ebensoviel botanische Bedeutung wie die einer Blume als Rose – Beispiele sind Seerose und Palma Christi (Kap. 44). In Nordwestdeutschland ist die Stechpalme wegen der dortigen atlantisch milden Winter und der feucht-kühlen Sommer weit verbreitet, beispielsweise als Unterholz im Teutoburger Wald. In diesen Regionen heißt die Stechpalme Hülse und diese Bezeichnung findet sich in Orts- und Personennamen, wie denen der romantischen Dichterin von Annette von Droste-Hülshoff und des Neurologen und dadaistischen Poeten Richard Hülsenbeck („Stechpalmenbach“). Wichtig: Diese Bezeichnung „Hülse“ hat absolut nichts mit den Hülsenfrüchtlern zu tun, die früher Schmetterlingsblütler hießen (vgl. Kap. 15, 19, 22, 23 und 28).

Fritz Schade, Harald Jockusch
51. Mistel
Sandelholzgewächse, Santalaceae Giftig

Der angelsächsische Brauch, sich in der Weihnachtszeit unter einem giftigen Halbschmarotzer zu küssen, mutet seltsam an, bürgert sich aber auch bei uns ein. Unsere häufigste Mistelart, die Weiße Mistel, ist immergrün, und sie ist, weil sie in Laubbäumen nistet, im Winter besonders auffällig. In feuchten Klimaten ist die Mistel auf Pappeln und Apfelbäumen häufig. In Pappelalleen können die markanten Kugeln mit bis zu einem Meter Durchmesser das Landschaftsbild prägen. Die Pappeln scheinen aber nicht sonderlich unter diesem Befall zu leiden. Seltener sieht man verwandte Mistelarten auf Nadelbäumen, vor allem auf Kiefern.

Fritz Schade, Harald Jockusch
Backmatter
Metadaten
Titel
Betörend, berauschend, tödlich - Giftpflanzen in unserer Umgebung
verfasst von
Fritz Schade
Harald Jockusch
Copyright-Jahr
2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-47190-6
Print ISBN
978-3-662-47189-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-47190-6