Unternehmen haben grundsätzlich die Möglichkeit, die von ihnen benötigten Mittel in Form von Eigenkapital oder als Fremdkapital zu beschaffen. Die Vergütungen für die Eigenkapitalüberlassung erfolgen in Form von Dividenden bzw. Gewinnentnahmen aus dem versteuerten Ergebnis, während die Vergütungen für die Fremdkapitalüberlassung in Form von Zinsen aus dem unversteuerten Ergebnis zu leisten sind. Fremdkapitalvergütungen mindern den Gewinn und damit die Steuerbelastung. Gesellschafter sind somit bestrebt, ihre Gesellschaften nicht nur mit Eigenkapital, sondern auch und in überwiegendem Maße mit Fremdkapital auszustatten, sofern die Besteuerung der Zinseinkünfte beim Gesellschafter geringer ist als die Dividendenbesteuerung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene insgesamt. Dies ist gegeben, wenn der Kapitalgeber in einem niedriger besteuerten ausländischen Staat ansässig ist. Die Ausstattung von Unternehmen in Hochsteuerländern mit Fremdkapital durch in niedriger besteuerten Ländern ansässige Kapitalgeber stellt somit eine Möglichkeit dar, die Gesamtsteuerbelastung zu reduzieren. Die Fremdkapitalvergütungen mindern im Hochsteuerland die Bemessungsgrundlage und werden im Niedrigsteuerland der Besteuerung zugeführt.
Der Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen ist in § 4h EStG geregelt. Gemäß § 4h EStG sind Zinsaufwendungen grundsätzlich bis zur Höhe der Zinserträge abzuziehen. Darüber hinaus ist eine Berücksichtigung der Zinsaufwendungen bis zur Höhe von 30 % des steuerlichen EBITDAs zulässig.
Ein Steuersystem wird als entscheidungsneutral bezeichnet, wenn durch die Steuerzahlungen bei rationaler Planung des Steuerpflichtigen keine Ausweichhandlungen erfolgen. Aus der Entscheidungsneutralität der Besteuerung folgt das Postulat der Rangfolgeinvarianz. Die Rangfolge der unternehmerischen Entscheidungen, wie sie in einer Welt ohne Steuern unter sonst gleichen Bedingungen vorgenommen wird, ändert sich durch die Berücksichtigung der Besteuerung nicht. Ein neutrales Steuersystem stellt das Ideal dar, das unternehmerisches Handeln nicht beeinträchtig. Neutrale Steuersysteme sind in der Realwelt jedoch nicht existent. Die Entscheidungsneutralität der Besteuerung ist deshalb als Eichstrich zu verstehen, um die Wirkung von steuerlichen Regelungen zu analysieren. Dabei wird die zu betrachtende Regelung in ein entscheidungsneutrales System eingebettet und untersucht, inwieweit die Neutralität verletzt ist. Weitergehend lassen sich dabei auch mehrere Rechtssetzungen simultan analysieren.
Der Geltungsbereich der Zinsschrankenregelung erstreckt sich sowohl auf konzerngebundene Unternehmen als auch, im Rahmen der Gesellschafterfremdfinanzierung, auf nicht konzerngebundene Unternehmen. Ebenso ist der Anwendungsbereich der Regelung nicht auf eine bestimmte Rechtsform beschränkt. Aufgrund der dualen Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung durch das Nebeneinander von Trennungs- und Transparenzprinzip für Personengesellschaften und Körperschaften sind unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten, je nachdem, in welchem Besteuerungssystem die Zinsschrankenregelung zur Anwendung kommt. Deshalb sind sowohl Körperschaften, als auch Personengesellschaften zu betrachten.
In nachfolgendem Kapitel werden die Ergebnisse der Grundalternativen diskutiert. Zunächst erfolgt die Darstellung der Ergebnisse für die betrachteten Alternativen unter den in Kapitel 4 festgelegten Unternehmensparametern. In der darauf aufbauenden Sensitivitätsanalyse wird dargestellt, inwiefern sich die Ergebnisse bei Variation einzelner Modellparameter ändern.
In der Ausgangssituation wurde unterstellt, dass die Finanzierung der betrachteten Gesellschaft ausschließlich durch den Gesellschafter erfolgt. Dadurch ergaben sich zwei wesentliche Aspekte hinsichtlich der Zinsschrankenregelung. Zum einen entfaltet die Zinsschrankenregelung in denjenigen zweistufigen Unternehmenskonstellationen mit einer Personengesellschaft als Tochtergesellschaft aufgrund der Zurechnung des Gesellschafterdarlehens zum SBV II und damit zur Betriebszugehörigkeit keine Wirkung und zum anderen ist aufgrund von § 8a Abs. 2 und 3 KStG ein Escape aufgrund fehlender Konzernzugehörigkeit zumindest in der konzernfreien Konstellation ausgeschlossen.
Nachfolgend wird, wie bereits in vorangegangenem Kapitel, unterstellt, dass die Eigenkapitalbeschaffung der von der Zinsschranke betroffenen Gesellschaft konzernintern durch den bzw. die jeweiligen Gesellschafter erfolgt und die Fremdkapitalbeschaffung extern, d.h. über einen Dritten erfolgt. Weiterhin wird angenommen, dass der Gesellschafter selbst eine riskante wirtschaftliche Betätigung ausübt.