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1993 | Buch

Technik aus soziologischer Perspektive

Forschungsstand · Theorieansätze · Fallbeispiele. Ein Überblick

verfasst von: Werner Rammert

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Die Technik ist ein Thema, das quer zu den wissenschaftlichen Diszi­ plinen liegt. Grund genug, sich mit ihr auch aus soziologischer Per­ spektive zu beschäftigen. Jede Disziplin erschafft sich ihren Gegenstand auf ihre Weise. Die In­ genieurwissenschaften sehen in der Technik eine Konstruktion, die sie zum Funktionieren bringen und deren Wirkungsgrad ständig zu ver­ bessern sei. Die Literaturwissenschaften untersuchen die Technik als Motiv im Roman und als Medium des Schreibens. Die Wirtschafts­ wissenschaften behandeln die Technik als Substitut für menschliche Arbeitkraft und als Quelle wirtschaftlichen Wachstums. Und die Phi­ losophie bewegt - man verzeihe mir die Verkürzung - die Frage nach dem Grund der Technik und nach den Formen ihrer ethischen Bewäl­ tigung. Das vorliegende Buch führt in das soziologische Denken und For­ schen über die Technik ein. Technik wird aus dieser Perspektive zu einer soziologischen Tatsache: Technik entsteht als Produkt sozialer Prozesse, in ihre Sachgestalt schreiben sich die Sozialstrukturen ein, und vom Umgang mit der Technik gehen wiederum Folgen für den sozialen Wandel aus. Technik herzustellen gilt als soziales Handeln ebenso wie Technik zu verwenden. Der "Stand der Technik" ist ebenso eine soziale Institution wie das herrschende Recht. Und das Ensemble der Techniken in einer Gesellschaft zeigt nicht nur ihr tech­ nologisches Niveau an; Gestalt und Richtung ihrer technischen Ent­ wicklung geben dem soziologisch geschulten Blick Einzelheiten der Sozialstruktur preis und verraten die prägenden Werte einer Kultur.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Von den Folgen der Technik zur sozialen Dynamik technischer Entwicklungen

Frontmatter
Kapitel 1. Konturen der Techniksoziologie
Begriffe, Entwicklungen und Forschungsfelder einer neuen soziologischen Teildisziplin
Zusammenfassung
Die Techniksoziologie ist diejenige soziologische Teildisziplin, die sich speziell mit der sozialen Dynamik der technischen Entwicklung befaßt. Ihr geht es sowohl um die Implikationen, die technische Neuerungen für menschliches Handeln und soziale Verhältnisse mit sich bringen, als auch um die sozialen Konstitutionsregeln unterschiedlicher Techniken. Der Gegenstandsbereich der Techniksoziologie erstreckt sich daher auf die Entstehungs- und die Verwendungszusammenhänge von Techniken. Es werden im wesentlichen die sozialen Bedingungen der Erfindung, Konstruktion und Entwicklung von Techniken (Technikgenese) und die sozialen Wirkungen ihrer Ausbreitung, Institutionalisierung und Aneignung (Technikfolgenabschätzung) untersucht.
Werner Rammert
Kapitel 2. Technikgenese
Stand und Perspektiven der Sozialforschung zum Entstehungszusammenhang neuer Techniken
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag bietet einen Überblick über Arbeiten der sozialwissenschaftlichen Technikforschung, die sich speziell mit den Aspekten der Entstehung, Erzeugung und Gestaltung von Techniken befassen. In ihm wird eine Perspektive für die Technikgeneseforschung skizziert, die Beiträge aus ganz unterschiedlichen Disziplinen zusammenführt und mit der Aufgaben zukünftiger Forschung ausgewiesen werden können.
Werner Rammert
Kapitel 3. Plädoyer für eine Technikgeneseforschung
Von den Folgen der Technik zur sozialen Dynamik technischer Entwicklungen
Zusammenfassung
Die Entstehungszusammenhänge neuer Technik zu erforschen, gilt als eine eher akademische Übung. Die vielfältigen Versuche, die Folgen von Techniken abzuschätzen, scheinen demgegenüber praktische und politisch verwertbare Ergebnisse zu versprechen. Entsprechend dieser Haltung überließ man Fragen der Technikgenese den vermeintlich dafür kompetenten Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Für die Diskussion der Technikfolgen konnten sich als mehr oder weniger anerkannte Experten Risikomathematiker und Szenarioschreiber, Akzeptanzforscher und Industriesoziologen, Ethikphilosophen und soziale Bewegungen etablieren.
Werner Rammert

Technischer Wandel zwischen Steuerung und Evolution

Frontmatter
Kapitel 4. Technologieentwicklung: Autonomer Prozeß und industrielle Strategie
Zusammenfassung
Zwei allgemeine Beobachtungen zu den Beziehungen von wissenschaftlich-technischer und industrieller Entwicklung dürfen auf breite Zustimmung rechnen:
  • Die erste Beobachtung ist die einer zunehmenden Verwissenschaftlichung der technischen Entwicklungen. Man kann dabei die Zunahme anwendungsorientierter und angewandter Wissenschaften im Auge haben, wie auch die Entstehung von Technikwissenschaften. Achtet man auf institutionelle Tatbestände, sind die Ergebnisse in heiden Hillen gleich: Zunahme der Forschungs- und Entwicklungslabors, des akademisch qualifizierten Personals und von Transferinstitutionen, die zwischen Grundlagenforschung und technischer Entwicklung vermitteln.
Werner Rammert
Kapitel 5. Akteure und Technologieentwicklung
Wie ließe sich A. Touraines Aussage von der „Rückkehr des Akteurs“ für die techniksoziologische Forschung nutzen?
Zusammenfassung
Ein zentrales Problem sozialwissenschaftlicher Technikforschung wird allgemein darin gesehen, die Richtung der Technologieentwicklung zu erklären. Die entsprechenden Fragen dazu lauten: Wodurch werden technologische Entwicklungspfade bestimmt? Gibt es eine strukturell determinierte Verlaufslogik? Welche Rolle spielen die Akteure und das von ihnen in den historischen Interdependenzstrukturen entfaltete Handlungspotential für ihren Verlauf?
Werner Rammert
Kapitel 6. Neue Technologien im Betrieb: Politiken und Strategien der betrieblichen Akteure
Zusammenfassung
Unter neuen Technologien sind im wesentlichen die technischen Informations-, Steuerungs- und Kommunikationssysteme zu fassen, deren wichtigste Grundlage die Computertechnik ist. Sie finden über Systeme rechnergesteuerter Konstruktion, computergestützter Fertigung, automatischer Lagerhaltung oder terminalvernetzter Bürokommunikation zunehmend Eingang in die Betriebe. Unserer Auffassung nach bringen diese neue Technologien einen Strukturwandel hervor, auf den sich die betriebliche Organisation wie auch die Akteure in ihr mit veränderten Strategien einstellen müssen.
Werner Rammert
Kapitel 7. Neue Technologien — neue Begriffe?
Lassen sich die Technologien der Informatik mit den traditionellen Konzepten der Arbeits- und Industriesoziologie noch angemessen erfassen?
Zusammenfassung
Die Frage nach dem Wandel von Arbeit und Technik wird immer wieder gestellt, wenn neue Technologien in die Fabriken und Büros einziehen. Als in den 50er und 60er Jahren die ersten Hollerithmaschinen, halbautomatischen Werkzeugmaschinen und automatisierten Chemieanlagen aufkamen, hieß es, wir stünden auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, dem der Automation. Wenn jetzt computergestützte, wissensbasierte und vernetzte technische Systeme das Bild der Produktion zu verändern beginnen, erhebt sich die Frage, ob wir uns von der vertrauten Welt industrialisierter Arbeit endgültig verabschieden und mit der Informatisierung der Arbeit in eine neue gesellschaftliche Formation, z.B. der Informationsgesellschaft, eintreten.
Werner Rammert
Kapitel 8. Wer oder was steuert den technischen Fortschritt?
Technischer Wandel zwischen Steuerung und Evolution
Zusammenfassung
Verfolgt man die jüngsten Debatten um neue Technologien — man nehme nur diejenigen zur Mikroelektronik, zur Künstlichen Intelligenz oder zur Gentechnologie — dann fällt dem kritischen Beobachter eine seltsame Gespaltenheit der Argumentation auf:
  • Auf der einen Seite wird ein Automatismus oder eine Determiniertheit des technischen Fortschritts unterstelIt, der sich nicht authalten lasse und dem wir als Opfer ausgeliefert seien. Unabhängig davon, we1che Triebkräfte jeweils dahinter vermutet werden, kann man diese Positionen unter einem Stichwort zusammenfassen, das Langdon Winner (1977) geprägt hat: „technics-out-of-control“. Die Technologien sind der GeselIschaft gleichsam aus dem Ruder gelaufen.
Werner Rammert

Die verschlungenen Bande zwischen Technik und Alltagsleben

Frontmatter
Kapitel 9. Technik und Alltagsleben
Sozialer Wandel durch Mechanisierung und technische Medien
Zusammenfassung
Die Veränderungen der betrieblich organisierten Arbeitsformen, wie sie mit der Einführung der Werkzeugmaschine, des Elektromotors oder des EDV-Rechners jeweils einhergingen, waren von einer solchen Wucht und Radikalität, daß sie als „industrielle Revolutionen“ wahrgenommen wurden. Vergleichbare Umwälzungen der alltäglichen Lebensformen sind uns nicht so bewußt, vielleicht weil die Arbeitswelt mehr Beachtung erhält als das übrige Alltagsleben, vielleicht weil uns der Alltag zu nahe und zu banal ist, als daß uns die Veränderungen auffallen.
Werner Rammert
Kapitel 10. Der nicht zu vernachlässigende Anteil des Alltagslebens selbst an seiner Technisierung
Zusammenfassung
Analog zur Technisierung des Arbeitslebens gibt es meiner Auffassung nach keine einzelne Kraft, die der Rationalisierung und Technisierung des Alltagslebens ihre Richtung weist. Im technisch-wissenschaftlichen System werden zwar die technischen Artefakte entworfen und entwickelt; aber ohne Referenz auf ökonomische, politische und letzten Endes auf kulturelle Orientierungskomplexe des Alltagslebens läuft dieser Prozeß der Technikgenese nicht ab (vgl. Krohn/Rammert 1985). Im ökonomischen Produktionssystem werden zwar die technischen Güter für den Konsum- und Freizeitbedarf der Haushalte produziert, das für ihren Erwerb notwendige Einkommen und die arbeitsfreie Zeit verteilt; aber weder kann die Werbung die Kraft der kulturellen Bedürfnisdefinition völlig manipulieren, noch kann die Angebotsmacht der Produzenten die Entscheidungssouveränität der Konsumenten grundsätzlich überspielen.
Werner Rammert
Kapitel 11. Mechanisierung und Modernisierung des privaten Haushalts
Grenzen ökonomischer Rationalisierung und Tendenzen sozialer Innovation
Zusammenfassung
Technische Innovationen in der Industrie haben nach vorherrschender Auffassung vor allem zwei Wirkungen: Sie eröffnen in der Form neuer Maschinen und Produktionsverfahren Möglichkeiten für eine ökonomische Rationalisierung auf der betrieblichen Ebene, und sie schaffen über neue Produkte und Märkte moderne Wachstumsindustrien und wirtschaftlichen Aufschwung auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene.
Werner Rammert
Kapitel 12. Der Anteil der Kultur an der Genese einer Technik: Das Beispiel des Telefons
Zusammenfassung
Zwischen so unterschiedlichen Denkern wie Karl Marx, Max Weber und Werner Sombart bestand in dieser Frage weitgehend Einigkeit, daß nämlich in industriekapitalistischen Gesellschaften die technische Entwicklung fast ausschließlich oder in letzter Instanz ökonomisch orientiert werde.
Werner Rammert
Kapitel 13. Telefon und Kommunikationskultur
Akzeptanz und Diffusion einer Technik im Vier-Länder-Vergleich
Zusammenfassung
In fast jedem Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich mindestens ein Telefongerät. Seine Benutzung ist fast jedem, vor allem den Jüngeren, selbstverständlich geworden. Auch in der öffentlichen Technikdiskussion kann das Telefon als allgemein akzeptiert gelten. Im Vergleich zu Auto, Fernsehen oder Computer war es kaum umstritten. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wurde es wenig beachtet 1, obwohl es doch über die Zeit einen Wandel der Kommunikationsweise 2 und der sozialen Kontakte ausgelöst hat. Wen außer einigen Telefonhistorikern oder Diffusionsstatistikern könnte die Ausbreitung dieser Technik heute noch interessieren? Was ließe sich am Beispiel eines solchen nützlichen Geräts über das Problem der Technikakzeptanz lernen?
Werner Rammert
Kapitel 14. Paradoxien der Informatisierung
Bedroht die Computertechnik die Kommunikation im Alltagsleben?
Zusammenfassung
Die Computertechnik ist die Leittechnik der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Mit ihrer Ausbreitung wird sich das soziale Leben in den modernen Gesellschaften zwar langsam, aber umfassend verändern; denn die mikroelektronische Erneuerung betrifft nicht allein die materielle Produktion und ihre Steuerung, sondern auch die gesamte Welt symbolischen Handelns. Die Veränderungen bleiben damit offensichtlich nicht nur auf die industriellen Kernsysteme der Wirtschaft und der staatlichen Verwaltung, auf die großen Arbeits- und Dienstleistungsorganisationen, beschränkt; sie erfassen zur gleichen Zeit immer mehr die sozialen Beziehungen und Kommunikationssituationen des Alltagslebens in Familie und Freizeit, in privatem Haushalt, sozialer Gemeinschaft und politischer Öffentlichkeit.
Werner Rammert
Kapitel 15. Materiell — Immateriell — Medial: Die verschlungenen Bande zwischen Technik und Alltagsleben
Zusammenfassung
Wir sind es gewohnt, Technik eng mit der Eigenschaft „materiell“1 zu assoziieren. Technik, das sind auf den ersten Blick die Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen, welche die Fabriken, Büros, Städte, Landschaften und Haushalte bevölkern. Vergleicht man beispielsweise eine Manufaktur des 18. Jahrhunderts mit einer Fabrik von heute, wird die Zunahme der technischen Ausstattung, die materielle Verdichtung des Produktionsgeschehens, offensichtlich.
Werner Rammert
Backmatter
Metadaten
Titel
Technik aus soziologischer Perspektive
verfasst von
Werner Rammert
Copyright-Jahr
1993
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-99559-9
Print ISBN
978-3-531-12421-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-99559-9