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2009 | Buch

Leadership im Kulturbetrieb

verfasst von: Armin Klein

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Angesichts der Globalisierung und ihrer Chancen und Risiken stehen auch die Kulturbetriebe in Deutschland vor ganz neuen Herausforderungen. In diesem Modernisierungsprozess sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Potenzial der Kultureinrichtung. Die Aufgabe eines entsprechenden Leaderships im Kulturbetrieb besteht darin, seine Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, gemeinsam exzellente Leistungen zu vollbringen. Leadership wird dabei aus einer systemischen Sicht verstanden: Es geht also nicht länger um die ideale Führungstheorie und die herausragende "Führungsfigur“, sondern um das möglichst gute Zusammenspiel der Einzelnen innerhalb des Systems Kulturorganisation und das nur gemeinsam zu konstruierende Selbstverständnis und Leitbild eines Kulturbetriebs. Leitvorstellung dabei ist der "lernende Kulturbetrieb“, dessen einzelne Mitglieder zunehmend in die Lage versetzt werden sollen, mit den neuen Herausforderungen offensiv umzugehen und diese zu ihren Gunsten zu gestalten, Risiken zu erkennen und Chancen zu nutzen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Theoretische Grundlegung

Frontmatter
1. Leadership im Kulturbetrieb
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kultureinrichtung sind ihr wichtigstes Potenzial. Eine Organisation verfügt, wie der Managementtheoretiker Peter F. Drucker feststellt, „nur über eine einzige wirkliche Ressource: den Menschen“ (Drucker 2001: 32). Das „Wissen“ (kognitiv wie emotional), die Fähigkeiten und vor allen Dingen das Engagement dieser Mitarbeiter werden damit zu kapitalen Organisationswerten, die ebenso bewertet, gepflegt und erweitert werden müssen, wie etwa die materiellen Vermögenswerte einer Kultureinrichtung (z. B. die Sammlung eines Museums, der Instrumenten- und Notenbestand einer Musikschule oder das Gebäude eines Theaters). Peter Drucker schreibt weiter: „Im Mittelpunkt des Managements steht der Mensch. Die Aufgabe des Managements besteht darin, Menschen in die Lage zu versetzen, gemeinsam Leistungen zu erbringen (…) Da seine Funktion darin besteht, Menschen in eine gemeinsame Unternehmung zu integrieren, ist das Management tief in der Kultur verwurzelt“ (Drucker 2001: 27).
Armin Klein
2. Blick zurück: Der Mensch in der klassischen Organisationstheorie
Die Frage des richtigen „Leadership“ stellt sich überhaupt nur in Organisationen; „Motivation“ und „Führung“ werden erst dort zu einem Problem, wo Arbeitsteilung vorherrscht. Der einzelne Kreative bzw. Kulturschaffende muss weder „geführt“ noch „motiviert“ werden, er bezieht seine Antriebe aus sich selbst heraus (bzw. ggf. auch nicht!). Erst dort, wo Kulturbetriebe bzw. -organisationen, seien es Theater oder Museen, Musikschulen oder Volkshochschulen, seien es Kunstvereine oder soziokulturelle Zentren zwischen Künstler und Publikum treten und unter entsprechenden Rahmenbedingungen für die Produktion und Distribution von Kunst und Kultur sorgen, tauchen bestimmte Probleme auf, wie sie in Organisationen und Betrieben allgemein zu beobachten sind, seien es nun wirtschaftliche Betriebe, Krankenhäuser, Gewerkschaften oder welche Form von Organisation auch immer. Anders gesagt: Organisationen müssen ganz bestimmte Probleme lösen, völlig unabhängig davon, ob sie Kunst und Kultur, Autos, Schuhe, Waschmaschinen oder Sicherheit produzieren. Und seit es Organisationen im modernen Sinne (also etwa ab dem 18. Jahrhundert in Europa) gibt, haben sich Organisationstheoretiker bemüht, diese Probleme zu analysieren und Lösungen dafür zu finden.
Armin Klein
3. Perspektivenwechsel: Der Mensch als Ausgangspunkt
Der Mensch als Person und Individuum spielte, wie dargestellt, in den klassischen Organisationstheorien des Scientific Management und der Bürokratietheorie eine völlig untergeordnete Rolle. Arbeitsplatzbeschreibungen, Stellenkontingente, Organigramme, Prozessabläufe – der Mensch war (bzw. ist) in einem solchen Denken lediglich ein Rädchen in einer großen Maschine, die möglichst reibungslos zu funktionieren hat. Kafka, der seine Romane und Erzählungen zur gleichen Zeit schrieb, als die klassischen Organisationstheorien entwickelt wurden, lässt grüßen! Erst als die Theorie mit der Wirklichkeit kollidierte (das Beispiel der Hawthorne-Experimente) wurden im Zuge der sog. Human-Relations-Bewegung entsprechende Motivationstheorien entwickelt, die es erlauben sollten, nach wie vor an den traditionellen Theorien festzuhalten, erweitert allerdings um entsprechende „Stütztheorien“, die den Mensch und seine Bedürfnisse „irgendwie“ berücksichtigen und mit der Organisation einigermaßen versöhnen sollten. Zeitgleich mit den ersten Motivationstheorien entstand allerdings Ende der 30er Jahre ein theoretischer Neuansatz innerhalb der Organisationstheorie, der radikal den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellte und der viele Erkenntnisse der heutigen Organisationstheorie vorweg nahm, ohne seiner Zeit entsprechend gewürdigt zu werden. Für die hier angestellten Überlegungen zum Leadership in Kulturbetrieben liefert dieser Neuansatz eine ganze Reihe grundlegender Erkenntnisse.
Armin Klein

Leadership in der Praxis des Kulturbetriebs

Frontmatter
4. Die Führung der Kultureinrichtung
Was folgt nun aus den bisherigen Überlegungen? Damit eine (Kultur-)Organisation zielorientiert arbeiten kann, bedarf es der verbindlichen (Selbst-)Steuerung. Ob eine Kultureinrichtung hierarchisch oder kooperativ, ob sie autoritär oder partizipativ, ob zentralisiert oder dezentral gesteuert bzw. geführt wird: Irgendeine Einheit innerhalb der Organisation muss die grundlegende Richtung bestimmen und sicherstellen, dass das einmal festgelegte bzw. verabredete Ziel bzw. die Vision (vgl. hierzu ausführlich das nächste Kapitel) auch tatsächlich angestrebt und eingehalten wird – ganz im Sinne des englischen ‚controlling‘, was soviel wie ‚steuern‘ heißt (und im Deutschen leider immer noch recht häufig mit ‚kontrollieren‘ falsch übersetzt und verstanden wird).
Armin Klein
5. Führen mit Vision
Wie lässt sich dies nun in der Praxis einer Kultureinrichtung realisieren? Im bisher Gesagten wurde immer wieder deutlich gemacht, welche zentrale Funktion „Sinn“ in einer Organisation hat. Ein Beispiel kann dies plastisch machen: Auf einer Baustelle in einer mittelalterlichen Stadt arbeiten zwei Steinmetze. Gefragt, was sie da täten, antwortet der eine: „Ich haue Quadersteine zurecht“. Der andere: „Ich helfe mit, eine Kathedrale zu bauen“. Beide verrichten die gleiche Tätigkeit, doch mit völlig unterschiedlicher Perspektive und Fokus! Der eine sieht nur das Detail seiner Arbeit, ohne sie entsprechend einordnen zu können; entsprechend eintönig mag sie ihm vorkommen. Der andere dagegen hat eben dieses große Ganze, nämlich den Bau einer wunderbaren Kathedrale, deren Glanz und Stolz die Jahrhunderte überstrahlen wird, im Blick! Und sicherlich wird man vermuten dürfen, dass derjenige mit der Vorstellung vom Ganzen seine Arbeit sehr viel motivierter verrichten wird als jener, der von sich glaubt, nur einzelne Quadersteine zu behauen.
Armin Klein
6. Zielvereinbarungen als Steuerungs- und Führungsinstrument
Wie lässt sich nun das hier favorisierte Management by objectives bzw. Management by Systems in die Praxis von Kulturbetrieben umsetzen? Hierzu sind Zielvereinbarungen ein zentrales Steuerungs- und Führungsinstrument. Unter Zielvereinbarungen versteht man dabei verbindliche Absprachen, die zwischen zwei Ebenen für einen festgelegten Zeitraum über zu erbringende Leistungen, deren Qualität und Menge (Outcome), das hierzu erforderliche Budget bzw. die zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie über Art und Inhalt des Informationsaustausches (Berichtswesen/Controlling/Evaluation) geschlossen werden. Grundlegender Leitgedanke ist dabei der Übergang von der bisherigen inputorientierten Detailsteuerung hin zu einer ergebnisorientierten Steuerung auf Abstand.
Armin Klein
7. Konfliktmanagement
Trotz größter Bemühungen aller Beteiligten, gemeinsam an der Realisierung einer Vision in einer Kultureinrichtung zu arbeiten, kann es immer wieder geschehen, dass massive Konflikte aufbrechen. Wichtig ist dabei zunächst das richtige Verständnis von „Konflikten“: Konflikte sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens und nichts, dass es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Gerade eine lebendige, zukunftsorientierte Kultureinrichtung lebt von der Auseinandersetzung, der Kritik und dem Konflikt, weil in ihr die verschiedensten Individuen mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen, Vorstellung und Interessen zusammen kommen. Sie begreift Konflikte als Chance, sich weiter zu entwickeln.
Armin Klein
8. Leadership in Kulturorganisationen
Der vorliegende Ansatz betrachtet die einzelne Kulturorganisation als ein System bzw. als einen Organismus. Ein System besteht aus einer Vielzahl von Elementen, die sich ständig gegenseitig beeinflussen. Jede Maßnahme, die innerhalb dieses Systems getroffen wird, hat in der Regel nicht nur einen, den beispielsweise von einer Führungsperson eigentlich intendierten Effekt, sondern eine ganze Reihe von – nicht oft unerwünschten – Nebeneffekten. Einige Beispiele können das verdeutlichen:
  • Der Intendant eines Theaters will die Marketingabteilung anspornen, stärker besucherorientiert zu arbeiten. Er beruft deshalb eine Abteilungsbesprechung ein und erläutert seine Vorstellungen. Die versammelten Dramaturgen akzeptieren einerseits die Zielvorstellung des Intendanten, andererseits fühlen sie sich aber „auf den Schlips getreten“, weil sie der Überzeugung sind, jetzt schon sehr gute Arbeit geleistet zu haben. Einerseits wird in der Folge tatsächlich stärker auf das Publikum hin orientiert gearbeitet, andererseits führt das zu zeitweise großen Spannungen zwischen Intendanz und Dramaturgieabteilung.
  • Der Direktor eines großen Museums belobigt öffentlich ausdrücklich die Kuratorin, die für eine erfolgreiche Sonderausstellung verantwortlich war und gewährt ihr deshalb zwei Tage Sonderurlaub. Das gefällt der Belobigten zwar sehr gut, gleichzeitig kommt es aber in der Folge zu Streitigkeiten im Kuratorenteam, weil die anderen Kuratoren, die nicht an der Ausstellung beteiligt waren, trotzdem aber ihre tägliche Arbeit gemacht haben, sich nicht genügend gewürdigt fühlen.
  • Mehrere Eltern beklagen sich beim Leiter einer Musikschule über das unfreundliche Verhalten eines bestimmten Lehrers. Der Musikschulleiter stellt diesen zur Sprache und fordert ihn auf, seine Umgangsformen zu ändern. Dieser bemüht sich nun zwar um ein freundlicheres Verhalten, gleichzeitig solidarisieren sich die anderen Musikschullehrer mit dem Kollegen und machen Stimmung gegen die Schülereltern, „die in ihren Forderungen immer maßloser werden.“
Armin Klein
Backmatter
Metadaten
Titel
Leadership im Kulturbetrieb
verfasst von
Armin Klein
Copyright-Jahr
2009
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91564-7
Print ISBN
978-3-531-16101-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91564-7