Skip to main content

2010 | Buch

Modernisierung kommunaler Sozialpolitik

Anpassungsstrategien im Wohlfahrtskorporatismus

verfasst von: Stephan Grohs

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Lokale Wohlfahrtsarrangements gerieten seit den 1990er Jahren unter erheblichen Druck. Verwaltungsmodernisierung und Ökonomisierungstendenzen setzten die etablierten Kooperationsstrukturen zwischen Kommunalverwaltungen und freien Trägern dem Zwang aus, sich verstärkt mit Kosten und Qualität sozialer Dienstleistungen auseinanderzusetzen. Die Studie untersucht vor diesem Hintergrund am Beispiel von Leistungsvereinbarungen und Kontrakten empirisch die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Trägerstrukturen und die Leistungsbeziehungen. Im Mittelpunkt stehen dabei unterschiedliche Implementationsweisen, die in den untersuchten Kommunen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
In der empirischen Verwaltungsforschung stand für die kommunale Ebene in den letzten 15 Jahren die Binnenmodernisierung der Verwaltungen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit (vgl. Jann et al. 2004; Bogumil et al. 2006; 2007). Die Außendimension, also die Beziehungen zu Bürgern einerseits, externen Leistungserbringern andererseits wurde eher spärlich bearbeitet. Ein Bereich mit hoher Verflechtung der kommunalen Verwaltungen nach außen ist traditionell der Bereich der kommunalen Sozialpolitik. Die Mehrzahl der von den kommunalen Verwaltungen zu verantwortenden Dienstleistungen im Bereich Jugend und Soziales wird nicht von den kommunalen Verwaltungen selbst erbracht, sondern ist in der Bundesrepublik nach dem bis Anfang der 1990er Jahre rechtlich fixierten Subsidiaritätsprinzip größtenteils auf freie Träger übertragen. Diese gehören in der Regel den großen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege an. Die lokalen Wohlfahrtsarrangements gerieten seit den 1990er Jahren zunehmend unter Druck. Auslöser waren die Anstrengungen der zunächst binnenorientierten Verwaltungsreform unter dem Leitbild des Neuen Steuerungsmodells sowie der Einfluss bundespolitischer Interventionen mit dem Ziel der Aufhebung des bedingten Vorrangs freier Träger sowie die Einführung neuer Finanzierungsformen.
Stephan Grohs
2. Modernisierung kommunaler Sozialpolitik als Politikfeld
Zusammenfassung
Bevor auf den konzeptuellen und theoretischen Rahmen dieser Arbeit eingegangen wird, soll zunächst in das untersuchte Politikfeld – die kommunale Sozialpolitik und insbesondere das hier vertiefte Teilgebiet der Kinder- und Jugendhilfe – eingeführt werden. Ohne dem konzeptionellen Teil vorzugreifen wird hier unter Politikfeld ein spezifischer „Problemverarbeitungszusammenhang“ (Schneider/ Janning 2006: 64ff) verstanden, der auf inhaltliche Regelungsbereiche (policies) bezogen ist. Politikfelder unterscheiden sich danach durch unterschiedliche historisch gewachsene Rahmenbedingungen, Inhalte, Institutionen und rechtliche Regulierungen sowie durch wesentliche Akteure und Akteurskonstellationen. Im Folgenden wird daher zunächst (2.1) ein kurzer Abriss der historischen Entwicklung lokaler Sozialstaatlichkeit gegeben, der zum Ziel hat, wesentliche legacies der gegenwärtigen institutionellen Arrangements zu identifizieren. Diese werden insbesondere in der theoretischen Diskussion der Argumente des historischen Institutionalismus bzw. der Pfadabhängigkeitsdiskussion von Bedeutung und begründen auch die Beschränkung auf die Kinder- und Jugendhilfe als untersuchtes Politikfeld. Dieses wird im Folgenden in seinen wesentlichen Inhalten, rechtlichen Regelungen, institutionellen Arrangements und Akteurskonstellationen skizziert (2.2). Abschließend werden die wesentlichen Modernisierungsimpulse seit den 1990er Jahren als grundlegende unabhängige Variablen dieser Untersuchung eingeführt (2.3).
Stephan Grohs
3. Stand der Forschung
Zusammenfassung
Lokale Sozialpolitik steht im Schatten der politikwissenschaftlichen Sozialpolitikforschung, die sich weitgehend um die „großen“ Sozialversicherungssysteme, ihre Entstehung, Reform und Verteilungswirkungen dreht. Daher ist ein Rückgriff auf benachbarte Disziplinen, die sich des Themas annehmen, denen aber häufig die politikwissenschaftliche „Brille“ fehlt, unverzichtbar. Für die skizzierte Fragestellung ist die Bezugnahme auf vier wesentliche Forschungsstränge relevant, die selten in Beziehung zueinander gebracht werden und auch in unterschiedlichen Fachkulturen beheimatet sind. In der verwaltungswissenschaftlichen Tradition stehen Forschungen zur Implementation von Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung und Ökonomisierungstendenzen auf lokaler Ebene und speziell den Jugendämtern (vgl. 3.1). Im Bereich der Jugendämter ist hier auch von pädagogischer Seite auf die Forschungen des Deutschen Jugendinstituts zu verweisen. Der Wandel von Trägerstrukturen und Wohlfahrtsverbänden (vgl. 3.2) wird demgegenüber von soziologischer und pädagogischer Seite beleuchtet. Die Implementation von Kontraktmanagement und Leistungsvereinbarungen (vgl. 3.3) steht insbesondere im juristischen und wiederum pädagogischen Scheinwerferlicht. Da insbesondere für diesen relativ neuen Forschungsbereich wenig Material für den deutschen Bereich vorhanden ist, werden abschließend auch die internationalen Forschungen zur Implementation von Kontraktmanagement berücksichtigt, die sich dem Gegenstand aus einer eher verwaltungswissenschaftlichen Perspektive nähern und daher für diese Arbeit und die Entwicklung von Hypothesen sehr relevant sind (3.4).
Stephan Grohs
4. Konzeptioneller und theoretischer Rahmen
Zusammenfassung
Die Perspektive dieser Arbeit ist policy-orientiert – sowohl Verwaltungsmodernisierung (vgl. Jann 2001) als auch die Ausgestaltung lokaler Wohlfahrtsarrangements (vgl. Kaufmann 1979, 1994) werden in ihrer materialen Ausgestaltung als Ergebnisse politischer Prozesse, des Policy-Making, betrachtet. Dabei ist der spezifische Fokus dieser Arbeit auf die Implementationsphase gerichtet (vgl. Mayntz 1980; Wollmann 1979; 1983). Als Implementationsphase wird in der Policyforschung die Phase der unmittelbaren Umsetzung von politischen Entscheidungen und Programmen verstanden. Im idealtypischen Policy-Zyklus (vgl. Windhoff-Héritier 1987; Jann/Wegrich 2003) ist sie am Ende einer Kette aus Problemdefinition, Agenda Setting und Politikformulierung angesiedelt. In der klassischen Dichotomie der „legislatorischen Programmsteuerung“ (vgl. Grauhan 1969) markiert sie die „Übernahme“ „Umsetzung“ und „Durchführung“ des politischen Willens durch die Verwaltung. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen also nicht die Phasen der Entscheidungsvorbereitung und -findung, sondern die Umsetzung von politischen Programmen. Nicht Regelgenese, sondern Regelanwendung steht im Fokus. Diese Prozesse spielen sich in zwei abgrenzbaren Arenen ab – der der allgemeinen Verwaltungsmodernisierung und der der Ausgestaltung lokaler Wohlfahrtsarrangements. Beide weisen jeweils verschiedene Akteurskonstellationen und Handlungslogiken auf (z.B. Effizienzorientierung einerseits, Orientierung an Problemlagen und Bestandsinteressen andererseits). Inwieweit beide Arenen verwoben sind, ist zunächst eine empirische Frage, die diese Arbeit anleitet. Insofern ist die Arbeit auch ein Beitrag, dem konstatierten Mangel an substantiellen Politikfeldanalysen auf lokaler Ebene (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006: 126) ein kleines Stück weit zu begegnen.
Stephan Grohs
5. Wandel lokaler Wohlfahrtsarrangements
Zusammenfassung
In einem ersten empirischen Schritt wird der Wandel der lokalen Trägerstrukturen bundesweit untersucht. Dabei werden die Trägerstrukturen sowohl in ihrer Ausprägung hinsichtlich der Anteile der verschiedenen Trägergruppen als auch hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung (Einführung von Kontraktmanagement, Leistungsvereinbarungen und Wettbewerbselementen) untersucht. In diesem Kapitel wird der empirische Wandel der Strukturen lokaler Wohlfahrtsarrangements auf Aggregatdatenebene anhand Daten der öffentlichen Statistik untersucht. Es stehen drei wesentliche Fragen im Mittelpunkt: Zunächst wird der tatsächliche Wandel der Trägerstrukturen untersucht (5.1), danach wird die Implementation der „neuen Regeln“ nachgezeichnet (5.2) und schließlich die Frage nach dem Zusammenhang neuer Regelungsstrukturen und dem Wandel bzw. der Konstanz der Trägerstrukturen gestellt (5.3).
Stephan Grohs
6. Fallstudien zu Implementationsstrategien
Zusammenfassung
Die Ergebnisse der quantitativen Betrachtungen scheinen zunächst die Beharrungsthese zu bestätigen. Gleichzeitig lassen sie jedoch entscheidende Fragen offen: Warum werden trotz offenkundigem Verfehlen der in den Instrumenten angelegten Ziele die neuen Instrumente rege eingeführt? Offensichtlich lassen sich mindestens vier Reaktionsweisen auf die Herausforderungen auf die Ökonomisierungs- und Pluralisierungsimpulse identifizieren: Neben den Extrempolen erfolgter Pluralisierung/Ökonomisierung und der Beibehaltung des Status quo finden sich auch die bloße formale Einführung von Instrumenten zu Legitimationszwecken sowie Fälle einer „subversiven“ Aneignung des Instrumentariums, die deren ursprünglichen Zielen diametral entgegenstehen. Letztere Adaptionsweise werde ich im Anschluss an Wollmann (1983) kurz „Gegenimplementation“ nennen.
Stephan Grohs
7. Schluss
Zusammenfassung
Die Arbeit ging von zwei zentralen Fragestellungen aus. Zunächst wurde gefragt, welchen Einfluss Modernisierungsbestrebungen der Kommunen und Ökonomisierungsimpulse auf die Trägerstrukturen im Feld der lokalen sozialen Dienstleistungen haben. Zum Zweiten sollten Auswirkungen auf die konkreten Interaktionsstrukturen zwischen freien und öffentlichen Trägern in den Blick genommen werden. Nach Durchsicht der einschlägigen Forschung und der Theoriediskussion wurden elf zentrale Hypothesen zum Wandel lokaler Wohlfahrtsarrangements formuliert. In diesem abschließenden Kapitel werden nun zunächst die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst und ein Rückschluss auf wesentliche Ausgangshypothesen gezogen. Als Ergebnis soll die Frage der Wandlungsfähigkeit lokaler Wohlfahrtsarrangements in ein kohärentes Interpretationsschema eingeordnet werden (7.1). Als Abschluss soll ein Ausblick gegeben werden, in dem diskutiert wird, was die Ergebnisse dieser Arbeit für Rückschlüsse auf die Reformfähigkeit der lokalen Sozialpolitik, die Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung über Kontrakte und die Muster der Verbändebeteiligung in einem weiteren Kontext zulassen (7.2).
Stephan Grohs
Backmatter
Metadaten
Titel
Modernisierung kommunaler Sozialpolitik
verfasst von
Stephan Grohs
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92114-3
Print ISBN
978-3-531-17098-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92114-3