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2012 | Buch

Geiz, Trägheit, Neid & Co. in Therapie und Seelsorge

Psychologie der 7 Todsünden

verfasst von: Univ. Prof. Dr. Anton Bucher

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Psychologie trifft Bibel

Die 7 Todsünden: Geiz, Trägheit, Hochmut, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei. Eine Sammlung hoch aufgeladener Themen, die schon ewig in der Bibel stehen, aber dadurch nichts an ihrer Aktualität verloren haben. Warum? Sie sprechen jeden Menschen an – und sie sind selbst im professionellen Setting von Psychotherapie und Seelsorge höchst relevant.

State of the Art

Professor Bucher bietet den State of the Art der 7 Todsünden-Konzepte: Welche psychologischen Untersuchungen zu dem Thema gibt es (eingearbeitet wurden mehr als 1000), in welchem Kontext stehen die jeweiligen Konzepte?, welche Fallen, Ressourcen, Anregungen sind bei Therapie, Beratung, Seelsorge zu beachten?

Eingeflossen ist eine eigene Studie zum Thema mit 400 Personen und ebenso viele Erlebnisberichte, die die Todsünden noch anschaulicher und nachvollziehbarer machen.

Das Fachbuch zum Thema

Entstanden ist eine ausführliche Zusammenstellung relevanter Forschungsergebnisse zu den 7 sündigen Themen. Gut strukturiert und gut lesbar. Angereichert durch anschauliche Fallbeispiele. Geeignet, um sich einen fundierten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Forschung menschlicher Schattenthemen zu machen.

Eine Fundgrube für Therapeuten, Berater, Seelsorger, interessierte Mitleser

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Die Sieben Todsünden
Abstract
»Sünde« gilt nicht als psychologischer Begriff, sondern als theologischer, aus dem »die Luft der Vergangenheit« entgegenwehe (Schulze 2008, S. 9). Nichtsdestoweniger wird »Sünde« nicht nur in Kirchen verwendet, wo sich Katholiken auf die Brust klopfen und als »sündig« bezeichnen, sondern auch in der Werbung: »Ein Apfel aus dem Vinschgau ist immer eine Sünde wert«, oder in der Bestsellerliteratur, gemäß der »Mein Mann … eine Sünde wert« ist (Haran u. Malsch 2006).
Anton Bucher
2. Geiz/Habgier
Abstract
»Geiz ist geil« – davon ist das niederländische Ehepaar Van Veen u. Van Eeden (1995) überzeugt. Es pflegt einen Lebensstil, der an Sparsamkeit nicht zu überbieten ist. Wie verhindern, dass ein neues Paar Socken gekauft werden muss, wenn einer verloren ist? Indem eine ganze Menge gleicher Strümpfe erworben werden, die austauschbar sind. Wie Geld sparen bei der Körperpflege? Indem kalt geduscht wird – und selten dazu! Das Ehepaar, von hunderten Journalisten besucht, gründete die Zeitschrift »Vrekkenkrant«, eine »Zeitung für Geizhälse«, die von mehr und mehr Lesern abonniert wird. Auch in Österreich erscheint seit 2002 eine Geizhalszeitung. Sie will Verschuldeten zu Sparsamkeit verhelfen. Nicht etwa, indem sie Fertiggerichte bei Aldi kaufen, sondern indem sie am Wegrand Brennnesseln abreißen, die sich wie Spinat pürieren lassen und bestenfalls mit brauner Butter übergossen werden. Geiz – eine Todsünde? Oder für viele ein Weg, um in der Wohlstandsgesellschaft zu überleben?
Anton Bucher
3. Neid
Abstract
Nur wenig kann einen Autoliebhaber, der sich nur einen gebrauchten Golf leisten kann, mehr verdrießen als der Nachbar, der schon einen VW Phaeton besitzt und nun mit einem neuen Bugati Veyron vorfährt. Manchem ist die Lust an einer Party vergangen, wenn er, unauffällig am Rand stehend, sieht, wie sein Arbeitskollege, schlank und breitschulterig, von Frauenaugen angestrahlt wird. Wenig kann sich so vergiftend in die Seele einer Klavierschülerin fressen wie die Erfahrung, nur einen Anstandsapplaus zu erhalten und dann zu hören, wie einer Mitschülerin der Beifall entgegenbraust. In solchen Situationen können Menschen vor Neid erblassen oder grün werden, die Kehle schnürt sich zusammen, es »sticht und nagt in den Eingeweiden« (Ernst 2006, S. 71).
Anton Bucher
4. Völlerei
Abstract
Wie bringt man sich am besten um? Erste Assoziationen sind Schlaftabletten, Strick, Revolver! Anders der Regisseur Marco Ferreri: Sein Film »Das große Fressen« schockierte 1973 die Kinobesucher, ließ etliche in Ohnmacht fallen und wurde in Irland verboten. Vier Freunde treffen sich darin mit Prostituierten, um in einem Pariser Vorstadthaus Suizid zu begehen – durch übermäßiges Fressen. Zu sehen sind gebratene Spanferkel, Torten, auch in Form von Brüsten, Würste, Früchte; überdeutlich zu hören sind Rülpser und Verdauungsgeräusche, bis die verstopfte Toilette des Hauses explodiert und dieses mit Exkrementen überschwemmt. Einer stirbt nach dem anderen, Ugo auf dem Küchentisch, während ihn eine Frau reibt und Philipp ihn mit Leberpastete füttert, welcher als Letzter zu Tode kommt, Pudding verzehrend und dann an die einzig überlebende Andrea sinkend.
Anton Bucher
5. Stolz/Hochmut
Abstract
»Der Ursprung aller Sünden ist der Stolz«, schrieb Augustinus (Kirchenväter 1, 1963, S. 498). Aber warum? Weil der Stolze tue, was er wolle und sich nicht dem Willen Gottes beuge. Gregor der Große zählte »Stolz« – lateinisch: »superbia« – nicht zu den Sieben Todsünden, sondern nahm an, dass er diese geradezu gebäre (Baasten 1986). Ein stolzer Mensch gerate jäher in Zorn, wenn er realisiere, etwas nicht zu erhalten; er neige leichter zum Neid und meine es nicht nötig zu haben, sich zu engagieren (speziell spirituell: Trägheit). Auch nehme er sich rücksichtsloser das Recht heraus, habgierig zu sein, der Völlerei und Wollust zu frönen. Stolz sei die Sünde Satans gewesen, der als (noch) Engel seinen Thron über denjenigen Gottes stellen wollte (Jes 14,13). Fundamentalistische Christen sehen dies bis heute so. Die »Kinder des Stolzes«, ein »Grundübel« des Menschen: »Ehrgeiz, Eitelkeit, Spott, Neid, Ungeduld, Gleichgültigkeit, Schadenfreude« (Mühlhaus 2004). Entsprechend massiv sind gemäß Dante (2007, S. 189) die im ersten Felsenring des Fegefeuers vorgesehenen Strafen für die Stolzen: Auf ihr hochmütiges Genick werden schwere Steine geschultert, sodass der Oberkörper bis zu den Knien hinuntergedrückt ist und sie permanent auf den Boden und in den Staub blicken müssen, um zu erkennen, »dass wir nichts sind als Würmer« (ebd., S. 187). Ein Bild mit psychologischem Tiefgang: Narzissten können dermaßen auf sich selbst fixiert werden, dass sie niemanden und nichts anderes mehr sehen können.
Anton Bucher
6. Zorn
Abstract
F„Zorn“ ist das erste Wort in der abendländischen Dichtung, gleich zu Beginn der Ilias, der Zorn des Peleiden Achilles, den die Muse zu besingen habe. Geschildert wird er meisterhaft: Wie Achilles auf König Agamemnon ergrimmt, nachdem ihn dieser gezwungen hat, seine Konkubine Briseis aus seinem Zelt zu entlassen. Um seinen Stolz – ebenfalls eine Todsünde – zu wahren, weigert sich Achilles, gegen die Trojaner zu kämpfen, die die Oberhand gewinnen. Hektor, ihr stärkster Held, tötet einen herausragenden Kämpfer: Patroklos, den innigsten Freund von Achilles, worauf sich dieser in Schuld und Gram verzehrt und sein Zorn neuerlich mächtig auflodert, diesmal, auf Rache sinnend, gegen Hektor. Rasend fordert er ihn zum Kampf, tötet ihn und demütigt die Trojaner, indem er den Leichnam an seinen Streitwagen hängt und um die Stadt schleift. Zorn, von Homer noch in der Brust und erst von Hippokrates im Gehirn lokalisiert, ist die in der Ilias am häufigsten genannte Emotion, 130 Mal, während es „Furcht“, im Schlachtengetümmel noch und noch erlebt, gerade auf 29 Nennungen bringt (Mumford 1996).
Anton Bucher
7. Trägheit
Abstract
Das Bild von Trägheit schlechthin: Liegestühle am Strand, in denen sich Männer und Frauen stundenlang räkeln, dann und wann Sonnenschutzcreme einreiben und durch nichts zu bewegen sind, in die Wogen zu springen. Ohnehin: Unsere Vorfahren, könnten sie unsere alltägliche Lebensweise betrachten, müssten uns unweigerlich für faul halten. Bei gleicher genetischer Ausstattung (Eaton, Konner u. Shostak 1988) waren sie täglich in Bewegung und konnten nicht ins Auto steigen, um in der 200 m entfernten Bäckerei Semmeln zu kaufen. Die Jäger bewegten sich jeden Tag 10–15 km, die Frauen, Früchte und Wurzeln sammelnd, um die 8 km (Belz 2008, S. 94).
Anton Bucher
8. Wollust
Abstract
Lust ist etwas vom Wunderbarsten, das den Menschen geschenkt ist. Wenn ein Mann voller Vorfreude zu der geliebten Frau fährt, wird sein Körper von Dopamin durchflutet (Berrigde 2003). Und nach dem Sex, wenn beide von den Schauern des Orgasmus bis in die Zehenspitzen durchrieselt sind, schauen sie sich in die geweiteten Augen, ungläubig, dass so etwas geschehen kann! Lust setzt Peptide frei, die ähnlich berauschen wie Drogen (Fisher 2004). Verständlich, dass Nietzsche (1955 II, S. 558) schrieb: »Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.« Aber er schärfte auch ein: »So reich ist Lust, dass sie nach Wehe durstet, nach Hölle, nach Hass … sie beißt in sich.« (ebd., S. 557).
Anton Bucher
9. Ausblick
Abstract
Sind die sieben Todsünden heute noch aktuell? Die Antwort lautet: und wie! In der Werbung, der Kunst, der Umgangssprache, bezogen auf die Bundesbahn ebenso wie Fehler im Management. Weniger aktuell sind sie in Theologie und Kirche, von erzreaktionären Milieus abgesehen (beispielhaft die Internetplattform kreuz.net, auf der praktizierte Homosexualität ebenso als Todsünde verteufelt wird wie Freimaurerei). Weniger explizit präsent sind die Todsünden auch in der Psychologie, die aber unzählige empirische Studien hervorgebracht hat, die sich auf sie beziehen lassen. Das ist kein Zufall, denn die klassischen sieben Todsünden waren die Psychologie des Menschlich-Abgründigen (teils auch Vergnüglichen) von gestern. Und in den wenigen Jahrtausenden, in denen der Mensch das Alphabet entwickelte und beherrschte, hat sich seine Natur nicht verändert, auch wenn das Wissen wie eine Supernova explodierte. Aber die Todsünden, die primär Emotionen sind, wurzeln in tieferen Schichten, weniger im präfrontalen Kortex als vielmehr im limbischen System: die Gier, jeweils nicht zu bremsen, wenn genug Dopamin ausgeschüttet ist, zumal im Nuccleus accumbens; die Eifersucht hingegen, in zitternde Angst hinunterziehend und zugleich Wut aufpeitschend, in der Amygdala.
Anton Bucher
Backmatter
Metadaten
Titel
Geiz, Trägheit, Neid & Co. in Therapie und Seelsorge
verfasst von
Univ. Prof. Dr. Anton Bucher
Copyright-Jahr
2012
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-04907-1
Print ISBN
978-3-642-04906-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-04907-1

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