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2018 | Buch

Hören als Praxis

Sinnliche Wahrnehmungsweisen technisch (re-)produzierter Sprache

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Über dieses Buch

Miklas Schulz entwickelt anhand zweier praxistheoretisch fundierter empirischer Zugänge – einer Interviewanalyse und einer Autoethnografie – das Konzept des Doing Perception. Im Zentrum steht die Art und Weise, wie sich Menschen über die Medien Stimme und Schrift ins Verhältnis zur eigenen Sinneswahrnehmung setzen. Das der Studie zugrunde gelegte komparative Vorgehen verbindet Dispositivtheorie und neue Leibphänomenologie, indem es die Wissensbestände rekonstruiert, aus denen sich sozio-technische Aneignungspraxen konfigurieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Chapter 1. Einleitung: Ausgangsbeobachtung und Zielsetzung der Studie
Zusammenfassung
Das Feld des Auditiven findet sich seit Längerem durch die verfügbar gewordenen medialen Reproduktionstechnologien in Bewegung gesetzt. Im 20. Jahrhundert werden Wahrnehmungschancen durch die auditive Medienkunst immer wieder auf spektakuläre Weise thematisiert und in klangkünstlerischen Anordnungen erprobt. Zusätzlich vollzieht sich gegenwärtig durch die Miniaturisierung und Tragbarkeit der Abspielgeräte und Kopfhörer sowie das wachsende Angebot auditiv wahrnehmbarer Medieninhalte ein weitaus weniger spektakulärer, unmittelbar im Alltag der Menschen stattfindender Wandel.
Miklas Schulz
Chapter 2. Praxistheoretische Grundlagen
Zusammenfassung
Um dem in diesem Kapitel intendierten Ziel der Einführung einer dispositivtheoretisch orientierten Forschungsperspektive gerecht zu werden, wird nach allgemeinen Auseinandersetzungen mit dem Practice Turn und dem Dispositivbegriff (2.1) ein Verständnis für den zu erforschenden Zusammenhang von Praxen, Sinnen und Medien entfaltet. Diskutiert wird ein medienwissenschaftlicher Dispositivansatz, dessen Reflexion fruchtbare Erkenntnisse im Kontext auditiver Wahrnehmung liefert (2.2). Die Befunde lassen sich gut durch eine soziologische, auf die Aneignung von unterschiedlichen Wissensformen durch Subjekte bezogene Konzeptualisierung erweitern (2.2.1), die hilft, verschiedene Ebenen und deren relevantes Zusammenspiel so zu systematisieren, dass ein solches Verständnis leitend werden kann für den Aufbau und den Argumentationsgang der Studie (2.2.2).
Miklas Schulz
Chapter 3. Sinnesanthropologien: Von Konstanz zum Wandel
Zusammenfassung
Über die vorgeschlagene dispositivtheoretische Perspektivierung wird es möglich, davon auszugehen, dass sich die textbezogenen sinnlichen Aneignungsweisen in einem heterogenen Ensemble verfertigen, das aus verschiedenen Elementen besteht. Diese reichen von der Beschaffenheit des akustischen Materials sowie des Mediums (die Abspieltechnologie ebenso wie Stimme und Schrift) über deren symbolische Aufladung über Diskurse sowie über subjektive (erfahrungsgesättigte) Wissensbestände bis hin zu den später genauer zu thematisierenden Hörtextvarianten. Damit konfiguriert sich die von den Menschen mit hergestellte wie – darauf aufbauend – dann als objektiv gegebene und sinnlich durchlebte Wirklichkeit vermittels der auf die Sinne zielenden Aneignungspraxen selbst.
Miklas Schulz
Chapter 4. Zur Diskursivierung medientechnischer Transformationen von Sprache
Zusammenfassung
Mit einem medialen Wandel bilden sich neue Gewohnheiten des Gebrauchs und damit zusammenhängend zugleich auch eine auf diesen bezogene Kritik aus. Dieses Phänomen wird in der soziologisch-kulturwissenschaftlichen Diskussion thematisiert (vgl. Bublitz 2005; Hörisch 2001; Reckwitz 2006; Schrage 2003).
Miklas Schulz
Chapter 5. Die Forschungspraxis im Kontext von Medien-Sinn und Hermeneutiken
Zusammenfassung
Bisher deutlich wurde, dass die Praxisformen der Medienaneignung im Anschluss an Benjamin als Techniken und Trainingsfelder der Kognition, der Affekte und der Wahrnehmungen verstanden werden können (vgl. Reckwitz 2006: 59). Medientechnologien und deren Inhalte werden darüber hinaus vermittels der auf sie bezogenen Aneignungspraxen mit Bedeutung aufgeladen, über die kulturelle Artefakte den Menschen zur Erzielung bestimmter Effekte zur Verfügung stehen. Die Aneignung von Hörtexten gewährt Spielräume im Hinblick darauf, wie man sich zu sich selbst und zur Umwelt ins Verhältnis setzen kann und soll.
Miklas Schulz
Chapter 6. Zeitregie und leibliches Verstehen: zwei Konzeptualisierungsvorschläge
Zusammenfassung
Wie sich bis zu diesem Punkt feststellen lässt, wurde bis in die Moderne hinein die Stimme als etwas Ideales, als das wahre, lebendige und beseelte Phänomen des Ausdrucks stilisiert. In Zusammenhang zu bringen ist diese Position mit der Tradierung einer phonetischen Schrift: Die Externalisierung von Gedanken und deren Fixierung in Schriftform wurden als Bedrohung für die Gedächtnisleistungen aufgefasst, weswegen man die Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit der Stimme zu begründen suchte. Mit den Thesen Derridas und seinem neuen, zum Ende der 1960er Jahre mit der Grammatologie in den Diskurs eingebrachten Schriftbegriff ist diese Epoche der Wertschätzung der Qualitäten der Stimme zu einem jähen Ende gekommen.
Miklas Schulz
Chapter 7. Methodologie und Methode
Zusammenfassung
Im Folgenden wird das für die Rekonstruktion von Hörweisen angewandte methodische Vorgehen vorgestellt, das sich im interpretativen Paradigma verorten lässt (vgl. Keller 2012; Lamnek 2006). Ausgangspunkt für eine Neuorientierung in den qualitativen Sozialwissenschaften war eine Repräsentationskrise, wie sie u. a. durch Foucaults Diskurstheorie oder Derridas Kritik der Präsenzmetaphysik angestoßen wurde. Aktuell vermutet Jochen Bonz hinter solch poststrukturalistischer Verunsicherung gar ein Misstrauensvotum gegenüber dem Sehen und seinen vermeintlichen Qualitäten der Möglichkeit des » eindeutigen Erkennens, des Festhaltens eines Sachverhaltes « (Bonz 2015: 2).
Miklas Schulz
Chapter 8. Die empirische Rekonstruktion von Hörweisen
Zusammenfassung
Auf der Basis der bisherigen Ausführungen, die gezeigt haben, inwieweit menschliche Tätigkeit, die historisch je gegenwärtige (technische) Umwelt und die Sensorik wechselseitig miteinander verwoben sind, kann im Folgenden die Rekonstruktion dieses Verhältnisses in den Interviews vorgenommen werden. Die Struktur des Kapitels folgt zuerst den einzelnen Hörtextvarianten und später den deutenden, auf die Medien Stimme und Schrift zielenden Aneignungspraxen. Im Detail ist der folgende Ergebnisteil so aufgebaut, dass er seinen Ausgangspunkt von der singulär-intensiven Hörerfahrung nimmt (8.1), wie sie mit dem Hörspiel gemacht werden kann.
Miklas Schulz
Chapter 9. Hören als epistemische Praxis
Zusammenfassung
Wie in dem vorausgegangenen Teil zur Ergebnisdarstellung der rekonstruktiven Interviewanalyse gezeigt werden konnte, verfügen die Menschen über ein von Selbstverständlichkeiten und routinisierten Praxisformen getragenes Wissen, das als ihre eigene, subjektive Ästhesiologie verstanden werden kann. Eine solche ästhesiologische Alltagstheorie gibt den Menschen auf erfahrungsgesättigte, im Medienhandeln erprobte Weise Auskunft über die Besonderheiten ihres Hörsinns und ihres Sehsinns. Es steht ihnen ein leiblicher Wissensspeicher zur Verfügung, der es ihnen erlaubt, das Sehen und das Hören kontextspezifisch und im Hinblick auf das ihnen gegenwärtige Erfordernis adäquat einzusetzen.
Miklas Schulz
Chapter 10. Schluss: Diskussion, Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassung
Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, eine überwiegend sprachvermittelte, über wissensbasierte Hörpraxen erwirkte Konfiguration subjektiv erlebter Sinnlichkeit zu rekonstruieren. Darüber, wie sich die wahrnehmenden Menschen (hermeneutisch) deutend zu den Medien Stimme und Schrift ins Verhältnis setzen, ließ sich aufzeigen, wie sie – reflektiert im Paradigma des Doings – gewohnt sind, ihre Sinne › zu tun ‹. Dabei ist nicht unterstellt, dass die Interviewten über eine fachliche Vorbildung verfügen (müssten), um ihre Sinnlichkeit hermeneutisch ausdeuten zu können.
Miklas Schulz
Backmatter
Metadaten
Titel
Hören als Praxis
verfasst von
Miklas Schulz
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-19654-7
Print ISBN
978-3-658-19653-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-19654-7

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