Strategien der Lagerplatzvergabe

Die zunehmende Marktmacht der Käufer sowie der europäische Binnenmarkt mit seinem erweiterten Wettbewerbsspektrum stellen an die Flexibilität der Produktions- und Handelsunternehmen ständig steigende Anforderungen. Gefordert wird ein perfekter Service am Kunden, der eine in allen Teilbereichen funktionierende Logistik des Material-, Waren- und Informationsflusses zur Voraussetzung hat. Die Integration logistischer Prozesse erstreckt sich dabei weit über die Schnittstellen der Unternehmen hinaus. Nur durch direkte Anbindung unternehmensexterner Ressourcen, wie z. B. Zulieferer und Logistik-Dienstleister, läßt sich ein meßbarer Erfolg implementierter Logistikkonzeptionen erzielen.

Die VDI-Richtlinie 3590 definiert den Begriff der Kommissionierung als:

„ […] das Zusammenstellen von bestimmten Teilmengen (Artikel) aus einer bereitgestellten Gesamtmenge (Sortiment) auf Grund von Bedarfsinformationen (Aufträge).“5

Um den Begriff der Kommissionierung in seiner Gesamtheit analysieren zu können, wird zu Beginn der Dienstleistungsbegriff in der Logistik eingeführt. Hiermit werden die notwendigen begrifflichen Voraussetzungen geschaffen, die charakteristischen Bestandteile der Kommissionierung zu identifizieren und die Betrachtung im nachfolgenden Abschnitt auf Kommissioniersysteme innerhalb der Unternehmensfunktion Logistik auszuweiten.

In der Literatur findet sich eine Vielzahl verschiedener Definitionen zum Begriff der Planung. Diese Definitionen unterscheiden sich einerseits bezüglich der differenzierten Auffassungen seitens der Autoren sowie deren inhaltlicher Aussagekraft, die von philosophischen bis hin zu rein pragmatisch orientierten Ansätzen reicht. Aus dem Dissens der mannigfaltigen Meinungen sowie aus der Forderung nach allgemeingültigen, allumfassenden Definitionsversuchen entstehen Aussagen zur Planung, deren inhaltliche Aussagekraft kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche Komplexität des zu beschreibenden Phänomens zuläßt.

Die Kenntnis und Analyse der Schnittstellen, die ein Kommissionierlager mit vor- und nachgelagerten Unternehmensbereichen aufweist, ist für eine erfolgreiche Planung von ausschlaggebender Wichtigkeit. Diese Schnittstellen können physischer und/oder organisatorischer Art sein und haben zum Ziel, unterschiedliche Unternehmensbereiche funktional miteinander zu verknüpfen. Eine detaillierte Untersuchung der im Rahmen dieser Arbeit relevanten Schnittstellen folgt im Kapitel 5.

In den nachfolgenden Abschnitten werden im Rahmen einer Systemanalyse schrittweise die Grundlagen erarbeitet, die für die Konstruktion von Planungsmodellen und Lösungsverfahren zur Lagerplatzvergabe in Kommissionierlägern erforderlich sind. Eine detaillierte Systemanalyse bildet hierbei die Voraussetzung für eine qualitativ gute Modellbildung, mit der das zu betrachtende System aufgrund der erzielten Ergebnisse möglichst wirklichkeitsgetreu abgebildet werden kann. In diesem Zusammenhang wird das zu untersuchende System „Kommissionierlager“ in dessen Elemente und den dazugehörenden Beziehungen zwischen diesen und mit der Umwelt aufgespalten.

In den folgenden Abschnitten wird eine Reihe von Modellen und Lösungsverfahren dargestellt, die hinsichtlich der Vergabe von Lagerplätzen im Kommissionierlager in der Praxis häufigen Einsatz finden und in denen existierende Verbundbeziehungen in der Nachfragestruktur nicht berücksichtigt sind. Im Rahmen dieser Verfahren werden die Artikel aufgrund bestimmter kennzeichnender Eigenschaften in eine Reihenfolge gebracht oder bestimmten Artikelklassen zugeordnet. Die Lagerplatzvergabe für die Artikel des Kommissionierbereichs erfolgt unter der Zielsetzung, die zurückzulegenden Kommissionierwege beim Abarbeiten der Aufträge so gering wie möglich zu halten.

Um die Anwendbarkeit einer Auswahl der in Kapitel 6 beschriebenen Modelle zur Vergabe von Lagerplätzen in einem Kommissionierlager zu untersuchen und somit eine Transformation der theoretischen Planungskonzepte auf praktische Aufgabenstellungen vornehmen zu können, wurde ein Computerprogramm entwickelt, mit dem experimentell verschiedene Strategien getestet werden. In diesem Kapitel werden zum einen die einzelnen Programmodule beschrieben und zum anderen verschiedene Lagerplatzvergabe-Strategien unter Variation der Modellparameter getestet. Die Experimente wurden mit den Artikelstamm- und Kommissionierauftragsdaten eines Unternehmens des Versandhandels für Ärztebedarf durchgeführt. Abschließend werden die Ergebnisse, die aus den Berechnungsexperimenten erzielt wurden, diskutiert und bewertet.

Die Lagerplatzvergabe von Artikeln bildet einen zentralen Bestandteil der aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltung eines Kommissioniersystems. Aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge in Kommissioniersystemen in Verbindung mit hohen Investitions- und Betriebskosten kommt diesem Bereich aus planerischen Gesichtspunkten besondere Bedeutung innerhalb der Logistikkette eines Unternehmens zu. Die Funktion „Kommissionieren“ dient dabei dem mengengenauen Zusammenstellen von Artikeln aufgrund von Bedarfsinformationen, die als Kundenbestellungen im Unternehmen eintreffen. Diese Zusammenstellfunktion erfolgt in der Regel unter Vorgabe von Lieferzeitfenstern, die hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit stellen.