2004 | OriginalPaper | Buchkapitel
Einleitung: Was kommt nach dem Ernährermodell? Sozialpolitik zwischen Re-Kommodifizierung und Re-Familialisierung
verfasst von : Sigrid Leitner, Ilona Ostner, Margit Schratzenstaller
Erschienen in: Wohlfahrtsstaat und Geschlechterverhältnis im Umbruch
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Das “male breadwinner/female homemaker model”, das Ernährermodell, gilt seit Beginn der feministischen Sozialpolitikforschung als Grundpfeiler der Geschlechterungleichheit im modernen Wohlfahrtsstaat. Kaum eine geschlechtersensible Analyse von Sozialpolitik versäumt es, wie das „Amen in der Kirche“ irgendwie darauf Bezug zu nehmen. Fast könnte man meinen, die „Welten des Wohlfahrtskapitalismus“ (Esping-Andersen 1990) — oder zumindest die feministischen Interpretationen derselben — hätten sich in den letzten 25 Jahren nicht wesentlich verändert. Solch eine sehr oberflächliche oder besser gesagt: einseitige Einschätzung wird dadurch gefördert, dass sozialpolitische Reformen zumeist traditionellen Geschlechterstrukturen verhaftet geblieben sind und sich daher die empirische Ausgangslage fir die feministische Analyse in dieser Hinsicht heute offensichtlich nicht grundlegend anders darstellt als vor einem Vierteljahrhundert. Gleichzeitig aber scheinen wir im Moment an einem entscheidenden (Wende-)Punkt zu stehen, an dem die jahrzehntelange Kumulation einer Politik der kleinen Schritte in Richtung Geschlechtergleichheit auf eine öffentliche politisch-ökonomische Debatte trifft, in der das traditionelle Emährermodell zunehmend in Frage gestellt wird. Selbst die OECD und die EU setzen sich inzwischen mit geschlechtsspezifischen Aspekten der Beschäftigungsentwicklung auseinander (vgl. CEC 1993; 1995; OECD 2001; 2002). Sie analysieren den Beitrag der Sozialpolitik zum “gender gap”, zur ungleichen Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern, und zum “family gap”, zu den Beschäftigungsunterschieden zwischen Frauen mit und ohne familiale Betreuungs- und/oder Pflegeaufgaben. Der wirtschaftliche Wert der unbezahlten Sorgearbeit rückte so in das Blickfeld einflussreicher Ökonomen und Politiker. Selbst negative (ökonomische) Folgen einer forcierten weiblichen Erwerbsbeteiligung, z. B. die Vergrößerung von Lohnunterschieden zwischen Frauen oder neue Formen der Segregation, werden diskutiert (vgl. OECD 2002). Was deutsche Politik zur Zeit unter dem englischen Stichwort “work-life-balance” auf den Weg bringen will, entstammt direkt den Think Tanks von EU und OECD.