Organisationale Energie stellt ein bisher nur in Grundzügen erforschtes Phänomen dar. Trotz des Interesses an diesem Phänomen wird in der Literatur lediglich vage bzw. recht allgemein definiert, was unter Organisationaler Energie verstanden wird. Adams beispielsweise definiert Organisationale Energie als „human potential for action or accomplishment of work“. Ein erster Schritt zu einem grundlegenden Verständnis von Organisationaler Energie soll daher mit einer Konstruktdefinition erfolgen.
Organisationale Energie zeigt sich nicht immer auf die gleiche Weise in Unternehmen. Vielmehr kann Organisationale Energie verschiedene, spezifische Zustände aufweisen. Die empirische Forschung zeigt, dass Energiezustände mit Hilfe von zwei unabhängigen Dimensionen beschrieben werden können — Qualität und Intensität Organisationaler Energie. Energie.
Die Mobilisierung der emotionalen, kognitiven und handlungsbezo-genen Potenziale und die Ausrichtung auf zentrale Schwerpunkte sind vor allem Aufgabe des Top-Managements.
In der Forschung finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass nicht nur Bedrohungen, sondern auch positive Anlässe wirkungsvolle Treiber von Organisationaler Energie sind. Spezifische Situationen, die eine Zukunftschance für das Unternehmen bedeuten, wie Visionen, faszinierende Innovationen oder die Erschließung neuer Märkte können erhebliche Potenziale bei Unternehmen freisetzen.
Neben der Aktivierung liegt eine entscheidende Managementaufgabe und -kompetenz in der Fokussierung, d.h. in der gezielten gemeinsamen Ausrichtung und Koordination der Kräfte auf bestimmte Kernaktivitäten. Ein Merkmal produktiver Energie ist die gemeinsame Kanalisierung von Anstrengung, Aufmerksamkeit und Begeisterung auf die entscheidenden Ziele und Aufgaben des Unternehmens. Führungskräfte beeinflussen damit entscheidend die Qualitätsdimension der Energie, d.h. das Ausmaß, in dem die Potenziale auf die gemeinsamen Ziele ausgerichtet sind, und sichern eine produktive Nutzung der aktivierten Kraftreserven in Transformationssituationen. Bei dieser Fokussierung von Energien wird berücksichtigt, dass die Mobilisierung zwar eine Einsatzbereitschaft herstellt, diese jedoch weder besonders gerichtet, noch — und das ist mindestens genauso wichtig — wirklich verbindlich ist.
Die bisher vorgestellten Strategien des Energiemanagements zielen auf eine Mobilisierung von Unternehmen ab und führen sie aus der angenehmen oder frustrierten Trägheit in den Zustand produktiver Energie. Hebel der Fokussierung tragen darüber hinaus dafür Rechnung, dass die einmal aktivierten Kraftreserven tatsächlich konstruktiv im Unternehmen genutzt werden. Eine weitere wesentliche Aufgabe liegt in der Handhabung von korrosiver Energie. Korrosive Energie liegt vor, wenn Unternehmen im Gegensatz zur Trägheit zwar ein hohes Maß an Aktivität, Wachheit und emotionaler Involviertheit aufweisen, diese intensive Energie des Unternehmens jedoch negativ ausgerichtet ist und unternehmensschädlich genutzt wird. Die aktivierten Kraftreserven des Unternehmens werden nicht konstruktiv zur Lösung gemeinsamer Probleme eingesetzt, sondern destruktiv nach innen gerichtet (siehe Abschnitt 3.4).
Die bisher vorgestellten Strategien und Aktivitäten zur Mobilisierung und Fokussierung von Energie, genauso wie die Ansätze zum gezielten Abbau von korrosiver Energie, zeigen auf, wie Manager Unternehmen aus verschiedenen nicht-produktiven Energie-Zuständen führen können. Befinden sich Unternehmen hingegen im Zustand produktiver Energie, verlagert sich die Ausrichtung des Energiemanagements erheblich. Das Top-Management muss darauf achten, das einmal erreichte hohe Energieniveau zu halten.
Unternehmen benötigen Organisationale Energie insbesondere für die Bewältigung von Change und Innovationen. Einigen Unternehmen gelingt es, Veränderungsprozesse schnell zu bewältigen oder Innovationen erfolgreich hervorzubringen. Demgegenüber sind viele andere Unternehmen eher träge und es bereitet ihnen Probleme, Innovations- und Veränderungsprozesse zu initiieren und umzusetzen.