Die Menschen im Berufsleben stehen zunehmend vor Herausforderungen, für die es zur Zeit ihrer Ausbildung noch nicht einmal die Worte gegeben hat. Zum Ersten verändern sich technologische, ökonomische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Organisationen, was den Anteil der Fachschulungen an der Arbeitszeit beständig steigert; zum Zweiten wandelt sich auch der Charakter von Führung und Zusammenarbeit selbst immer schneller, drittens werden die Anforderungen an die Steuerung in Organisationen immer komplexer.
Zur Beantwortung der Frage, inwieweit das berufsbezogene Training relevant für die lernende Organisation ist oder sein kann, ist ein Blick auf den Prozess des Zustandekommens von Trainings beziehungsweise Trainingsprojekten aus Sicht der Organisation nützlich. Dies wird im folgenden Abschnitt untersucht.
Die Kenntnis beziehungsweise Beachtung aller möglichen Dimensionen des Lernens im System einer Organisation ist von kaum zu überschätzenden Vorteil. So wird verhindert, dass beispielsweise weniger erfahrene Auftraggeber mit der vermeintlich günstigsten Offerte ein für ihre Ziele unpassendes Training mit unpassenden Trainern für eine unpassende Auswahl an Teilnehmern einkaufen. Aber auch für die Trainer und vor allem für die Teilnehmer ist oft nur scheinbar klar, welchem Ziel und Zweck die Veranstaltung nun wirklich dient. All dies kostet Zeit und Geld und behindert die Organisation beim Aufbau wirklicher Lernstrukturen.
„...obwohl Generationen von Vorgesetzten an Führungsseminaren teilgenommen haben, hört man in fast jedem Seminar für Nachwuchsführungskräfte immer wieder den Satz: »Hervorragend, dieses Seminar, aber das sollten Sie auch mal unseren Chefs andienen!« “122
„Nicht wenige Trainer verstehen es, sich unentbehrlich zu machen. Den Preis bezahlen die Kursteilnehmer und ihr Unternehmen. Die Unentbehrlichen gleichen einem Medizinmann, der die Leiden seiner Patienten zwar spürbar lindert, ihre Heilung aber geschickt hinauszögert... Viele seiner Patienten werden ihn loben und preisen... und werden ihn immer wieder brau-chen...“148
Bei vielen professionellen Anbietern von Trainings zweiter Ordnung herrscht eine grundsätzliche Skepsis bezüglich der Akquisition vor. Sie eignen sich deshalb nicht sehr gut für herkömmliche Akquisition, weil diese Trainings das tiefste Innere der Organisation wie ihr Lernsystem, ihre Visionen und mentale Modelle berühren. Dazu kommen die komplexen Methodenfragen des Einschleifen- und Doppelschleifen-Lernens, was vom Auftraggeber überdurchschnittliche Sachkenntnis195 und hohes Vertrauen erfordert. Üblicherweise kommen daher derartige Aufträge — sofern es sich nicht ohnedies um Folgeaufträge von Stammkunden handelt — durch Weiterempfehlung zustande (siehe unten).
Trainings oder Trainingsprogramme zweiter Ordnung stellen hinsichtlich der Planung an die Organisation und die Trainer hochkomplexe Anforderungen; für die Planung einer Teilnahme bestimmter Personen an organisations-externen Seminaren oder für Fach-und Verhaltensschulungen fallen manche Schritte weg oder weniger diffizil aus. Daher soll im Folgenden diese anspruchsvollste Variante von Planung erörtert werden.
Dieser und der Abschnitt 9 richten sich an Anbieter, Veranstalter und Einkäufer von Trainings, die am Aufbau einer lernenden Organisation interessiert sind sich enger mit der professionellen Planung von Trainings auseinander setzen müssen oder wollen. Alle Ausführungen befassen sich schwerpunktmäßig mit den internen Trainings zweiter Ordnung mit ihren komplexen Anforderungen an Auftraggeber, Trainer und Klienten:
1.
die spezielle Methode des Erfahrungslernens;
2.
das Prinzip des Lernens zweiter Ordnung.
3.
der Bezugnahme des Trainings auf die Organisation.