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2012 | Buch

Mediatisierte Welten

Forschungsfelder und Beschreibungsansätze

herausgegeben von: Friedrich Krotz, Andreas Hepp

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Mediatisierung wurde zu einem Schlüsselkonzept der internationalen Medien- und Kommunikationsforschung, um das Wechselverhältnis des Wandels von Medienkommunikation und Kultur bzw. Gesellschaft zu fassen. Doch durch was zeichnet sich die heutige Mediatisierung aus? Wie verändern sich mit ihr Handlungs- und Interaktionsformen, Netzwerke und soziale Kontexte? Welche gesellschaftlichen Herausforderungen bestehen dadurch? Fragen wie diese werden in dem vorliegenden Buch ausgehend von Analysen einzelner „mediatisierter Welten“ diskutiert. Die Grundlage sind dabei Forschungskonzepte und erste Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunktprogramms 1505 „Mediatisierte Welten: Kommunikation im medialen und gesellschaftlichen Wandel“.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Mediatisierte Welten

Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze – Zur Einleitung
Zusammenfassung
Nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch international hat sich der Begriff der „Mediatisierung“ in den letzten Jahren zu einem „key“ (Lundby 2009a) der wissenschaftlichen Beschreibung des Medien- und Kommunikationswandels entwickelt. Während als „neue Medien“ vor wenigen Jahren noch das Satelliten- und Kabelfernsehen galten, überschlagen sich mit der voranschreitenden Digitalisierung die Innovationen. Diese sperren sich dabei etablierten Begrifflichkeiten der Medien- und Kommunikationsforschung, indem die verschiedenen Endgeräte – Laptops, Smart-Phones, Tablets usw. – verschiedene Medialitäten in sich integrieren, ohne diese im Wandlungsprozess einfach aufzulösen. Das Konzept der „Mediatisierung“ verspricht hier einen anderen, angemesseneren Blick auf den Wandel von Medien und Kommunikation.
Andreas Hepp, Friedrich Krotz

Zur Beschreibung mediatisierter Welten

Frontmatter
Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality: Wie Mediatisierung funktioniert
Zusammenfassung
Mit dem Zerfall des römischen Reichs und der gleichzeitig wachsenden Bedeutung des Christentums gingen bekanntlich auch viele kulturelle Praktiken, Wissensbestände und Errungenschaften der alten Griechen und Römer verloren – beispielsweise auf dem Feld der Bilder. Christliche Kirchen waren ursprünglich mit Bildern verziert. Im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde dies allerdings von dem oströmischen Kaiser Konstantin und Papst Sylvester radikal verboten, um Götzendienst zu verhindern. Der christliche Fundamentalismus der damaligen Zeit sorgte dafür, dass alle Kirchen weiß übertüncht und auch zahlreiche römische und griechische Statuen und Gemälde zerstört wurden: „Die Kunst starb, und die Kirchen blieben ungefähr sechshundert Jahre lang weiß“, so urteilt der Maler Lorenz Ghiberti schon 1447 darüber (zitiert nach Wolf/Millen 1987: 5).
Friedrich Krotz

Publikumskonstruktionen und Geschäftsmodelle in mediatisierten Welten

Frontmatter
Gesellschaft im Spiegel der Zahlen – Die Rolle der Medien
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag versteht sich als Plädoyer für eine thematische und perspektivische Erweiterung der Debatte zur Mediatisierung der Gesellschaft (vgl. Krotz 2007). Es geht um die nicht zu übersehende Einmischung der elektronischen Medien in die immer tiefer reichenden wie auch stetig expandierenden Prozesse und Strukturen einer „Quantifizierung der Gesellschaft“. Mit diesem Begriff sind zunächst einmal vergleichsweise unspektakuläre Beobachtungen verbunden: Ob nun die Laborbefunde einer medizinischen Untersuchung über die gesundheitliche Verfassung von Personen, Bilanzen und Börsenwerte über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, oder Umfrageergebnisse über die Stimmenanteile der politischen Parteien informieren sollen – wir haben uns längst daran gewöhnt, in immer mehr Bereichen des täglichen Lebens über relevante Ereignisse und Entwicklungen mit Hilfe zahlenförmiger Darstellungen informiert zu werden.
Josef Wehner, Jan-Hendrik Passoth, Tilmann Sutter
Mediatisierte Fitness? Über die Entstehung eines Geschäftsmodells
Zusammenfassung
„Fitness ist ein gewaltiger Markt“, war unlängst in der Süddeutschen Zeitung zu lesen (Zips 2011: 11). Dieser Markt, der ein Segment des sogenannten „Zweiten Gesundheitsmarkts“ (Krimmel 2005: 189) bildet, umfasst u. a. Personal Trainer, das heißt Fachkräfte für Bewegung und Fitness, Trainingsgeräteentwickler und -hersteller, Anbieter von Nahrungsergänzungs- und Proteinpräparaten, populärwissenschaftliche Trainingsliteratur und eine große Bandbreite von Sport- und Fitnessmagazinen. Der für Konsumenten vermutlich präsenteste Teil dieses Marktes aber sind Fitnessstudios. Im Fokus dieses Beitrags steht die nicht nur in Deutschland, sondern europaweit größte und zumindest hierzulande vermutlich auch bekannteste Studiokette. Wen es heute in eines der 140 Studios dieses kommerziellen Fitnessanbieters treibt, findet sich in einem High-Tech-Maschinenpark wieder, der von überwiegend jungen Menschen in moderner (Marken-)Funktionskleidung bevölkert wird, die an Dutzenden von Kraft- und Ausdauergeräten das tun, was man gemeinhin ‚Trainieren‘ nennt.
Michaela Pfadenhauer, Tilo Grenz

Organisation und Lokalität in mediatisierten Welten

Frontmatter
Mediatisierung schulischer Organisationskulturen
Zusammenfassung
Versteht man mit Krotz unter Mediatisierung die sozialen und kulturellen Entwicklungen, die mit dem Aufkommen und der Etablierung der digitalen Medien auf den verschiedenen gesellschaftlichen Systemebenen und der gleichzeitigen Veränderung der Verwendungsweisen alter Medien einhergehen (Krotz 2001, 2007), so scheint dieser Metaprozess sozialen Wandels in der Schule im vollen Gange zu sein. Immer mehr Lehrkräfte setzen digitalisierte Medien im Rahmen ihres Unterrichts ein und entsprechend werden sie auch von den Schülerinnen und Schülern genutzt. Neue Medienangebote wie z. B. die Online-Enzyklopädie Wikipedia oder das Videoportal YouTube haben gleichzeitig innerhalb erstaunlich kurzer Zeit den Unterrichtsbetrieb durchdrungen und stellen viele Lehrkräfte vor erhebliche Herausforderungen (Breiter et al. 2010; Selwyn 2011). Folgt man Thomas und Krotz, so konstituieren Medien technisch bestimmte, kulturelle und soziale Erlebnisräume in der Schule, über die ihre Nutzerinnen und Nutzer, also in unserem Fall die Lehrkräfte (und ihre Schülerinnen und Schüler), einbezogen werden (Thomas/Krotz 2008: 24).
Andreas Breiter, Stefan Welling, Arne Hendrik Schulz
Das Zuhause als mediatisierte Welt im Wandel. Fallstudien und Befunde zur Domestizierung des Internets als Mediatisierungsprozess
Zusammenfassung
Auf Basis empirischer Befunde zur Domestizierung des Internets skizziert der vorliegende Beitrag, welche Rolle die häusliche Internetaneignung derzeit für die Weiterentwicklung und Transformation des mediatisierten Zuhauses spielt. Die Mediatisierung des Zuhauses ist kein aktuelles Phänomen, denn auch schon vor dem Einzug von Computer und Internet war die häusliche Sphäre von Medien geprägt. Zeitung, Radio, Fernsehen, auch Buch und Musik füllten bereits in den 1970er und 1980er Jahren die Wohnungen. Eine gänzlich neue Qualität und Dimension hat das mediatisierte Zuhause aber durch den dynamischen Prozess der Digitalisierung mit seinen vielfältigen Implikationen sowie durch die zunehmende häusliche Präsenz von digitalen Medien erhalten. Im Zentrum steht hier die Verbreitung und massenhafte Aneignung des Internets, das als multimediale Konvergenztechnologie ein breites Repertoire verschiedener Anwendungen, Funktionen und Kommunikationsmöglichkeiten in sich vereint und somit das häusliche Medienensemble nachhaltig verändert hat.
Jutta Röser, Corinna Peil

Medien und Formate in mediatisierten Welten

Frontmatter
Skopische Medien: Am Beispiel der Architektur von Finanzmärkten
Zusammenfassung
Ziel dieses Artikels ist es, eine Verbindung zwischen Mediensoziologie und Wirtschaftssoziologie herzustellen. Medienforscher gehen davon aus, dass gegenwärtige post-industrielle Gesellschaften von Medien durchdrungen und ohne diese nicht mehr vorstellbar sind. In Medientheorien wird dies als Prozess der ‚Mediatisierung‘ bzw. als ‚Mediatic Turn‘ thematisiert – als Kolonisierung der Alltags- bzw. Lebenswelt durch Informations- und Kommunikationstechnologien, die sich vor allen in den letzten 20 Jahren signifikant beschleunigte (Jäckel 2005; Krotz 2001; Rusch 2008: 33). Die Frage ist allerdings, welcher konkrete Wandel vorhergehender Strukturen sich damit ergibt, und ob und wie z. B. Kommunikationsprozesse grundlegend beeinflusst werden. Die Soziologie hat diese Entwicklung seit den 1980er Jahren vor allem mit einem neuen Fokus auf Netzwerke und schließlich mit dem Begriff des Übergangs zu einer Netzwerkgesellschaft konzeptualisiert (Castells 2001).
Karin Knorr Cetina
Die Fernsehserie als Reflexion und Projektion des medialen Wandels
Zusammenfassung
Medien sind bekanntlich nicht, sie werden, und das unausgesetzt (Vogl 2001). Medien wandeln sich, sie evolvieren. Evolution können wir dabei mit Niklas Luhmann begreifen als eine Sequenz aus drei Phasen (Luhmann 1997: 456-504). Deren erste wäre die der Variation – ein Ereignis tritt in einer gegenüber der Erwartung veränderten Form auf, die entweder kontingent oder aber in methodischer Absicht, z. B. experimentell, herbeigeführt sein kann. Die zweite wäre die Selektion – der gegenüber dem Bestehenden unterscheidbare, also neue Zustand oder das gegenüber seinem Vorgänger veränderte Ereignis zeitigt entweder veränderte Folgen – oder er bleibt unbeachtet und folgenlos. Er wird etwa als geringfügige Abweichung, bedeutungsloser Zufall oder kleinerer Unfall behandelt, auf den nicht eigens reagiert werden muss. Wenn der neue Zustand oder das unerwartete Ereignis aber ausgewählt wird als Auslöser nachfolgender Differenzen – also als Information angesehen –, dann zeitigt es Folgen.
Benjamin Beil, Lorenz Engell, Jens Schröter, Herbert Schwaab, Daniela Wentz

Vergemeinschaftung und Erleben in mediatisierten Welten

Frontmatter
Die Mediatisierung subjektiver Vergemeinschaftungshorizonte: Zur kommunikativen Vernetzung und medienvermittelten Gemeinschaftsbildung junger Menschen
Zusammenfassung
Zum aktuellen Wandel von Vergemeinschaftung durch ‚neue‘ Medien – insbesondere durch das Web 2.0 (Facebook, schülerVZ oder vergleichbare Social-Web-Angebote) – kursieren derzeit verschiedenste Thesen in der Öffentlichkeit. So sei das „Instabile [der] Aktivitäten und die Gleichzeitigkeit entgegengesetzter Einstellungen“ (Kaube 2011) nach dem Feuilleton der FAZ charakteristisch für die „Generation Facebook“. Anders argumentiert die durch das Buch „Sie nennen es Leben“ bekannte Autorin Hannah Pilarczyk (2011). Sie sieht in einem Spiegel-Online-Artikel eine „soziale Spaltung“ von Vergemeinschaftung am Werk, indem sich junge Menschen im Web 2.0 nur noch mit Gleichgesinnten und Gleichgestellten vernetzen. Bekannt sind daneben auch die verschiedenen Geschichten, die um „Facebook-Parties“ und dort stattfindende situative Vergemeinschaftungen kreisen. Exemplarisch dafür steht die Berichterstattung der Berliner Morgenpost vom 4. Juni 2011, die von der „verheerenden Facebook-Panne einer 16-Jährigen“ (o.V. 2011) zu berichten wusste.
Andreas Hepp, Matthias Berg, Cindy Roitsch
Eingespielte Transzendenzen: Zur Mediatisierung des Welterlebens am Beispiel des Pokerns
Zusammenfassung
Insbesondere in Gesellschaften wie der unseren, in denen das Leben – mit Krotz (2007) sozusagen metaprozessanalytisch gesehen – signifikant pluralisiert, individualisiert, optionalisiert, kommerzialisiert, zusehends globalisiert und immer gravierender mediatisiert wird, stehen kulturell mannigfaltige Artefakte als ‚Vehikel‘ bereit, die dezidiert dazu dienen, uns in außergewöhnliche Bewusstseins-enklaven, in Erlebniswelten zu befördern: z. B. legalisierte und nicht-legalisierte Drogen; z. B. soziale Veranstaltungen wie Kinos, Spielhallen, Nachtclubs, Gottesdienste, Kunstausstellungen, Sportwettkämpfe, Modeschauen, Volksfeste, Public Viewings und dergleichen mehr; vor allem aber eben auch die ganze, kaum noch überschaubare Palette der in unserer Kultur vorhandenen Kommunikationsmedien und ihre noch weniger überschaubaren Nutzungsoptionen (vgl. Hitzler 2011).
Ronald Hitzler, Gerd Möll

Politik und Information in mediatisierten Welten

Frontmatter
Politische Deliberation online – Twitter als Element des politischen Diskurses
Zusammenfassung
Die These, dass das Internet die Strukturen von Kommunikation verändert, ist ein zentrales Paradigma der Debatte um die Mediatisierung der Gesellschaft (Krotz 2007). Insbesondere der öffentliche Diskurs befindet sich in einem grundlegenden Wandel, da Öffentlichkeit nicht mehr allein von etablierten, professionellen Medienschaffenden, sondern zunehmend von institutionell nicht privilegierten Individuen gestaltet wird, die ihre eigene Umwelt zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses machen. In der mediatisierten Gesellschaft wird Öffentlichkeit so ein gemeinsamer politischer (Ver-)Handlungsraum, in dem das Internet immer wichtiger für kollektiv bindende Entscheidungen wird. Konkret für die Politik ist es sogar wichtiger als andere Faktoren wie Parteiapparate, Interessengruppen, Experten oder internationale Beziehungen (Vowe 2006: 441).
Caja Thimm, Jessica Einspänner, Mark Dang-Anh
Jugend und Information im Kontext gesellschaftlicher Mediatisierung
Zusammenfassung
„Wenn die Nachricht wirklich so wichtig ist, dann wird sie mich finden.“ Dieses Zitat bringt auf den Punkt, was die aktuell verfügbaren medialen Strukturen für das Subjekt bereithalten können: Ein Kommunikationsnetz, in dem von den Einzelnen nicht mehr aktiv nach für sie relevanten Informationen gesucht wird, sondern die Online-Vernetzung mit einschlägigen Informationsquellen ausreicht, um sich informiert zu fühlen und an wichtigen Ereignissen der Gesellschaft Anteil zu nehmen. Diese Sichtweise fasst aber nur eine Seite der Möglichkeiten, die diese Medienwelt bietet. Die Optionen der Medienwelt unter dem Fokus von Eigentätigkeit, also der Artikulation eigener Positionen und deren Veröffentlichung, eröffnen neue Möglichkeiten der Teilhabe für die Subjekte am sozialen und kulturellen, aber auch am politischen Leben. Der Umgang mit Information stellt dafür eine wichtige Grundlage dar und wird seit der theoretischen Auseinandersetzung mit Öffentlichkeit als Forum aufgeklärter Gesellschaften als zentral für die Erschließung und Aneignung von Welt angesehen.
Ulrike Wagner, Helga Theunert, Christa Gebel, Bernd Schorb
Backmatter
Metadaten
Titel
Mediatisierte Welten
herausgegeben von
Friedrich Krotz
Andreas Hepp
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94332-9
Print ISBN
978-3-531-18326-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94332-9