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Open Access 2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Medienpolitik – Medienregulierung – Media Governance

verfasst von : Joachim Betz, Hans-Dieter Kübler

Erschienen in: Internet Governance

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Medien – schon die inzwischen klassischen Massenmedien wie Presse, Film, Hörfunk und Fernsehen, erst recht aber die digitalen mit ihren immensen, längst noch nicht gänzlich entwickelten Potentialen – sind für die Politik, für die politisch legitimierten (Autoritäten) wie für alle öffentlich agierenden Akteure, aus vielerlei Gründen ein ebenso komplexes wie prekäres Handlungs- und Entscheidungsfeld: Zum einen treffen in demokratischen Systemen zwei grundsätzliche, in den Verfassungen garantierte Normen, nämlich Menschen- oder Grundrechte aufeinander und treten oft auch in Konflikt miteinander: einerseits das Recht auf freie Informations- und Meinungs- und damit auf generelle Medienfreiheit, andererseits das Recht auf Eigentum und wirtschaftliches Handeln (Gewerbefreiheit). Beide Grundrechte sind dem aristokratischen Staat von einem erstarkenden Bürgertum mit den Revolutionen und Reformen des 18. und 19. Jahrhundert abgerungen worden und mussten zunächst gegen die staatliche, oftmals noch feudale Autorität durchgesetzt werden (Habermas 1962/1990; Wendelin 2011).

3.1 Medien- und Kommunikationspolitik

Medien – schon die inzwischen klassischen Massenmedien wie Presse, Film, Hörfunk und Fernsehen, erst recht aber die digitalen mit ihren immensen, längst noch nicht gänzlich entwickelten Potentialen – sind für die Politik, für die politisch legitimierten (Autoritäten) wie für alle öffentlich agierenden Akteure, aus vielerlei Gründen ein ebenso komplexes wie prekäres Handlungs- und Entscheidungsfeld: Zum einen treffen in demokratischen Systemen zwei grundsätzliche, in den Verfassungen garantierte Normen, nämlich Menschen- oder Grundrechte aufeinander und treten oft auch in Konflikt miteinander: einerseits das Recht auf freie Informations- und Meinungs- und damit auf generelle Medienfreiheit, andererseits das Recht auf Eigentum und wirtschaftliches Handeln (Gewerbefreiheit). Beide Grundrechte sind dem aristokratischen Staat von einem erstarkenden Bürgertum mit den Revolutionen und Reformen des 18. und 19. Jahrhunderts abgerungen worden und mussten zunächst gegen die staatliche, oftmals noch feudale Autorität durchgesetzt werden (Habermas 1962/1990; Wendelin 2011). Entsprechend haben sich dafür Strukturen herausgebildet, die zu den Prinzipien der liberalen Demokratie gehören:
So werden Buch, Film und die Presse fast ausschließlich unter privatrechtlicher Ägide, von Produktions- und Verlagsunternehmen, produziert, vertrieben und unterliegen mithin primär den Regeln des Eigentumsrechts. Staatliche Regulierungen können nur mittels der Setzung von Rahmenbedingungen und der Gewährung von Subventionen erfolgen. Der Film erhält sie in Form staatlicher und staatsnaher Förderung (in Deutschland etwa durch die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und die Landesmedienanstalten), allein sein Zugang wird für Kinder und Jugendliche durch den Jugendschutz (Alterskennzeichnung) reglementiert, und Auswüchse seiner Inhalte wie Gewalt- und NS-Verherrlichung, Pornografie und sexuelle Perversionen fallen unter Jugendschutz- und strafrechtliche Vorschriften. Die Presse unterliegt dem Vielfaltsgebot, das der moderne Sozialstaat garantiert. Dahinter steckt die Idee, dass der mündige Staatsbürger für seine unabhängige politische Meinungs- und Entscheidungsbildung pluralistische Nachrichten und Berichterstattung benötigt. Deshalb werden Tendenzen zur ökonomischen Konzentration, die auch eine Beschränkung der Informations- und Meinungsvielfalt bewirken könnten, mindestens in nationalstaatlicher Reichweite kontrolliert und gegebenenfalls untersagt, in internationaler Dimension gelingt dies nicht. Da große Medienkonzerne sich heute international aufstellen und betätigen, bleibt deshalb die Konzentrationskontrolle ohne globale Wirkung.
Die elektronischen Medien, Hörfunk und Fernsehen, standen und stehen auch in demokratischen Ländern unter staatlicher Obhut, in anderen auch unter privatem Recht. In Deutschland sind sie nach den negativen Erfahrungen im Nationalsozialismus nach dem Vorbild der britischen BBC unter eine öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur, mithin in die Obhut der Gesellschaft, der sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen, gestellt worden, um sie sowohl von staatlicher und parteipolitischer wie auch von privater Einvernahme zu schützen (dass diese Absicht in der Praxis immer wieder unterlaufen wurde, steht auf einem anderen Blatt). In heutigen Begriffen lässt sich diese Konstruktion auch als zivilgesellschaftliche bezeichnen. In seinem bahnbrechenden Urteil von 1961, das auch als Magna Charta des öffentlichen-rechtliches Rundfunks gilt, hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsform bekräftigt und begründet, damals auch noch mit der Vertriebs-, der Frequenzknappheit. Der Außenpluralität der Presse wurde die Binnenpluralität des Rundfunks gegenübergestellt, die durch Vertretung der gesellschaftlich relevanten Gruppen und ihrer anheimgestellten Meinungsvielfalt als gegeben erachtet wurde und wird.
Mit der Verkabelung der Republik, auch mit der Nutzung von Satelliten, ist diese Verteilungsknappheit gefallen, weshalb aus Sicht der Privatwirtschaft, insbesondere der Verleger, das so genannte Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgegeben und privat-kommerzielles Fernsehen eingeführt werden musste. Dies geschah in den 1980er Jahren. Da es sich auch bei den privat-kommerziellen Kanälen ebenso um öffentliche Güter handelt, zumal die Marktmacht der wenigen großen – heute nur zweier, nämlich der RTL-Group und der ProSiebenSat1-Kette – erheblich ist und um ein Mindestmaß an inhaltlicher Qualität, Meinungsvielfalt und Programmstandards aufrechtzuerhalten, erwirkte die Politik Zulassung, Aufsicht und Kontrolle durch die ebenfalls öffentlich-rechtlich strukturierten Landesmedienanstalten. Vor allem für den Jugendmedienschutz erreichten sie ähnlich wirksame Maßstäbe und Interventionsoptionen, wie sie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in eigener Regie ausüben. Gegen diese Form politischer, quasistaatlicher Einflussnahme sind wiederholt Strategien und Maßnahmen der Deregulierung und Privatisierung gefordert worden, die nicht zuletzt auch von der EU-Kommission vehement vertreten werden. Sie sieht den Medien- und vor allem Fernsehmarkt in Europa als möglichst privatwirtschaftliches Terrain, nur dem Wettbewerbsrecht unterworfen und unter Hintanstellung der kulturellen und öffentlichen Aufgaben; allenfalls bei eklatantem Marktversagen könnte sich ein Bedarf öffentlicher Intervention ergeben (Holtz-Bacha 2006).
All diese Handlungsdimensionen, strukturelle Entscheidungen und konkreten Maßnahmen werden gemeinhin als Medienpolitik bezeichnet, wobei sowohl die Aktionen als auch die (analytischen) Reflexionen damit umfasst werden. Dabei konzentriert sich Medienpolitik vor allem auf die publizistischen Medien, also Presse, Hörfunk und Fernsehen, die weniger öffentlich relevanten wie Buch und Film werden auch der Kulturpolitik zugeordnet. Medienpolitik befasst sich mithin sowohl mit den Strukturen und Prozessen von Medienorganisationen als auch mit den Distributionsformen und Inhalten, die die öffentliche Kommunikation ausmachen, sowie mit ihren jeweiligen normativen Begründungen und Zielsetzungen, die auch unter Medienethik gefasst werden können. Demnach lässt sich Medienpolitik als „jenes Handeln“ (und seine normative Begründung und Zielsetzung) definieren, „welches auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen über Medienorganisationen und die massenmediale öffentliche Kommunikation abzielt“ (Puppis 2007, 34).
In der Politikwissenschaft hat sich die Unterscheidung von drei Dimensionen des politischen Handelns bewährt, sie lassen sich auch auf die Medienpolitik anwenden (Puppis 2007, 36ff):
  • Polity – als formal-institutionelle Dimension von Politik, die politische Strukturen aufbaut und sie mit Werten und Normen begründet – zielt für Medien auf deren strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen ab, wird landläufig auch als Ordnungspolitik bezeichnet.
  • Politics – als Durchführung und Beobachtung politischer Prozesse, bei denen Akteure mit unterschiedlichen Interessen um Entscheidungen und die Herbeiführung verbindlicher Regeln ringen – fokussiert sich bei Medien auf Entstehungs- und Entscheidungsprozesse von Medienpolitik, eruiert und gewichtet Akteure, deren Interessen, Positionen, Macht, Ressourcen und Einfluss und untersucht das Zustandekommen von Entscheidungen und Regelungen.
  • Policy – als Definition und Explikation politischer Inhalte und ihre Fixierung als allgemeinverbindliche Problemlösungen – meint für die Medien die Outputs politischer Handlungen, also die gesellschaftliche Anerkennung medienpolitischer Inhalte als allgemeinverbindliche Lösungsmöglichkeiten sowie die Generierung und Durchsetzung konkreter Regeln und Entscheidungen.
Medien sind, repräsentieren, motivieren und reproduzieren technisch bewerkstelligte, professionell produzierte und vermarktbare Symbolwelten. Mithin sind bei ihrer Betrachtung und Analyse multiple Wirklichkeitsvarianten und -ebenen unausweichlich gegeben. Sie fließen in die expliziten Funktionszuschreibungen wie auch in die latenten Funktionsausübungen der Medien ein und bewirken zum anderen weitere Komplikationen ihrer politischen Dimensionen. Gemeinhin werden sie von einer auf Institutionalisierung und formale Systemrekonstruktion fokussierten Politologie nicht wahrgenommen und bearbeitet (Jarren et al. 1998; Sarcinelli 1998; Schulz 2008); aber heutzutage, mit der anhaltenden Differenzierung und dem steigenden Einfluss der so genannten Mediengesellschaft (Kübler 2009, 27ff.), gehören Medien zentral zur analytischen Erfassung des Politischen bzw. der ‚Politizität‘. Folgende Funktionsbeschreibungen lassen sich anführen (vgl. Bentele et al. 2003; Kübler 2003: 135ff.):
  • Universalität: Medien präsentieren nicht nur potentiell alle Inhalte und Themen dieser Welt; sie konstituieren sie vielfach und prägen sie vielseitig. Damit sind die politischen Dimensionen von Medien tendenziell unabgrenzbar, ebenso wie ihre Entwicklungen unberechenbar sind. Theoretische Ansätze zur Agenda-Setting-Funktion, Schweigespirale, Framing, Wissenskluft und Nachrichtenwerttheorie der Kommunikationswissenschaft suchen diese Dimensionen je auf ihre spezifische Weise zu erfassen (Schenk 2007). Medienkritisch wird sondiert, welche Themen bevorzugt, wie sie von den Medien gefördert und welche vernachlässigt werden. Jedenfalls bleibt die objektive Spiegelung von Wirklichkeit, wie sie Nachrichten aus der Sicht von Laien beanspruchen, ein Ideal, nicht einmal ein erstrebenswertes, da seine Behauptung jeweils involvierte Interessen verschleiert. In Mediengesellschaften werden politische Prozesse und Entscheidungen unentwegt von medialen Reflexionen und Deutungen begleitet; sie schaffen neben den faktischen symbolische, inszenierte Wirklichkeiten, die allerdings für die kollektiv-subjektive Meinungsbildung, Interessenaustragung und Kompromissfindung oftmals einfluss- und folgenreicher sind als die vorgeblich realen; gemeinhin lassen sie sich gar nicht mehr voneinander trennen. Zumal große, abstrakte Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Finanz- und Wirtschaftskrisen, aber auch trans- und internationale Beziehungen und Mythen, Kriegs- und Terrorismusrisiken werden vornehmlich medial aufbereitet, verhandelt und geprägt, und deren Medienrepräsentationen beeinflussen das Handeln der beteiligten Akteure. Bereichsspezifische, institutionelle Medienpolitik wird daher stets vergegenwärtigen und sich daraufhin befragen lassen müssen, ob und wie ihre Entscheidungen und Regeln über die Medienorganisation hinaus die Repräsentanz und Verbreitung sämtlicher Themen konstituiert und verändert, warum sie getroffen werden und worauf sie letztlich abzielen. Ein Beispiel: Die Etablierung privat-kommerzieller Medien zumal mit Boulevardausrichtung verstärkt eine triviale Publikumsagenda, also Banales, Sensationen, Sex und Crime (Pörksen und Detel 2012), wohingegen Public-Service-Medien eine wie immer zu definierende sachliche Agenda, etwa die viel beschworene Pflicht ausgewogener Berichterstattung zu erreichen suchen. Entsprechend prägen diese Alternative das öffentliche Bewusstsein und die kollektive Meinungsbildung.
  • Öffentlichkeit und Transparenz: Um die unabhängige Meinungs- und Willensbildung des Souveräns, des Bürgers, zu gewährleisten, sind Medien zum Gebot der Öffentlichkeit verpflichtet: sowohl in ihrem Output, mithin in der Darstellung und Verbreitung der Inhalte, zumal wenn Selektionen und Gewichtungen vorgenommen werden, als auch bei ihren internen Produktions- und Entscheidungsprozessen. Das Publikum muss erfahren und kontrollieren können, welche Auswahl und Gestaltung von wem mit welcher Verantwortlichkeit getroffen wird. Diese Transparenz ist bei Public-Service-Medien sicherlich eher gegeben, wenn auch nicht vollständig realisiert, als bei privatwirtschaftlichen. Dazu gehören als elementare Basisregelungen die strikte Trennung von Werbung und Redaktion, die Offenlegung und Kenntlichmachung der jeweiligen Urheber, der Entstehungs- und Publikationszeit sowie der verantwortlichen Produktionsfirma. Ob und wie öffentliche Themen ignoriert oder gar unterdrückt werden, d. h. welche Selektionsfilter jeweils wirksam sind, beherrschte in den 1970er Jahren die Debatte um Öffentlichkeit und ihre mögliche Ergänzung durch „proletarische“, „spontan-anarchische“ oder einfach Öffentlichkeit von unten (Negt und Kluge 1972). Dafür wurden nach historischen Vorbildern – etwa Bertolt Brechts Radiotheorie – Laien-Medien wie die öffentlichen Kanäle ohne Zugangsbeschränkungen eingerichtet, um die etablierten Öffentlichkeiten aufzurütteln oder aufzubrechen. Inzwischen, in der digitalen Ära, übernehmen zugängliche Online-Dienste wie Blogs, Twitter und YouTube diese Aufgaben. Wie weit Öffentlichkeit eingeschränkt oder gar von Seiten des Staates zensiert und beschränkt und nur noch von genehmen oder gar propagandistischen Inhalten beschickt wird, verkörpert einen wichtigen Maßstab für den autoritären Charakter eines Regimes. Allerdings neigen alle Bürokratien, auch die von Unternehmen, in einem erheblichen Maß zur Geheimhaltung und Vertuschung. Ständig muss sondiert und überprüft werden, wo solche Arkanisierung sachlich angemessen und erforderlich ist und ob und wo sie der Verschleierung von Verantwortlichkeiten und Machenschaften dienen. Daher muss in liberal-demokratischen Systemen der Staat dafür sorgen, dass möglichst alle Themen die Chance haben, öffentlich, in ihrer jeweiligen Beschaffenheit und Breite angemessen dargestellt und verbreitet zu werden; mithin beeinflussen einschlägige Rahmen- und Unterstützungsmaßnahme die kollektive Vorstellung von Öffentlichkeit von und in den Medien (Eisel 2011).
  • Kritik und Kontrolle: Herkömmliche Beschreibungen öffentlicher Funktionen heben auf Kritik und Kontrolle ab, die die Medien – auch schon stellvertretend für das mit der Exekutive eng verflochtenen Parlament, zumal für die die Regierung stützende Fraktionen – im Staate ausüben. Gelegentlich wird dafür auch die Bezeichnung von der „vierten Gewalt“ bemüht (Bergsdorf 1980), die – zwar nicht verfassungsrelevant – das gemäß der Theorie nicht mehr hinreichend funktionierende Prinzip der checks and balances ein wenig kompensiert. Diese Kritik und Kontrolle beschränkt sich allerdings nicht nur auf die politischen Akteure, sondern bezieht private, etwa Unternehmen, ebenfalls ein. Mit Strategien und Methoden des so genannten investigativen Journalismus spüren Journalisten Missstände, Fehlentwicklungen, Skandale, Korruption und kriminelle Vergehen auf, bringen sie an die Öffentlichkeit, zwingen zur Rechenschaftslegung und die politisch Verantwortlichen gegebenenfalls zur Beseitigung und künftigen Verhinderung (Ludwig 2007). Oft schon genügt die Androhung der Veröffentlichung, um jene Abweichungen einzustellen und weitere zu blockieren. Medienpolitik muss die rechtlichen und strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Journalisten in dieser Hinsicht arbeiten können. Tut sie es nicht, beschränkt sie Optionen demokratisch-publizistischer Kontrolle und leistet autoritären Tendenzen Vorschub. Solche Hilfestellungen sind etwa das Zeugnisverweigerungsrecht – Journalisten können ihre Zeugen und Gewährsleute geheimhalten –, das Recht auf Zugang zu amtlichen Quellen und auf Auskunft gegenüber Behörden (Branahl 2009; Fechner 2013).
  • Intersystemische Referentialität und Rekursivität: In systemtheoretischer Vereinfachung werden politisches und Mediensystem als relativ abgrenzbare und begrenzt autonome Bereiche gegenübergestellt und ihre potentielle Beziehungen formal ausgelotet (Marcinkowski 1993; Löffelholz 2004); tatsächlich ist die soziale Wirklichkeit ungleich verflochtener, intransparenter und damit auch ein wenig ‚schmutziger‘. Zwischen den diversen Akteuren in Politik, Medien und Privatwirtschaft, medialer wie anderer, existieren unendlich viele, mannigfaltige und unterschiedliche Verbindungen, nicht zuletzt weil Lobbyismus, so genannte spin doctors, public relations bzw. politische Vermarktung überhand nehmen und deren Protagonisten vorzugsweise aus demselben sozialen, beruflichen Feld rekrutiert werden. So dürften politische Entscheidungen in Sachen Medien, die Parlamente und Regierungen fällen, ungleich genauer und weitreichender auf ihre öffentlichen Wirkungen hin überprüft, sicherlich auch mit den jeweiligen Meinungsführern in Privatwirtschaft und Medien rückgekoppelt werden, um nicht die geballte Kritik oder gar den vehementen Widerspruch der so genannten veröffentlichten Meinung zu riskieren. Auch wenn sich inzwischen die Verlagshäuser und ihre Produkte offiziell als parteipolitisch neutral und unabhängig deklarieren, wird immer wieder bekannt oder auch darüber spekuliert, dass jeweils politische Affinitäten zwischen Medien und Politik bestehen und diese auch für die Durchsetzung gemeinsamer Interessen eingesetzt werden. Früher, in Deutschland bis 1945, erklärten sich die Verlage und ihre Erzeugnisse als einer (partei)politischen Richtung zugehörig oder waren sogar Eigentum der Parteien. Heute halten nur noch die CSU und die SPD Anteile an Verlagshäusern. Auch die Leitungsposten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Landesmedienanstalten werden nach politischem Proporz besetzt, so dass man ihren Programmen bzw. Maßnahmen parteipolitische Nähe und Rücksichtnahme unterstellt: der Bayerische Rundfunk etwa gegenüber der CSU, der Westdeutsche Rundfunk gegenüber der SPD, das ZDF gegenüber der CDU. Eher fallweise, meist anhand eines aktuellen Vorfalls oder gar Skandals, werden solche Verbindungen aufgedeckt, freilich nicht systematisch. Jedenfalls kann zunehmend weniger von zwei weitgehend unabhängigen, nur verbundenen Subsystemen ‚Politik‘ und ‚Medien‘ ausgegangen werden. Vielmehr wäre innerhalb beider (meinungs-)führende und entscheidungsfähige Gruppen und Konstellationen der wechselseitigen Einfluss- und Rücksichtnahme zu untersuchen, die über Lobby-Mechanismen oder in direkten, informellen Kontakten der Akteure vermittelt werden.
  • In weitgehend ökonomisierten, in vielen Kanälen dicht besetzten Medienmärkten wird der Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums ständig härter und raffinierter (Franck 2007). Etliche Parameter wie die kontinuierlichen Nutzungserhebungen, Einschaltquoten und Klick-Messungen liefern dafür vorgeblich harte Indikatoren (Meyen 2004). Ständig werden neue Werbe- und Attraktionsstrategien geschaffen und erprobt, um die sich abzeichnenden Sättigungsgrenzen hinauszuschieben. Dafür werden unentwegt neue Geräte mit neuen Diensten entwickelt und auf dem Markt lanciert, ebenso starten immer wieder (vorgeblich) neue Genres, Formate und Programme. Die Konjunkturen werden ständig kürzer, die Kreisläufe hektischer, die Alterungsprozesse schneller. Inhaltlich werden die Novitätskampagnen munitioniert, indem immer wieder Sensationen, Skandale, Absonderlichkeiten in den Fokus gerückt werden, mithin kollektive Tabus überschritten werden. Damit erzeugen die Medien unter sich, dann auch im Publikum Aufmerksamkeit, unter der Prämisse der Medien- und Meinungsfreiheit. Die technischen Potentiale für immer krassere, grellere, schockierendere Präsentationen tragen zu dieser anhaltenden Eskalation bei. Sexualität und Gewalt, Krankheiten und Tod, Exotik und Abnormitäten sind dafür die bevorzugten Themenfelder. Medienpolitische Ethik und Kontrolle, ausgeübt durch Selbststeuerung durch den Presse- und Werberat und durch öffentliche Gremien wie die des Jugendmedienschutzes, ist permanent aufgerufen, die Optionen für kollektive Akzeptanz, aber auch die Grenzen für Gefährdungsrisiken, Verantwortbarkeit und letztlich auch des (guten) Geschmacks auf den Prüfstand zu stellen, jedoch auch zu stabilisieren (Schicha und Brosda 2010). Dadurch werden medienpolitische Konsense pausenlos bedroht und neuen Bewährungen unterworfen. Einerseits weiten sich die Toleranzgrenzen und die Optionen menschlichen Bewusstseins, andererseits erodieren vermeintlich als stabil gehaltenen Standards, überfordern und ängstigen viele. Aus ihrer Sicht werden medienpolitische Vorhaltungen zu bloßen Alibi-Appellen, Vereinbarungen und Konsense wirkungslos und letztlich die rücksichtlosen Gepflogenheiten des Marktes übermächtig.
  • Solche Widersprüche, wechselseitige, aber uneingestandene Abhängigkeiten und geheuchelte Verantwortungsverschiebungen lassen sich besonders bei der Darstellung von Personen, genauer: von Prominenz und Stars (und solchen, die es werden sollen), bei der wachsenden Personalisierung in den Medien beobachten. Sie bestreitet zum einen ganze Genres und Formate wie die Gruppe der so genannten Personalities bzw. Personal Stories. Aber auch in vielen anderen Inhalten sind sie dominant. Publizitätsorientierte Personen – Politiker, Repräsentanten von Verbänden und Interessengruppen, Wirtschaftsmanager, Very Important Persons (VIPs) wie Adel, Models, Protagonisten im Showbusiness und alle sonst in der Medienbranche – wissen um die Macht der Medien für ihre Prominenz, ihr Image und damit ihren Verkaufswert, lassen raffinierte Kampagnen planen und starten, beschäftigen Imageberater und Mediaplaner und inszenieren oft genug Events bis hin zu persönlichen Schicksalsschlägen, um ihre Bekanntheits- und Vertrauenswerte zu erhalten bzw. zu steigern. Dabei werden durch Schlüssellochperspektiven, Schnappschüsse der Paparazzi und Indiskretionen oftmals die Tabus und Grenzen der so genannten Privat- und Intimsphäre, wie sie sie das Medienrecht infolge der bereits erwähnten Tabu-Überschreitungen in den letzten Jahrzehnten fixiert hat (Fechner 2013), tangiert oder gar verletzt.
    Wie bei allen Medieninhalten ergeben sich vor allem bei der Personalisierung bizarre Wechselwirkungen zwischen dem Recht und dem Schutz von Privat- und Intimsphäre und dessen permanente, nicht zuletzt von den Akteuren selbst betriebene Gefährdung oder gar Verletzung. Ja, dieses Konstrukt der Privat- und Intimsphäre in seiner inzwischen gepflegten und angewendeten Ausdifferenzierung musste erst infolge jener Entwicklungen aus Grundrechtsartikeln wie der Würde des Menschen (Art 1 GG) und dem Persönlichkeitsrecht (Art 2 GG) abgeleitet werden, unterstützt durch Schutz der Wohnung (Art 13 GG) und dem Briefgeheimnis (Art 10 GG), und wird durch die meist von den sich belästig fühlenden, attackierten Prominenten veranlassten Rechtsprechung weiter ausgestaltet.
    In den USA hat Privatsphäre (Privacy) eine lange Tradition, die im 4. Zusatzartikel der Verfassung verankert ist. Der Terminus Privacy wurde 1890 von dem späteren Richter Louis Brandeis und dem Schriftsteller und Rechtsanwalt Samuel D. Warren im Artikel The Right to Privacy (Harvard Law Review, Jahrgang 4, Nr. 5, 1890) als „the right to be let alone“ definiert, also als das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Würden die Medien dies tun, wären die Prominenten öffentlich tot, verlören mithin ihren lukrativen Status, bekannt und dadurch vermarktet werden zu können. Schießen die Medien im Sinne der ständigen Reiz- und Aufmerksamkeitseskalation über das für erträglich gehaltene Maß hinaus, werden sie mit Klagen wegen Missachtung und Verletzung der Privat- und Intimsphäre überzogen. Der jeweils erstrebte Interessensgrat ist mithin schwer einzuhalten, und die Rechtsprechung hat mittlerweile ein für sich profitables Geschäftsfeld erhalten. Für die digitalen Medien mündet es in die noch größere und prekäre Diskussion um den Personen- und Datenschutz ein. Da sind es nicht mehr primär Fotos, Zitate und Szenen, sondern ihr digitaler Abgleich in konfigurierbaren Daten, die für Werbeadressierungen lukrativ verkauft und vermarktet werden. Auch sie werden von den ursprünglichen Eigentümern meist freiwillig preisgegeben – durch den Eintrag in zahlreiche Masken und Portale –, und erst hernach, anlässlich ihren heimlichen und perfiden Vermarktung, erkennen die User deren Wert und Schaden und wollen ihn öffentlich, von der Politik und Justiz, geahndet wissen (s.u.).
In funktionalistischer Hinsicht lassen sich all diese Entwicklungen (und noch einige mehr) als kommunikationspolitische Prozesse in einem weiten Sinne subsumieren, die nicht vorrangig oder ausschließlich intentional vorangetrieben werden, sondern eher systemisch bedingt sind. Ursprünglich ist der Terminus Kommunikationspolitik als analytisches Konzept für sämtliche öffentliche Kommunikationsprozesse vorgeschlagen worden, die absichtlich oder funktional politische Dimensionen beinhalten oder zeitigen (Puppis 2007, 33). Grob trifft er sich damit mit dem ebenfalls allgemeinen Begriff der Polity und könnte somit der beschriebenen wachsenden Verschmelzung von Politik und Medien dienen (Sarcinelli 2011).

3.2 Medienregulierung

Der Terminus ‚Regulierung‘ stammt vornehmlich aus dem juristischem Kontext und lässt sich schwerlich unter die genannten Politikdimensionen rubrizieren, wenngleich er dem Policy-Segment am nächsten kommt. In Europa wird er erst in den 1970er Jahren geläufig, im britischen Common Law und in der amerikanischen Verfassungsgeschichte aber schon im 18. Jahrhundert, seit 1890 zählt er zum festen Vokabular: Dort beschreibt er staatliche Intervention in bestimmte, kommerziell geführte Wirtschaftssektoren, um ruinösen Wettbewerb und Monopolbildung zu verhindern. Dazu werden selbstsändig handelnde Behörden, so genannte regulatory commissions, deren gesetzliche Grundlagen das Parlament (USA: der Kongress) erlässt, eingerichtet und mit angesehenen Mitgliedern besetzt. Sie agieren im Sinne von checks and balances wie eine Jury und unabhängig von der Exekutive. Mit allen Beteiligten handeln sie allseits akzeptable Lösungen aus, erklären sie als verbindliche Regeln und führen sie als Administration aus. Ihre Durchsetzung können sie auch mit finanziellen Unterstützungen erreichen, Missbräuche können sie öffentlich ahnden (Kleinsteuber 2011, 58ff).
Seit 1934 wird in den USA der Rundfunk von der Federal Communications Commission (FCC) kontrolliert, damals die erste ihrer Art weltweit. Sie geriet wiederholt in die Kritik, da die beteiligte Industrie mit der gezielten Rekrutierung von Mitgliedern ihre Interessen durchsetzte und Kompromisse nur mit ihrem Einverständnis gefällt wurden. Außerdem wurden neue Interessenten häufig blockiert, der Markt abgeschottet und konkurrierende Anbieter mit inhaltlichen Kontrollen (zumal im prüden Amerika) drangsaliert. Dennoch konnte sich die FCC über die Geschichte hinweg als allseits anerkannte und unabhängige Regulierungsbehörde behaupten, die nicht zuletzt von der Medienindustrie im ureigenen Interesse geschützt wird (Ebd., 63ff).
In Europa wurde der Regulierungsbegriff mit anderen, wenn nicht sogar gegenteiligem Bestrebungen erst in den 1970er Jahren eingeführt: gewissermaßen als Vorwand für die gerade anlaufende Privatisierungs- und Deregulierungswelle (Ebd., 63). Begründet wurde diese Übernahme damit, dass private Unternehmen in zentralen Segmenten – außer Telekommunikation und Rundfunk auch Energie, Wasser und Verkehr – bislang staatsnahe Aufgaben effizienter, billiger und schneller initiieren und durchführen könnten als aufwändige, schwerfällige und an viele Rechtsnormen gebundene Verwaltungen. Deshalb wurden für sie unter neoliberalen Vorzeichen neue Regulierungsregime aufgebaut, in denen der Staat nur grundsätzliche Rahmenfunktionen wahrnimmt und die Grundversorgung der Bevölkerung sichert. Der so deregulierte Markt setzt die Unternehmen dem Wettbewerb aus und erzielt für die Konsumenten vorgeblich bessere Leistungen.
Vor allem im Bereich Telekommunikation und Rundfunk wurden in vielen europäischen Staaten die staatlichen ‚Monopole‘ abgeschafft, um so die sich abzeichnenden Investitionen und Innovationen durch Kabel- und Satellitennetze mit privatem Kapital zu finanzieren und der Privatwirtschaft auch Renditeoptionen zu verschaffen (Seufert und Gundlach 2012). Aufsicht und Kontrolle des Rundfunks wurden in neu geschaffene Gremien ausgelagert, die zumindest vordergründig dem US-Original der FCC ähneln. Tatsächlich entstanden viele Varianten, die den nationalen Traditionen und Normen entsprachen. Allein in Großbritannien wurde 2003 mit dem Office of Communication (Ofcom) eine Behörde etabliert, die wie die FCC im Sinne der fortschreitenden Konvergenz der Medien neben öffentlichem und privatem Rundfunk auch die Telekommunikation zu beaufsichtigen hat. Sonst in Europa werden die Bereiche meist getrennt kontrolliert, und die neuen Agenturen sind allein für die Lizenzvergabe und Aufsicht des Rundfunks zuständig, wie etwa in Frankreich der 1989 eingerichtete Conseil Supérieur de l’Audiovisuel (CSA).
Mit der 1989 verabschiedeten Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ meldete die EU-Kommission eigene Positionen in der Medienpolitik an, die dezidiert auf den Markt setzt und kulturelle Funktionen ihm unterordnet. Die Konstruktion und Finanzierung der deutschen Rundfunkanstalten erachtet sie als indirekte, unzulässige öffentliche Subvention; seither schwelt der Streit um ihren Status und ihren Bestand (Holtz-Bacha 2006, 108ff.). Damit hat die EU die Basis für eine europäische Regulierungsstruktur gelegt, die stark auf Selbst-Regulierung der Medien und auf Ko-Regulierung von Staat und Privatwirtschaft setzt. Ähnliche Strukturen und Konzepte sind in vielen europäischen Staaten übernommen worden.
In der Bundesrepublik Deutschland, deren Grundgesetz die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern vorsieht – der Bund primär für die Telekommunikation und Netzstruktur, die Länder für den Rundfunk – wurde „ein einzigartig zerklüftetes Regulierungsregime mit ca. zwanzig Behörden“ mit jeweils sektoralen und regionalen Teilkompetenzen etabliert (Kleinsteuber 2011, 65). Für die ausschließliche Verantwortung des Bundes über die Telekommunikation und die Netze wurde aus dem personellen Bestand des früheren Postministeriums die neu begründete Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) errichtet, die 2006 durch zusätzliche Zuständigkeiten für den Bahnverkehr und die Energie zur Bundesnetzagentur erweitert wurde.
Über den privaten Rundfunk, Hörfunk und Fernsehen, haben die vierzehn Landesmedienastalten (mit unterschiedlichen Bezeichnungen) Aufsicht und Kontrolle; intern haben sie ähnliche Strukturen wie die Rundfunkanstalten, so dass die Gesellschaft in den Medienräten repräsentiert ist. Bundesweit einheitliche Regelungen werden im Rundfunkstaatsvertrag und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag durch die Landesparlamente ratifiziert und von der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten – ähnlich der ARD, der Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland – mit einer ständigen Geschäftsstelle in Berlin ausgeführt: In der seit 1. September 2008 eingerichteten Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) werden Fragen der Zulassung und Kontrolle bundesweiter Veranstalter, der Plattformregulierung und der Entwicklung des digitalen Rundfunks bearbeitet. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) überwacht die Sicherung der Meinungsvielfalt, indem sie Beteiligungen im Medienbereich untersucht und etwa bei Verschmelzungen von Medienunternehmen den beteiligten Unternehmen Auflagen erteilt (oder sie gänzlich untersagt, wie im Januar 2006 bei der geplanten Übernahme von ProSiebenSat durch den Axel-Springer-Verlag). Den Jugendschutz im Medienbereich nimmt die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zentral wahr, deren Vorsitz jeweils wechselt und deren Geschäftsstelle in Erfurt sitzt.
Auch der durch die technischen Entwicklungen immer wichtiger werdende Schutz persönlicher Daten ist unter den staatlichen Ebenen vielfältig geregelt und wird von diversen Einrichtungen beaufsichtigt (Schmidt und Weichert 2012). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zumal im so genannten Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983, ist der Schutz persönlicher Daten als ein Grundrecht, als Recht auf die informationelle Selbstbestimmung, anerkannt, obwohl er in der Verfassung nicht explizit steht, vielmehr aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitet wird. Danach kann der Betroffene grundsätzlich selbst darüber entscheiden, wem er welche persönlichen Informationen bekannt gibt. Das Bundesdatenschutzgesetz von 1977 (BDSG 1977) definiert als Aufgabe des Datenschutzer, „den Schutz personenbezogener Daten vor Missbrauch bei ihrer Speicherung, Übermittlung, Veränderung und Löschung (Datenverarbeitung)“ zu gewährleisten und der „Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Betroffenen entgegenzuwirken“ (§ 1 Abs. 1 BDSG 1977). Die meisten Landesverfassungen haben zwischenzeitlich den Datenschutz in ihre prinzipiellen Regelungen aufgenommen, so in Berlin (Art. 33), Brandenburg (Art. 11), Bremen (Art. 12), Mecklenburg-Vorpommern (Art. 6 Abs. 1 und 2), Nordrhein-Westfalen (Art, 4 Abs. 2 sowie die Verbürgung der Einrichtung des Datenschutzbeauftragten in Art. 77a), Rheinland-Pfalz (Art. 4a), Saarland (Art. 2 Abs. 2), Sachsen (Art. 33), Sachsen-Anhalt (Art. 6 Abs. 1) und Thüringen (Art. 6).
Auf Bundesebene regelt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) den Datenschutz für die Bundesbehörden und den privaten Bereich (d. h. für alle Wirtschaftsunternehmen, Institutionen, Vereinen etc. gegenüber natürlichen Personen). Daneben regeln die Datenschutzgesetze der Länder den Datenschutz in Landes- und Kommunalbehörden. Jeweils sind dafür Beauftragte und ihre Behörden zuständig. Datenschutzrechtliche Regelungen finden sich darüber hinaus in etlichen weiteren Gesetzen, etwa dem Telekommunikationsgesetz und dem Telemediengesetz, die jeweils für ihren Anwendungsbereich speziellere Regelungen zum Datenschutz enthalten. Diese bereichsspezifischen Regelungen gehen dem Bundesdatenschutzgesetz jeweils vor, das BDSG gilt nur ergänzend. Die privaten Unternehmen (bis auf Telekommunikation und Post) unterliegen der Aufsicht der Datenschutzaufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich, die beim Landesdatenschutzbeauftragten oder bei den Landesbehörden (z. B. Innenministerium) angesiedelt sind.
Auch auf internationaler Ebene finden sich vielfältige Aktivitäten und Kompetenzen: Seit 1980 existieren mit den Guidelines on the Protection of Privacy and Transborder Data Flows of Personal Data der OECD international gültige Richtlinien; sie sollen Datenschutzbestimmungen der Mitgliedsstaaten weitreichend harmonisieren, einen freien Informationsaustausch fördern, ungerechtfertigte Handelshemmnisse vermeiden und eine Kluft insbesondere zwischen den europäischen und US-amerikanischen Entwicklungen verhindern. 1981 verabschiedete der Europarat mit der Europäischen Datenschutzkonvention eines der ersten internationalen Abkommen zum Datenschutz (Holtz-Bacha 2011, 66ff). Diese Konvention hat allerdings nur empfehlenden Charakter. Hingegen sind die Datenschutzrichtlinien der Europäischen Union von 1995 (Richtlinie 95/46/EG), die Mindeststandards für die Mitgliedstaaten formulieren, für sie verbindlich und in nationales Recht umzusetzen. Ergänzt wurde die allgemeine Datenschutzrichtlinie 2002 durch eine bereichsspezifische Richtlinie (2002/58/EG Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation).
Mit der anhaltenden Verschmelzung der traditionellen und der digitalen Medien, auch als Konvergenz bezeichnet, mit der um sich greifenden Digitalisierung und Vernetzung, die zunehmend vom einzelnen User individualisierte Datenkonfigurationen ermöglichen und für weitere Vermarktung und Werbung lukrativ machen, ist der Personendatenschutz zu einem zentralen Aufgabenbereich auch für die Medien geworden und kann immer weniger von ihnen getrennt werden. Hinzu kommen die nicht weniger relevanten und dringlichen Fragen des Urheberrechtes und des Schutzes des geistigen Eigentums (Copyright), so dass hier weitere, mehr und mehr vernetzte Aufgaben von Kommunikationspolitik und Regulierung anfallen. All diese Anforderungen und Regelungsbereiche werden zunehmend als zusammenhängendes Kommunikations- und Medienrecht gesehen und entsprechend gestaltet (Fechner 2013). Politik hat dafür die strukturellen und gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

3.3 Media Governance

Gewissermaßen in Anknüpfung an die ursprüngliche anglo-amerikanische Tradition wurde der Governance-Begriff auch seit den 1970er Jahren auf den Mediensektor übertragen, um die neuen Herausforderungen des Medienmarktes – vor allem zunächst die technologisch-ökonomischen (Innovationen und Investitionen), dann aber auch die immer wieder postulierten Ansprüche der kommunikativen Teilhabe der Bevölkerung – analytisch zu benennen. Womöglich wird der Terminus auch nur benutzt, um alte Sachverhalte moderner und eleganter – auch in der Ideologie des Neoliberalismus – auszudrücken, denn trotz oder wegen seines inflationären Gebrauchs bleibt er „schillernd und mehrdeutig“, wie Renate Mayntz, eine der Nestoren der Governance-Forschung in Deutschland, kritisiert (Mayntz 2009, 2; Kleinsteuber 2011, 67).
Gleichwohl könnte er für den Medienbereich Sinn machen und die erforderliche gesellschaftliche Verantwortung, die Beteiligung der Produzenten und Rezipienten wie der Zivilgesellschaft insgesamt stärker betonen. Denn staatliche Interventionen bzw. Regulierungen in demokratische Medien sind per se begrenzt, da die Medien- und Meinungsfreiheit ihnen von den Verfassungsgerichten wiederholt sanktionierte Riegel vorschiebt. Daher kennt der Mediensektor in vielen europäischen Ländern Formen der Selbstregulierung bzw. -kontrolle, aber auch der vom Gesetzgeber delegierten Ko-Regulierung und -kontrolle. In der Bundesrepublik lassen sich dafür die diversen Freiwilligen Selbstkontrollen der Filmwirtschaft (FSK), für (privates) Fernsehen (FSF), der Multimedia-Diensteanbieter (FSM), der Unterhaltungssoftware (USK) anführen; sie alle nehmen vorrangig Aufgaben des Jugendmedienschutzes, wie er in Art 5 Abs. 2 GG angesprochen ist, und der weiten Inhaltskontrolle wahr. Auch die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vor allem die für das Programm zuständigen, in denen auch Regierungs- und Parteienvertreter sitzen, funktionieren letztlich nach diesem Prinzip. Außerdem sind der Presse- und Werberat zu nennen, die gewissermaßen im Kollegialverfahren über die Einhaltung von selbst gesteckten Grundsätzen und Werten wachen zw. Verstöße durch öffentliche Rügen ahnden (Seufert und Gundlach 2012, 148ff.). Insofern ist das Governance-Prinzip für die Medien – eben infolge ihrer besonderen verfassungsrechtlichen Stellung – nicht unbekannt.
Mehrfach in der jüngeren Geschichte der Medien ist die unmittelbare kommunikative Beteiligung jedes Einzelnen gefordert worden, um dem Wortlaut der Meinungsfreiheit buchstäblich Rechnung zu tragen. Denn die Zugangsoptionen zu den etablierten Medien und Märkten sind gemeinhin durch hohe finanzielle Anforderungen, durch technische Barrieren, aber auch durch korporationsrechtliche Hürden beschränkt, so dass vielen die verfassungsrechtliche Kommunikationsfreiheit eher wie eine leere Floskel anmutet. Auch in der bundesdeutschen Mediengeschichte lassen sich nur ganz wenige Marktzugänge außerhalb der etablierten und professionellen Verlagsformationen feststellen (Kopper 1984).
Historisch prominent wurde etwa die Forderung Bertolt Brechts in seiner so genannten Radiotheorie von 1932, den Rundfunk (damals: Hörfunk) von einem Distributionsapparat der Regierenden in einen Kommunikationsapparat für alle umzuwandeln. Etliche Arbeiter-Radiovereine und Amateurfunker realisierten diese Vision mit ihren begrenzten technischen Optionen. Jeweils gaben sie sich Regeln, wie sie mit der neuen Technik und untereinander umgehen sollten. Anfang der 1970er Jahre, angesichts einer weit entwickelten und privat nutzbaren Videotechnik, griff der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger Brechts Forderung erneut auf, fokussierte sie auf das neue Medium und formulierte gewissermaßen eine Magna Charta für den so genannten „emanzipatorischen Mediengebrauch“ (Helmes und Köster 2002, 148ff. u. 254ff.). Diese Medienpraktiken mündeten seit Mitte der 1980er Jahre in die Konzepte der „offenen Kanäle“ ein, die die Medienpolitik gewissermaßen als kommunikatives Alibi für die Privatisierung von Hörfunk und Fernsehen konzedierte (Kamp 1999). Mit und in ihnen sollten sich alle nicht-organisierten Interessen und Bürger unterschiedslos artikulieren können; für ihre mediengerechte Präsentation wurden ihnen semiprofessionelle Hilfen angeboten und damit Optionen für die Förderung von Medienkompetenz ermöglicht. Auch dafür entstanden Satzungen und Regelwerke, von großenteils zivilgesellschaftlich besetzten Gremien kontrolliert und ausgeführt. Inzwischen ist die praktische Medienarbeit ein bevorzugtes Handlungsfeld für die schulische, besonders die außerschulische Medienpädagogik (Schell 1999). Mit Web 2.0., dem so genannten Mitmach-Netz, mit Instant Messaging, Chats, Blogs, Twitter, Wikis (wie z. B. Wikipedia) und seinen sozialen Netzwerken existiert nun ein vielfältiges Handlungsfeld für kommunikative Partizipation, wie es sich die Pioniere der kommunikativen Demokratisierung nicht vorstellen konnten (Rösch et al. 2012). Entsprechend eröffnen auch die etablierten, professionellen Medien in ihren digitalen Plattformen und Foren diverse Beteiligungsmöglichkeiten. Für alle sind Regel und Umgangsformen weitgehend verbindlich festgelegt, meist von den Anbietern und Providern.
Das Publikum im ehedem klassischen Sinn hat sich längst diversifiziert und nimmt verschiedene Beteiligungsoptionen wahr (Meyen 2004; Glogner-Pilz 2012). Allerdings ist nur ein Bruchteil von ihm so aktiv und engagiert, wie es die Programme zulassen. Insofern dürfte nach wie vor ein Großteil passiv oder nur konsumierend sein, auch jeweils unterschiedlich bei den Angeboten und in diversen Konstellationen. Realität und Optionen klaffen weit auseinander. All die beschriebenen Aktivtäten, Maßnahmen und Regelungen lassen sich unter Governance fassen, wenn sie das „Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte“ (Mayntz 2009, 66) – hier der Medien – meint. Allerdings wird meist ignoriert, mindestens zu wenig bedacht, dass Medien nicht nur Objekt- und Handlungsfelder für Media Goverance sind, sondern infolge der oben beschriebenen Eigenschaften und Funktionen stets auch Faktoren für jedwede Governance, bezogen auf andere gesellschaftliche Felder, aber auch für sich selbst verkörpern. Diese unausweichliche Zirkularität machen Theorie und Analyse von Media Governance recht kompliziert, letztlich unabgrenzbar, kann aber für ihre angemessene Bearbeitung nicht umgangen werden.
Grafisch vereinfacht lassen sich die Zusammenhänge wie unten darstellen; sie haben in der Realität viele Überschneidungen (Abb. 3.1).
Mediale Kommunikation hält nicht an nationalen Grenzen, sie ist aterritorial. Spätestens seit der Verlegung von Überseekabeln für die Telegrafie ab 1858 werden weltumspannende Netze für Kommunikation entwickelt (Flichy 1994, 70f.) 1870 schlossen die drei europäischen Nachrichtenagenturen, Reuters Telegram Campany, Charles Havas und Wolff’s Telegraphisches Bureau (WTB), einen Kartellvertrag, in den später die amerikanische Genossenschaftsagentur Associated Press (AP) einbezogen wurde. Sie teilten sich damit vier Einflusszonen in der Welt zu, für die jeweils eine Agentur das exklusive Recht der Nachrichtensammlung und -verbreitung zugestanden bekam. Er hielt bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges (Schulz 2000, 248ff.). Die in den 1920er Jahren schnell genutzten Funkwellen (terrestrische Frequenzen) für das Radio (Kleinsteuber 2012, 83ff) übersprangen ohnehin alle lokalen Grenzen. Seit 1926 strebten die Staaten danach, die Funkwellen für ihre Radiostationen angemessen aufzuteilen.
Weltweit kümmert sich darum die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Da sie auf den am 17. Mai 1865 gegründeten Internationalen Telegraphenverein zurückgeht, ist sie eine der ältesten internationalen Organisationen. Sie ist die einzige, die sich offiziell und weltweit mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschäftigt. Sie veranstaltet die Weltfunkkonferenz, die die Vollzugsordnung für den Funkdienst fortschreibt. Ihr Gründungstag wird jährlich als Weltkommunikationstag begangen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde auf der Kopenhagener Rundfunkkonferenz im sogenannten Kopenhagener Wellenplan von 25 europäischen Staaten eine Neuordnung der Frequenzen vorgenommen, um über die Kriegswirren hinweg zu kommen und die neue politische Aufteilung Europas angemessen zu bewerkstelligen. Ihr folgten ähnliche Ordnungen für andere Weltregionen.
Mit der Wohlstandsentwicklung in der Nachkriegszeit, aber auch unter der Blockkonkurrenz des Kalten Krieges sind vor allem über den enorm wachsenden Fernsehmarkt in Europa, den USA und Australien riesige Medienkonzerne herangewachsen, die weltweit agieren und inzwischen alle Medien – im so genannten cross media – vermarkten. Zunächst waren es Pressekonzerne wie Pulitzer und Hearst in den USA, dann die vier Film-Majors Hollywoods, die eine weltweite Filmvermarktung seit den 1920er Jahren initiierten; heute sind auch medienfremde Kapitalbeteiligungen in ihnen aktiv. Mit der jüngsten Internet-Entwicklung schicken sich digitale Vermarkter wie Amazon, Facebook, Apple und Google an, die Weltkommunikation zu beherrschen. Neben ihnen sehen die traditionellen Konzerne schon recht alt aus, sofern sie sich nicht wechselseitig um Fusionen bemühen (Kübler 2011). Gleichwohl können einige von ihnen, wie die britisch-australische News Corporation des Robert Murdoch, die öffentlichen Meinungen ganzer Länder (z. B. Großbritannien) beeinflussen und für sie genehme Gesetze erzwingen. Mit der Öffnung Osteuropas (Stegherr und Liesem 2010), aber auch mit der wachsenden Prosperität in den Schwellenländern wie Indien, China und Südamerika finden auch die konventionellen Medienprodukte (Presse – immer begleitet von digitalen Versionen –, aber auch die Film- und Musikindustrie) noch lukrativere Absatzmärkte. Dass sie sich dabei auch um für sie förderliche Gesetze und Regelungen kümmern, darf unterstellt werden.
Diese wenigen Beispiele sollen illustrieren, dass globale Dimensionen zumal für die elektronischen Medien, Hörfunk und Fernsehen, nicht erst seit der Entwicklung des Internets bestehen. Ihre Kapazität und Intensität, die Zahl der Kanäle und die Optionen ihrer Nutzung haben zumal mit der Implementation von Kabel- und Satellitennetzen enorm zugenommen und finden im Internet mit all seinen Facetten fraglos derzeit ihren Höhepunkt. Entsprechend haben sich die Aktivitäten und Organisationen enorm vermehrt, die sich mit dem Internet als Ganzes – etwa unter dem Oberbegriff der Informationsgesellschaft (Kübler 2009) – oder mit wichtigen Segmenten befassen. Dennoch kann angenommen werden, dass mit dem Internet ein neuer Schub und eine neue Qualität der Globalisierung von Kommunikation (Castells 2005; Donges und Puppis 2010; Schrape 2010; Wolling et al. 2011) beschritten ist, die sich künftig noch beschleunigter fortsetzen wird.
An dieser weltweiten Media Governance sind zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Zielsetzungen, Interessen, Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten beteiligt. Sie sind im Detail nicht überschaubar und können nur exemplarisch in ihrem Wollen und Wirken dargestellt werden (siehe Kap.​ 5). Ob der Ansatz Governance dafür einen systematischen Zugang öffnet, wird sich zeigen. Vorerst soll er als Arbeitskategorie genutzt werden, nicht zuletzt mangels einer besseren Alternative. M. Puppis (2007, 62) bezeichnet die Öffnung auf die globale und auch transnationale Ebene – letztere soll „die Beziehungen nichtstaatlicher Akteure über Grenzen hinweg“ (Ebd.) markieren – als vertikale Ausweitung von Governance, die die horizontale durch die Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure ergänzt. Mit dieser Kategorie wird allerdings eine latent hierarchische Vorstellung von Welt suggeriert, die vor allem für mediale Kommunikation nicht angemessen ist. Denn Markenzeichnen von globalen Crossmedia ist es gerade, dass es sich nicht in fixe Strukturen einfügt, vielmehr mit ihren medialen Potentialen ‚Welt‘ ständig neu erfindet, definiert und platziert. Im ersten Zugriff seien zunächst die Handlungsebenen und Reichweiten benannt und dafür exemplarische Akteure angeführt. Die Zuteilung dient nur der heuristischen Pointierung, natürlich lassen sich in der Praxis viele Überschneidungen finden (Abb. 3.2):
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Metadaten
Titel
Medienpolitik – Medienregulierung – Media Governance
verfasst von
Joachim Betz
Hans-Dieter Kübler
Copyright-Jahr
2013
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19241-3_3