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2008 | Buch

Medizintechnik Life Science Engineering

Interdisziplinarität · Biokompatibilität · Technologien · Implantate · Diagnostik · Werkstoffe · Business

verfasst von: Prof. Dr. med. Dr.-Ing. habil. Erich Wintermantel, Dr. Suk-Woo Ha

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Das Standardwerk der Medizintechnik wurde in der vierten Auflage erheblich erweitert und vielfältig ergänzt. Den Herz- und Gefäßimplantaten wird breiter Raum eingeräumt sowie der Kunststofftechnik, als Verfahrenstechnik der versatilsten Werkstoffgruppe des Life Science Engineerings. Grundlagen der Stammzellforschung und der Wundheilung treten hinzu. Bildgebende Verfahren, moderne Bildanalyse und Reinraumtechnik, die Endoskopie sowie Nieren- und Leberdialyse wurden ergänzt. Komplett behandelt ist nun das Ohr mit Hörgerätetechnik, Mittelohr- und Innenohrimplantaten (cochlear implants). Die Behandlung der Knochen wurde um Implantate der Knie-, Schulter- und Fingergelenke ergänzt.

Auf Nachfrage zahlreicher Leser wurde zwei Kapitel der zweiten Auflage als historische Impulse und Anregung zur Diskussion unverändert übernommen: Ökokompatible Werkstoffe und die Erweiterung auf die Ökokompatibilität. Diese Kapitel sollen eine Brücke schlagen zwischen Medizintechnik, Umweltnaturwissenschaften und zur Verfahrenstechnik, wichtigen Pfeilern des Life Science Engineerings.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Impulse — Teil 1

Frontmatter
Editorial
Life Science Engineering: Die Interdisziplinarität der Medizintechnik. Werte und Bewertungen aus 25 Berufsjahren — und die Empfehlung, in der Medizintechnik tätig zu werden.

Die

Medizintechnik ist ein sehr altes Life Science Engineering Gebiet, das Freude bereitet

. Es hat sehr früh drei Ergebnisse zustande gebracht:

Produkte

die kranken Menschen helfen, unter Bildung von globalen Märkten,

Regionale Netzwerke der Bildung, Ausbildung und Produktion, sogenannte

Cluster

eine funktionelle Integration verschiedener Disziplinen der Naturwissenschaften, der Ingenieurswissenschaften und der Medizin, die

Interdisziplinarität

.

E. Wintermantel

Grundlagen der Medizintechnik

Frontmatter
2. Einleitung

Der Aufbau des menschlichen Körpers ist derart komplex, dass die vollständige funktionelle Substitution seiner Strukturen mit künstlichen Werkstoffen und Bauteilen unwahrscheinlich ist. Die meisten heute klinisch eingesetzten Implantate ersetzen in der Regel einfache mechanische oder andere physikalische Funktionen des menschlichen Körpers, die aufgrund eines singulären Defektes im Gewebe oder als Ergebnis einer chronischen Erkrankung substituiert werden müssen. Gelenkprothesen beispielsweise übertragen Lasten, eine künstliche intraokulare Linse ermöglicht Lichttransmission und eine künstliche Arterie sorgt für die Aufrechterhaltung der Blutversorgung. Neben der Funktionserfüllung müssen die medizinisch eingesetzten Werkstoffe zusätzlich den Anforderungen der Körperver träglichkeit genügen, die die vollständige und dauerhafte Aufnahme des Implantates im Körper zum Ziel hat. Die Erkenntnisse der Werkstoffwissenschaft und deren Umsetzung in neue Produkte hat die Entwicklung und Fortschritte in der Medizin und in der Chirurgie entscheidend geprägt. Werkstoffe stehen in ihrem klinischen Einsatz als Temporärimplantate (z. B. Kathetersysteme) sowie als Langzeitimplantate (z. B. Hüftgelenksimplantate oder Herzschrittmacher) in direktem Kontakt mit den Geweben des Körpers und müssen deshalb biokompatibel sein. Die Biokompatibilität ist die erwünschte Verträglichkeit zwischen einem technischen und einem biologischen System. Sie beinhaltet sowohl Struktur- wie auch Oberflächenkompatibilität im Sinne einer Anpassung von Implantatstruktur und Implantatoberfläche an das Empfängergewebe (Werkstoff-Mimikry). Die Strukturkompatibilität äussert sich im optimalen Kraftfluss innerhalb des Implantates und in der Krafteinleitung und -übertragung zwischen lasttragendem Implantat und Empfängergewebe, wie z. B. Knochen.

S. -W. Ha, E. Wintermantel
3. Biokompatibilität

Eine Zusammenstellung harmonisierter Normen ist in der ISO 10993 gegeben, welche vom technischen Komitee 194 der Internationale Standard Organisation (ISO) erarbeitet wurde. Die ISO 10993 ist unterteilt in verschiedene Unternormen. ISO 10993-1 — Guidance on selection of tests — umfasst Richtlinien zur Betrachtung der Sicherheit von medizinischen Instrumenten und Implantaten. Diese können wie folgt zusammengefasst werden:

1.

Charakterisierung der Materialien bezüglich ihrer chemischen Zusammensetzung, möglichen Verunreinigungen und Extraktionsstoffen.

2.

Untersuchung des potentiellen Auftretens von herausgelösten Substanzen und Degradationsprodukten aus einem medizinischen Instrument oder Implantat.

3.

Toxizitätsuntersuchung zur Ermittlung der toxischen Wirkung von herausgelösten Substanzen und Degradationsprodukten.

4.

Durchführung der Tests gemäss GLP (good laboratory practice), ausgeführt von kompetenten und informierten Personen.

5.

Die experimentell ermittelten Daten sollten den Behörden zur Verfügung gestellt werden können.

6.

Bei Änderung der chemischen Zusammensetzung der Materialien oder der Herstellungsbedingungen sowie bei Einsatz für zusätzliche Indikationen sollte ein potentieller toxikologischer Effekt in Patienten aufgrund dieser Änderung untersucht werden.

7.

Alle relevanten Daten, inklusive Informationen von nicht klinischen Quellen, klinischen Studien und Markterfahrungen sollte bei der Evaluation eines Medizinproduktes berücksichtigt werden.

E. Wintermantel, B. Shah-Derler, A. Bruinink, M. Petitmermet, J. Blum, S. -W. Ha
4. Biofunktionalität

Unter Biofunktionalität wird die Substitution einer oder mehrerer Funktionen im biologischen System durch ein technisches System verstanden. Nachfolgend sind einige typische Beispiele angegeben.

S. -W. Ha, E. Wintermantel
5. Sterilisation

Ein steriles Medizinprodukt ist frei von lebensfähigen Mikroorganismen. Von den internationalen Normen, die Anforderungen an die Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsverfahren festlegen, wird für sterile Medizinprodukte verlangt, dass jede zufällige mikrobielle Kontamination eines Medizinproduktes bereits vor der Sterilisation so gering wie möglich gehalten werden soll. Dennoch können auch Medizinprodukte, die unter üblichen Herstellungsbedingungen in Übereinstimmung mit den Anforderungen an Qualitätssicherungssysteme gefertigt oder die im Zuge in einer Einrichtung des Gesundheitswesens einem Reinigungsverfahren unterzogen wurden, vor der Sterilisation mit Mikroorganismen, wenn auch in geringen Anzahl, behaftet sein. Mittels Inaktivierung der mikrobiellen Kontamination können diese unsterilen Produkte in den sterilen Zustand überführt werden. Die Zeit, die für die Inaktivierung einer Reinkultur von Mikroorganismen mit physikalischen oder chemischen Mitteln, die bei der Sterilisation von Medizinprodukten eingesetzt werden, wird durch eine exponentielle Beziehung zwischen der Anzahl der überlebenden Mikroorganismen und dem Umfang der Behandlung mit dem Sterilisiermittel beschrieben. Demnach besteht immer eine begrenzte Wahrscheinlichkeit, dass ein Mikroorganismus, unabhängig vom Umfang des angewendeten Verfahrens, überleben kann. Für eine gegebene Behandlung wird die Wahrscheinlichkeit des Überlebens durch die Anzahl und Resistenz der Mikroorganismen sowie die Umgebung, in der sich die Mikroorganismen während der Sterilisation befinden, bestimmt.

S. -W. Ha, M. Koller, G. Göllner

Biologische Grundlagen

Frontmatter
6. Zellen

Die Zelle stellt einen universellen Baustein aller Organismen dar. Sie ist die kleinste selbständig lebensfähige Einheit und wird als Grundform der biologischen Organisation bezüglich der Struktur, der Funktion und der Vermehrung verstanden.

B. Shah-Derler, J. Hubbell, E. Wintermantel, S. -W. Ha
7. Blut

Das Blut zirkuliert in einem System von Blutgefässen und erfüllt dabei wesentliche Transportaufgaben im Organismus. Hauptfunktionen des Blutes sind die Stoffversorgung und -entsorgung der Zellen (Sauerstoff, CO

2

, Nährstoffe, Stoffwechselprodukte, etc.), der Transport von Hormonen und die Regulation der Körpertemperatur. Das Blut besteht zu 40–45% aus zellulären Bestandteilen und zu 55–60% aus dem

Blutplasma

(Abb. 7.1). Die Gesamtmenge beträgt beim erwachsenen Menschen etwa 5 bis 6 Liter, was 7–8% des Körpergewichtes entspricht. Aufgrund seiner zahlreichen Aufgaben wird das Blut als „fliessendes Organ“ bezeichnet. Das Blutplasma besteht zu rund 90 Vol.% aus Wasser und zu 10 Vol.% aus Elektrolyten, gelösten Gasen, Proteinen (Albumine, Globuline) und Stoffwechselprodukten. Die annähernd gleichbleibende Zusammensetzung dieser Blutbestandteile gewährleistet u. a. einen relativ konstanten osmotischen Druck und pH-Wert.

B. Shah-Derler, E. Wintermantel, S. -W. Ha
8. Gewebe

Als Gewebe wird ein durch spezifische Leistungen gekennzeichneter Verband gleichartig differenzierter Zellen bezeichnet. Gewebe entstehen aus jungen, noch nicht differenzierten Zellen, die sich ihrer künftigen Funktion entsprechend umwandeln. Gewebe aus differenzierten Zellen wird als Dauergewebe bezeichnet. Verschiedene Gewebe haben allerdings eine mehr oder weniger starke Potenz, sich neu aufzubauen. Beim Menschen unterscheidet man diesbezüglich zwischen

labilem

Gewebe, bei dem die Bildung und der Aufbau der Zellen rasch erfolgt,

stabilem

Gewebe, bei dem der Zellumsatz sehr langsam geschieht und

perma nentem

Gewebe, bei dem absterbende Zellen nicht mehr ersetzt werden können (Tabelle 8.1). Es gibt vier Grundtypen von Geweben:

Epithelgewebe, Binde- und Stützgewebe, Muskelgewebe

und

Nervengewebe

. Im Körper treten in der Regel verschiedene Gewebe funktionell zusammen (z. B. Muskeln und Sehnen des Bindegewebes).

B. Shah-Derler, E. Wintermantel, S. -W. Ha
9. Immunsystem

Fremdstoffe wie Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten und Werkstoffe, die in den menschlichen Organismus eingedrungen, durch Implantation eingebracht oder auf innere und äussere Oberflächen des Körpers aufgebracht sind, können durch das Immunsystem erkannt werden. Dabei spielen sowohl humorale (über die Körperflüssigkeit erfolgende) wie auch zelluläre Immunreaktionen eine wichtige Rolle.

J. Blum, M. Petitmermet, E. Wintermantel

Werkstoffe in der Medizintechnik

Frontmatter
10. Einleitung

Der Einsatz von Implantaten zielt auf die Unterstützung oder den Ersatz von Zelloder Gewebefunktionen im menschlichen Körper. Die Werkstoffauswahl für diese Implantate hängt dabei von der Art und der Funktion des zu ersetzenden Gewebes ab. Die Anforderungen an den Implantatwerkstoff bezüglich Eigenschaften und Struktur können je nach Implantationsort und Funktionalität ganz unterschiedlich sein. Implantate, die im Knochengewebe Funktionen der Lasteinleitung und -über leitung ausüben, sind hohen

mechanischen

Anforderungen (optimale Bauteilstei figkeit, Dauerfestigkeit) unterworfen, während bei Blutgefässimplantaten die Werkstoffoberfläche, primär in ihrer

chemischen Zusammensetzung

derart gestaltet sein muss, dass eine minimale Thrombogenität resultiert. Für den Erfolg des Implantatwerkstoffes oder -bauteils sind folgende drei Faktoren relevant: (a) Biokompatibilität, (b) Gesundheitszustand des Patienten und (c) Verlauf der Operation und der nachfolgenden Therapie. Bei Vorliegen einer Erkrankung, wie z. B. die allergische Sensibilisierung gegenüber Metallionen (Nickelallergie) oder Osteoporose im Fall der Verankerung von Hüftprothesen, ist der Implantatwerk stoff höheren Anforderungen bezüglich der Biokompatibilität unterworfen als bei organisch gesunden Patienten.

S. -W. Ha
11. Metalle

Metalle als Implantatwerkstoffe werden in der Medizin für zwei Hauptanwendungen eingesetzt: für Prothesen des totalen Gelenkersatzes wie beispielsweise Hüft-, Knie- und Schulterprothesen und für Fixationselemente zur Stabilisierung von Frakturen. Beispiele hierfür sind Osteosyntheseplatten, Marknägel, Schrauben, Drähte und Stents. Eine der ersten Anwendungen von Metallen im menschlichen Körper war die Fixation von Fragmenten eines gebrochenen Humerus (Oberarmknochen) mit einem Metalldraht durch zwei französische Physiker im Jahr 1775 [1]. Ausführliche Untersuchungen zur Verträglichkeit von Metallen im menschlichen Körper wurden bereits im frühen 19. Jahrhundert durchgeführt. Von den untersuchten Werkstoffen verursachten die edlen Metalle wie Gold, Silber und Platin aufgrund ihrer Korrosionsbeständigkeit und Körperverträglichkeit die geringsten Reizungen im menschlichen Körper. Die klinische Anwendung der Edelmetalle war jedoch wegen der geringen mechanischen Eigenschaften beschränkt. Andere Metalle wie Messing, Kupfer oder Eisen wiesen vergleichsweise höhere Festigkeitswerte auf, sie waren jedoch aufgrund der geringen Korrosionsbeständigkeit und Biokompatibilität nicht für den klinischen Einsatz geeignet. Ein weiteres Problem stellte die Gefahr der Infektion durch unsterile Instrumente und Implantate dar. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hielt die antiseptische Operationsmethode Einzug in die Kliniken, die z. B. erfolgreiche Operationen mit Silberdraht ermöglichte.

S. -W. Ha, E. Wintermantel
12. Polymere

Der klinische Einsatz von synthetischen Polymeren begann in den 60-er Jahren in Form von Einwegartikeln, wie beispielsweise Spritzen und Kathetern, vor allem aufgrund der Tatsache, dass Infektionen infolge nicht ausreichender Sterilität der wiederverwendbaren Artikel aus Glas und metallischen Werkstoffen durch den Einsatz von sterilen Einwegartikeln signifikant reduziert werden konnten [1]. Die Einführung der medizinischen Einwegartikel aus Polymeren erfolgte somit nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus hygienischen Gründen. Wegen der steigenden Anzahl synthetischer Polymere und dem zunehmenden Bedarf an ärztlicher Versorgung reicht die Anwendung von Polymeren in der Medizin von preisgünstigen Einwegartikeln, die nur kurzzeitig intrakorporal eingesetzt werden, bis hin zu Implantaten, welche über eine längere Zeit grossen Beanspruchungen im menschlichen Körper ausgesetzt sind. Die steigende Verbreitung von klinisch eingesetzten Polymeren ist auf ihre einfache und preisgünstige Verarbeitbarkeit in eine Vielzahl von Formen und Geometrien sowie auf ihr breites Eigenschaftsspektrum zurückzuführen. Polymere werden daher in fast allen medizinischen Bereichen eingesetzt; die Hauptanwendungsgebiete sind [2]:

Therapie

Langzeit- und Kurzzeitimplantate, wie z. B. künstliche Blutgefässe, künstliche Herzklappen, Katheter oder Nahtmaterial.

Kontrollierte therapeutische Systeme (controlled drug delivery systems).

Neue Technologien für Gewebekulturen in vitro (tissue engineering); Separation von Blutbestandteilen.

S. -W. Ha, E. Wintermantel, G. Maier
13. Keramische Werkstoffe

In Medizinprodukten werden hauptsächlich folgende keramischen Werkstoffe eingesetzt: Aluminiumoxid und Zirkonoxid sowie Calciumphosphate, bioaktive Gläser und Glaskeramiken. In der Medizin gibt es zudem breite Anwendungsgebiete für weitere nichtmetallisch-anorganische Werkstoffe. Beispiele hierfür sind Brillengläser oder Glasfasern für Endoskope. Am häufigsten werden keramische Werkstoffe in Medizinprodukten im Zusammenhang mit dem menschlichen Skelett, den Knochen, Gelenken und Zähnen eingesetzt (Tabelle 13.1). In der Dentalmedizin finden keramische Werkstoffe beispielsweise in Form von Porzellankronen, mit Glas gefüllten Zementen oder künstlichen Gebissen eine breite Anwendung [2]. Bei Hüftgelenk-Endoprothesen werden Aluminiumoxid sowie Zirkonoxid für Hüftkugeln und Calciumphosphate in Form von Hydroxylapatit als Beschichtung auf Prothesenschäften eingesetzt.

S. -W. Ha, E. Wintermantel
14. Faserverbundwerkstoffe

Aus praktischen Erfahrungen der Autoren mit der Entwicklung anisotroper biokompatibler Werkstoffe werden nachfolgend Faserverbundwerkstoffe mit einer thermoplastischen Matrix behandelt. Als Faser kommt die Kohlenstofffaser, in verschiedenen Ausführungen, z. B. als HT- oder als HM-Faser, zum Einsatz (Tabelle 14.1). Kohlenstoff ist die Endstufe allen organischen Abbaus und Haupt element organischer Verbindungen. Andere grosstechnische Fasern entfallen aufgrund mangelnder Biokompatibilität, geringer Langzeitbeständigkeit, ungenü gender mechanischer Eigenschaften oder aus kommerziellen Gründen. Fasern, die dagegen von Interesse sind und sich entweder in klinischer Applikation oder in der Erforschung befinden, sind z. B. Bioglas- oder Titanfasern sowie Fasern degrada bler Polymere. Duroplastische Matrices werden hier nicht behandelt, da die Verar beitung aufwendig ist und möglicherweise toxische Additive im Bauteil zurückbleiben können. Schliesslich können Duroplaste nicht reversibel thermisch verformt werden, was die Anpassbarkeit daraus gefertigter Bauteile, wie z. B. Osteosyntheseplatten, erheblich einschränkt. Duroplastische Verbundwerkstoffe sind nur sehr aufwendig rezyklierbar, da eine Trennung von Faser und Matrix mit vertretbarem technischen Aufwand praktisch ausgeschlossen ist.

J. Mayer, R. Tognini, M. Widmer, H. Zerlik, E. Wintermantel, S. -W. Ha
15. Radioaktive Biomaterialien

In der Strahlentherapie von Tumorgewebe (Radioonkologie) nutzt man die zellschädigende Wirkung verschiedener Strahlenarten zur gezielten Abtötung der Tumorzellen. Um bei der perkutanen Bestrahlung die Strahlenschäden im gesunden Gewebe in Grenzen zu halten, wird der Tumor aus verschiedenen Richtungen mit gut fokussiertem Strahl behandelt. Moderne Bestrahlungsanlagen sind durch Steuerung über leistungsfähige Rechner in der Lage, ein millimetergenaues Bestrahlungsprogramm abzufahren, das individuell auf den jeweiligen Tumor abgestimmt ist. Ein ganz anderer Weg, das umgebende gesunde Gewebe zu schonen, wird in der sog. Brachytherapie beschritten. Hier wird ein kurzreichweitiger, radioaktiver Strahler entweder direkt in das Tumorgewebe (interstitiell) oder in grosser Nähe (intrakavitär) permanent oder nur für eine bestimmte Zeitdauer eingebracht. Ein Beispiel ist die Behandlung des Prostatakarzinoms durch die Implantation von dünnwandigen metallischen Hülsen (seeds) von nur wenigen Millimetern Länge und knapp einem Millimeter Durchmesser, die minimalinvasiv mittels feiner Kanülen in die Prostata eingebracht werden. Sie enthalten ein künst liches Radionuklid mit typisch einigen Wochen Halbwertszeit, dessen therapeutisch wirksame Strahlungsdosis sich auf wenige Millimeter des umgebenden Gewebes beschränkt. Wesentlich für den Erfolg einer Strahlentherapie mit derartig kurzreichweitigen Strahlern ist eine Lagekontrolle mit entsprechend hoher räumlicher Auflösung.

W. Assmann

Tissue Engineering / Stammzell Engineering

Frontmatter
16. Grundlagen des Tissue Engineering

Die Organtransplantation stellt eine verbreitete Therapie dar, um bei krankheits- oder unfallbedingter Schädigung eines Organs die Gesamtheit seiner Funktionen wieder herzustellen, indem es durch ein Spenderorgan ersetzt wird. Organtransplantationen werden für die Leber, die Niere, die Lunge, das Herz oder bei schweren grossflächigen Verbrennungen der Haut vorgenommen. Der grosse appa rative, personelle und logistische Aufwand und die Risiken der Transplantations chirurgie (Abstossungsreaktionen) sowie die mangelnde Verfügbarkeit von immunologisch kompatiblen Spenderorganen führen jedoch dazu, dass der Bedarf an Organtransplantaten nur zu einem sehr geringen Teil gedeckt werden kann. Sind Spenderorgane nicht verfügbar, können in einzelnen Fällen lebenswichtige Teil funktionen, wie beispielsweise die Filtrationsfunktion der Niere durch die Blutrei nigung mittels Dialyse ersetzt oder, bei mangelnder Funktion der Bauchspeicheldrüse (Diabetes), durch die Verabreichung von Insulin ein normaler Zustand des Gesamtorganismus auch über Jahre hinweg erhalten werden. Bei der notwendigen lebenslangen Anwendung apparativer oder medikamentöser Therapie können für den Patienten jedoch häufig schwerwiegende, möglicherweise lebens verkürzende Nebenwirkungen entstehen. Daher werden in der Forschung Alterna tiven gesucht, um die Funktionen des ausgefallenen Organs durch die Implantation von Zellen oder

in vitro

gezüchteten Geweben möglichst umfassend wieder herzu stellen. Dies erfordert biologisch aktive Implantate, welche die für den Stoff wechsel des Organs wichtigen Zellen enthalten und einen organtypischen Stoffwechsel entfalten.

J. Mayer, J. Blum, E. Wintermantel
17. Mikroreaktortechnik für Tissue Engineering

An vielen Geweben in unserem Organismus bestehen funktionelle Barrieren. Besondere Bedeutung haben dabei die Epithelien, die auf ihrer luminalen und basalen Seite ganz unterschiedlichem Milieu ausgesetzt sind. Wichtig ist diese Besonderheit beim Testen neuer Biomaterialien und beim Tissue engineering. Hierbei werden lebende Zellen mit einer künstlichen extrazellulären Matrix in Kontakt gebracht. Um realistische Informationen über die Interaktionen zwischen dem jeweiligen Gewebe und der Matrix zu erhalten, werden reifende Gewebe unter in vitro Bedingungen mechanischem und rheologischem Stress über lange Zeiträume ausgesetzt. Um die Epithelbarriere nicht zu beschädigen, müssen Undichtigkeiten und Druckunterschiede im Kultursystem vermieden werden. Zudem sollten die Umgebungseinflüsse so gestaltet werden, dass zellbiologische Funktionen im generierten Gewebe entstehen können und gleichzeitig eine zellu läre Dedifferenzierung vermieden wird. Da in konventionellen Kulturschalen diese Arbeiten nicht durchgeführt werden können, wurden neue Gewebekulturmethoden entwickelt. Dazu gehören kompatible Gewebeträger mit individuell einsetzbaren Matrices für die Gewebeansiedlung, Perfusionskulturcontainer, Gradientencontainer und Gasexpandermodule für einen permanenten Kulturmediumaustausch mit minimierter Gasblasenbildung.

W. Minuth, K. Schumacher, R. Strehl, U. de Vries
18. Electrospinning

Die weite Palette von Technologien, welche sich mit Strukturen und Prozessen auf der Nanometerskala befassen, wird summarisch als Nanotechnologie bezeichnet. Diese wird, wegen ihres Potentials zur grundlegenden Veränderung ganzer Forschungsfelder, als Schlüsseltechnologie angesehen, welche in naher Zukunft nicht nur die technologische Entwicklung beeinflussen, sondern auch maßgebliche ökonomische, ökologische und soziale Fortschritte mit sich bringen wird. Charakteristisch beim Übergang auf die Nanometerskala ist, neben der zunehmenden Dominanz quantenphysikalischer Effekte, dass Oberflächen- bzw. Grenzflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften des Materials eine immer größere Rolle spielen [1]. Nanostrukturen können in verschiedene Kategorien gegliedert werden. Basisstrukturen bilden sogenannte Nanopartikel, welche in allen drei Raumrichtungen kleiner als 100 nm sind (z. B. Nanokristalle, Cluster, oder Moleküle) und somit als nulldimensionale Nanoelemente angesehen werden können. Desweiteren gibt es linienförmige, gleichsam eindimensionale Strukturen (z. B. Nanodrähte, Nanoröhren und Nanofasern), sowie Schichtstrukturen, welche als zweidimensional betrachtet werden können [1, 2]. Für die Herstellung von Nanofasern gibt es viele unterschiedliche Verfahren, eines der vielseitigsten und variabelsten stellt dabei die Methode des Electrospinnings dar. Das bereits in den 30er Jahren durch Antonin Formhals patentierte Verfahren [3–8] geriet lange Zeit in Vergessenheit. Erst Mitte der 90er Jahre begannen Forscher, das große Potential dieses Prozesses für die Herstellung von Nanofasern zu realisieren [9].

N. Laar, S. Köppl, E. Wintermantel
19. Tissue Engineering in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie

Tissue Engineering ist eine Schlüsseltechnologie für den Gewebeersatz der Zukunft. Am Beispiel der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie werden klinisch etablierte Gewebeersatzmethoden und aktuelle Entwicklungen des Tissue Engineering gegenübergestellt. Die Besonderheiten der zu ersetzenden Gewebe im Kopf- und Halsbereich erfordert vielfältige Ersatzverfahren. Im klini schen Alltag werden heute vor allem autogene Transplantate und Implantate für den Gewebeersatz verwendet [1]. In vitro hergestellte Gewebe werden abgesehen von Einzelanwendungen zur Zeit noch nicht am Patienten eingesetzt.

M. Bücheler, F. Bootz
20. Zellträgersysteme

Mit Zellträgersystemen soll dem in der klinischen Medizin vordringlichen Problem der Behandlung von schwerstkranken Patienten, die ein partielles oder totales Organversagen erleiden, abgeholfen werden. Man stellt sich vor, dass durch geeignete Trägersubstanzen und -strukturen die Übertragung von metabolisch aktiven Zellen von einem Organismus auf den andern, erkrankten Organismus möglich wird. Die Funktion des Zellträgers ist dabei in erster Linie die des Abstandhalters einzelner Zellen und des Offenhalters für Versorgungskanäle. Man geht von der Vorstellung aus, dass Zellen, die einen optimalen Stoffwechsel haben sollen, in definierten Abständen zueinander in einem Zellträger angeordnet sein sollen. Dabei spielt die Vorstellung eine Rolle, mit dem Trägerwerkstoff die Struktur des zu ersetzenden Organs zu imitieren (Werkstoff-Mimikry). Erste Zellträgersysteme, die im Tierversuch eingesetzt wurden und sich derzeit in Vorbereitung zur klinischen Applikation befinden, sind Pankreas-Ersatzsysteme [1]. Diese Zelltransplantate basieren häufig auf Polymermembranen, die den Empfängerorganismus von den transplantierten allo- oder xenogenen Zellen trennen. Dabei verhindert die Membran einen Kontakt des Empfängerorganismus mit den Proteinen der transplantierten Zellen und damit eine Abstossungsreaktion. Es ist bei dieser Technologie zu bedenken, dass Polymere im Körper einem hydrolytischen Abbau unterworfen sein können und damit die Dauerbeständigkeit einer Polymermembran in Frage gestellt ist. Diesem Aspekt kann Rechnung getragen werden, indem Zellträgersysteme, die immunoprotektive Membranen nach bestimmten Verweilzeiten im Körper samt den transplantierten Zellen ausgetauscht werden.

K. -L. Eckert, J. Blum, E. Wintermantel
21. Stammzellen

Die komplexen Funktionen von höheren Lebewesen sind nur durch das koordinierte Zusammenspiel von hochspezialisierten Geweben und Zellen möglich. Im ausgereiften menschlichen Organismus lassen sich ca. 200 verschiedene Zelltypen unterscheiden, die sich in einem vielstufigen Entwicklungsprozess alle aus einer einzigen befruchteten Eizelle entwickeln. Es ist bemerkenswert, dass trotz ihrer vielfältigen Erscheinungsformen und spezialisierten Funktionen alle Zellen (mit Ausnahme der kernlosen Erythrozyten) die gleiche genetische Information behalten.

M. Eblenkamp, S. Neuss-Stein, S. Salber, V. Jacobs, E. Wintermantel
22. Vaskuläres Tissue Engineering

Gegenwärtig sind kardiovaskuläre Erkrankungen, allen voran die Arteriosklerose koronarer und zerebraler Gefäße, Ursache für 38% aller Todesfälle in Nordamerika und häufigste Todesursache europäischer Männer < 65 Jahre und zweithäufigste Todesursache bei Frauen [4]. Es wird prognostiziert, dass innerhalb der nächsten 10–15 Jahre kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Komplikationen weltweit die häufigste Todesursache stellen werden. Dies ist zum einen Folge der ansteigenden Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen in Osteuropa und zunehmend auch in den Entwicklungsländern, zum anderen Folge der kontinuierlich ansteigenden Inzidenz von Übergewicht und Diabetes mellitus in den westlichen Ländern.

H. Perea, H. Methe, E. Wintermantel

Prozesstechnologien für medizintechnische Entwicklungen

Frontmatter
23. Kunststoffverarbeitung für die Medizintechnik

Nach dem Medizinproduktegesetz sind Medizinprodukte „alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

a)

der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,

b)

der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,

c)

der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder

d)

der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.“ [1]

I. Jumpertz, E. Krampe, E. Wintermantel
24. Spritzgießen

Kunststoffe zu spritzgießen ist eine der fortschrittlichsten Verarbeitungstechnologien. Durch Spritzgießen, ein Verfahren der Urformtechnik werden Formteile in der Regel mit komplexer Geometrie vollautomatisch hergestellt. Ausgehend vom Verfahrensablauf werden Thermoplaste, Duroplaste oder Kautschuk in einer Spritzgießmaschine aus dem Feststoffzustand heraus aufgeschmolzen, in einen formgebenden Hohlraum (Werkzeug) eingespritzt, dort verdichtet, abgekühlt oder zur Reaktion gebracht und dann als Formteil aus dem Werkzeug ausgeworfen. Etwa 60 % aller Kunststoffverarbeitungsmaschinen sind Spritzgießmaschinen

(Abb. 24.1)

. Auf ihnen werden Formteile mit sehr niedrigen Massen im mg-Bereich bis hin zu großen Massen in zwei — z. T. sogar auch dreistelligen kg-Bereich hergestellt. Der Prozess des Spritzgießens nutzt in idealer Weise das besondere physikalische Verhalten der

Abb. 24.1

Heute marktübliche Spritzgießmaschine. Beispiel: Hydraulische Zweiplatten-Spritzgießmaschine KM160CX von KraussMaffei [Quelle KraussMaffei]

Abb. 24.2

Zyklusablauf eines Spritzgießvorgangs [Quelle KraussMaffei]

Kunststoffe. In einem verhältnismäßig einfachen Prozess werden durch Erwärmen des Kunststoffes und der nachfolgenden Formgebung im Schmelzezustand mit abschließender Abkühlung in einem formgebenden Werkzeug direkt gebrauchsfertige Formteile hergestellt [1, 31].

E. Bürkle, D. Ammer, M. Würtele
25. Sonderverfahren des Spritzgießens

Das Spritzgießen ist neben der Extrusion das wichtigste Verarbeitungsverfahren für Kunststoffe [1]. Das Verfahren hat sich seit seinen Ursprüngen Ende des 19. Jahrhunderts bis heute stetig weiterentwickelt [2]. In neuerer Zeit steigt die Anzahl komplexer Anwendungen, die die gezielte Kombination verschiedener Funktionalitäten in einem Formteil erfordern. Das Standard-Spritzgießen kann diese Anforderungen immer weniger befriedigen. Daher gewinnen die Sonderverfahren des Spritzgießens zunehmend an Bedeutung [3]. Ihre Anzahl beträgt inzwischen über 100. Die Aufgabe des Anwenders ist es, aus der Vielzahl der möglichen Verfahren, ein anforderungsgerechtes auszuwählen, das sowohl unter technischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten die optimale Lösung darstellt. Dies setzt die ständige Auseinandersetzung mit Entwicklungstendenzen im Bereich der Spritzgießtechnologie voraus. Daher soll im folgenden Abschnitt ein Überblick über die wichtigsten Spritzgieß-Sonderverfahren gegeben werden.

W. Michaeli, C. Lettowsky
26. Extrusion & Compoundierung

Unter Extrusion wird das kontinuierliche Fördern von formbaren Massen verstanden. Dies können Kunststoffe, Teigwaren in der Lebensmittelindustrie oder auch keramische Massen sein. In der chemischen Industrie werden ebenfalls hochviskose (schwerfließende) Stoffe oder Pasten dosiert, gefördert und extrudiert. Früher waren vorzugsweise Kolbenstrangpressen im Einsatz, bis sich ab 1950 in steigendem Maße die Schneckenmaschinen durchgesetzt haben. Der weltweite Siegeszug der Kunststoffe ist zu einem erheblichen Teil auf die stetige technologische Weiterentwicklung im Bereich der Extrusionstechnik zurückzuführen. Der Markt der welt-weit produzierten Maschinen für die Kunststoffverarbeitung erreichte im Jahr 2006 einen Wert von 20 Milliarden Euro und somit zählt dieser Bereich mittlerweile zu einem der großen Industriezweige [1].

H. Collin, V. Schulze
27. Mikrospritzgießen

Bei der Betrachtung von aktuellen Produktentwicklungen lässt sich durch alle Branchen hinweg ein deutlicher Trend zur Miniaturisierung und Funktionsintegration auf kleinstem Raum erkennen. Der Einsatz technischer Kunststoffe, die überwiegend im Thermoplast-Spritzgießverfahren verarbeitet werden, leistet dabei einen wichtigen Beitrag um diese Produktentwicklungen in marktfähige Artikel umsetzen zu können. Hierbei sind im Vergleich zum Standardspritzgießen einige Besonderheiten hinsichtlich des Formenbaus, der Anlagen- sowie Prozesstechnik und der Qualitätssicherung zu beachten.

K. -H. Ebert, D. Ammer, M. Hoffstetter, E. Wintermantel
28. Reinraumtechnik für die Medizintechnik

Die Reinraumtechnik ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Fertigung von Medizinal- und Pharmaprodukten. Verglichen mit der langen Historie der Medizintechnik ist sie jedoch eine sehr junge Disziplin. Die Bedeutung von Keimen und die richtige Einschätzung ihrer Größe wurden zwar sehr früh bereits durch Paracelsus erkannt, jedoch wurden daraus noch keine speziellen oder kontinuierlich umgesetzten Hygienevorschriften abgeleitet. Die erste technische Umsetzung erfolgte erst durch den Franzosen François Nicolas Appert, der eine aseptische Abfüllmethode für Lebensmittel entwickelte und diese 1810 veröffentlichte [1]. Die erste bekannte medizinische Umsetzung waren Hygienevorschriften für Ärzte, die Ignaz Philipp Semmelweis nach 1847 in der Wiener Klinik für Geburtshilfe einführte [2]. Ein Meilenstein für die Reinraumtechnik stellte die Entwicklung des Schwebstofffilters vom Typ HEPA (High Efficiency-Particulate Air Filter) zu Beginn der 1950er Jahre dar [3]. HEPA-Filter waren erstmals in der Lage, über 99,9% aller Partikel im Größenbereich von 0,1–0,3 μm wie Viren, lungengängige Stäube, Pollen, Rauchpartikel, diverse toxische Stäube und Aerosole aus der Luft zu filtern. Eine weitere Verbesserung konnte durch den Einsatz von ULPA-Filter (Ultra Low Penetration Air) erreicht werden, die 99,999 % aller Schwebstoffe zurückhalten können.

M. Petek, M. Jungbluth, E. Krampe
29. Cell 3D: Kunststoffschäume für dreidimensionale Zellkultivierung

Die Anzucht tierischer und humaner Zellen spielt bei klinischen Anwendungen und im Labor eine große Rolle. Die Nutzung dieser angezüchteten Zellen reicht von der Testung parmazeutischer Wirkstoffe und der Toxizität von Werkstoffen bis hin zum klinischen Einsatz als Implantat [1–4].

A. Walter, S. Leicher, E. Wintermantel
30. Dünne Beschichtungen auf Biomaterialien

Ein Schwerpunkt der Implantatentwicklung liegt in der Synthese und Verarbeitung geeigneter Biomaterialien, die bezüglich ihrer mechanischen Eigenschaften und ihrer Stabilität die erwünschte Funktion im Organismus erfüllen sollen. Die biologische Antwort auf Biomaterialien im Implantateinsatz wird jedoch hauptsächlich von der chemischen Zusammensetzung und der Struktur der Implantatoberfläche bestimmt [1]. Sie ist entscheidend für die Langzeitverträglich keit eines Implantats. Geeignete Ansätze zur Verbesserung der Grenzflächenver träglichkeit von Biomaterialien, ohne die mechanischen Eigenschaften und die Funktionalität des Implantates zu verändern, beruhen auf die Aufbringung einer definierten, falls erforderlich biologisch aktiven Beschichtung auf die Werkstof foberfläche. Bei den eingesetzten Beschichtungsverfahren handelt es sich vielfach um bekannte Verfahren zur Oberflächenmodifizierung technischer Werkstoffe, die auf physikalischen und chemischen Prozessen basieren. Je nach Beschichtungsver fahren können unterschiedliche Schichtdicken erzielt werden. Zur Charakterisie rung der Zusammensetzung und Struktur der beschichteten Biomaterialoberflächen ist der Einsatz oberflächensensitiver Analytik unverzichtbar. Vielfach wird eine Kombination von Methoden eingesetzt, die sich hinsichtlich ihrer Informationstiefe und Informationsaussage unterscheiden [1].

D. Klee, J. Lahann, W. Plüster
31. Polymer-/Medikamentenbeschichtung von oberflächenstrukturierten metallischen Werkstoffen

Die konventionelle Medikamententherapie umfasst eine periodisch verabreichte Dosis des Wirkstoffes über einen bestimmten Zeitraum verteilt. Für viele Medikamente ist eine systemische Gabe effektiv, manche Medikamente aber sind sehr unstabil, haben ein schmales therapeutisches Spektrum oder sind bei systemischer Gabe toxisch für den Körper. Um die Medikamentkonzentration im Körper konstant zu halten, ist ein so genanntes controlled Drug Delivery System notwendig.

M. Renke-Gluszko, M. Stöver, E. Wintermantel
32. Titanisierung polymerer und kollagener Implantatoberflächen

Titan gilt seit Jahrzehnten als einer der wichtigsten Implantatwerkstoffe in der Medizin. Neben den guten mechanischen Eigenschaften (Leichtigkeit, hohe Festigkeit etc.), besitzen Titanimplantate vor allem eine hervorragende Körperverträglichkeit, so dass die Implantate optimal in den humanen Organismus integriert werden [1]. Ist jedoch aufgrund der Anforderungen an das Implantat eine hohe Flexibilität und/oder Elastizität gefragt, so scheidet der Werkstoff Titan aufgrund seiner spröden und unflexiblen Materialeigenschaften aus. Die Folge ist der Einsatz von Implantatmaterialien, sowohl künstlichen als auch biologischen Ursprungs, welche nicht selten eine unzureichende Biokompatibilität aufweisen und somit zu Fremdköper- und immunologischen Reaktionen und Einkapselung des Implantates führen können. Die Erhöhung der Körperverträglichkeit, eine Adaption an das biologische Umfeld und eine hohe Biokompatibilität sind demzufolge die wichtigsten Eigenschaften bei der bedarfsgerechten Herstellung von Implantaten und Implantatoberflächen. Zur Gestaltung von innovativen, biokompatiblen Oberflächen stehen unterschiedliche technische Lösungsansätze zur Verfügung. Zum einen besteht die Möglichkeit, geeignete Oberflächeneigenschaften aus dem Grundmaterial selbst zu optimieren. Dies geschieht unter anderem durch Modifikation der Werkstoffoberflächen in Form von Texturierungen und Oberflächenrauhigkeiten. Zum anderen können die Oberflächeneigenschaften unabhängig von denen des Trägermaterials gestaltet werden. Durch Funktionalisierung der Oberflächen mit geeigneten Beschichtungen oder der Zugabe von Medikamenten (Drug Eluting) werden die Kunststoffimplantate dahingehend verändert, dass eine Steigerung der Körperakzeptanz erreicht wird.

H. Zimmermann, M. Heinlein, N. W. Guldner
33. Mikrostrukturtechnik und Biomaterialien

In der Biomedizintechnik zeichnet sich derzeit ein Trend zu einer verstärkten Miniaturisierung des operativen Instrumentariums und der Peripheriegeräte ab, da zur sicheren Durchführung vieler minimal invasiv auszuführender chirurgischer Eingriffe sehr kleine Instrumente und Zusatzgeräte benötigt werden. Weiterhin werden für verschiedene Anwendungen im Life-Sciences-Bereich, wie z. B. innerhalb der klinischen Diagnostik und der pharmazeutischen Chemie, in zunehmendem Masse Komponenten mit eingearbeiteten Mikrostrukturen benötigt. Mit den inzwischen verfügbaren mikrotechnischen Herstellungsverfahren (siehe Kapitel 33.2) ist man in der Lage, unterschiedliche geometrische Formen von kleinen dreidimensionalen Bauteilen und Baugruppen im Mikrometerbereich zu fertigen. Für spezielle Anwendungen können aber auch Strukturen im Bereich von einigen 100 nm erzeugt werden. Mikrostrukturierte Komponenten und Baugruppen können entweder in Form von Implantaten in den menschlichen Körper gelangen oder in extrakorporal einsetzbaren Geräten zum Einsatz kommen (siehe Kapitel 33.3). Dabei ist zwischen Kurzzeit- und Langzeitimplantaten zu unterscheiden. Typische Kurzzeitimplantate sind beispielsweise Operationsinstrumente während eines operativen Eingriffes und für kurze Zeiträume gelegte Spezialkatheter zur gezielten Entnahme von Körpersäften oder zur temporären Medikamentenapplikation. Zur Kategorie der Langzeitimplantate gehören beispielsweise auf Dauer eingesetzte Gefässendoprothesen (Stents), Herzschrittmacher, Cochleaimplantate, miniaturisierte Medikamentendosiersysteme auf Basis mikrofluidischer Baugruppen (Mikropumpen, Mikrokanäle, etc.), implantierbare Arrays von Mikroelektroden, welche innerhalb der Neurobionik verstärkt Anwendung finden werden, sowie in der Zukunft auch künstliche Organe.

A. E. Gruber, V. Saile, K. -F. Weibezahn
34. Oberflächenstrukturierung metallischer Werkstoffe

Eine topologische Oberflächenmodifikation von metallischen Implantaten kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Im Allgemeinen lassen sich zwei Hauptziele unterscheiden. Zum einen dienen Oberflächen dazu, bestimmte Zellreaktionen zu forcieren. Die Anwendungsbeispiele reichen hier von sehr rauen Oberflächen in Fällen wo eine gute Integration eines Permanentimplantates in das Gewebe erwünscht ist bis hin zu glatt polierten Oberflächen. Letztere werden in erster Linie dort eingesetzt, wo das Implantat in direktem Kontakt mit Blut ist. Ein Beispiel für die Erforderlichkeit einer hohen Rauheit (Rz > 100 μm) sind meist aus Titan gefertigte Schäfte von Gelenksimplantaten[1,2]. Die Autoren machten den Vorschlag, die Aufrauung von Titan- und Edelstahl-Stents analog der Aufrauung bei Hüftprothesenschäften zu versuchen, um eine noch bessere Biokompatibilität zu erreichen. [7, 8, 9]. Sehr glatte Oberflächen, in der Regel mit Rz Werten von unter 0,1 μm, sind z. B. bei Herzklappenprothesen und der Innenseite von Gefäßstützen gefordert. Mittlere Rauheiten werden oft bei temporären Implantaten eingesetzt, in die in reguliertem Maße Gewebe einwachsen, allerdings keine unlösbare Verbindung bilden sollen. Sehr genau eingestellt werden müssen auch die Oberflächentopographien bei Implantaten in sehr empfindlichen Gebieten wie z. B. der Gehirnregion. Hierbei muss eine gute Verankerung im Gewebe vorhanden sein, um ein Verrutschen des Implantates zu verhindern. Zum anderen darf keine überschüssige Zellproliferation entstehen, um ein Einwachsen in sensible Regionen zu verhindern.

M. Stöver, E. Wintermantel
35. Sticktechnologie für medizinische Textilien und Tissue Engineering

Textile Strukturen werden in grossem Ausmass als medizinische Implantate eingesetzt, um Weich- und Hartgewebe zu unterstützen oder zu ersetzen. Im Tissue Engineering gewinnen sie an Bedeutung als scaffolds, um biologische Gewebe in vitro zu züchten für anschliessende Implantation oder extrakorporale Anwen dungen. Textilien sind gewöhnlich anisotrope zweidimensionale Strukturen mit hoher Steifigkeit in der Ebene und geringer Biegesteifigkeit. Durch eine Vielzahl textiler Prozesse und durch entsprechende Wahl des Fasermaterials ist es möglich, Oberfläche, Porosität und mechanische Anisotropie in hohem Masse zu variieren. Wegen ihrer einzigartigen strukturellen und mechanischen Eigenschaften können faserbasierte Materialien in weitem Masse biologischem Gewebe nachgeahmt werden [1]. Gesticke erweitern das Feld von technischen und besonders medizinischen Textilien, denn sie vereinen sehr hohe strukturelle Varia bilität mit der Möglichkeit, mechanische Eigenschaften in einem grossen Bereich einzustellen, um so die mechanischen Anforderungen des Empfängergewebes zu erfüllen (Abb. 35.1).

E. Karamuk, J. Mayer, E. Wintermantel
36. Wundversorgung

Das Problem der Wundversorgung ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Wo immer es galt, einen Hautdefekt oder eine Wunde beliebiger Genese zu versorgen, wurden Materialien verwendet, die — der Tradition oder der Überlieferung folgend — sich dazu mehr oder weniger gut eigneten.

R. Bruggisser, I. Potzmann, M. Dudler
37. Die Fadeninjektion

Die Fadeninjektion ist eine in Entwicklung befindliche neue, minimal invasive Implantationstechnik für metabolisch induktive Werkstoffe. Sie schafft eine Möglichkeit, offenporige Strukturen nach Injektion durch einen dünnen Kanal in den Körper zu implantieren. Der Injektionsvorgang ist schematisch in Abb. 37.1 dargestellt. Der Faden wird während der Injektion vom Trägerfluid über Reibungs- und Druckkräfte kontinuierlich durch den Injektionskanal vorgeschoben und legt sich als makroskopisch offenporige Struktur in der Form eines Fadenknäuels am Injektionsort ab. Voraussetzung für die Injizierbarkeit ist eine genügend kleine Biegesteifigkeit des Fadens, damit sich eine Knäuelstruktur durch die zufälligen Windungen des Fadens überhaupt ausbilden kann. Beispiele von Implantatstruk turen zeigt Abb. 37.1.

P. Lüscher, E. Wintermantel

Diagnostische Medizintechnik und minimalinvasive Verfahren

Frontmatter
38. Magnetresonanztomographie

Seit ihrer Einführung in den 80er Jahren hat sich die der Kernspintomographie

1

(engl. Magnetic Resonance Imaging, MRI, Abb. 38.1) zu einem wichtigen bildgebenden Verfahren der modernen Medizin entwickelt. Im Vergleich zu klassischen Röntgenuntersuchungen oder der Computertomographie (CT) wird ohne Einsatz ionisierender Strahlung eine qualitativ hochwertige Darstellung des Körperinnern ermöglicht. Die erzeugten MRI-Bilder weisen einen hervorragenden Weichteilkontrast auf. Ausserdem kann der Arzt die abzubildende Ebene frei wählen.

S. C. Göhde, M. E. Ladd, L. Papavero, P. Köver, M. Semadeni, E. Wintermantel
39. Medizinische Bildgebung — Einführung und Überblick

In dem Spektrum der Medizintechnik nimmt die medizinische Bildgebung eine zentrale Rolle ein. Die verschiedenen Bildgebungsverfahren erfüllen nicht nur die Aufgabe, diagnostische Fragestellungen zu beantworten, sondern sie sind auch Basis für den gezielten Einsatz von Therapieverfahren (z. B. Strahlentherapie) bzw. bildgestützte interventionelle Interaktionen (z. B. Instrumentenführung) im menschlichen Körper.

G. Wessels
40. Theragnostik: Diagnostische Systeme mit integrierter Therapie

Da mit den nachfolgend beschriebenen diagnostischen Systemen auch therapeutische Eingriffe möglich werden, deren Erfolg an die Qualität der bildgebenden Verfahren geknüpft ist, werden diese Verfahren als theragnostische Systeme bezeichnet. Dazu gehören:

Computertomographie (CT)

Magnetresonanztomographie (MRI)

Ultraschall (US)

Positron Emissions Tomography (PET)

Single Photon Emissions Tomography (SPECT)

Magnetoencephalographie (MEG)

R. Birkenbach
41. Endoskopie, minimal-invasive Chirurgie und navigierte Systeme

Die Ära der wissenschaftlichen Chirurgie begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war gekennzeichnet durch die Eroberung der Anatomie. Namen wie Billroth, von Langenbeck, Halsted u. a. stehen stellvertretend für die Pioniere der Chirurgie, die nach und nach alle Körperhöhlen und Organe für chirurgische Eingriffe zugänglich machten.

H. Feußner, A. Schneider, A. Meining
42. Endoskopie, minimal invasive chirurgische und navigierte Verfahren in der Urologie

Betrachtet man die letzten 100 Jahre der Urologie in Deutschland seit Gründung ihrer Fachgesellschaft 1906 in Stuttgart, so sind sicherlich die letzten 25 Jahre von umfassenden Entwicklungen mit z. T. vollständigen Umwälzungen bisheriger Therapien und Methoden auf urologischen Fachgebiet gekennzeichnet. In erster Linie handelte es sich dabei um minimal invasive endoskopische Techniken wie perkutane Nierenchirurgie, Ureterorenoskopie, videoendoskopisch unterstütze transurethrale Elektroresektionen der Prostata und von Blasentumore sowie die Laparoskopie. Sie führten zu besseren operativen Ergebnissen und einer deutlichen Senkung der Morbidität der entsprechenden Behandlung urologischer Krankheitsbilder, mit der Konsequenz, dass einige bisher als Standard gültige offene Operationsverfahren abgelöst wurden.

J. Grosse, M. von Walter, G. Jakse
43. Bildanalyse in Medizin und Biologie Beispiele und Anwendungen

Heutzutage sind bildgebende Verfahren aus medizinischen Untersuchungen nicht mehr wegzudenken. Diverse Methoden — basierend auf dem Einsatz von Ultraschallwellen, Röntgenstrahlung, Magnetfeldern oder Lichtstrahlen — werden dabei spezifisch eingesetzt und liefern umfangreiches Datenmaterial über den Körper und sein Inneres. Anhand von Mikroskopieaufnahmen aus Biopsien können darüber hinaus Daten über die morphologische Eigenschaften von Körpergeweben gewonnen werden. Aus der Analyse all dieser unterschiedlichen Arten von Informationen und unter Konsultation weiterer klinischer Untersuchungen aus diversen medizinischen Disziplinen kann unter Berücksichtigung von Anamnesedaten ein “Gesamtbild„ des Gesundheitszustands eines Patienten erstellt werden. Durch die Flut der erzeugten Bilddaten kommt der Bildverarbeitung im Allgemeinen und der Bildanalyse im Besonderen eine immer wichtigere Rolle zu. Gerade im Bereich der Diagnoseunterstützung, der Therapieplanung und der bildgeführten Chirurgie bilden sie Schlüsseltechnologien, die den Forschritt nicht nur auf diesen Gebieten maßgeblich vorantreiben.

M. Athelogou, R. Schönmeyer, G. Schmidt, A. Schäpe, M. Baatz, G. Binnig

Therapeutische Medizintechnik

Frontmatter
44. Stenting und technische Stentumgebung

In hoch entwickelten Industrieländern stehen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Herz-Kreislauf-Erkrankungen und speziell die Koronare Herzkrankheit (KHK) an erster Stelle der Todesursachen. In Deutschland betrug die Zahl der erfassten, an KHK erkrankten Personen ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer allein im Jahre 2001 über 473.000. Die KHK war im Jahre 2003 mit 92.673 erfassten Todesfällen immer noch die häufigste Todesursache, obgleich in Deutschland die Häufigkeit der Koronarinterventionen zur Behandlung der KHK zwischen 1984 und 2003 um fast das 80fache von 2.809 auf 221.867 Eingriffe pro Jahr gestiegen ist [1]. Neben der hohen Zahl an Todesfällen haben die betroffenen Personen durch chronische Schmerzen und eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit zusätzlich eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität [2].In Folge dessen wird die erkrankte Person häufig zum Pflegefall was neben den gesundheitlichen Aspekten auch eine sozioökonomische Komponente in Form der fehlenden Arbeitskraft und den auftretenden Pflegekosten nach sich zieht. Die Kosten für die Behandlung der KHK in Deutschland beliefen sich im Jahre 2002 laut Statistischem Bundesamt auf rund 6,9 Mrd. €. Verglichen mit ähnlichen Zahlen der USA dürfte sich der entstandene Schaden für die deutsche Volkswirtschaft im zwei- bis dreistelligen Milliardenbereich bewegen [3].

M. Hoffstetter, S. Pfeifer, T. Schratzenstaller, E. Wintermantel
45. Chirurgisches Nahtmaterial und Nahttechniken

Bei chirurgischem Fadenmaterial wird unterschieden zwischen monofilen und geflochtenen Fäden, sowie resorbierbaren und nichtresorbierbaren Fäden. Monofile und geflochtene Fäden besitzen unterschiedliche Eigenschaften in der Handhabung, Reißkraft, Knotenfestigkeit und Sägewirkung. Geflochtene Fäden lassen sich meist besser knüpfen, besitzen jedoch eine unerwünschte Dochtwirkung, die vor allem im Bereich der Haut vermieden werden sollte. Zudem haben sie eine stärkere Sägewirkung als monofile Fäden und eignen sich aus diesem Grunde nicht für Gewebestrukturen, die konstanter Bewegung ausgesetzt sind. Bei Gefäßen und im Bereich des Herzens, wo eine andauernde rhythmische, pulsatile Bewegung besteht, sollten geflochtenes Nahtmaterial aufgrund ihrer Sägewirkung nicht verwendet werden.

W. Götz, R. Lange
46. Technische Systeme für den Herzersatz und die Herzunterstützung

Herzkrankheiten verursachen allein in den Vereinigten Staaten jährlich mehr als 700

,

000 Todesfälle. Ungefähr 3 Millionen Patienten in den U.S.A. leiden gemäss der American Heart Association (AHA) und dem National Heart, Lung and Blood Institute (NHLBI) an kongestivem Herzversagen (Congestive Heart Failure, CHF), welches eine chronische, sehr entkräftende und degenerative Krankheit ist: Das Herz ist dabei unfähig, hinreichend Blut zu den Organen des Körpers zu pumpen. Über 400

,

000 Fälle von CHF werden jedes Jahr diagnostiziert. Ähnliche Zahlen werden für Europa und Japan zusammen geschätzt. Basierend auf Daten vom AHA und NHLBI beträgt die fünfjährige Überlebensrate für CHF-Patienten ledig lich etwa 50% [1]. 70

,

000–120

,

000 dieser Patienten könnten von einer Herzverpflanzung profitieren. 1999 wurden in den USA aber nur 2185 Herztransplantationen durchgeführt während die Warteliste über 4000 Patienten beträgt [2]. Ein akuter Mangel an Spenderherzen und die enormen Kosten (250

,

000–400

,

000 USD pro Patient) sind die begrenzenden Faktoren für Herztransplantationen [3]. Dies bedeutet, dass eine riesige Anzahl von Patienten durch ein zuverlässiges und verschleissfreies, nichtthrombotisches, total implantierbares, künstliches Herz gerettet werden könnten. Bis heute jedoch kein derartiges Implantat kommerziell verfügbar.

R. Schöb, H. M. Loree II
47. Die Herz-Lungen-Maschine

Das Kapitel der modernen Herzchirurgie mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine am Menschen beginnt am 6. Mai 1953, als J. Gibbon bei einer 18-jährigen Patientin einen angeborenen Defekt in der Vorhofscheidewand verschließt [1]. Mit ersten experimentellen Versuchen zur extrakorporalen Zirkulation begann Gibbon bereits in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Grundlage für die heute gebräuchliche Rollerpumpe schufen Porter und Bradley mit ihrer „rotary pump“, welche sie 1855 zum Patent anmeldeten. Diese Pumpe wurde von DeBakey und Schmidt modifiziert und entspricht im Wesentlichen noch der heute sich im Routinebetrieb befindlichen Rollerpumpe [2].

M. Krane, R. Bauernschmitt, R. Lange
48. Herzklappenchirurgie

Die Fähigkeit des Herzens, Blut zu pumpen, ist von der uneingeschränkten Funktion der Herzklappen abhängig. Die Atrioventrikular- und die Semilunarklappen, die als Ventile die Druck- und Flussbeziehung zwischen Vorhof und Ventrikel einerseits und zwischen Ventrikel und den Kreisläufen andererseits steuern, sind für die jeweilige Aufgabe optimal angelegt. Jede Klappe durchläuft während eines menschlichen Lebens etwa 2,6 Billionen Schluss- und Öffnungszyklen [1].

D. Ruzicka, I. Hettich, E. Eichinger, R. Lange
49. Innovative Aortenklappenimplantation

Die Versorgung von degenerierten Herzklappen erlebt zurzeit in mehrfacher Hinsicht einen Wandel: Einerseits lässt die wachsende Zahl von kardiovaskulären Erkrankungen, verbunden mit dem Altern der Bevölkerung, die Zahl der erkrankten Herzklappen ansteigen. Herzklappen ansteigen. Andererseits erwächst mit der neuen Aufsehen erregenden Methode der Katheter gestützten Klappenimplantation am schlagenden Herzen, deren vielversprechender Einsatz im Rahmen verschiedener klinischen Studien zur Zeit untersucht wird, eine Alternative zur traditionellen offenen Herzklappenchirurgie. untersucht wird, eine Alternative zur traditionellen offenen Herzklappenchirurgie. Offensichtlich stehen wir ganz am Anfang dieser grundlegenden Veränderungen. Offensichtlich stehen wir ganz am Anfang dieser grundlegenden Veränderungen. Das vorliegende Kapitel will die Entwicklung der Katheter gestützten Aortenklappenimplantation bis zum heutigen Tag skizzieren, eine Momentaufnahme aktueller Bestrebungen vermitteln und einen Ausblick wagen, durchaus im Bewusstsein, dass alle diesbezüglichen Ideen, Meinungen und Entwicklungen gegenwärtig im Fluss sind. diesbezüglichen Ideen, Meinungen und Entwicklungen gegenwärtig im Fluss sind.

P. Libera, W. Götz, C. Schreiber, R. Bauernschmitt, R. Lange
50. Minimalinvasive endovaskuläre Stent-Therapie bei Erkrankungen in der thorakalen Aorta

Die Inzidenz der Aortenerkrankungen nimmt aufgrund der Überalterung der Bevölkerung stetig zu und hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre von 2,9 auf 10,9 pro 100.000 Einwohner mehr als verdreifacht [1]. Bei Aortenerkrankungen muss zwischen Aneurysmen und Dissektionen unterschieden werden. Der Begriff

Aneurysma

(Abb. 50.1) bezeichnet die Ausweitung eines arteriellen Blutgefäßes. Sind dabei alle Wandschichten, also innere Schicht (Intima), mittlere Schicht (Media) und äußere Schicht (Adventitia) betroffen, so spricht man von einem echten Aneurysma (Aneurysma verum). Besteht die Aneurysmawand nur aus adventitiellem Gewebe, spricht man von einem falschen Aneurysma. Ursache für ein Aneurysma ist eine Schwächung der elastischen Kräfte der Media, die dann dem intravaskulären Druck nicht mehr standhalten kann.

B. Voss, R. Bauernschmitt, G. Brockmann, R. Lange
51. Prothetischer Ersatz der thorakalen Aorta

Die Aorta ist das Stammgefäß des arteriellen Körperkreislaufs, von dem aus alle Organe mit Blut versorgt werden. Die Aorta entspringt der linken Herzkammer, beginnend mit dem aufsteigenden Teil (Aorta ascendens). Der Anfangsteil der Aorta ascendens ist natürlicherweise etwas erweitert und wird als Aortenbulbus oder nach seinem Erstbeschreiber als Sinus valsalvae bezeichnet. An dessen Basis liegt die Aortenklappe, die einen Rückfluss von Blut in den linken Ventrikel verhindert. Etwa 1 cm oberhalb der Aortenklappe entspringen die Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit Blut versorgen. Die Aorta ascendens endet mit Beginn des Aortenbogens, aus dem die 3 Kopfhalsgefäße (Truncus bracheocephalicus, linke Arteria carotis und linke Arteria subclavia) abgehen. Nach Abgang der linken Arteria subclavia zieht die Aorta nach unten. Dieser Abschnitt wird als „Aorta descendens“ bezeichnet, wobei der thorakale Anteil bis zum Zwerchfelldurchtritt reicht.

B. Voss, R. Bauernschmitt, G. Brockmann, R. Lange
52. Chirurgie angeborener Herzfehler

Störungen der embryonalen Entwicklung in der frühen Phase der Schwangerschaft können zu Fehlbildungen am Herz- und Gefäßsystem führen. Die Häufigkeit liegt bei 0.8–1% aller lebend geborenen Kinder. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 6.000 Kinder mit einem Herzfehler geboren (Quelle: http://www.kompetenznetzahf.de). Das Spektrum reicht von einfachen Fehlern, die das Herz-Kreislauf-System wenig beeinträchtigen, bis zu sehr schweren Herzerkrankungen, die unbehandelt zum Tode führen. Fortschritte der Kinderkardiologie, Herzchirurgie und Anästhesie ermöglichen heute ein Überleben bei über 90 % der Patienten. Auch die spezialisierte Pränataldiagnostik (vorgeburtliche Diagnostik) ermöglicht schon die frühe Weichenstellung für mögliche Therapieoptionen. Bei der chirurgischen Therapie ist jedoch festzuhalten, dass ein Herzfehler entweder korrigierend behandelt wird oder nur „palliiert“ werden kann. Bei letzterer Therapie wird bei einem Patienten eine medizinische Maßnahme durchgeführt, die nicht die Herstellung normaler Körperfunktionen zum Ziel hat, sondern in Anpassung an die physiologischen Besonderheiten des Patienten dessen Zustand lediglich stabilisiert und optimiert. Dies kann beispielsweise bei einer nicht korrigierbaren angeborenen Fehlbildung notwendig sein, bei der lediglich eine funktionelle Herzkammer vorhanden ist (z. B. hypoplastisches Linksherz). Hierbei muss eine prothetische Verbindung zur Lungenstrombahn in der Folgezeit entfernt werden. Weitere Operationsstufen folgen, wobei letztlich über eine weitere Prothese die Umleitung des venösen (ungesättigten) Blutes direkt in die Lungenstrombahn ermöglicht wird.

C. Schreiber, P. Libera, R. Lang
53. Endoskopische Entnahme der Bypassgefäße

Eine Bypassoperation am Herzen ist erforderlich, wenn es im Rahmen einer „koronaren Herzkrankheit“ zu hochgradigen Verengungen (Stenosen) der Herzkranzarterien kommt. Dabei werden Blutfette, Thromben, Bindegewebe und Kalk in den Gefäßen abgelagert, und der Herzmuskel kann durch die Engstellen nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. Bei der Bypassoperation werden die stenosierten Herzkranzarterien überbrückt. Somit wird ein Umgehungskreislauf geschaffen, worüber der Herzmuskel mit Blut versorgt werden kann.

S. Bleiziffer, R. Lange
54. Homograft Bank in der Herzchirurgie

Der Begriff Homograft setzt sich aus zwei Teilen Zusammen. „Homo“ bedeutet „gleichartig“ und kann mit dem Synonym „Allo“ ersetzt werden. Graft ist ein englischer Begriff, der ein Transplantat (= Implantation von Zellen, ganzen Organen oder Gliedmaßen) bezeichnet. Ein Homograft ist ein Gewebe, das von einem Individuum einer Art in ein Individuum derselben Art implantiert wird (Mensch zu Mensch). Im Gegensatz dazu wird der Begriff Xenograft für Gewebe verwendet, das von einer Art stammt und in ein Individuum einer anderen Art implantiert wird (Schwein, Rind zu Mensch). In der Herzchirurgie wird der Begriff Homograft im engeren Sinne für einen Pulmonalklappen- oder Aortenklappenhomograft verwendet. Ein Pulmonalishomograft ist eine von der rechten Herzkammer entspringende Lungenschlagader mit Herzklappe. Ein Aortenhomograft ist eine von der linken Herzkammer entspringende Aortenwurzel mit Aortenklappe inklusive des Aortenbulbus und der Aorta ascendens.

W. Götz, N. Mendler, R. Lange
55. Kalzifizierung biologischer Herzklappenprothesen

Die natürlichen menschlichen Herzklappen wirken in einem komplexen, dynamischen Zusammenspiel von anatomisch-strukturellen Eigenschaften mit Umgebungsbedingungen, die sowohl durch die anatomische Lage der Klappe als auch durch die Pumpfunktion des Herzens gegeben sind [1]. Das Herz ist ein Hohlmuskel und wird der Länge nach durch das Septum in eine rechte und linke Hälfte geteilt (Abb. 55.1). Jede Herzhälfte besteht aus einem kleineren Vorhof (Atrium) und einer grösseren Kammer (Ventrikel). Vorhof und Kammer werden auf beiden Seiten durch eine Segelklappe (Tricuspidal- und Mitralklappe) getrennt. Die beiden Auslassklappen sind Taschenklappen (Pulmonal- und Aortenklappe). Die Klappen führen pro Jahr etwa 40 Mio Öffnungs- und Schliessvorgänge aus. Ihre Funktion beeinflusst dabei den hydraulischen Wirkungsgrad des Herzens in entscheidendem Masse. Angeborene oder erworbene Herzklappenfehler führen zu einer geringeren Belastbarkeit oder gar zu einer geringeren Lebenserwartung [2] und machen meist den operativen Ersatz des erkrankten Klappenventils notwendig.

B. Glasmacher, M. Deiwick
56. Grundlagen der Nieren- und Leberdialyse

Die Dialyse ist ein künstliches Blutreinigungsverfahren, das sowohl mit der Nachahmung physiologischer Vorgänge als auch mit der Benutzung bestimmter physikalisch-chemischer Gesetze arbeitet. Ihre technische Umsetzung in einer Dialysemaschine sowie chirurgische und internistische Interventionen gehören zu dem Zusammenspiel unterschiedlicher Disziplinen, die eine Dialyse ermöglichen. Die Grundlagen des Dialyseverfahrens, die Maschine und die Unterschiede von Nierenund Leberdialyse sollen im Folgenden erklärt werden. Heute besteht in der Bundesrepublik Deutschland bei ca. 55.000 Patienten ein chronisch dialysepflichtiges Nierenversagen (Stand 2005). Das Leben dieser Patienten kann mit der Dialyse um Jahrzehnte verlängert werden. Damit ist die Nierendialyse eines der erfolgreichsten medizintechnischen Verfahren. Bei der Leberdialyse sind ebenbürtige Erfolge noch nicht erzielt worden. Umso wichtiger ist es, hier neue Wege zu finden, um auch für Leberpatienten ein effizientes Dialyseverfahren zu etablieren.

C. Schreiber, A. Al-Chalabi, O. Tanase, B. Kreymann
57. Resorbierbare Implantate

Resorbierbare Implantate werden seit mehreren Jahrzehnten in der Implantologie eingesetzt. Bekannt wurden diese Biomaterialien mit dem Aufkommen von sich selbst auflösenden Nahtfäden auf der Basis von synthetisch hergestellten Polylactiden und Polyglycoliden in den 70er Jahren. In einem nächsten Schritt wurden Implantate wie Platten und Schrauben zur Gewebefixation aus den gleichen Biomaterialien hergestellt.

K. Ruffieux, E. Wintermantel
58. Biokeramik für Anwendungen in der Orthopädie

Wie in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben wird Biokeramik seit den 70er Jahren erfolgreich in der Orthopädie eingesetzt [1–3]. Die bioinerten Keramiken Aluminiumoxid und Zirkonoxid, die sich für lasttragende bzw. tribologische Anwendungen bewährt haben, bieten kaum ein Potential für gute Osseointegration wie die bioaktiven Calciumphosphat — Keramiken mit Hydroxylapatit (HA) und Tricalciumphosphat (TCP) als den wichtigsten Vertretern. HA und TCP sind wegen ihrer mässigen Festigkeit für lastaufnehmende Anwendungen ungeeignet.

G. Willmann
59. Hüftgelenks-Endoprothesen

Die Hüftgelenk-Endoprothese wird im vorliegenden Buch als herausragendes Beispiel eines lasttragenden orthopädischen Implantates aufgeführt. Lasttragende Implantate werden in dieser Monographie den metabolisch induktiven Implantaten gegenübergestellt, bei denen Kräfte eine untergeordnete Rolle sowohl in der Werkstoffentwicklung als auch beim späteren Einsatz im Empfängerorganismus darstellen. Zu den metabolisch induktiven Implantaten werden beispielsweise Zellträger und “drug-release”-Systeme gerechnet.

M. Widmer, U. Von Felten-Rösler, E. Wintermantel
60. Aktuelle Entwicklungen — Orthopädische Implantate

Die guten Resultate und langen Standzeiten von bis zu 15 und 20 Jahren von implantierten Hüftendoprothesen führt dazu, immer jüngere Patienten mit einem Hüftgelenkersatz zu behandeln. Die Versorgung von jungen aktiven Patienten mit einer Hüftendoprothese stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar [1]. Trotz umfangreicher Materialentwicklungen, Designoptimierungen und Verbesserungen der Operationstechnik, haben sich die Standzeiten der Prothesen zwar wesentlich verbessert, ist jedoch bei jungen Patienten verglichen mit denen von älteren Patienten deutlich verkürzt [2, 3].

M. Riner
61. Implantate für den Bandscheibenersatz

Die Bandscheiben sind besonders betroffen von Fehlhaltungen und -stellungen der Wirbelsäule. Sie unterliegen als grösstes zusammenhängendes, nicht vaskularisiertes Gewebe im Menschen, statisch und dynamisch extrem belastet, besonders der Alterung. Um die teilweise sehr starken Schmerzen bei Bandscheibenschädigungen zu lindern, ist eine Operation vielfach die einzige Hilfe. Bei dieser Operation (Nukleotomie) entfernt man das aus der Bandscheibe ausgetretene Gewebe des Gallertkerns (nucleus pulposus), welches durch Druck auf die Nervenstränge im Bereich der Wirbelsäule die Beschwerden (Ischias-Schmerz) verursacht hat. Nach der Entfernung des Gallertkerns werden die auftretenden Kräfte bei veränderter Biomechanik übertragen. Dabei erhalten die Zwischenwirbelgelenke (Facettengelenke) eine erheblich grössere Flächenpressung als dies bei intakter Bandscheibe der Fall war. Die höhere Flächenpressung kommt durch die Verringerung des Abstandes zwischen den oberen und unteren Deckplatten der benachbarten Wirbelkörper zustande, zwischen denen sich der Gallertkern befand. Durch geeignetes Training der Rückenmuskulatur kann eine Stabilisierung des operierten Bandscheibensegmentes erreicht werden, jedoch ist es eine klinische Erfahrung, dass die meisten Patienten, die momentan durch die Operation schmerzfrei geworden sind, keine adäquate zusätzliche sportliche Betätigung auf sich nehmen.

M. Mathey, E. Wintermantel
62. Innovation durch Paradigmenwechsel — zur Bone Welding® Technologie

Innovation entstand und entsteht in der Medizin häufig aus dem Bedürfnis des Klinikers heraus, bestehende chirurgische Techniken zu verbessern oder durch die Einführung neuer Methoden, chirurgische Zugänge zu ermöglichen, welche für den Patienten weniger traumatisch und den Chirurgen technisch einfacher und damit sicherer sind.

J. Mayer, G. Plasonig
63. Biomaterialien für die Knochenregeneration

Knochenverluste können sowohl mit auto- oder allogenem Knochen aufgefüllt werden, wie auch mit einem nicht vaskularisierten, freien, kortikospongiösen Span behandelt werden. Langstreckige Substanzverluste können mit mikrovaskulär angeschlossenen, autogenen oder allogenen, vaskularisierten Transplantaten überbrückt werden. Segmentale Unterbrechungen der knöchernen Kontinuität an langen Röhrenknochen können mit Hilfe der Distraktionsosteogenese behandelt werden [1]. Die besten biologischen Voraussetzungen zur Defektauffüllung bietet die autologe Spongiosatransplantation. Sie ermöglicht zudem den grössten Heilungserfolg [2]. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit besteht jedoch auch eine Nachfrage nach Alternativen.

W. Lüthkehermölle, P. Behrens, S. Burch, M. Horst
64. Einführung in die Hörgerätetechnik

Sechzehn Prozent aller erwachsenen Europäer leiden an so starken Hörminderungen, dass sie ihren Alltag beeinträchtigen. In Europa haben rund 71 Millionen Erwachsene im Alter von 18 bis 80 Jahren eine Hörminderung von mehr als 25 dB, ein Wert, der von der Weltgesundheitsorganisation, WHO, als hörgeschädigt definiert wird. Allein in der EU gibt es über 55 Millionen hörgeschädigte Menschen, davon über 10 Millionen in Deutschland. Die sozialen und volkswirtschaftlichen Kosten der Schwerhörigkeit sind beträchtlich [1].

E. Karamuk, S. Korl
65. Funktionsersatz des Innenohres

In Deutschland weisen ca. 12 Millionen Einwohner eine behandlungsbedürftige Schwerhörigkeit auf, 10 Millionen davon eine Innenohrschwerhörigkeit. Ursächlich ist eine Schädigung der Hörsinneszellen, Haarzellen genannt, die nicht regenerieren.

T. Lenarz
66. Transplantate und Implantate im Mittelohrbereich — Teil 1 (Stand 2002)

In Deutschland leben ungefähr 12 Millionen Menschen, die an einer ein- oder beidseitigen Schwerhörigkeit leiden. Diese kann angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Klinisch und therapeutisch wichtig ist die Unterscheidung, ob die Ursache der Schwerhörigkeit im Bereich des Mittelohres, d. h. der Schall übertragung, oder im Bereich des Innenohres, der Hörnerven und der zentralen Hörbahnabschnitte, d. h. der Schallempfindung, liegt.

H. -G. Kempf, T. Lenarz, K. -L. Eckert
67. Implantate im Mittelohrbereich — Teil 2 (Ergänzungen 2007)

In Deutschland leben ca. 12 Millionen Menschen, die an einer ein- oder beidseitigen Schwerhörigkeit leiden. Diese kann angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Klinisch und therapeutisch wichtig ist die Unterscheidung hinsichtlich des Schädigungsortes im Bereich des Mittelohres, d. h. eine Schalleitungsschwerhörigkeit, oder im Bereich des Innenohres, d. h. eine Schallempfindungsschwerhörigkeit, wobei hier der Schädigungsort auch am Hörnerven oder in den zentralen Hörabschnitten liegen kann. Therapeutisch lassen sich sowohl Schwerhörigkeiten im Bereich des Mittelohres als auch im Innenohr und sogar im Hirnstammbereich (Hirnstammimplantat) behandeln.

M. Stieve, T. Lenarz
68. Implantate in der Augenheilkunde

Im Bereich der Augenheilkunde findet sich die weltweit am häufigsten ausgeführte chirurgische Massnahme, die operative Behandlung des Grauen Stars: die Kata rakt. Bei der Katarakt handelt es sich um eine Eintrübung der natürlichen Augenlinse, die sich je nach Stadium der Erkrankung leicht opak, über milchig bis zu bräunlich präsentiert. Mit dieser Zunahme der Undurchlässigkeit für das sichtbare Licht geht eine Abnahme des Sehvermögens einher, die bis zur totalen Erblindung führen kann. Bedingt durch die sehr eingeschränkten chirurgischen Möglichkeiten in den Ländern der Dritten Welt ist die Katarakt die Erblindungsursache Nummer 1 in der Welt. Ganz im Gegensatz hierzu ist in den industrialisierten Ländern Europas, Amerikas und Asiens die Katarakt-OP die sicherste chirurgische Inter vention. In der Augenheilkunde werden Implantate aller drei Aggregatszustände verwendet:

Perfluorcarbone in der Netzhautchirurgie

Perfluorcarbone, Silikonöl und Fluorierte Alkane in der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie

Viskoelastika in der Kataraktchirurgie

Intraokularlinsen in der Kataraktchirurgie

Orbita-Implantat

Tränenwegsimplantate

Medikamententräger

J. H. Dresp
69. Dentalwerkstoffe und Dentalimplantate

Im vorliegenden Kapitel werden Dentalwerkstoffe erläutert (Tabelle 69.2), die in der Prothetik, in der konservierenden Zahnheilkunde, der Parodontologie, der Kieferchirurgie, der Kieferorthopädie und in der Kinderzahnmedizin eingesetzt werden [1]. Die Dentalwerkstoffe sind dem sehr agressiven Mund milieu ausgesetzt. Es werden dabei folgende intraorale Einflüsse wirksam:

Speichel: Wasser (99%), organische Bestandteile (z. B. Proteine), anorganische Bestandteile (z. B. Chlorid-Ionen), gelöste Gase (z. B. O

2

), Induktion von Korrosion [2]

Nahrung: variierende chemische Zusammensetzung, Variation des pH-Werts, Temperaturwechsel

Medikamente (chemische Einflüsse)

Karieshemmende Mittel: Fluoride

Bakterien: Freisetzung von Säuren

Mechanische Beanspruchungen: Kauen (Materialermüdung, -abrieb) Bürsten, Bruxismus usw. Höchste und geringste gemessene Kaudruckkräfte werden von 216 N bis 637 N angegeben [4, 5]. Unter Bruxismus versteht man den unbewussten Zahnkontakt mit Kaubewegungen, die zu einer Abrasion der Zähne führt [3].

Bei den Metallen finden beispielsweise folgende Normen Anwendung: EN ISO 1562: 1995 „Dental-Goldgusslegierungen“, EN ISO 8891: 1995 „Dental-Gusslegierungen mit einem Edelmetallanteil von 25% bis unter 75%“, EN ISO 9693: 1994 „Metall- Keramik-Systeme für zahnärztliche Restaurationen“.

H. Lüthy, C. P. Marinello, W. Höland
70. Werkstoffe in der Zahnmedizin

Wie in allen Bereichen der Medizin findet auch in der Zahnmedizin eine kontinuierliche Weiterentwicklung der verwendeten Werkstoffe statt. Gerade für Zahnersatz werden Werkstoffe gesucht, die zum einen ästhetisch, zum anderen haltbar und darüber hinaus auch körperverträglich sind. Auch steigt immer mehr der Wunsch der Patienten nach ästhetischen und zugleich biokompatiblen Materialien. Wurde früher fast ausschließlich als Füllungsmaterial im Seitenzahngebiet quecksilberhaltiges Amalgam verwendet, hat der Zahnarzt heutzutage eine große Auswahl an verschiedenen zahnfarbenen Materialien: zum einen werden sog. Komposite verwendet, das aus einer Polymermatrix mit eingebetteten Füllstoffen besteht, zum anderen können diverse Dentalkeramiken verwendet werden. Besonders die Verwendung von Hochleistungskeramiken, wie beispielsweise Zirkonoxid, das sich bereits als Bremsscheiben für Sportwägen, Hitzeschilde im Space Shuttle und als Kugelköpfe künstlicher Hüftgelenke bewährt hat, spielt heutzutage eine große Rolle bei der Verdrängung des Metalls aus der Mundhöhle. War es früher nur möglich, einen verloren gegangen Zahn mittels einer Brücke, die ein Beschleifen der Nachbarzähne zur Folge hat, oder durch herausnehmbaren Zahnersatz zu ersetzen, ist es heutzutage mit der modernen Implantologie möglich, Zahnersatz zahnschonend einzugliedern. Auch kann mittels Dentalimplantaten dem Wunsch vieler Patienten nach festem Zahnersatz anstelle eines herausnehmbaren Zahnersatzes entsprochen werden. So kann mit Hilfe neuer biokompatiblen Werkstoffe sowohl der ästhetische Anspruch befriedigt als auch das Selbstwertgefühl vieler Patienten angehoben werden.

A. Faltermeier
71. Biokompatible Implantate und Neuentwicklungen in der Gynäkologie

Für den Einsatz in der Gynäkologie stehen heute eine Vielzahl unterschiedlicher, biokompatibler Materialien und Implantate zur Verfügung. Auf eine Auswahl soll hier näher eingegangen werden, die die verschiedenen Materialien und Bauweisen repräsentieren. So sind Brustimplantate seit fast vier Jahrzehnten im Gebrauch für die Brustvergrösserung und den Brustwiederaufbau. Material, Bauweisen und medizinische Aspekte einschliesslich der kontroversen Diskussion um Silikon werden im folgenden erläutert. Neuere Entwicklungen von Verhütungstechniken für permanente Sterilisation wie den Filshie Clip™ für transabdominalen und den STOP™ für intraluminalen Verschluss der Eileiter oder die intrauterin plazierte Hormonspirale Mirena™ für zeitlich begrenzte Verhütung werden beschrieben. Eine neue Perspektive zur Verhinderung postoperativer intraabdominaler Adhäsionen stellt Spray-Gel™, ein Zweikomponenten Hydrogel aus Polyethylenglykol, dar.

V. R. Jacobs, M. Kiechle-Bahat
72. Maschinengestütztes Operieren, Mechatronik und Robotik

Führende Chirurgen weisen daraufhin, dass sich die sogenannte minimal invasive (Schlüsselloch-) Chirurgie bisher nicht so durchgesetzt hat, wie es vor rund 10 Jahren vorausgesagt wurde. Lediglich in Bereichen der Abdominalchirurgie (insbesondere z. B. bei Gallenblasen-Operationen) wurden Anteile von 80% und höher erreicht. Als Grund für dieses Phänomen wird angeführt, dass viele Chirurgen den sog. Chopstick-Effekt (von den chinesischen Essstäbchen abgeleitet) als unangenehm empfinden, also die Situation, dass lange Instrumente nur um den sog. Trokarpunkt (den Einstichpunkt in der Körperoberfläche) bewegbar sind, was zu unnatürlichen und vergleichsweise großräumigen Armbewegungen des Chirurgen führt, der sich am Videobild des Endoskops orientiert. Dieses wird typischerweise neben zwei Instrumenteneinstich-Punkten durch einen dritten Einstich-Punkt (z. B. im Bauchnabel) in den Körper eingeführt. Im klassischen Fall wird dieses Endoskop (das steife Laparoskop) von einem zweiten Arzt den Instrumenten- Spitzen des operierenden Chirurgen nachgeführt, so dass dieser sein aktuelles Operationsgebiet immer gut im Blickfeld hat.

G. Hirzinger
73. Kontrollierte therapeutische Systeme (Controlled drug delivery systems)

Es gibt eine grosse Anzahl von Arzneistoffen, die nicht mit der höchsten Effizienz eingesetzt werden können, weil das geeignete therapeutische System (drug delivery system) für die optimale Applikation fehlt. Viele Arzneistoffe setzen eine häufige Anwendung voraus und sind oft mit mehr oder weniger starken Nebenwirkungen oder aber mit Beeinträchtigungen von Arbeits- und Lebensrhythmus der Patienten verbunden. Der therapeutische Erfolg einer medikamentösen Behandlung setzt eine korrekte Diagnose, die Wahl der richtigen Wirksubstanz sowie ihr Vorliegen in geeigneter Darreichungsform voraus. Zudem muss ein genauer Verabreichungsplan erstellt werden, dessen Einhaltung seitens der Patienten eine wesentliche Voraussetzung für die optimale Wirkung des Arzneistoffes ist. Das Mass, mit dem eine Wirksubstanz therapeutisch voll genutzt werden kann, korreliert direkt mit der Darreichungsform, in der sie angewandt wird. Da viele hochwirksame Arzneimittel bereits existieren, hat sich, neben Neuentwicklungen, das Interesse im vergangenen Jahrzehnt der Optimierung von Arzneimittelwirkungen durch neue Darreichungsformen zugewandt.

S. W. Ha, E. Wintermantel

Qualitätsmanagement in der Medizintechnik

Frontmatter
74. Qualitätsmanagementsysteme, Zertifizierung und Zulassungen — Teil 1 (Stand 2002)

Medizinprodukte haben grundsätzlich hohen Sicherheitskriterien zu genügen, zuverlässig zu funktionieren und dadurch den erwarteten Gesundheitsschutz und Patientennutzen zu gewährleisten. Dies erfordert schon beim Hersteller ein gut funktionierendes und systematisches Qualitätsmanagement welches dafür bürgt, dass bereits zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung neuer Produkte die Konformität mit den Anforderungen besteht und nachweisbar ist. In den 90er Jahren sind insbesondere in Europa die anzuwendenden technischen Regeln für den Bereich der Medizinprodukte spürbar harmonisiert worden. Der Gesetzgeber hat dabei die Anwendung von Qualitätsmanagementsystemen stark gefördert und in den gesetzlichen Vorgaben verankert. Eigenverantwortung und Eigenkontrolle haben dadurch bei der Herstellung von Medizinprodukten höhere Bedeutung erlangt und sind unabdingbar wenn es um die erfolgreiche Marktzulassung geht.

H. D. Seghezzi, R. Wasmer
75. Qualitätsmanagement — Teil 2 (Ergänzungen 2007)

Dieses neue Kapitel dient zum einen als Ergänzung zum bisherigen Kapitel über Zertifizierung und führt zum anderen Korrekturen bzw. Änderungen auf, die sich seit der letzten Auflage dieses Buches in den vergangenen Jahren ergeben haben.

M. Alzner

Impulse — Teil 2

Frontmatter
76. Ökokompatible Werkstoffe

Unter ökokompatiblen Werkstoffen werden nachfolgend mono- oder mehrphasige Werkstoffe verstanden, die unter dem Aspekt der späteren Entsorgung für die Umwelt von besonderer Bedeutung sein können. Ebenso ist an Bauteile gedacht, die aus solchen Werkstoffen hergestellt werden. In Analogie zu medizinischen Implantaten werden sie Ökoimplantate genannt. Besondere Bedeutung wird Bauteilen aus ökokompatiblen Werkstoffen beigemessen, die aufgrund der Größe ihrer Oberfläche ihres chemisch-physikalischen Verhaltens oder aufgrund ihrer Masse besonders imponieren. Es handelt sich hierbei um ein Entwicklungsgebiet, dessen Grenzen derzeit noch nicht bestimmbar sind. Vorstellbar ist, dass sich ökokompatible Werkstoffe in der Zukunft als eigene Funktions-Werkstoffklasse etablieren werden, da das Abbauverhalten dieser Werkstoffe ein wichtiger Teil des Pflichtenheftes der Werkstoffentwicklung sein wird. Besonders effizient wäre eine Selbstentsorgung solcher Bauteile und Werkstoffe bei besonders volumengebenden Strukturen. Erste Untersuchungen zur Entwicklung vollständig abbaubarer Faserverbundwerkstoffe werden nachfolgend beschrieben und in kurzen einleitenden Kapiteln die beiden Werkstoffphasen Faser und Matrix vorgestellt.

C. Bourban, J. Mayer, E. Wintermantel
77. Erweiterung der Biokompatibilität auf Ökosysteme und Werkstoffe

In der Schweiz fallen pro Jahr über 8.3 Mio t Abfälle an, die sich aus Siedlungsabfällen (2.8 Mio t, 1994), deponierten Abfällen (z. B. Bauschutt, 3 Mio t), Sonderabfällen (0.35 Mio t), Klärschlamm (getrocknet, 0.25 Mio t) und verwertbaren Abfällen (1.9 Mio t) zusammensetzen [1]. In einem internationalen Vergleich liegt die Schweiz mit einer jährlich anfallenden Menge von 441 kg pro Einwohner an fünfter Stelle in der Produktion von Hausmüll (Abb. 77.1).

M. Petitmermet, A. Bruinink, E. Wintermantel
78. Story I: Impella — Eine Erfolgsgeschichte mit Achterbahnfahrt

An der Entwicklung von Blutpumpen hatte man im Aachener Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik (HIA) schon seit längerem gearbeitet. Aber was der Forscher Thorsten Sieß da zu Beginn der 90er Jahre vorhat, das ist etwas ganz Besonderes. Nicht umsonst hat die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) Mittel für 4 Jahre zugeschossen. Sieß ist dabei, eine so genannte minimal-invasive Technik zur Blutförderung zu entwickeln — und das geht weit über den damaligen Stand der Technik hinaus.

T. Siess, C. Nix, D. Michels
79. Story II: Kommerzialisierung innovativer Technologien — das Beispiel der WoodWelding SA

Technologische Innovation war und ist der prinzipielle Grund der Erhöhung der Wertschöpfung von Produkten, Produktionsprozessen und Dienstleistungen in zumindest den letzten 100 Jahren. Die BoneWelding® Technologie ist — wie viele andere Plattformtechnologien auch — im universitären Umfeld entstanden. Um den Prozess, den die Gründer des Unternehmens WoodWelding SA erfolgreich durchlaufen haben, besser zu verstehen, folgen ein paar grundlegenden Ausführungen, die zu erfolgreicher Technologieentwicklung, -transfer und Unternehmens-Start-up führten.

J. Mayer, G. Plasonig
80. Strategische Planung in der Medizintechnik

Für den Aufstieg und den Niedergang der Unternehmen spielt die Über- oder Unterlegenheit der Technologie eine zentrale Rolle. Mindestens im gleichen Maße ist jedoch auch ein umsichtiges Management und eine sorgfältige strategische Planung für den Erfolg verantwortlich. Nur ein profitables Unternehmen, welches nachhaltige Gewinne erzielt, ist in der Lage, eine Spitzenforschung aus eigener Kraft zu finanzieren. Dies klingt zunächst trivial. In der langjährigen Consulting-Praxis sind wir jedoch diversen Unternehmen begegnet, die diese Maxime vernachlässigt haben und aufgrund mangelhafter Planungen eine Insolvenz dann nicht mehr abwenden konnten. Damit es erst gar nicht dazu kommt, sollten unterschiedliche Handlungsalternativen im voraus entwickelt und bewertet werden. Die Strategie, also das systematische Aufbauen von Wettbewerbsvorteilen, sollte regelmässig überprüft werden und eine finanzielle Entwicklung des Produktes oder des Unternehmens sollte regelmäßig antizipiert und simuliert werden. Dieser Beitrag soll Einblicke in die strategische Planung erlauben, erhebt allerdings aufgrund der Komplexität des Themas keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

J. Leewe
81. Venture Kapital und Life Science

Um sich weiter im internationalen Wettbewerb behaupten zu können, müssen deutsche Unternehmen heute in Schlüsseltechnologien wie die Medizintechnik und die Biotechnologie, zusammenfassend unter dem Begriff der Life Sciences bekannt, investieren. Eine führende Wettbewerbsposition erfordert immer die konsequente Weiterentwicklung von Produkten und Lösungen, um Innovationspotenziale in medizinische Verfahren umzusetzen. Die damit unmittelbar verbundenen hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung stellen ein bedeutendes Problem junger Life Science Unternehmen dar. Vor allem die, verglichen mit nicht-medizinischen Branchen, längeren Forschungs- und Entwicklungszyklen in der Frühphase eines Life Science Unternehmens und die längere Dauer bis zur Profitabilität erhöhen das Risiko der Finanzinvestoren. Die Zeitdauer, um ein medizinisches Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln und letztlich auf dem Markt anzubieten, kann aufgrund der notwendigen intensiven Forschung nur unscharf geplant werden und erhöht die Unsicherheit über den Zeitpunkt der ersten Einnahmen. Damit verschärfen sich gerade im Life Science Bereich allgemeine Problematiken von Gründungs- und Wachstumsfinanzierungen wie starke Informationsasymmetrien zwischen Gründer und potentiellen Kapitalgebern. Oftmals ist die Entwicklung einer innovativen Technologie abhängig von einzelnen Personen, von deren Wissen und Engagement die Umsetzung und der Erfolg eines gesamten Produktkonzeptes abhängen. Die Beobachtung und Kontrolle der Gründeraktivitäten, insbesondere die Überwachung der eingesetzten Finanzmittel in der frühen Finanzierungsphase, können Fremdkapitalgeber wie Banken nicht gewährleisten.

S. Moss, C. Beermann
82. Patentierung und Patentlage

Gewerbliche Schutzrechte nehmen in der nationalen Rechts- und Wirtschaftsordnung sowie auch auf internationaler Ebene stetig an Bedeutung zu. Sie dienen dem Schutz geistigen Eigentums und sind für jeden Gewerbetreibenden nicht nur im Hinblick darauf von Bedeutung, eigene Rechte zu sichern, sondern auch insofern von Relevanz, dass ein Verstoß gegen Rechte Dritter zu vermeiden ist.

U. Herrmann
83. Technologie-Management in der Medizintechnik

In der Industrie wurde in den vergangenen Jahren ein besonderer Schwerpunkt auf die stetige Erhöhung von Qualität und Effizienz gelegt. Im Zeichen des globalen Wettbewerbes bedeutet hohe Produktivität aber nicht mehr unbedingt einen Wettbewerbsvorsprung, sondern wird zur Grundvoraussetzung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Unter diesen verschärften Marktgegebenheiten wird ein Wettbewerbsvorsprung vorwiegend durch Innovation und Geschwindigkeit erzielt. Dafür spricht die positive Entwicklung in der Medizintechnik. Die Hersteller medizinischer Produkte investieren rund 10% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Im Durchschnitt wird 50% des Umsatzes mit Produkten erzielt, die jünger als 2 Jahre sind. Die Innovationskraft der Branche zeigt sich auch in einem stetigen Anstieg der Patentanmeldungen im medizinischen Bereich. Sie bildet die Grundlage für einen Export Deutschlands in Höhe von ca. 15 Mrd. DM und entspricht einem Marktanteil von 14% am gesamten Weltmarkt. Aufgrund der dynamischen technologischen Entwicklung in der Medizintechnik, des zunehmenden Wohlstandes und der Verschiebung der Alterspyramide wird der medizintechnischen Branche auch weiterhin eine positive Entwicklung vorhergesagt. Die prognostizierten Wachstumsraten liegen deutlich über denen anderer Branchen wie beispielsweise über bislang führende Produktbranchen wie Chemie und Maschinenbau. Interdisziplinäre Kooperationen erlauben Bündelungen von neuestem Wissen und von Kompetenzen. Dies findet statt auf individueller Projektbasis sowie durch gezielte Firmenakquisitionen auf industrieller Ebene.

J. Nassauer, Th. Feigel
84. Die KTI Medtech Initiative, ein Unikum in der Innovationsförderung

Um die Anliegen, Interessen und Ziele der KTI

1

Medtech Initiative des Schweizer Bundes besser zu verstehen, soll der Blick etwas ausgedehnt werden, und zwar auf das wirtschaftliche Umfeld der Schweiz, welches auf die Entwicklung der Branche der Medizintechnologie Einfluss hat.

G. Bestetti
Backmatter
Metadaten
Titel
Medizintechnik Life Science Engineering
verfasst von
Prof. Dr. med. Dr.-Ing. habil. Erich Wintermantel
Dr. Suk-Woo Ha
Copyright-Jahr
2008
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-74925-7
Print ISBN
978-3-540-74924-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-540-74925-7

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.