Skip to main content

2010 | Buch

Migrations- und Integrationsforschung in der Diskussion

Biografie, Sprache und Bildung als zentrale Bezugspunkte

herausgegeben von: Gudrun Hentges, Volker Hinnenkamp, Almut Zwengel

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

Einleitung
Zusammenfassung
Migration und Integration sind in dieser Kombination ein in der öffentlichen Diskussion verbreiteter Topos. Auch in der Forschung werden beide Aspekte häufig zusammen gedacht. Migrations- und Integrationsforschung haben sich als eigenständiges Untersuchungsfeld etabliert. Zurzeit ist zu beobachten, dass sich Forschungen in dem Gebiet zunehmend auf allgemeinere Diskurse betroffener Fachdisziplinen beziehen (vgl. z.B. Annette Treibel in diesem Band). Zugleich zeigt sich, dass in anderen Untersuchungsfeldern, wie beispielsweise unterschiedlichen speziellen Soziologien, die Themen Migration und Integration zunehmend Berücksichtigung finden. Für den vorliegenden Sammelband wurden ‚Biografie‘, ‚Sprache‘ und ‚Bildung‘ als zentrale sozialwissenschaftliche Bezugspunkte gewählt. Zu diesen drei Konzepten sollen nun Diskussionslinien nachgezeichnet, exemplarische Studien vorgestellt und Bezüge zu den Beiträgen dieses Sammelbandes hergestellt werden.
Almut Zwengel, Gudrun Hentges

Migrations- und Integrationspolitik in vergleichender Perspektive

Frontmatter
Integrations- und Orientierungskurse. Konzepte – Kontroversen – Erfahrungen
Zusammenfassung
Die Integrationspolitik der Europäischen Union gewann im Laufe der letzten Jahre zunehmend an Bedeutung. So forderte der Rat Justiz und Inneres die EUKommission 2002 dazu auf, nationale Kontaktstellen einzurichten, die sich mit dem Themengebiet Integration befassen sollten. Der Europäische Rat bestätigte 2003 diesen Auftrag und bat die Kommission darum, jährlich einen Bericht zum Thema „Migration und Integration“ zu präsentieren. Die Kommission legte schließlich „Eine gemeinsame Integrationsagenda“ vor, mit der sie einen Rahmen für die Integration von Angehörigen aus Drittstaaten absteckte (KOM 2005). Des Weiteren publizierte sie 2004 das „Integrationshandbuch für politische Entscheidungsträger und Praktiker“. Während die erste Ausgabe die Einführungskurse für neu Zugewanderte und anerkannte Flüchtlinge fokussiert (European Commission 2004), behandelt die zweite Ausgabe die Bereiche Wohnen, urbane Aspekte, Gesundheits- und Sozialdienste (Europäische Kommission 2007).
Gudrun Hentges
Politisches Versäumnis und humanitäre Katastrophe: Flüchtlinge – in Deutschland und Europa nicht willkommen
Zusammenfassung
Zufluchtnahme in der Bundesrepublik Deutschland gab es von Anfang an, seit Bestehen der Republik. In den ersten drei Jahrzehnten waren es vor allem Flüchtlinge aus den Ostblockstaaten, die davon Gebrauch machten. Ihnen wurde Zuflucht generös gewährt. Ein Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern vom 26. August 1966 sicherte ihnen ein Aufenthaltsrecht auch unabhängig von der asylrechtlichen Prüfung zu.
Peter Kühne
Abschied vom Multikulturalismus? Zu neueren Entwicklungen der Integrationspolitik in Großbritannien und Australien
Zusammenfassung
Multikulturelle Integrationskonzepte und Reformpolitiken sind in den letzten Jahren zunehmend unter Rechtfertigungsdruck geraten und erfahren auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene vielfältige Formen der Gegenreaktion. Es scheint mir sogar gerechtfertigt, von einer weltweiten heftigen Reaktion gegen die in den 1970er Jahren zuerst in Kanada und dann in zahlreichen westlichen Ländern entwickelte Politik des Multikulturalismus zu sprechen. So haben, wie im Folgenden beispielhaft erläutert werden soll, konservative Regierungen in Australien seit 1996 die Staatsideologie des Multikulturalismus zwar nicht abgeschafft, aber doch in vielerlei Hinsicht ausgehöhlt. Und auch in Westeuropa – exemplarisch soll hier auf die britische Politik eingegangen werden – haben die Länder, die in den 1980er Jahren die Anerkennung kultureller Differenzen zum grundlegenden Prinzip ihrer Integrationspolitik erklärt hatten, manche Kehrtwende auf den Weg gebracht. Auch in den Ländern, die wie Deutschland keine multikulturalistische Integrationspolitik entwickelt haben, gerieten Konzepte der kulturellen Vielfalt und der Anerkennung von Gruppenrechten von Migranten stark in die Defensive.
Sigrid Baringhorst
Minderheitenschutz in der Europäischen Union unter besonderer Berücksichtigung der Roma
Zusammenfassung
EU-Institutionen erklärten das Jahr 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle, eine Initiative, die „dem Kampf gegen Diskriminierungen in der EU neue Impulse geben soll” (Europäische Kommission 2007a). Unter anderem richtete sich der Fokus dieser Initiative auch auf die Bekämpfung von Rassismus und von Diskriminierung von Minderheitengruppen, die in vielen Mitgliedstaaten der EU noch immer verbreitet sind.
Nerissa Schwarz

Migration und biografische Entwürfe

Frontmatter
Von der exotischen Person zur gesellschaftlichen Normalität: Migrantinnen in der soziologischen Forschung und Lehre
Zusammenfassung
Für den alltäglich-öffentlichen Umgang mit Migrantinnen scheint es lediglich zwei Umgangsweisen zu geben: Entweder werden sie gar nicht bemerkt oder sie werden als Fremde markiert und mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Im ersten Fall fallen sie nicht weiter auf, weil sie – wie andere Frauen auch – übersehen oder nur als Begleiterinnen (ihrer Chefs, Partner, Kinder) wahrgenommen werden. Im zweiten Fall streiten sie vor Gericht dafür, als Lehrerin ein Kopftuch tragen zu dürfen, appellieren als Politikerinnen an die Musliminnen in Deutschland, es abzunehmen, oder erregen als türkischstämmige „Miss Deutschland“ Beachtung. Diese Beispiele sprechen für einen „türkischen Überhang“ in der Fremdheitswahrnehmung. Eine italienischstämmige Schönheitskönigin gälte vermutlich als weniger spektakulär. Die Öffentlichkeit richtet insbesondere an die türkischen Migrantinnen eine Fremdheitserwartung, wobei sowohl bei Bestätigung als auch bei Widerlegung dieser Erwartung die weitere Aufmerksamkeit gesichert ist.
Annette Treibel
Mobilität im Verborgenen. Plurilokale Mobilitätspraxen illegal beschäftigter polnischer Haushaltsarbeiterinnen in Berlin
Zusammenfassung
Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Sonntagabend. Die ankommenden Züge aus Polen sind gut ausgelastet. Ich fahre mit meinem Reisebegleiter, einem polnischen Arbeitsmigranten, in Berlin ein. Um sein Alltagsleben kennen zu lernen, hatte ich ihn über das Wochenende begleitet. Am Freitagnachmittag waren wir zu seiner Familie gefahren und am Sonntagnachmittag zurück. Eine typische Pendlerexistenz: In Deutschland arbeiten, in Polen leben. Die nationalstaatliche Grenze bildet dank der visumfreien Einreise für meinen Begleiter keine Mobilitätsbarriere: „Für mich“, so erklärt er, „ist Berlin näher als Warschau“. (Cyrus 1997) Das gilt offensichtlich auch für viele unserer Mitreisenden, die zumeist nur eine Reisetasche bei sich haben. Für die Zeit bis Freitag, wenn sie Berlin wieder in die Gegenrichtung verlassen werden, braucht man nicht viel Gepäck. Mein Begleiter kommentiert lakonisch: „Die Männer, die arbeiten hier in Berlin schwarz – so wie ich. Und die Frauen – die Frauen putzen.“ Der Zug fährt ein und die Reisenden steigen aus. Zielstrebig und ohne zu zögern gehen die Männer und Frauen ihrer Wege, verteilen sich auf die umliegenden Bahnsteige und Bushaltestellen. Allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen lassen sie sich auf dem schnellsten Weg von S-Bahn oder Bus zu ihren Unterkünften bringen. Es fällt der großen Stadt nicht schwer, die Zugereisten zu absorbieren. Über das ganze Stadtgebiet verteilt, versickert der Zustrom an Arbeitskraft ganz unmerklich in den Kapillaren der sozialen Fabrik. Flexibel, billig und fleißig tragen die mobilen Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa dazu bei, die Stadt am Laufen zu halten.
Norbert Cyrus

Migration und Sprache

Frontmatter
„Wenn die Worte fehlen…“ – Wie Migrantinnen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen ihren Alltag gestalten
Zusammenfassung
Manche Migrantinnen leben schon recht lange in Deutschland und verfügen dennoch über nur sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse. Zum genauen Umfang des Phänomens liegen keine Zahlen vor, doch es scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass es sich hierbei um eine äußerst problematische Erscheinung handelt. So titelt Gisela Wölbert (2002) mit der weit verbreiteten Frage „Warum können die nicht besser Deutsch?“
Almut Zwengel
Sprachliche Hybridität, polykulturelle Selbstverständnisse und „Parallelgesellschaft“
Zusammenfassung
Sprachliche Hybridität und polykulturelle Selbstverständnisse bilden die postmodernen Pendants zu einer sprachlichen und interethnischen Grenzziehung und einem klassischen, essentialistischen Sprach- und Kulturbegriff (vgl. LePage/ Tabouret-Keller 1982; Hannerz 1987; Hewitt 1994; Schneider 1997; Werbner 1997). „Hybrid“ lässt sich laut Duden umschreiben als „aus Verschiedenartigem zusammengesetzt, von zweierlei Herkunft; gemischt; zwitterhaft“; das Verb „hybridisieren“ wird schlicht mit „bastardisieren“ gleichgesetzt (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch 2001, S. 810). Wer mischt, zusammensetzt, bastardisiert usw., widerspricht, ja widersetzt sich dem – wie immer fiktiven – Reinheitsgebot. Hinter der Reinheitsabstinenz verbergen sich allerdings keineswegs Schwäche, Hilflosigkeit und Flickschusterei, sondern – so meine These – implizite wie explizite Selbstverständnisse. Explizite Selbstverständnisse finden sich in Aussagen, in Bewertungen und Urteilen aufgehoben; implizite Selbstverständnisse manifestieren sich „zwischen den Zeilen“, auf der Ebene des Handelns, etwa in einer spezifischen Anerkennungsordnung oder in einer spezifischen Kommunikationsweise. Es liegt auf der Hand, dass Selbstverständnisse und Identität in einem Zusammenhang stehen.
Volker Hinnenkamp

Berufliche Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten

Frontmatter
Berufliche Bildung von Migrantinnen und Migranten. Ein vernachlässigtes Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft
Zusammenfassung
Es gibt drei Hürden für Jugendliche beim Übergang in den Beruf: 1. eine Ausbildungsstelle zu finden; 2. die Ausbildung erfolgreich abzuschließen; 3. eine Arbeitsstelle nach Ausbildungsende zu erhalten (so genannte „zweite Schwelle“).
Ursula Boos-Nünning
Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungsbeteiligung von Migrant(inn)en im Übergang Schule – Ausbildung – Beruf
Zusammenfassung
Die Interventionsstrategien zur Verbesserung der Ausbildungsbeteiligung junger Migrantinnen und Migranten im Rahmen eines Bundesprogramms der Benachteiligtenförderung können sinnvoll nur präsentiert werden, wenn zunächst geklärt wird, wer dieser Zielgruppe zugerechnet wird. Dazu ist ein Blick auf die neuere Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft notwendig, wie es in Grundgesetz, Staatsbürgerschaftsrecht, Ausländergesetzgebung und Zuwanderungsgesetz seinen Niederschlag gefunden hat. Nur so kann man auch den öffentlich geführten Integrationsdiskurs und dessen Entwicklung entsprechend einordnen.
Gisela Baumgratz-Gangl
Erfahrungen, Strategien und Potenziale von Akademikerinnen mit Migrationshintergrund
Zusammenfassung
Der in Deutschland geführte Einwanderungsdiskurs ist immer noch in einem hohen Maße bestimmt durch Klagen über mangelnde Deutschkenntnisse und andere Qualifikationsmängel bei Migrationsjugendlichen und ihren Familien, über Parallelgesellschaften und Gewaltbereitschaft sowie über Tendenzen von Traditionalismus und Frauenfeindlichkeit, die insbesondere muslimischen Einwandererfamilien zugeschrieben werden. Insofern dominiert ein defizitorientierter Blickwinkel die aktuellen Debatten über Migration (vgl. Hormel/Scherr 2005, S. 12 ff.; Rommelspacher 2002, S. 141 ff.; Farrokhzad 2002, S. 75 ff.).
Schahrzad Farrokhzad
Backmatter
Metadaten
Titel
Migrations- und Integrationsforschung in der Diskussion
herausgegeben von
Gudrun Hentges
Volker Hinnenkamp
Almut Zwengel
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92220-1
Print ISBN
978-3-531-16802-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92220-1