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2023 | Buch

Naturkatastrophen und Risikomanagement

Geowissenschaften und soziale Verantwortung

verfasst von: Ulrich Ranke

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Mit der Covid-19-Pandemie hat die Menschheit zu den bekannten Ereignissen in der Natur wie den extremen Hochwasserereignissen an Elbe und Oder, dem Tsunami in Indonesien, Erdbeben in Italien oder ersten deutlichen Anzeichen für einen Anstieg des Meeresspiegels ein Katastrophenszenario zu bewältigen, das ihre Bedrohung noch einmal nachhaltig verstärkt. In Europa werden die Menschen zunehmend mit Gefahren konfrontiert, die sich nicht irgendwo auf der Welt abspielen, sondern im eigenen Umfeld. Und der Klimawandel wird die schon bestehenden Probleme noch weiter verstärken, mit unabsehbaren Folgen für Ökonomie, Gesellschaft und die Natur. Der Einzelne sieht sich immer stärker der Frage gegenübergestellt, inwieweit er davon persönlich betroffen sein wird. (Natur-)Katastrophen sind zu einem grundlegenden Bestandteil der Daseinsvorsorge geworden.

Das vorliegende Buch soll kein geologisches, geographisches oder geophysikalisches Lehrbuch sein, sondern stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung. So werden die Naturkatastrophen unter dem Aspekt betrachtet, wer wie und in welchem Ausmaß davon betroffen sein kann. Es wird ein Nexus von Wissenschaft und den politischen Entscheidungsträgern hergestellt und hierzu wird der Sachverstand der Experten eingefordert.

Naturkatastrophen und Risikomanagement basiert auf dem englischsprachigen Buch Natural Disaster Risk Management – Geosciences and Social Responsibility aus dem Jahr 2016. Der Autor nutzte die Gelegenheit, den deutschen Text vor dem Hintergrund der sich seit Erscheinen der englischsprachigen Version deutlich erweiterten Erkenntnisbasis grundlegend zu überarbeiten und umfassend zu erweitern. Es wurden einige Schwerpunkte anders gesetzt, vor allem aber viele Aussagen neu gefasst und präzisiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Naturkatastrophen können überall und fast an jedem Ort der Welt auftreten. Dennoch machen die geologische Situationen und die physikalischen Voraussetzungen das Auftreten an bestimmten Stellen wahrscheinlicher als an anderen. Die Naturkatastrophenereignisse weltweit zeigen eindrucksvoll, dass einige Staaten und Gesellschaften besser und andere weniger gut mit Naturkatastrophen umgehen können. Worin also unterscheiden sich diese Länder, welche Fähigkeit haben sie entwickelt, um sowohl präventiv als auch kurativ das Leben ihrer Bevölkerung zu sichern? Die Gesellschaft erwartet naturwissenschaftliche Expertise, die das Leben sicherer macht. Erfüllen die Wissenschaftler diese Erwartungen nicht, kann es, wie in Italien, zur Verurteilung von Katastrophenmanagern wegen fahrlässiger Tötung kommen, da sie das Erdbeben von L’Aquila nicht genau vorhergesagt hatten. Daraus ergibt sich die Frage, wie der Einzelne, die Gesellschaft, ein Staat oder auch die gesamte Staatengemeinschaft mit „Risiko“ umgeht.
Ulrich Ranke
Kapitel 2. Staat – Gesellschaft – Katastrophe
Zusammenfassung
Auch wenn Naturkatastrophen überall und an fast jedem Ort der Welt auftreten können, sind ihre Auswirkungen dagegen von Staat zu Staat, Gesellschaft zu Gesellschaft sehr verschieden. Daraus ergeben sich zwei grundlegende Fragen: zum einen „Wann ist eine Katastrophe, eine Katastrophe“? und zum anderen „Wie kommt es dazu, dass einige Staaten und Gesellschaften mit Naturkatastrophen besser umgehen können als andere“? Daher ist zu klären: „Welche Funktion hat ein Staat“? und „Was kann die Wissenschaft beitragen, die Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften zu verbessern“? Wenn Wissenschaft die Aufgabe „organizing humanity in a scientific way“ hat, dann folgt daraus, dass auch die (Natur-)Wissenschaften letztendlich eine soziale Verantwortung zu übernehmen haben. Das bedeutet aber auch, dass sich die Naturwissenschaften nicht länger über eine rein theoretische Beschäftigung mit natürlichen Phänomenen definieren dürfen, sondern sie stattdessen aufgerufen sind, Bedürfnisse der Gesellschaften zu befriedigen – eine Forderung, die schon Alexander von Humboldt vor 150 Jahren erhoben hat.
Ulrich Ranke
Kapitel 3. Die Erde und Naturkatastrophen
Zusammenfassung
Bei Naturkatastrophen denkt man automatisch an Vulkanausbrüche, erdbebenzerstörte Häuser, tsunami-verwüstete Küstendörfer oder an Bilder von hungernden Kindern in Zeltlagern der Sahelzone. Schon diese Aufzählung macht deutlich, dass Katastrophen sehr unterschiedlich ausfallen können. In der Regel nimmt die Gesellschaft eine Naturkatastrophe vor allem als ein Ereignis mit negativen Auswirkungen wahr. Die Wahrnehmung ist aber in der Regel nicht mit einer Analyse der Ursachen verbunden. Es ist also nötig, den gesamten Prozess von den auslösenden Elementen bis hin zu Auswirkungen auf den Menschen zu betrachten. Dabei wird unterschieden zwischen den zu einer Katastrophe führenden natürlichen Auslöseprozessen (Sturm, Hochwasser, Erdbeben), die als Naturgefahren bezeichnet werden, und den Auswirkungen, wenn durch sie der Mensch in seiner Lebensumwelt davon betroffen ist: den Naturrisiken. Dabei müssen wir erkennen, dass alle genannten Gefahrenquellen oftmals so eng miteinander verzahnt sind, dass die ursprünglichen Auslösemechanismen kaum noch mehr erkennbar sind.
Ulrich Ranke
Kapitel 4. Gefahr – Verletzlichkeit – Risiko
Zusammenfassung
Als Naturgefahren werden natürliche Prozesse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche oder ein Tsunami angesehen, die eine potenzielle Bedrohung für Leben und Eigentum der Menschen darstellen. Damit wird deutlich, dass eine Katastrophe aber (noch) nicht eingetreten ist. Erst wenn die Gefahr wirklich zu einem Personen- oder Sachschaden führt, wird von Risiko gesprochen. Ein Risiko ist damit ein mentales Konstrukt. Es beschreibt den Grad der Bedrohung und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens. Während man der Gefahr eines Waldbrands in der Regel „ausgesetzt“ ist, so geht man ein Risiko ein. Der Einzelne unterscheidet dabei, ausgehend von der individuellen Risikowahrnehmung, zwischen seinem subjektiven Risiko und leitet daraus Handlungsoptionen ab. Als Folge davon kommt es in der Regel dazu, dass subjektiv bewertete Risiken überschätzt werden. Um das Ausmaß von Risiken abschätzen zu können, ist die Beantwortung folgender Fragen wichtig: „Was kann passieren“? und „Wie sicher genug ist sicher“?
Ulrich Ranke
Kapitel 5. Naturkatastrophen-Risikomanagement
Zusammenfassung
In der Natur vorkommende Gefahren sind vorgegebene Situationen, die vom Menschen nicht beeinflusst werden können. Einfluss nehmen – managen – kann der Mensch nur auf die dadurch entstehenden Risiken (Schäden). Risikobezogene Managemententscheidungen können aber nur gefällt werden, wenn die Entscheider über einen Kenntnisstand verfügen, der sie in die Lage versetzt, die „richtigen“ Entscheidungen zu fällen. Es ist die Aufgabe von Wissenschaft und Technik, den Entscheidungsebenen solche Expertisen unabhängig und nachvollziehbar zur Verfügung zu stellen. Diese Gremien analysieren die Lage und entwickeln daraus Lösungsmodelle. Aus der Summe der vorliegenden Erkenntnisse müssen dann die Entscheider die gesellschaftlichen Schutzkonzepte entwickeln, deren Umsetzungen aber immer den nationalen und lokalen, materiellen Ressourcen gerecht werden muss. Diese als risk governance bezeichnete Abfolge baut auf drei Säulen auf: Risikobewertung, Risikomanagement und Risikokommunikation („Risiko-Trinität“).
Ulrich Ranke
Kapitel 6. Nationale, supranationale, internationale Organisationen und Mechanismen im Katastrophenrisikomanagement
Zusammenfassung
Durch Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge suchen viele Regierungen nach effektiven Möglichkeiten, die Lebensgrundlagen der Menschen zu schützen und so die Gesellschaften in die Lage zu versetzen, die Auswirkungen von Störungen besser zu absorbieren. Daneben gibt es weltweit eine Vielzahl von Institutionen, Organisationen und Mechanismen, die auf die soziale und menschliche Entwicklung ausgerichtet sind. Doch immer noch wird das Ressourcenmanagement zu sehr nach technischen, naturwissenschaftlichen und (vor allem) wirtschaftlichen Gesichtspunkten definiert. Es wird daher gefordert, die willkürliche Abgrenzung zwischen den beiden Systemen (technisch und sozial/ökologisch) aufzuheben und stattdessen Nachhaltigkeit als systematischen Ansatz zu verstehen. Eine derart gestaltete Risikominderung wird zudem noch zu einem Multiplikatoreffekt führen, der es zu einem integralen Bestandteil der internationalen Bemühungen zur Beseitigung der Armut macht sowie zur Erreichung der „Millenniumsentwicklungsziele“ führen wird.
Ulrich Ranke
Kapitel 7. Verantwortung von Wissenschaft und Forschung für das Risikomanagement von Naturkatastrophen
Zusammenfassung
Aus einer Katastrophe ergeben sich sowohl Vorsorgeaspekte auf der gesellschaftspolitischen als auch auf der wissenschaftlich-technischen Ebene. Eine Gesellschaft muss zunächst „ihr“ Schutzniveau definieren – das heißt sie muss klären, vor welcher Gefahr und in welchem Ausmaß sie geschützt sein möchte. Aufgabe der Wissenschaft ist es zu klären, welche Risiken auftreten können. Der Staat muss dann die Schutzerwartungen der Gesellschaft mit den sozio-ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen sowie den technischen und finanziellen Kapazitäten in Einklang bringen. Auch „gutgemeinte“ Vorsorgemaßnahmen an einer Stelle können an einer anderen zu gesellschaftlicher Ablehnung führen; zudem sind diese noch zeitabhängig. Hierbei ist ein Aushandlungsprozess vorzunehmen, der nur durch Inklusion aller Bevölkerungsgruppen erreicht werden kann. Damit ist aber der Einzelne aufgerufen, seinen Beitrag zur Gefahrenabwehr zu leisten. Es gibt in Deutschland eine Vielzahl an Bestimmungen, die sehr genau die Rolle des Staates sowie die der individuellen Verantwortungen festlegen.
Ulrich Ranke
Kapitel 8. Ausblick
Zusammenfassung
Der Mensch ist seiner Natur nach darauf ausgerichtet, Risiken zu vermeiden (risk avers), ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen und wo immer es geht zu minimieren. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre haben eindrücklich gezeigt, dass dem Schutz von Sachwerten finanzielle, technische und sozio-kulturelle Grenzen gesetzt sind, was nichts anderes heißt, als dass nicht jeder vor jedem Risiko umfassend geschützt werden kann. Der Herausforderung kann nur begegnet werden, wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung kennen und diese auch wahrnehmen – aber auch bereit sind, große Schäden solidarisch zu tragen. Mit dem „ALARP-Prinzip“ hat das Risikomanagement ein wirksames Instrument, mit dem dieser Konflikt im Konsens gelöst werden kann: indem es klärt, was als technisch machbar (possible/achievable) und was als sinnvoll (meaningfull/reasonable) angesehen werden kann.
Ulrich Ranke
Metadaten
Titel
Naturkatastrophen und Risikomanagement
verfasst von
Ulrich Ranke
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-63299-4
Print ISBN
978-3-662-63298-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-63299-4