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2010 | Buch

Platons grotesker Irrtum

und 98 andere Neuronenstürme aus Daily Dueck

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Über dieses Buch

Seit 2005 betreibt der Bestsellerautor Gunter Dueck seine Hompepage www.omnisophie.com. Dort schreibt er alle 14 Tage ein neues "Daily Dueck". Satire, tiefe Philosophie, Ergötzliches und zum Teil hart Krititsches wechseln sich ab. Diese gratis OpenSource Literatur findet täglich einige Anhänger mehr - derzeit zählt die Website deutlich mehr als 5000 angemeldete Stammleser. Der vorliegende Band versammelt die ersten 99 seiner Parerga für Sammler und Liebhaber, die lieber ein Buch in Händen halten möchten. Hochinteressant zu sehen, wie früh Dueck immer wieder vor der Finanzkrise warnte und über Heuschrecken, treudoofe Bestandskunden, Arbeitsstress und Werteverluste witzige oder ätzend scharfe Pointen setzte und für mehr Vertrauen im Arbeitsleben warb. Mal lieb, mal provozierend, oft "aus der Seele gesprochen", manchmal grenzwertig: 99 farbige Neuronenstürme.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
DD1: Frühling in der Luft? (November 2004)

Riechen Sie ihn auch? Den nahenden Frühling?

Die Welt pendelt hin und her und ich habe nachgedacht, was die Welt bewegt. Die Liebe? Der Zustand des deutschen Fußballs? Eher schon der Klingelton des Handys. Da fällt mir ein, dass Anne und Johannes meinem Diensthandy, das ich sehr selten benutze, öfter neue Töne beibringen. Ich weiß nun fast nie, dass

ich

gemeint bin, wenn es klingelt. Ich höre andächtig zu, überlege, was es bedeutet … drehe mich um, wer gemeint ist.

Gunter Dueck
DD2: Spart Intelligenz! (März 2005)

Die PISA-Studien haben ergeben, dass es bald zu wenig Intelligenz in Deutschland gibt, wenn weiterhin die Produktion der Intelligenz in den Schulen so schlecht läuft. Die Produktionsstätten der Intelligenz müssen also dramatisch verbessert werden, wenn der Bedarf in der Zukunft gedeckt werden soll. Wir müssen in Intelligenz und Wissen investieren!

Gunter Dueck
DD3: Erlernte Phantasielosigkeit (April 2005)

Susanne Seffner (

http://www.seffner-personal.de

) verwendete in einer längeren Mail an mich die Worte „erlernte Phantasielosigkeit in der Gegenwart“.

Da saß ich vor dem Computer, zog die Augenbrauen zusammen und stützte meine Hand unter das Kinn, so wie Walter von der Vogelweide auf dem berühmten Bild. „Ich hete in mine hand gesmogen, daz kinne und wine wange.“ Sie wissen schon, so beginnen die wichtigen Gedanken „wie man zer welte solte leben“.

Gunter Dueck
DD4: Beigebrachte Hilflosigkeit (Mai 2005)

Wenn man Menschen barbarisch brutal hilflos macht, dann werden sie nie mehr richtig selbstständig oder frei! Sie haben den Habitus der Hilflosigkeit erlernt. In diesem Zustand wirken Menschen wie Depressive. Sie werden nun angeherrscht, nicht so traurig und apathisch herumzuhängen. Wer aber hat es ihnen denn beigebracht?

Gunter Dueck
DD5: Fahrlässige oder vorsätzliche Seelenverletzung – Psychozid (Juni 2005)

Wer ist verantwortlich? „Mein Kind ist missraten.“ – „Der gute Mitarbeiter hat sich überraschend schlecht entwickelt.“ – „Wir haben über sie gelacht, sie ist so wahnsinnig fett.“ – „Ich betrüge dich schon seit Jahren und du blöder Hund merkst nichts. Jetzt habe ich dich ganz satt.“ – „Ach Kind, du wirst einmal schwer eine Frau finden. Du bist klein.“

Gunter Dueck
DD6: Heuschrecken (Juli 2005)

Der müntige Bürger kennt sich neuerdings mit Heuschrecken aus! Die kommen sonst nur als Plage in Bibelverfilmungen vor, wo sie den Pharao niederzwingen, der ungefähr wie Yul Brunner aussieht. Was aber hat es mit den Heuschrecken an den Kapitalmärkten auf sich? Gar nichts, es ist ein Problem breitester Dummheit.

Gunter Dueck
DD7: Gimpel ziehen singend in den Krieg (Juli 2005)

Welche Menschen sind in Gelddingen die größten Idioten? Um das herauszubekommen, fragte ich einen schneidigen Anlageberater, der Mondgrundstücke und Einwegautoaktienanteile verkaufte: „Sagen Sie einmal, wer nimmt Ihnen das ab?“ Er wusste es: „Gimpel.“

Gunter Dueck
DD8: Kunde, du! Wir sind nicht zufrieden! (August 2005)

Neulich waren wir im Restaurant. Auf der Speisekarte stand Bauernsalat. Ich murmelte vor mich hin, dass ich heute lieber kein Fleisch essen wollte. Da lachten mich die anderen aus und klärten mich auf, dass gar keine Bauern drin wären, es sei nur Salat „nach Art des Bauern“ gemeint. Aha, das habe ich wohl einige Jahrzehnte lang falsch interpretiert. Ich habe noch nie Jäger-, Zigeuner- oder Kinderschnitzel bestellt. Das fand ich ganz abartig.

Gunter Dueck
DD9: Contra-Platonismus (September 2005)

Die Welt blickt in die falsche Richtung. Jedenfalls nicht dahin, wohin Platon zeigt. Nun ist beileibe nicht jeder von uns Platoniker – aber kann es denn gut sein, wenn wir direkt in eine ganz andere Richtung schauen?

Gunter Dueck
DD10: Platons grotesker Irrtum (Oktober 2005)

Die Welt blickt in die falsche Richtung. In das Dunkle von Platons Höhle. Sie orientiert sich an den Schatten, die im fahlen Lichte das ganze Abbild der Menschen und Dinge bilden. Warum drehen sich die Menschen nicht um? Sind sie angekettet? Ach Platon, du irrtest. An der Wurzel der Weltphilosophie ist etwas faul. Und alle Philosophen haben sich angesteckt.

Gunter Dueck
DD11: Declaration of Lights (Oktober 2005)

Licht, sagt man, hat kein Herz. Es zeigt das vorher Verdunkelte nun ganz unvollkommen. Wer aber stark ist, versteht das Licht und weiß dankbar für sich, was zu tun ist. Wer das Licht versteht, muss achten, sein Herz zu behalten.

Gunter Dueck
DD12: Lesen ist unsozial! (November 2005)

„Das Große Einmaleins der Ungerechtigkeit.“ So lautete der Titel eines Handelsblattartikels vom 21.11.2005 (Seite 11). Kinder reicher Deutscher wissen mehr! Ungerecht! Ich las weiter – und mich riss es fast vom Stuhl. Ich wurde wütend und hatte niemanden, den ich hauen konnte. Ohnmacht.

Gunter Dueck
DD13: Radikale Konstruktivität! Wohlwillen! (Dezember 2005)

Der radikale Konstruktivismus ist eine philosophische Richtung, die lehrt, dass wir die Wirklichkeit subjektiv erfinden und nicht etwa objektiv entdecken, wie es sich viele Wissenschaftler einzubilden belieben. Es gibt also vor allem die eigene konstruierte Wirklichkeit. Objektives Erkennen ist gar nicht möglich! Wir sind nämlich Opfer unserer Sinneswahrnehmungen, jeder eines der eigenen. Wir können uns höchstens intersubjektiv darüber verständigen, wie lang ein Meter ist! Und schon das ist schwierig!

Gunter Dueck
DD14: Mein Mord (Januar 2006)

Auf einem Bauernhof werden die Tiere liebevoll großgezogen und geschlachtet. Wir wollen sie ja essen, aber es ist schwer, ein Tier zu ermorden, das einen Namen hat. Anders ist es mit dem Schießen von Spatzen, die das Hühnerfutter wegfressen. Es gab damals im Dorf 10 Pfennig für einen Toten. Das war in meiner Kindheit als Kopfprämie ungeheuer viel Geld. Es reichte am mechanischen Drehautomaten beim Kaufmann Bartels für zwei Stangen Prickel-Pit oder ein Tütchen Salmiakpastillen.

Gunter Dueck
DD15: Business-Pornographie (Februar 2006)

Ist das nicht ein schönes Wort? Das hat jemand ein einziges Mal im Internet zu Managementbüchern gesagt. Ich habe ganz vergessen, wo es steht. Versuchen Sie doch einmal, diese delikate Stelle mit Google zu finden. Ihnen gehen die Augen auf.

Gunter Dueck
DD16: Projektruinen in der Herzblutwüste (Februar 2006)

„Als Kaiser Karl V. Granada besuchte, war er außer sich vor Entzücken. Er beschloss augenblicklich, hier wohnen zu wollen. Da begannen alle mit dem prächtigen Bau, den Sie hier ganz unfertig sehen. Leider hat Karl so viel reisen müssen wie alle tüchtigen Herren noch heute. Und so ist er nie wiedergekommen. Das müssen Sie verstehen.“ – „Ich habe getöpfert, gebatikt und sogar ikebanalisiert. Leider merke ich immer schnell, dass es sofort in Arbeit ausartet. Das liegt daran, dass ich kein Talent habe. Ich bin traurig, weil mir partout nichts zufliegen will. Das ist ungerecht.“

Gunter Dueck
DD17: Keiner will gut drauf sein! (März 2006)

Im Fernsehen! Da war ich das erste Mal. Mein IBM-Arbeitskollege nebenan arbeitete gerade in Dubai, schaltete dort im Hotel die Deutsche Welle ein und sah seinen Schreibtisch in Mannheim – und mich! Wie langweilig! Aber für mich war es aufregend. Besonders das deutsche Wesen drum herum.

Gunter Dueck
DD18: Die Deutsche Abfrage (Juli 2006)

Zu Karfreitag und Ostern blättere ich ruhig in meinen prachtvollen Büchern. Ohne Brille, ganz entspannt. Ich kann aber nicht mehr so gut sehen. Osterspaziergang. Faust!

Gunter Dueck
DD19: Business Dysmorphic Disorder (Mai 2006)

Es gibt eine Krankheit, die man mit BDD abkürzt: Body Dysmorphic Disorder. Menschen, die daran leiden, halten ohne logische Grundlage ihren Körper für defekt. Ihnen gefällt gewissermaßen die eigene Nase nicht. Das macht sie verrückt. Und ich dachte, es gibt vielleicht noch eine Verrücktheit, die noch keiner erkannt hat: Ich nenne sie hier ebenfalls BDD, ich meine damit aber Business Dysmorphic Disorder.

Gunter Dueck
DD20: Muskelsprache des Ich (Mai 2006)

„Dein Gesicht spricht Bände!“, sagen wir, wenn jemand sorgenvoll ausschaut, aber finster behauptet, fröhlich zu sein. Der will nämlich fröhlich aussehen! Aber wir durchschauen das doch. Oder? Oh, gerade lächelt mir mein Chef zu. Es bedeutet – ja, was?

Gunter Dueck
DD21: Denkstimmen für den Protest ohne Radikalismuszwang! (Juli 2006)

Denkstimmen! Das war wieder so eine Schnapsidee von mir. Bei IBM dürfen wir nämlich auch negative Stimmen abgeben. Da dachte ich – das könnte auch für unsere Demokratie eine gute Idee sein, einmal friedlich solide zu protestieren, anstatt immer gleich radikal werden zu müssen.

Gunter Dueck
DD22: Leichtes Leben mit Zwei Plus! (August 2006)

Wer gut rechnen kann, ist viel schneller als andere und macht weniger Fehler. Wussten Sie das? Wer gut schreiben kann, formuliert viel schneller und begeht kaum Orthografie-Sünden. Schüler, die gut sind, brauchen viel weniger Zeit für gute Hausaufgaben als solche, die sich fürchten müssen. Warum gibt es also Leute, die noch Zeit für schlechte Leistungen haben?

Gunter Dueck
DD23: Das Panopticon (August 2006)

„Big Brother is watching you!” Orwell 1984. Es geht um den Schrecken der Überwachung. Orwell hatte keinen richtigen Sinn für Effizienz. Wer hat denn so viel Zeit zum Zuschauen?

Gunter Dueck
DD24: Overdemanding Underachiever (Oktober 2006)

Als ich völlig zufällig dieses Wortpaar beim Googlen fand, fiel mir so etwas wie ein Groschen (darf man das noch sagen?). Overdemand: immer fordern. Underachieve: wenig zustande bringen. Das passt gut zusammen, oder?

Gunter Dueck
DD25: Wegelagerer im Hotelzimmer (Oktober 2006)

Unten an der Rezeption regeln sie, ob der Veranstaltertarif oder der von IBM günstiger ist. Selbst wenn der IBM-Tarif höher ist, sollte ich eventuell lieber auch etwas mehr zahlen, weil ich bei der Abrechnung hinterher schwören muss, die als billigst angenommene IBM-Rate bezahlt zu haben. Sonst gibt es einen Ausnahmegenehmigungsprozess, der viel mehr als die Differenz kostet. 90 Euro soll meine Rate sein. Oben im Zimmer steht ganz bestimmt der offizielle Zimmerpreis, vielleicht 450 Euro. Wehe, wenn sich spät am Abend hierhin jemand ins Hotel verirrt – ganz ohne IBM-Ausweis. Dem werden sie wohl das schreckliche Preisschild zeigen. „Kann ich bitte einen Abdruck Ihrer Kreditkarte haben, damit sie nicht ohne Bezahlung abhauen können?“

Gunter Dueck
DD26: Keine Richter, nur Henker (Oktober 2006)

Ethik fragt nach dem, was wir als Individuum oder Gemeinschaftsmensch tun sollen. Die Vorschrift oder der Code of Conduct befiehlt, was wir tun müssen. Wir fühlen in letzter Zeit oft, dass wir müssen, was wir nicht sollten. Wir haben nicht verstanden, dass wir nicht mehr nur uns selbst, Gott und der Gemeinschaft verpflichtet sind, sondern auch …ja, wem? Der Effizienz.

Gunter Dueck
DD27: Die Abtötung des Handlungsreisenden (November 2006)

„Das einzigste, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, dass ich ein Verlierer bin.“ Das schrieb der Amokschütze dieser Woche, der sich durch seine Tat in das Hirn derer brennen wollte, die ihn das alles lehrten. Er schoss sich in den Mund.

Gunter Dueck
DD28: Praesentomania: You too can do! (Dezember 2006)

See me, feel me, touch me, heal me …

Gunter Dueck
DD29: Wer sich Zeit nicht nimmt, braucht sie nimmermehr (Dezember 2006)

Besinnlich sollen die Weihnachtstage sein, friedlich und froh. Stille, von Heiligkeit durchdrungene Stille wünschen wir uns. Wie aber sollen wir all die viele Ruhe hinbekommen? Das ist der Stress pur!

Gunter Dueck
DD30: Du Ziegelstein (Januar 2007)

Wenn Menschen neben mir zusammengeschlagen werden, muss ich unter dem Risiko eigener Gefährdung helfend beispringen. Das weiß ich. Deshalb versuche ich, nie dort zu sein, wo so etwas geschieht. Wenn aber Menschen neben mir erzogen werden? Muss ich dann wegschauen? Neulich war ich schrecklich feige, aber eine Heldentat hätte auch nichts genützt.

Gunter Dueck
DD31: „Sie sind Q negativ!“ Alle abnormal! Alle krank! (Januar 2007)

Die Gesellschaft will uns als rechteckige Ziegelsteine in der Mauer formen. Wir sollen alle gleich aussehen, wie „Quads“ oder Quader. Leider sind wir nicht gleich. Deshalb muss Zwang angewendet werden. Wir werden neuerdings wissenschaftlich untersucht, ob wir gleich sind.

Gunter Dueck
DD32: „Vertraue mir oder ich hau dich um!“ (Februar 2007)

Diesen Satz habe ich vor einiger Zeit gehört. Ich krauste damals die Stirn und fand die Botschaft befremdend. Neulich aber war in einem großen Unternehmen davon die Rede, dass sich alle Mitarbeiter – verdammt noch mal – legal einwandfrei benehmen sollten, denn davon hänge das Vertrauen ins Unternehmen ab. Was denken die denn alle, dachte ich, was Vertrauen ist?

Gunter Dueck
DD33: Barfuß zur SZ – das Zeichen des Aufschwungs (Februar 2007)

Früher hatten wir einen Briefkasten unten am Haus. Da war ich noch jung. Jeden Morgen öffnete ich vorsichtig die Tür, nahm wie ein Reh die Witterung auf, horchte in Waldhilsbach hinein – und stürmte schnell im Schlafanzug hinunter, ich raste zum Briefkasten und stibitzte blitzschnell die beiden Zeitungen, die Rhein-Neckar-Zeitung und die Süddeutsche, die ich schon seit meinem 17. Lebensjahr abonniert habe – ich lese sie jeden Morgen genau und hoffe, sie rezensieren einmal Ankhaba.

Gunter Dueck
DD34: Gold Ass – der treudoofe Bestandskunde (Mai 2007)

„Sagen Sie, wieso bekommen Neukunden bei Ihnen bessere Angebote?“ – „Wir werben sie an und müssen sie gut behandeln, bis sie Bestandskunden sind, also treu.“ – „Sagen Sie, warum muss ich erst jahrelang unbestimmt als Praktikant bei Ihnen kostenlos arbeiten?“ – „Sie bekommen von uns Hoffnung. Solange bleiben Sie hier. Danach ersetzen wir Sie durch einen Hoffnungslosen.“

Gunter Dueck
DD35: 1 Kranker + 1 Kranker = 3 Gesunde? Über Synergieverlust (März 2007)

Synergie bedeutet Zusammenwirken. Ökonomen sagen, durch Zusammenfügen entstehe ein Synergiegewinn. Sie wollen folglich Fusionen. Aber Zusammenfügen bedeutet noch nicht Zusammenwirken. Das kostet unendlich viel Mühe. Wer das nicht versteht, sollte keine Verantwortung für ein Ganzes tragen.

Gunter Dueck
DD36: Mitarbeiter wie gehütete Flöhe (März 2007)

Flöhe springen sehr hoch! Wer viele hat, verliert sie. Denn sie springen weg. „Schwer wie einen Sack Flöhe hüten“ nennt man das fast Unmögliche. Wie Flöhe sind wir als Kinder – kaum zu bändigen. Aber im Alter muss man uns wieder auf die Sprünge helfen, oder?

Gunter Dueck
DD37: Die Osteridee – verraten Sie sie? (April 2007)

Sie erschien eines Tages über dem Kaffeeautomaten – es mochte gegen Ostern gewesen sein. Über dem wohligen Dampfe einiger Kaffeetassen und Pappbecher bildete sie sich ganz undeutlich über den Köpfen der hitzig Diskutierenden: Es war die Idee. Sie hatten eine Idee, wie sie die Firma retten könnten, wie sie ihr zur Auferstehung verhelfen würden. Die Idee erwärmte sie wie der Kaffee. Die Stimmen schwirrten. „Man könnte, man sollte, man müsste, dann wäre und hätte man.“

Gunter Dueck
DD38: Life Alienation Syndrome (April 2007)

„Ich arbeite gerne am Sonntag. Da habe ich Ruhe. Leider mobbt mich meine Familie. Sie sagen, es gäbe noch ein Leben neben der Arbeit. Das mag sein. Aber ich finde nicht, dass sie mir die Arbeit versauern dürfen, die schon schwer genug ist. Das Gemecker meiner Familie am Wochenende führt tendenziell zu einer schlechteren Arbeitsleistung und gefährdet unsere Existenz.“

Gunter Dueck
DD39: Siegen wollen! Aber nicht siegen müssen! (Mai 2007)

Das Fußball-Magazin RUND interviewte mich für die Ausgabe vom 23. Mai 2007. Es ging auch darum, warum Schalke nicht Meister werden kann und Bayern dieses Jahr nicht Meister wird. Da antwortete ich spontan mit „Wollen ohne Müssen“. Das wusste ich vorher gar nicht so genau. Es hatte ja keiner gefragt.

Gunter Dueck
DD40: Baby Innovation (Mai 2007)

„Was ist das, Innovation, Kurt?“ – „Wieso, Hedwig?“ – „Hier steht, sie haben ein Erkältungseis erfunden. Es ist blau gefroren, schmeckt aber frostsicher und soll die lockere Zunge lösen.“ – „Das ist wirklich eine Innovation, Hedwig, etwas Neues.“ – „Wir sollten auch mal was Neues anfangen.“ – „Denkst du an eine neue Stellung?“ – „Nein, ich wünsche mir ein Baby.“

Gunter Dueck
DD41: Scheubletten für Überschwarze! (Mai 2007)

Jeder ist der eigene Innenminister. Er muss in sich Ordnung schaffen. Dabei hilft unsere Regierung mit, so gut sie kann. So richtig unterstützen kann sie uns aber erst, wenn sie uns datenmäßig genau kennt, unsere Fingerabdrücke und Gerüche gespeichert hat und in unsere terroristischen Pläne eingeweiht ist. Wie man hört, experimentiert die Verwaltung mit einem neuen Selbstregulierungsverfahren.

Gunter Dueck
DD42: Wer kein Vertrauen hat, arbeitet nicht gut! (Juni 2007)

Nur wer das Problem ganz und gar versteht, kann es exzellent zu aller Zufriedenheit lösen. Wer aber kennt das Problem überhaupt? Zuerst muss ihm ja das Problem anvertraut werden. Dazu muss ihm vertraut werden. Wem nicht vertraut wird, der kann das Problem nicht gut kennen. Er wird es nicht wirklich lösen. Zur Exzellenz ist Vertrauen nötig. Haben Sie das?

Gunter Dueck
DD43: Die Exekutionssucht (Juni 2007)

„Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“ Das klingt zu hart, nicht wahr? Heute wird dieses Wort aus dem Matthäus-Evangelium auf Unternehmen angewendet, die sich emsig alle Arme und Beine ausreißen, um in den Himmel zu kommen. Problem: „Mein Mann hat eine Bronchitis!“ – Lösung: „Lass dich scheiden!“

Gunter Dueck
DD44: Vertrauen – die Formel (August 2007)

Im „must read“ Buch

The Trusted Advisor

schlagen David Maister, Charles Green und Robert Galford eine Formel für Vertrauenswürdigkeit vor.

Gunter Dueck
DD45: Haben Sie das Recht zum Rat? (August 2007)

„Warum lüftest du nicht am Morgen? Wie oft habe ich es gesagt! Hallo? Hörst du mich? Bin ich Luft? Du ignorierst mich, ja? Ich mache das Fenster auf. Du machst es gleich wieder zu, wenn ich rausgehe, oder? Darf ich dir noch einen Rat geben, welche Socken du anziehen solltest? Warum schaust du immer so leidend? Früher warst du wenigstens aufbrausend. Du wirst schlapp.“

Gunter Dueck
DD46: Sag lieber nix! (August 2007)

„Der Überbringer der schlechten Nachricht wird getötet. Deshalb sag ich nichts. Wer kritisiert, kommt um. Wer etwas von sich preisgibt, wird ausgenutzt. Wer hilft, wird hineingezogen. Ich bleibe stumm, alle müssen ihr Unglück selbst erkennen, ich warne niemanden.“

Gunter Dueck
DD47: Vertrauenserwerb (September 2007)

Die meisten wollen Vertrauen geschenkt. Wehe nicht! „Er vertraut mir nicht, das merke ich mir.“ Sind Sie aber vertrauenswürdig? Was tun Sie dafür, Vertrauen zu erwerben?

Gunter Dueck
DD48: Virtuelle Streiks in Second Life? (August 2007)

Irgendwer kam letzte Woche mit der Idee, im Second-Life-Raum zu streiken. „Wir können es nicht wagen, gegen die Kürzungspläne unserer Firma offen aufzutreten. Wir streiken jetzt virtuell!“ Mein erster Gedanke war: „Das werden sie wahrscheinlich tun, es wird eine soziale Revolution.“ Mein zweiter natürlich: „Schande über uns, wenn es so kommt.“

Gunter Dueck
DD49: Pflegeroboter und Technologielüge (Oktober 2007)

Einsparungen kommen zuletzt immer dem Menschen zugute! Das ist die Grundlüge unserer Zeit. Sie lässt sich schwer entlarven. Vielleicht kann ich am Beispiel des Krankenpflegeroboters Ihre automatischen Gedanken ein wenig umbetten und waschen?

Gunter Dueck
DD50: „Zeitschriften auf Papier?“ (Oktober 2007)

„Auf Papier? Ja, sicher – der Mensch will aus biologischen Gründen immer lesen wollen und nicht in die Glotze schauen! Das ist erwiesen.“ So beruhigen sich die mit Zeitschriften und Büchern befassten Unternehmen. Kongresse darüber finden heute extra zu dieser besagten Großen Rhetorischen Frage statt und bejahen sie stramm und tapfer. Ich habe bei so einem Kongress Leute erschreckt, glaube ich. Papier stirbt nämlich.

Gunter Dueck
DD51: Role Overload – zu viele Hüte auf! (Oktober 2007)

War das eine gute alte Zeit, als jeder noch seine Aufgabe hatte! Heute aber haben wir ganz viele

Rollen

, wie man so sagt. Jede dieser Rollen könnte ein Full-Time-Job sein, aber wir haben nur ein einziges Leben. Wie zerteilen wir uns also?

Gunter Dueck
DD52: Role Underload – würdigen Sie Menschen! (Oktober 2007)

Viele unter uns haben keine richtige Rolle gefunden, sie werden für Aushilfsarbeiten herumgeschubst und ganz sicher nicht gewürdigt oder beachtet. In ihnen stürmt es. „Wozu bin ich da?“

Gunter Dueck
DD53: Employee-Value: Mein gefühlter psychologischer Arbeitskontrakt (Dezember 2007)

„Helfen will ich! Nicht Apparatemedizin.“ – „Sie haben mir gesagt, ich bekäme weniger Gehalt als woanders, dafür wäre ich unkündbar und bekäme Rente. Alles Makulatur?“ Wir alle haben in unserer Seele etwas gefühlt, als wir einen Beruf ergriffen oder eine Arbeitsstelle antraten. Das will ich hier den impliziten psychologischen Kontrakt nennen, den wir eingingen. Den kündigen uns gerade die Systeme und bieten uns keinen neuen an.

Gunter Dueck
DD54: Projektizismus und Unwirksamkeit (Oktober 2007)

„Wir haben insgesamt über 100 Projekte, die eine Verhaltensveränderung in unserer Organisation zum Ziel haben und einen tief greifenden Kulturwandel einleiten.“ So beginnt das Desaster jedes Mal. Die Projekte werden durchgeführt und bleiben wirkungslos, eben weil sie einzelne Projekte sind. Kultur aber ist nicht die Summe von Projekten. Manchmal geht meine Trauer in Zorn über. Hilft auch nichts. Die Leute, die Kulturen verändern, müssten wissen, was Kultur ist.

Gunter Dueck
DD55: Betriebliche Universalansprache zum Jahresbeginn (Oktober 2007)

Eine gefällige Rede soll ich halten – allerdings ist die Lage total schlecht. Die Stimmung ist so mies, dass direkte Vorwürfe nur auf Achselzucken treffen. Ich will auch gar nichts konkret gegen die Miststände tun, das schaffe ich allein nicht mehr weg. Ich will nur reden. Das ist meist die halbe Miete. Für das Überleben eines Unternehmens reicht Reden aus. Was aber sage ich nur? Möglichst nichts Inhaltliches, weil ich daran gemessen werden könnte. Ich messe andere – ja, das ist meine Macht! Aber ich selbst bin zu schlau, verantwortlich zu sein.

Gunter Dueck
DD56: Der Inquisitor und der Manager (Januar 2008)

Der Großinquisitor sagte zum Manager, der beim Foltern eines Gefangenen erschauerte: „Solange die Angeklagten noch schreien, gibt es Potential. Wenn sie erst einmal schweigen, gestehen sie nichts mehr. Dann ist das Spiel für beide Seiten unglücklich gelaufen.“ Schrille Angst erfüllte die Gruft, ein Quetschen war zu hören.

Gunter Dueck
DD57: Über Konferenzpausen (Januar 2008)

„Ich darf Sie ganz herzlich zu unserer Konferenz begrüßen. Es ist alles auf das Beste vorbereitet. Wir haben uns viel vorgenommen. Ein dichtgepacktes Programm erwartet uns. Wir haben jetzt leider durch das Kaffeetrinken am Anfang schon 15 Minuten Puffer eingebüßt. Wir sind etwas lax gewesen, weil wir ja wissen, wie wichtig die Pausen bei einer Tagung sind, besonders für Sie als Konferenzteilnehmer. Sie wollen ja auch Netzwerke während dieser Veranstaltung bilden. Das verstehen wir gut. Wir müssen jetzt aber wirklich mit der Konferenz beginnen.

Gunter Dueck
DD58: Die Rede sind Sie (Februar 2008)

Konferenzbesucher müssen so viele Reden erdulden. Viele Werbebotschaften, Wahlgewinnendes, Flaches, langweilige Firmenvorstellungen und auch ganz unverständlich Technisches. Zuhören aber ist Pflicht, weil der Konferenzbesuch so teuer war. In uns weht die Sehnsucht nach jemandem, der etwas zu sagen hat, und wie!

Gunter Dueck
DD59: Chemie des Dankes (Februar 2008)

Dank ist (so der Duden) ein Ausdruck der Anerkennung und des Verpflichtetseins für etwas, was man bekam. Undank ist Nichtanerkennung. Von dem einen gibt es zu wenig, vom andern zu viel. Und dann ist es noch eine Kunst, richtig zu danken. Das geht nicht irgendwie! Bitte – es gibt eine Chemie des Dankes!

Gunter Dueck
DD60: Versager bringen satten Profit (Februar 2008)

„Das verstehe ich nicht! Bei unserer Sparkasse haben wir neue Leistungsgehälter vereinbart. Wir hatten aber leider ein rabenschwarzes Jahr. Mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter haben ihre Ziele verfehlt. Jetzt erfahren wir, dass die Vorstände satte Gehaltserhöhungen bekommen haben. Wie geht das? Alle versagen – und die da oben bedienen sich trotzdem?“ Ich hörte zu und seufzte. Keiner hat Ahnung von Finanzen!

Gunter Dueck
DD61: Verpuffen Sie bei schlechter Energieeffizienz? (März 2008)

Bei Elektrogeräten verpufft die meiste Energie irgendwie als Wärme – viel zu viel! Es gibt zu viele Reibungsverluste. Das scheint mir bei der Arbeit auch so zu sein. Alle schauen nur wie bei Glühbirnen, wie hell wir leuchten, aber nicht, wie viel Strom wir kriegen.

Gunter Dueck
DD62: Zeile beherrscht Spalte und dominiert das Denken (April 2008)

Im Leben zählt meist nicht nur eines, oft auch ein anderes. Wir versuchen dann, zweidimensional zu denken, was wir nicht wirklich können. Wir stellen unsere Gedanken hilfsweise in einer Tabelle dar. Und jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis: Das Wichtige schreiben Sie irgendwie immer in die Zeilen. Und deshalb irren Sie so oft. Zweidimensionales Denken ist wirklich in höherer Dimension, nicht erst Zeile, dann Spalte. Huuh, das ist zu theoretisch, ich weiß.

Gunter Dueck
DD63: Viagrata – die Ethikpille (März 2008)

Jetzt kursieren Berichte um Bemühungen, unser Hirn zu verbessern. Die neue Bewegung heißt Neuro-Enhancement oder Cognitive Enhancement. Viele nehmen schon Constant-Focus-Pills, damit sie immer dasselbe gut können, ohne abgelenkt zu werden. Noch Viagra dazu und das Galeerensklaven-Diplom ist ein Klacks?

Gunter Dueck
DD64: Menschenbewertungen, das perfekte Dinner und das Subjekt Inferior (Mai 2008)

Im Fernsehen gibt es jetzt Kochsendungen – auf allen Kanälen. Damit sich normale Deutsche überhaupt so etwas ansehen mögen, muss nach jedem Menü immer festgestellt werden, wie gut gekocht wurde. Wir müssen ja beckmessern, wer am besten war, oder? Es gibt bis zu zehn Punkte! „Ich mag wegen Schneckenphobie nur Dosengemüse, deshalb null Punkte für den ekelhaft frischen Salat.“ Was wird da eigentlich bewertet?

Gunter Dueck
DD65: Das Schweigen ist Schrei! (Mai 2008)

„Cum tacent clamant.“ Übersetzt: Ihr Schweigen ist wie Schreien, wie eine Anklage. Dieser berühmte Satz ist von Cicero. Es gibt heute eine Menge Schweigen. Das ist mehr wie Verzweiflung, aus Angst nicht anders als schweigen zu können. Oder das, wovon die Rede ist, liegt so fern, dass nur noch geschwiegen werden kann. Die aber reden, wissen das lieber nicht.

Gunter Dueck
DD66: Der perfekte Mensch in der TV-Vorstellung (Mai 2008)

Meist haben wir kaum mehr Zeit, als schnell etwas auf der Straße zu essen. Dafür schauen wir uns am Abend Kochsendungen an, die die eigentliche Kultur ersetzen. Das ist ein fabelhaftes Modell für überhaupt alles! Als Nächstes sollten wir Fitness-Sendungen haben, weil wir ja doch die Zehnerkarte für das Fitness-Studio nicht einlösen können.

Gunter Dueck
DD67: Banken verbaseln alles (Juni 2008)

Die so genannten Basel-II-Regeln verlangen von Banken, dass sie die Risiken vermeiden und managen. Tatsächlich aber werden die Risiken erhöht. Das sehen wir ja jetzt. Die Banken haben das Geld nicht sorgsam gehütet, sondern verbaselt. Wie geht das? Ich versuche, Ihnen eine Idee von Risikomanagement zu geben.

Gunter Dueck
DD68: Der Zorn des Deutschen darf Jammer nur sein (Juni 2008)

Der Deutsche jammert, was man ihm vorwirft. Er greint ständig herum und schweigt wie das Lamm zum Schlachten vor den gewetzten Augen der Autorität. Warum aber jammert er nur und wird nie wirklich laut? Ich spüre: Dieser Jammer ist hinweg erzogener Zorn. Der zornige Wille trifft auf introjizierten Überwillen: „Halt deine Klappe, du deutscher Kleinmensch.“

Gunter Dueck
DD69: Kunde und Überkunde (Juli 2008)

Wissen Sie, was ein Übermensch ist? Nietzsche hat ihn bejubelt. Shaw aber zeigt in seiner Komödie

Mensch und Übermensch

(

Man and Superman

) völlig realistisch auf, dass eigentlich die Frau den Mann indirekt beherrscht. Mann und Übermann – die Frau übermannt. Darüber lachen wir alle herzlich, weil es ja nicht in jedem Einzelfall stimmt. Derweil inszenieren die Unternehmen eine analoge Tragikomödie mit dem Titel

Der Kunde ist König

. Es wird dabei verschwiegen oder übersehen, dass es den Überkunden gibt. Diesem gehüteten Geheimnis gehen wir jetzt auf den Grund.

Gunter Dueck
DD70: Der Betriebsrat gibt dem Boss den Bonus (Juli 2008)

Vom Überkunden – dem Aufsichtsrat und von den Shareholdern schrieb ich jüngst, und war damit gar erschröcklich für die Leser, die keinen Ausweg mehr sahen. „Stellen Sie die Welt nicht so nackt und nüchtern dar, wenn sie nicht zu ändern ist. Dann wollen wir sie gar nicht sehen.“ Sind Sie nicht kreativ genug? Müssen Sie die Lösung immer vorgesetzt bekommen? Und wenn ich dann eine vorschlage, wollen Sie die ja auch nicht. Also hören Sie: Die Mitarbeiter zahlen dem Boss einen Bonus, wenn er gut managt.

Gunter Dueck
DD71: Die deutsche Zerrissenheit, der deutsche Doppelbrave und ein Sturm auf die klassische Erziehung (August 2008)

Eine zu frühe Erziehung zur Pflicht zerreißt den Menschen später – so behaupte ich. Wir prägen das Kind, bevor es verstehen kann. Dann geben wir ihm dasselbe noch einmal zu verstehen. Folglich ist es jetzt doppelt erzogen mit denselben Werten. Wehe aber, wenn sich das zu Verstehende später ändert – dann ist das Geprägte noch da und rebelliert. Wenn es stimmt, was ich vermute, vermurksen wir gerade die braven Kinder bei der Erziehung ganz schön. Gerade die, die nicht erzogen werden müssten. Die braven Deutschen, die dann zerrissen sind, gehemmt und ängstlich.

Gunter Dueck
DD72: Mist, nur Silber! (August 2008)

Siegen wollen! Nicht siegen müssen! Nach den Sternen greifen, nicht Karriere machen! Den Oscar gewinnen, nicht Nominierungen anstreben! Verrückt geworden – warum denn gleich so hoch hinaus? Wer ganz oben sein will, muss etwas erschaffen. Für Silber reicht nachmachen. Deshalb sage ich: Gold ist so unendlich viel schöner anzustreben als Silber, selbst wenn Sie nie eine Medaille erreichen. Auf Goldkurs sein ist das Schöne an sich.

Gunter Dueck
DD73: Konstruktion von Prozessleichen und das Fehlen von Blut und Atem (September 2008)

Die so genannten Prozesse, Reorganisationen und Rahmenrichtlinien werden wie im frankensteinschen Labor konstruiert. Die Manager und Politiker konstruieren eine schöne Leiche und stellen sie dann unter die Mitarbeiter oder mitten ins Volk. Das soll dem Monster den Atem einhauchen.

Gunter Dueck
DD74: Was ist noch neu? (September 2008)

Sie haben eine neue Idee, eine Erfindung oder den genialen wissenschaftlichen Einfall? Dann googeln Sie erst einmal, ob es das schon gibt. Meistens irgendwie schon, aber nicht genauso. Es bleibt das schale Gefühl, nichts ist richtig neu. Die Leute lügen ja auch und behaupten, was sie irgendwann zu wissen glauben. Wer blickt da noch durch?

Gunter Dueck
DD75: Dr. med. Simpel ohne jede Praxis (Oktober 2008)

In den USA gibt es schon die Minuteclinic. Wir gehen demnächst zum Doktor im Tengelmann. Der hat im Wesentlichen nur den Rezeptblock dabei und nimmt Bargeld. „You’re sick. We’re quick.“ Es gibt gerade ein Sonderangebot – Zeckenbilligimpfung. Es sticht mich, das für diesen Preis machen zu lassen.

Gunter Dueck
DD76: Durch Mega-Rechenfehler zur Kreditkrise? (Oktober 2008)

„Wir haben uns verrechnet.“ So sagen sie doch alle, wenn sie sich verzockt haben? Ich aber werde die Vermutung nicht los, dass sie sich wirklich und wahrhaftig verrechnet haben. Ich habe auch eine Vorstellung, worin der Fehler bestehen könnte. Wenn ich Recht habe, bleibt mir aber ein bisschen der Atem stehen. Dann sind wir von Milchmädchen umgeben.

Gunter Dueck
DD77: „Papa, kann eine Bank ethisch sein?“ (November 2008)

Warum sind denn so viele Unternehmen in die Wirren verwickelt, die den Finanzmarkt erschüttern und das Jahr 2008 in die Nähe von 1929 rücken? Wir haben zuerst nur geglaubt, es seien einzelne schwarze Schafe. Dann aber gingen uns die Augen über. Hey, Leute, Sie verstehen die Mathematik von Gut und Böse nicht! Es ist gar nicht so einfach, gut zu sein. Es kann sogar umbringen.

Gunter Dueck
DD78: Der Wohlstand und das dritte Lotka-Volterra-Gesetz (Dezember 2008)

Es gibt ein Gesetz aus der Biologie, das eine Aussage über die Zeit nach Katastrophen macht. Oder auch eine für Finanzkrisen? Wenn alles daniederliegt, scheinen sich die Guten schneller wieder zu erholen als die Bösen? Könnte das so sein?

Gunter Dueck
DD79: Vom Wert des Versprechens (Dezember 2008)

In Aktienkursen steckt oft viel Hoffnung, manchmal gar Glaube oder ganz heiße Luft – zu anderen Zeiten Misstrauen oder tiefe Depression. Das Reale bedeutet fast nichts. Es ist fast schon von gestern. Es kommt nicht darauf an, was ist. Der Wert eines Etwas bemisst sich danach, was man sich von ihm verspricht. Und so könnten wir nebenbei auch gleich forsch fragen: „Was verspricht man sich von Ihnen?“

Gunter Dueck
DD80: Liebe ist wichtig, aber wo kommt sie her? (Dezember 2008)

Oft muss ich ein bisschen weinen. Ich hatte gepredigt, dass Vertrauen und Liebe so wichtig wären, auch Ehre und Dankbarkeit. Dann sagen so viele JA! JA! JA! Und klagen sofort laut, dass es von all dem so wenig gäbe, vor allem für sie selbst nicht. Ach ja, das meinte ich nicht. Ich wollte nicht feststellen, dass ein Mangel herrscht, sondern aufrufen, ihn zu beheben.

Gunter Dueck
DD81: Im Wahnsinn würde alles enden, wenn wir nicht so wahnsinnig hofften (Januar 2009)

Was bringt das neue Jahr 2009? Eine Rezession, neue Finanzskandale. Aber wir sind vergleichsweise heiteren oder mindestens gelassenen Mutes. Es gibt noch genug Hoffnung.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man. Noch im wirklichen Tode tröstet sie uns. Sie sitzt an unserem Sterbebett und streicht uns das Haar, während der hagere Zwillingsbruder, die Angst, stumm an den Nägeln kaut.

Gunter Dueck
DD82: Schwärmende Intelligenz in Gruppen (Januar 2009)

Für den Fall, dass es in einer Gruppe keinen Chef gibt, soll eine Gruppe als Ganzes angeblich mehr wissen als ein Einzelner. Das ist wohl eine Schwarmintelligenz. Die hilft gut, wenn kein Einzelner wirklich Ahnung hat, aber statistisch im Mittel die richtige Ahnung entsteht, indem sich die einzelnen Denkfehler insgesamt ausgleichen. Es kann eine „gesunde Volksmeinung“ herauskommen. Im Vertrauen auf dieses Phänomen des Ausgleichs zum Guten setzen sich oft Gruppen in völliger Ahnungslosigkeit zusammen. Unvorbereitet natürlich, aber mit festen Vorstellungen.

Gunter Dueck
DD83: Heartstormings statt Brainstormings! (Februar 2009)

Leider muss ich so viele Brainstorming-Meetings miterleben. Es ist grauenvoll. Kreativität ist nämlich harte Arbeit bei sehnendem Herz! Und eben nicht so etwas Eigenartiges, was wir da normalerweise in größeren Gruppen anstellen. Das haben uns Psychologen und Managementberater eingebrockt, die mit der Moderation von solchen Selbsthilfegruppensitzungen schön Geld verdienen, ohne je selbst eine Idee haben zu müssen. Sie berechnen all den Unsinn, der uns selbst einfällt. An den glauben wir ja eher – ja, ich verstehe diesen Punkt auch.

Gunter Dueck
DD84: Green Programming! (Februar 2009)

Der Strom, den die Computer verbrauchen, kostet bald oder jetzt schon mehr, als sie beim Kauf kosten. Über den Kaufpreis jammern alle, aber die Energie für den Rechner fließt nur so unbemerkt davon. Die Green-IT-Bewegung hat uns in den letzten ein, zwei Jahren wachgerüttelt. Ich habe in der vorigen Woche mit einem der ersten Sturmglockenläuter diskutiert, dem WiWo-Redakteur Thomas Kuhn. Und da fiel mir ein, dass wir die Energie vielleicht noch ganz woanders verschwenden: beim schlechten Schreiben von Programmen.

Gunter Dueck
DD85: Der IQL ist wichtig, nicht der IQ! (März 2009)

Alle reden vom IQ, AQ, EQ – was weiß ich. Damit lässt sich in etwa feststellen, was jemand kann oder besser: könnte. Was aber wirklich zählt, ist der IQL, der Internal Quality Level. Der zeigt an, wie gut man für sich selbst etwas machen muss, damit man zufrieden ist. Und noch wichtiger ist es, wie jemand mit seinem IQL mental über die Zeit umgeht. Aber das Licht der Aufmerksamkeit liegt immer auf dem IQ, was ich ziemlich unterbelichtet finde.

Gunter Dueck
DD86: Brainstorming mit diversem IQL (März 2009)

Was passiert, wenn Menschen mit unterschiedlichem IQL (Internal Quality Level) zusammensitzen und über eine bessere Zukunft nachdenken? Es kommt fast zwangsläufig etwas Unsinniges heraus. Damit das auch ganz sicher so kommt, setzt man absichtlich verschiedene Menschen zu Brainstormings zusammen.

Gunter Dueck
DD87: Spoiled by Rewards: Qualität oder „Achievement“? (März 2009)

Ordentlich und gut arbeiten oder vor allem schnell? Verschiedene Zeiten haben ihre Prioritäten. „Schnell? Ja, gut, aber bitte perfekt!“, hieß es früher. Und heute: „Hauptsache schnell und viel, so dass die Zahlen stimmen. Was nicht moniert wird, ist gut genug.“ Der rechtschaffene und meisterstolze Mensch in uns will gute Arbeit abliefern. Punkt. Der Homo Oeconomicus in uns will viel erreichen und verdienen. Es gibt noch andere Personen in uns – aber bei der Arbeit treffen sich oft diese zwei. Welche dominiert in Ihnen?

Gunter Dueck
DD88: Die Arroganz der Routiniers gegen uns Neulinge (April 2009)

Wir feiern ja gerade Ostern und ich stelle mir vor, ein Fremder aus einer fernen Kultur ist bei uns zu Gast. Wir stehen vom Osterbrunch auf und schauen ihn erwartungsfroh an: „Nun suche!“ Er wird fragen: „Was denn?“ – „Na, Eier!“ Er blickt auf den Tisch, wo noch gefärbte Schalen liegen. Er versteht nicht, was von ihm erwartet wird. Und wir brüllen ihn wütend an: „Suche endlich! Wir haben extra welche für dich versteckt! Überall!“ Da schaut er rätselhaft verzweifelt um sich und ist verletzt. Es tut ihm weh. Wir aber finden, er nervt uns mit seinem abgrundtiefen verwerflichen Unwissen. Was will er denn überhaupt Ostern bei uns? Sollen wir ihm jetzt etwa die ganze Geschichte des Christentums inkl. der kirchenamtlichen Hasenkunde erklären?

Gunter Dueck
DD89: Wendungen über Glauben und Bratkartoffeln (April 2009)

„Dieser Kaktus blüht nur im April. Man darf ihn nicht anrühren, nicht drehen – nichts! Einfach warten, bis sich die handtellergroße Blüte entfaltet und zu duften beginnt. Einen Tag lang will ich sie bewundern und ihren Anblick genießen. Ich habe der ganzen Familie eingeschärft, den Kaktus nicht anzurühren. Ich habe sie davor gewarnt, die Putzfrau heranzulassen, die heute kommen sollte. Als ich nach Hause komme, haben sie Fenster geputzt und die Pflanzen weggestellt. Jetzt blüht er nicht mehr.“ Und er weinte bitterlich. Ich beruhigte ihn, das sei mit Bratkartoffeln auch so.

Gunter Dueck
DD90: Blockierte Unternehmen (Mai 2009)

Ein Leser bat mich einmal, das Buch

Lebenslust

von Manfred Lütz zu lesen – das würde mir gefallen. Es ist im Prinzip keine gute Idee, mir das Lesen von Büchern zu empfehlen, weil ich sooo viel Rat diesbezüglich bekomme, dass ich praktisch immer peinliche Ausreden vorbereiten muss – verstehen Sie meine Lage? Außerdem lese ich nicht gerne Bücher, die meine Meinung bestätigen. Es sollte mich doch erweitern!

Gunter Dueck
DD91: Utopiesyndrome überall (Mai 2009)

Das Wort Utopiesyndrom habe ich bei Watzlawick als Kapitelüberschrift im Buch

Lösungen

gefunden. Es geht um das Anstreben von unerreichbaren Zielen, deren Aufstellen derzeit fast gängige Praxis ist. „Wir wollen Nummer 1 werden.“ – „Wir werden gestärkt aus der Krise hervorgehen, indem wir von ihr enorm profitieren.“ Und im privaten Sektor gibt es Formen wie diese: „Ich bin finster entschlossen, ein absolut sinnvolles Leben zu führen.“ – „Ich will immer schön sein.“ – „Wir wollen die ideale Liebe leben.“ – „Meine Kirche ist die wahre.“

Gunter Dueck
DD92: Wie erzeuge ich Schizophrenie? (Mai 2009)

Psychische Störungen werden ja meistens ziemlich spät diagnostiziert – wenn sie schon stark nerven. Dann überlegen alle, wie es dazu kommen konnte. Wenn sich diese Frage nicht gut beantworten lässt, muss es an einem genetischen Defekt liegen, für den niemand verantwortlich ist. Dass Störungen fast planmäßig erzeugt werden können, will niemand hören. Dabei geht es doch in der Vorstellung ganz gut, oder? Wie erzeugen wir zum Beispiel Schizophrenie?

Gunter Dueck
DD93: Missbrauch der BILD-Zeitung als Kernintellekt Deutschlands (Juni 2009)

Auf der ersten Seite der SZ hieß es neulich fast wörtlich (Namen von mir unterdrückt): „Partei und Kanzlerkandidat wollen den Streit in der Öffentlichkeit um die eventuelle Pleite des Konzerns XY nicht weiterführen, weil er der eigenen Partei geschadet hat. Nach Umfragen haben sowohl Partei als auch Kandidat in der Wählergunst verloren.“ Das ist schon fast die so genannte Lean-Brain-Politik, oder? Man wirft etwas auf den Stammtisch und schaut, ob es absäuft oder nicht!

Gunter Dueck
DD94: Innovation durch einen Prozess – geht das? (Juli 2009)

Innovationen bringen angeblich das große Geld. Hinter dem sind natürlich alle her. Innovation wird oft mit Goldsuchen verglichen. Goldsucher graben, schürfen und sieben in Flussbetten. Ihr Zustand wird meist mit dem Wort fieberhaft beschreiben. Sie warten auf das große Glück. Die Idee modernen Managements ist es nun, dieses Glück in einer systematischen Art und Weise durch einen Brezelback-Geschäftsprozess zu erzeugen. Ich fürchte, genau diese Idee verhindert Innovation.

Gunter Dueck
DD95: Was im Unternehmen für Innovation zusammenpassen muss (August 2009)

Die tollsten Innovationen scheitern, weil irgendetwas nicht passt, nicht will oder auf Bedenken stößt. Es liegt daran, dass die bestehenden Strukturen nicht zur Innovation passen und sie aufhalten. Man sagt: „Systeme zeigen eine Immunreaktion auf Innovationen.“ Die wird fast immer unterschätzt. Es scheitert an der Umfeld-Kultur und den Strukturen, gar nicht so sehr am Geld.

Gunter Dueck
DD96: „Ich zahle den Schaden selbst, ich bin systemirrelevant“ (August 2009)

Einem Alleinverdiener mit einem hohen Gehalt wird von Versicherungen dringend geraten, zu Gunsten der ganzen Familie eine Versicherung abzuschließen. Die Wahrscheinlichkeit eines völligen Bankrotts ist zwar so hoch wie bei allen anderen Verdienern auch, aber der Schaden für andere ist hier immens. Wenn der Alleinverdiener stirbt, kann es ihm eigentlich egal sein. Darf ihm das egal sein?

Gunter Dueck
DD97: Strukturloses Träumen der Innovatoren (August 2009)

Die meisten guten Ideen fallen schon an der nächsten Straßenecke erschreckt zusammen und sinken dahin. Die meisten Ideen brauchen ein weiter als gedachtes Umfeld, um zu gedeihen. Die Erfinder sind in der Mehrzahl blind dafür und denken sich, die Umgebung entstehe von allein.

Gunter Dueck
DD98: Der Profit der Anerkennung und mein Hass auf Hobby-Statistiker (September 2009)

Mitarbeiter klagen fast unisono über mangelnde Anerkennung für ihre Arbeit. Es gibt nur noch Geld, und das auch nur unwillig. Warum lobt uns keiner? Das würde nichts kosten. Aber die Manager schweigen fast eisern. Der Management-Guru Reinhard Sprenger rief auf, Mitarbeiter für Verdienste zu würdigen, aber eine wissenschaftliche Studie widerspricht ihm diametral und „zeigt“, dass sich Anerkennung für Unternehmen nicht auszahlt. Ich habe fast eine Stunde vor mich her geschimpft, nachdem ich das alles im Handelsblatt las.

Gunter Dueck
DD99: Elite verpflichtet – sie muss unten sein (September 2009)

Wer das Privileg genießt, in unserem Staate wirklich gut gebildet, ausgebildet und großartig erzogen zu werden, der hat die Pflicht, sich wieder unter die zu gesellen, die auf nicht so günstige Lebensumstände trafen, und ihnen zu helfen und sie zum Wohle aller zu führen. So lehrte es uns Platon in

Der Staat.

Heute, am 27. September 2009, gehen wir eine neue Regierung wählen. Mir ist etwas bange.

Gunter Dueck
Metadaten
Titel
Platons grotesker Irrtum
verfasst von
Gunter Dueck
Copyright-Jahr
2010
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-04607-0
Print ISBN
978-3-642-04606-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-04607-0

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