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2007 | Buch

Reform autoritärer Herrschaft in Nordafrika

Verfassungs- und Wahlrechtsreformen in Algerien, Tunesien und Marokko zwischen 1988 und 2004

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Über dieses Buch

Die vorliegende Schrift bildet die überarbeitete und aktualisierte Version meiner Dissertation, die ich am 7. Juli 2004 an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der R- recht-Karls-Universität Heidelberg eingereicht habe. Die Studie markiert das Ende einer b- nahe zehnjährigen Beschäftigung mit der politischen Entwicklung in den autoritären Regimen im Nahen Osten und Nordafrika. Mein Forschungsprojekt wäre ohne die umfassende Hilfe von verschiedener Seite nicht möglich gewesen. Besonderer Dank gebührt meinem Lehrer Dieter Nohlen. Meine Beschäftigung mit dem politischen Wandel in Nordafrika unter der gewählten Fragestellung geht wesentlich auf seine Anregung zurück. Die hervorragende D- kussionsatmosphäre im Kolloquium am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg hat das Projekt zugleich entscheidend voran gebracht. Dank geht auch an meine Zweitgutachterin Sigrid Faath (DOI) für ihre Bereitschaft, weite Teile der Arbeit mehrmals mit mir zu diskutieren. Ihre Schriften und unser regelmäßiger Austausch haben mein heutiges Verständnis von der Politik im Maghreb wesentlich mitgeprägt. Die vorliegende Studie hat von verschiedener Seite großzügige Unterstützung erfahren. Zu erwähnen ist an erster Stelle die Förderung durch das Hochschulsonderprogramm III des Auswärtigen Amts und der Freien und Hansestadt Hamburg, in dessen Rahmen ich in den Jahren 1999-2000 am Deutschen Orient-Institut in Hamburg forschen konnte. Hier geht mein besonderer Dank an Udo Steinbach, Hanspeter Mattes, Kai Hafez und Silvia Bücke für ihre umfassende und wohlwollende Unterstützung. In den Jahren 2001-2002 wurde mein Projekt im Rahmen der Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg gefördert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
De. Einleitung
Auszug
Am Ausgangspunkt der vorliegenden Studie stand die Feststellung, dass die Staatsführungen in Algerien, Tunesien und Marokko seit dem Ende der 1980er Jahre eine Vielzahl von Verfassungs- und Wahlrechtsreformen vorgenommen haben. Dabei fielen die offenkundigen Parallelen ins Auge, die zwischen den drei Staaten in Bezug auf die zeitliche Häufung und die Stoßrichtung der vorgenommenen Reformen bestanden. Es lag nahe, diese Veränderungen mit der tief greifenden,sozial, wirtschaftlich und politisch bedingten „Krise des Autoritarismus“ ((Faath 1995a: 17; vgl. dies. 2003b) in Verbindung zu bringen,in die die Staatsführungen in Algerien, Tunesien und Marokko in den 1980er Jahren geraten waren. Im weiteren Forschungsprozess wurden die Verfassungs- und Wahlrechtsreformen daher als Teil einer umfassenden Reformstrategie gewertet, mittels derer die bestehenden autoritären Systeme in den drei Maghreb-Staaten stabilisiert werden sollten.Es schien vor allem ergiebig danach zu fragen, ob die Staatsführungen die institutionellen Modifikationen seit dem Ende der 1980er Jahre mit Blick auf einzelne identifizierbare Reformziele vorgenommen hatten. Aus der Dynamik dieser Reformziele, so die Hypothese, sollten sich die Abfolge, die innere Logik und die Ausprägung der institutionellen Reformen erklären lassen. Um diesen Zusammenhang zu erhellen, unternimmt die vorliegende Studie im Kern einen deskriptiv-analytischen Vergleich der Verfassungs- und Wahlrechtsentwicklung in Algerien, Tunesien und Marokko seit dem Ende der 1980er Jahre.
1. Verfassungsreformen und Wahlrechtsreformen als Instrumente der Reform autoritärer Herrschaft
Auszug
Unter der „Reform autoritärer Herrschaft“ verstehen wir den zielgerichteten Wandel eines autoritaren Systems, den die jeweilige politische Führung über eine Palette von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veranderungen zu betreiben sucht. Im Unterschied zu Transitionsprozessen, die den Übergang von einem autoritaren Regime hin zur Demokratie bezeichnen, ist es für die hier untersuchten Reformprozesse definitorisch, dass der autoritäre System-charakter erhalten bleibt. Die Reform wird überhaupt erst mit dem Ziel eingeleitet, das jeweilige politische System zu stabilisieren und so den autoritären Regimecharakter zu bewahren. Schmitter brachte diesen Zusammenhang mit Blick auf die begrenzten Liberalisierungen in mehreren arabischen Staaten seit den 1980er Jahren wie folgt auf den Punkt:
2. Verfassungsreformen als Instrument der Reform autoritärer Herrschaft in Algerien, Tunesien und Marokko (1988–2002)
Auszug
In Kapitel 1.5 wurde auf die Bedeutung hingewiesen, die dem Verfassungswandel als Instrument der Reform autoritarer Herrschaft zukommt. Wie gesehen, dienen Verfassungsreformen in diesem Prozess dazu, das Legitimationsmuster sowie die formalen Strukturmuster autoritärer Herrschaft zu erneuern. Ihnen kommt darüber hinaus wesentliche Bedeutung dabei zu, die Beziehungsmuster zwischen Machthabern und Machtunterworfenen auf eine neue Grundlage zu stellen und die soziale und politische Basis autoritärer Herrschaft zu erweitern. Im folgenden Kapitel 2 gilt es zunachst, fur Algerien, Tunesien und Marokko im Uberblick die Entwicklung der Verfassungsreformen seit dem Ende der 1980er Jahre nachzuzeichnen. Im Kapitel 2.2 werden für jeden einzelnen der drei Maghreb-Staaten zentrale Verfassungsaspekte nachgeprüft, die in Kapitel 1.5 als wahrscheinliche Reformschwerpunkte im Zuge der Reform autoritärer Herrschaft erkannt wurden. Es handelt sich dabei um die begrenzte Aufwertung des Parlaments, die „autoritäre Ausgestaltung“ des Parteienpluralismus, die begrenzte Aufwertung der Regierung beziehungsweise des Regierungschefs innerhalb der Exekutive, ferner um die Einrichtung von zweiten Parlamentskammern und schließlich um die „Bestätigung der Kompetenzen“ des Staatsoberhaupts.
3. Wahlrechtsreformen als Instrument der Reform autoritärer Herrschaft in Algerien, Tunesien und Marokko (1988–2004)
Auszug
In Kapitel 1.6 wurde ausfuhrlich auf die Bedeutung eingegangen, die Wahlrechtsreformen im Zuge der Reform autoritarer Herrschaft zukommt. Modifikationen des Wahlrechts tangieren in diesem Kontext unmittelbar die verschiedenen Dimensionen autoritarer Herrschaft. Sie sind unerlässlich, um das Legitimationsmuster und das formale Strukturmuster autoritärer Herrschaft zu erneuern. Wahlrechtsreformen sind darüber hinaus von besonderer Bedeutung, um die Beziehungsmuster zwischen Machthabern und Machtunterworfenen auf eine neue Grundlage zu stellen und die soziale und politische Basis autoritärer Herrschaft zu erweitern. Die unmittelbare Notwendigkeit von Wahlrechtsmodifikationen ergibt sich in erster Linie aus dem Bedeutungswandel, den Wahlen im Reformprozess durchlaufen. Wahlen behalten zwar im Zuge dieser Entwicklung systembedingt ihren semikompetitiven Charakter; zugleich tragen sie jedoch im Reformprozess stärker als zuvor zur Errichtung einer „demokratischen Fassade“ bei, insbesondere zur „symbolischen“ Pluralisierung des politischen Lebens. Wahlen bilden überdies ein zentrales Instrument zur funktionalen Ausdifferenzierung des Gesamtsystems und damit zur Integration von politischen und sozialen Gruppen in das autoritäre System. Dabei müssen Wahlen jedoch jederzeit in ihrem Verlauf und ihren politischen Auswirkungen für die Staatsfuhrungen kontrollierbar bleiben.
Backmatter
Metadaten
Titel
Reform autoritärer Herrschaft in Nordafrika
verfasst von
Dirk Axtmann
Copyright-Jahr
2007
Verlag
DUV
Electronic ISBN
978-3-8350-9165-8
Print ISBN
978-3-8350-6073-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9165-8