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2024 | Buch

Regulierung, Governance und Medienethik in der digitalen Gesellschaft

herausgegeben von: Marlis Prinzing, Josef Seethaler, Mark Eisenegger, Patrik Ettinger

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Mediensymposium

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Über dieses Buch

Unsere stark von netzbasierten und global verflochtenen Machtstrukturen geprägten Gesellschaften offenbaren angesichts globaler Herausforderungen und Krisen (u.a. menschengemachter Klimawandel; Corona-Pandemie; Big Data und Überwachung) ungelöste Fragen zu Ethik und Regulierung der öffentlichen Kommunikation, zu deren Klärung die Kommunikations- und Medienwissenschaft einiges beitragen kann. Die Pandemie beispielsweise ist unter anderem eine kommunikative Herausforderung, an der sich die prägende Bedeutung eines ethischen Kompasses für die Orientierung und Qualität von Journalismus erweist. Für demokratische Gesellschaften bleibt der öffentliche Diskurs zwar konstitutiv, aber zugleich gewinnt die Fähigkeit, mit Dissonanz und Streit umzugehen, immer mehr an Bedeutung. Die Beiträge des Bands befassen sich mit Theoriebildung und Normsetzung, Regulierungs- und Governancestrukturen, Regulierungsinhalten und Regulierungsherausforderungen, sowie mit Überlegungen zu einer Neujustierung der Kommunikations- und Medienethik.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Alte Normen, neue Formen: Hin zu einer zukunftstauglichen Medien-Governance
Zusammenfassung
„Kamera an!“ Wer (auch) digital unterrichtet, weiß, wie mühsam Studierende zu bewegen sind, ihre Kamera einzuschalten. Eigentlich schwer verständlich in einer Welt, in der (nicht nur) die Generation Z, der die 14- bis 29-jährigen zugerechnet werden, viel Privates ganz selbstverständlich über Instagram teilt und in der sogar eine biometrische Überwachung mittels Gesichtserkennung allgegenwärtig ist. Über so etwas regen sich Menschen manchmal noch auf – etwa, wenn die Polizei ein Pilotprojekt für Verhaltensüberwachung am Bahnhof Berlin-Südkreuz durchführt oder wenn Privatunternehmen Bilderdatenbanken wie PimEye und Clearview AI betreiben.
Marlis Prinzing
Erratum zu: Plattform-Regulierung als Herausforderung: Probleme und Fallstricke auf dem Weg zu einem europäischen Mehr-Ebenen-Regulierungssystem für den digitalen Medien- und Kommunikationsmarkt
Otfried Jarren

Theoriebildung und Normsetzung

Frontmatter
Werte als Maßstab der liberal-demokratischen Öffentlichkeit
Zusammenfassung
Das Internet wurde einst euphorisch begrüßt. Erhofft wurde vor allem eine Verbesserung demokratischer Prozesse. Mittlerweile herrscht jedoch große Ernüchterung, denn das Versprechen, das mit dem enormen technischen Potenzial einhergeht, konnte nur zu einem geringen Teil eingelöst werden. Hingegen sind die Schattenseiten von Partizipation und Automation, den beiden zentralen Potenzialen, in den letzten Jahren deutlicher geworden. Dass der digitale Wandel der Öffentlichkeit gesellschaftlichen Erwartungen nicht ge-recht wird, davon zeugen nicht nur viele Krisendiagnosen (z. B. Benkler/Faris/Roberts 2018, Bennett/Livingston 2018, Entman/Usher 2018, Chadwick 2018, Dahlgren 2018), sondern auch zahlreiche öffentliche Appelle, Werte im Internet zu verwirklichen (z. B. Contract for the Web 2019, Declaration for the Future of the Internet 2022, Hillje 2019, United Nations 2019) und Grundrechte durchzusetzen (z. B. Schirach 2021, Zeit-Stiftung 2018).
Christoph Neuberger

Regulierungs- und Governancestrukturen

Frontmatter
Don’t look back in anger – eine Reflexion zum NRW-Lokalfunkmodell angesichts aktueller, digitaler Herausforderungen und Konzepte
Zusammenfassung
In Zeiten der Covid-19-Pandemie waren bzw. sind Informationen über die bestehenden Regelungen und Fragen zu ihrer Umsetzung gerade für die Nahwelt, also der unmittelbaren eigenen Umgebung, von entscheidender Bedeutung. In der Nahwelt werden Informationen über Öffnungszeiten (etwa von Apotheken), die Beratungsangebote der Behörden sowie die Möglichkeiten von Impfungen benötigt. Dieses gestiegene Informationsbedürfnis ist der Impuls, im vorliegenden Beitrag nach dem Zustand der lokalen Öffentlichkeit zu fragen und verschiedene Regulierungsmodelle sowie Programmstrategien von Lokalradios einander gegenüberzustellen.
Jörg-Uwe Nieland
Öffentlich-rechtliche Medien und digitale Plattformen
Zusammenfassung
Öffentlich finanzierter und öffentlich kontrollierter Rundfunk, der mit einem öffentlichen Auftrag ausgestattet ist, steht aus vielerlei Perspektiven in der Kritik. Eine Antwort aus dem wissenschaftlichen Diskurs, die in die Praxis der Medienpolitik eingegangen ist, ist der public value – der gesellschaftliche Wert der Institution des öffentlichen Rundfunks, der seine Legitimität begründen soll. Was jedoch als public value anerkannt werden soll, ist nicht nur ein Feld gesellschaftlicher und medienpolitischer Auseinandersetzungen, sondern ist auch – angesichts sich rapide wandelnder Bedingungen im Mediensystem – einem Wandel unterworfen bzw. muss sich dynamisch den sich wandelnden Bedingungen anpassen. Welche Auswirkungen die kommunikationstechnischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf die Entwicklung von PSM („Public Service Media“) haben werden und wie es gelingen kann, eine unverwechselbare Medienqualität zu erreichen, die den öffentlichen Auftrag effizient, kreativ und innovativ erfüllt, sind drängende Fragen.
Barbara Thomaß
Digitale Öffentlichkeit und Medienpolitik: Von Media Governance zu Mediation Governance
Zusammenfassung
Die öffentliche Vermittlung von Kommunikation in der Gesellschaft hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert. Neben die traditionellen Massenmedien sind mit Plattformen wie Suchmaschinen, sozialen Netzwerken oder Video-Sharing-Diensten neue Intermediäre getreten. Anders als Medien beschäftigen sich Plattformen nicht mit der Produktion und Distribution eigener publizistischer Inhalte, sondern sie bündeln und verbreiten Inhalte, die von professionellen Medienorganisationen, aber auch von Einzelpersonen, politischen Akteuren oder Unternehmen erstellt wurden. Plattformen sind auf zwei- oder mehrseitigen Märkten tätig und bringen Kund·innengruppen mit komplementären Bedürfnissen zusammen.
Manuel Puppis
Meinungsmacht unter der Lupe: Ein Ansatz für eine vielfaltssichernde, holistische Plattformregulierung
Zusammenfassung
Die Medienregulierung in Deutschland und in anderen Demokratien ist seit Jahrzehnten mit der Leitidee der Vielfalt verbunden (vgl. bspw. Council of Europe 2007), da Vielfalt für die demokratische Willens- und Entscheidungsfindung als unerlässlich gilt (Napoli, 1999). Idealtypisch liefern Medien, im Zusammenspiel mit weiteren Maßstäben öffentlicher Kommunikation wie Informations- und Diskursqualität (Neuberger, 2018: 19–21), vielfältige Informationen und Perspektiven zu relevanten Themen, auf deren Grundlage sich Bürger:innen vielfältig informieren und eine eigene, fundierte Meinung bilden sollen. Hier deutet sich bereits an, dass es unterschiedliche Arten von Vielfalt gibt – und dementsprechend unterschiedliche medienregulatorische Wege, diese sicherzustellen.
Pascal Schneiders, Daniel Stegmann, Birgit Stark, Lisa Zieringer, Carsten Reinemann
Von der Selbstregulierung zur Risikoprävention: Der Digital Services Act als wirksames Bollwerk gegen Desinformation?
Zusammenfassung
Am 1. November 2022 trat der Digital Services Act (DSA) teilweise in Kraft (European Commission, 2022). Er soll – so Art. 1 Abs. 1 DSA – für digitale Plattformen ein „sicheres, vorsehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ schaffen „in dem die in der Charta verankerten Grundrechte wirksam geschützt sind“. Der DSA gilt als „Quantensprung in der Plattformregulierung“ (Denga, 2021: 594).
Tobias Gostomzyk, Victor Meckenstock
Plattform-Regulierung als Herausforderung europäischen Mehr-Ebenen-Regulierungssystem für den digitalen Medien- und Kommunikationsmarkt
Zusammenfassung
Government hat die erste Phase des Umgangs mit digitalen Plattformen in Deutschland bestimmt. Und Government bleibt nötig, um den Plattformisierungsprozess im öffentlichen Interesse zu gestalten. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) war der deutsche Staat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern früh gestalterisch aktiv. Aber zugleich waren die mit dem NetzDG verbundenen Zielsetzungen in Anbetracht der Folgen des Plattformisierungsprozesses höchst bescheiden und die konkreten Massnahmen dieses Gesetzes beschränkt: Durchsetzung elementarer strafrechtlicher Anforderungen zur Bekämpfung von Hasskriminalität und eines entsprechenden Contentmanagement-Systems bei grossen Plattformen.
Otfried Jarren

Regulierungsinhalte und Regulierungsherausforderungen

Frontmatter
Plurales Publikum oder homogene Interpretations-gemeinschaft? Ist die Analyse der passiven Rezipierendenqualität ein Kriterium für eine Medienregulierung?
Zusammenfassung
Massenmediale Angebote nehmen trotz zunehmender Möglichkeiten von personalisierten und/oder auf Algorithmen basierenden Informationsumgebungen (Fletcher et al., 2020) eine zentrale Position als Intermediär (Jarren & Fischer, 2021) zwischen der Bevölkerung und der Politik (Hölig et al., 2021) ein. Im Zuge der Ausdifferenzierung politischer Informationsangebote wird über die potenziellen Gefahren einer politischen Polarisierung im Mediensektor diskutiert. Ihre Relevanz finden diese Untersuchungen vor dem Hintergrund der als öffentlichkeitstheoretisches Bedrohungsszenario beschriebenen Zersplitterung des öffentlichen Raumes in sich nicht zur Kenntnis nehmende Teilöffentlichkeiten (McQuail, 1997).
Olaf Jandura, Yannik Maihoff
Governance durch Social Bots? Das Potenzial von automatisierten Accounts als Governance-Instrument in digitalen Kommunikationsumgebungen
Zusammenfassung
Digitale Kommunikationsumgebungen wie soziale Netzwerke und Messengerdienste bieten vielfältige Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Themen und Ansichten und zur Teilhabe an gesellschaftlich und politisch relevanten öffentlichen Diskursen. Sie tragen gleichzeitig aber auch zu „tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandlungsprozessen“ (Knüpfer et al., 2020: 83) und zur Entstehung dissonanter Öffentlichkeitskonstellationen bei, die mit einer Reihe von potenziellen Risiken und Herausforderungen für die private und öffentliche Meinungsbildung einhergehen (Stark et al., 2020). Die über diese Kanäle verbreiteten Ansichten und Informationen sind häufig ungeprüft, fehlerbehaftet und nicht unabhängig.
Stefano Pedrazzi
Selbstregulierung auf dem „Marktplatz der Ideen“: Eine Diskursanalyse der US-amerikanischen Plattformpolitik am Beispiel Twitter
Zusammenfassung
Mitte April 2018 erschien der Gründer und CEO von Facebook, Mark Zuckerberg, erstmals persönlich vor dem US-Kongress und stellte sich den Fragen des Senats und des Repräsentantenhauses. Erstmals – tatsächlich hatte Zuckerberg bis dahin allein seine Anwält*innen und Lobbyist*innen geschickt, wenn Gespräche oder Anhörungen auf dem Capitol Hill anstanden. Bezeichnend für die Brisanz der Situation ist allein dieser Auftritt, mag man also sagen, und während beachtlich viele Nachrichtensender im Breaking News-Format berichteten, empörte sich auf der Empore des Senats ein Dutzend Demonstrant*innen mit Perücke und Flagge als russische Trolle verkleidet kameragerecht gegen Zuckerberg und sein Unternehmen: sie hätten im Wahlkampf 2016 viel zu wenig unternommen gegen Fake News oder Hetze und zu allem Überfluss noch einem Hypertargeting durch die Datenfirma Cambridge Analytica Tür und Tor geöffnet.
Lars Rinsdorf, Klaus Kamps
Der Diskurs zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf deutschen IT-Blogs und in bundesweiten Tageszeitungen
Zusammenfassung
Dieser Aufsatz untersucht den Diskurs zur Regulierung digitaler Öffentlichkeit in Deutschland in verschiedenen Medienumgebungen anhand der Analyse digitaler Textkorpora und unter der Anwendung statistischer Methoden. Den Kern der Betrachtung stellt die Diskussion um die Regulierung von Hatespeech und Redefreiheit im Netz dar, die aufgrund der Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) in Deutschland entbrannt ist. Die Untersuchung dieses Diskurses erlaubt es uns, wichtige Aufschlüsse über die Art und Weise zu gewinnen, in der die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen technischer Entwicklungen innerhalb derzeitiger medialer Öffentlichkeiten verhandelt werden.
Jens Pohlmann, Adrien Barbaresi, Peter Leinen

Kommunikations- und Medienethik reloaded

Frontmatter
Problematische Traditionsbestände: Welche Anpassungen fordert der digitale Kulturwandel dem journalistischen Berufsethos ab?
Zusammenfassung
So das Vorwort zu einer „Einführung in neue Formen des Qualitätsjournalismus“. Ähnlich wie hier wird in Kommunikationswissenschaft und Journalistik oft nach den Folgen gefragt, die digitale Produktions- und Distributionstechnologien für Darstellungsformen und Recherchemethoden oder andere Aspekte der journalistischen Praxis haben (können). Im Folgenden versuche ich etwas tiefer zu bohren, indem ich Herausforderungen anschaue, die sich für das traditionelle Selbstverständnis und Arbeitsethos des Journalistenberufs aus dem tiefgreifenden Kulturwandel ergeben, den der digitale Medienumbruch ausgelöst hat.
Horst Pöttker
Werte oder Geld? Ökonomisierung vs. Verantwortung in Journalismus, Medien und Plattformen
Zusammenfassung
Werte oder Geld, das muss, so kann argumentiert werden, kein Gegensatz sein. Schließlich repräsentiert Geld einen in allen Gesellschaftsformationen enormen, zumeist dominierenden Wert (vgl. zu den Variationen der Bedeutung von Geld Kellermann, 2017). Vom Wert des Geldes zu sprechen ist weniger eine Metapher über die Menge an Geld in einer Gesellschaft als vielmehr eine Aussage über die Bedeutung, die dem Geld gesellschaftlich wie individuell zugeschrieben wird.
Klaus-Dieter Altmeppen
Ethik in Echtzeit: Herausforderungen für die Terrorberichterstattung unter digitalen Vorzeichen am Beispiel von #wienterror
Zusammenfassung
Am 2. November 2020 ereignete sich in Wien ein terroristisches Attentat, bei dem vier Menschen getötet und mehr als 20 Menschen verletzt wurden. Schon unmittelbar nach dem Attentat kursierten im Internet Bilder und Videos, auf denen Ausschnitte des Tatverlaufs zu sehen waren – unter anderem der Attentäter, fliehende Menschen, Opfer des Angriffs, tödliche Schüsse und Festnahmen von Verdächtigen. Dieses Material wurde im Lauf der Terrornacht nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern auch auf Portalen einiger redaktioneller Medien wie oe24.tv und krone.at gezeigt. Die Veröffentlichungen sorgten für empörte Reaktionen und führten zu Diskussionen über Standards in der Berichterstattung über Terrorismus und über Sanktionen für unangemessenen Sensationsjournalismus. Der auf sozialen Medien verwendete Hashtag #wienterror bündelt eine kaum zu überblickende Vielzahl dieser Wortmeldungen und lässt sich damit rückblickend als Chiffre für eine medienethische Debatte zur Verantwortung des Journalismus lesen, die nicht nur in Österreich einen langen Nachhall fand.
Florian Saurwein, Tobias Eberwein, Matthias Karmasin
Metadaten
Titel
Regulierung, Governance und Medienethik in der digitalen Gesellschaft
herausgegeben von
Marlis Prinzing
Josef Seethaler
Mark Eisenegger
Patrik Ettinger
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-42478-7
Print ISBN
978-3-658-42477-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42478-7